S 5 AS 394/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 394/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 12.01.2010 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 17.03.2010 und vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2010 sowie in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 06.04.2010, vom 30.04.2010, vom 31.05.2010, vom 07.07.2010 und vom 11.08.2010 verurteilt, den Klägern im Zeitraum von Februar bis Juli 2010 Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe des Gesetzes unter Zugrundelegung einer angemessenen Nettokaltmiete in Höhe von 344,50 EUR zu bewilligen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger dem Grunde nach. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der den Klägern zu bewilligenden monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum von Februar bis Juli 2010 umstritten.

Die Kläger beziehen (nachdem sie bereits im Jahr 2005 im Leistungsbezug standen) seit Februar 2009 - mit Ausnahme der Monate Juni und Juli 2009 - Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II). Die Klägerin zu 1) ist erwerbstätig und bezieht ein monatliches Nettoeinkommen zwischen 950,- EUR und 1.250,- EUR. Die Wohnfläche der von den Klägern bewohnten Wohnung beträgt 64,5 qm. Bis einschließlich Oktober 2009 legte die Beklagte die tatsächliche monatliche Kaltmiete in Höhe von 395,- EUR - bei gesamten Kosten der Unterkunft in Höhe von 560,- EUR (70,- EUR Nebenkosten und 95,- EUR Heizkosten) - der Berechnung der den Klägern zustehenden SGB II-Leistungen zugrunde.

Bereits mit Schreiben vom 27.03.2009 und 16.04.2009 wies die Beklagte die Kläger darauf hin, dass die bestehenden Unterkunftskosten nicht angemessen seien, und forderte die Kläger auf, die Kosten der Unterkunft zu senken. Mit Schreiben vom 12.08.2009 teilten die Kläger mit, dass ihr Vermieter zu einer Absenkung der Miete nicht bereit sei. Ein Wohnungswechsel käme nicht in Betracht, da sie die entsprechenden Kosten nicht tragen könnten. Zudem seien sie erst zum Januar 2009 in die neue Wohnung gezogen und hätten dabei erhebliche Kosten bei der Herrichtung der Wohnung gehabt. Ab dem 01.11.2009 berücksichtigte die Beklagte im Rahmen der Leistungsbewilligung nur noch eine Kaltmiete in Höhe von 318,- EUR.

Auf den Fortbewilligungsantrag vom 04.01.2010 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 12.01.2010 den Klägern für den Zeitraum vom 01.02.2010 bis 31.07.2010 Leistungen in Höhe von monatlich 366,46 EUR. Dabei legte sie bei der Leistungsberechnung angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 483,- EUR (d.h. 318,- EUR für Kaltmiete, 70,- EUR für Nebenkosten und 95,- EUR für Heizkosten) zugrunde. Zudem setzte sie bei der Klägerin zu 1) ein Netto-Erwerbseinkommen in Höhe von 1.050,- EUR an.

Zur Begründung ihres Widerspruchs vom 11.02.2010 führten die Kläger aus, dass zum einen bei der Berechnung der angemessenen Kosten der Unterkunft eine Wohnfläche von 65 qm zugrunde zu legen sei und zum anderen die nicht erfolgte Bewilligung der Differenz in Höhe von 77,- EUR nicht mit den Zielen des SGB II, hier dem Anreiz zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit, zu vereinbaren sei, da der der Klägerin zu 1) zustehende Erwerbstätigenfreibetrag faktisch für die Begleichung der nicht gewährten Kosten der Unterkunft verwendet werde.

Mit Änderungsbescheid vom 17.03.2010 passte die Beklagte den Leistungsanspruch der Kläger für den Monat Februar 2010 an das tatsächliche Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1) an, ohne dass die der Berechnung zugrunde gelegten Kosten der Unterkunft und Heizung geändert wurden.

Mit Änderungsbescheid vom 18.03.2010 erfolgte eine Erhöhung der bewilligten Kaltmiete auf 328,60 EUR. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2010 zurück. Bei zwei haushaltsangehörigen Personen sei mittlerweile eine Wohnfläche von 62 qm als angemessen zu betrachten. Dieses ergäbe sich aus den anzuwendenden aktuellen Wohnraumförderungsbestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen. Demnach sei der SGB II-Leistungsberechnung eine angemessene Kaltmiete in Höhe von 328,60 EUR zugrunde zu legen.

Mit Änderungsbescheid vom 06.04.2010 passte die Beklagte den Leistungsanspruch der Kläger für den Monat März 2010 an das tatsächliche Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1) an, ohne dass die der Berechnung zugrunde gelegten Kosten der Unterkunft und Heizung geändert wurden.

Am 09.04.2010 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, dass die Beklagte zur Ermittlung der angemessenen Wohnfläche eine Rechtsgrundlage herangezogen habe, die nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht einschlägig sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien nicht die Wohnraumförderungsbestimmungen, sondern die Wohnraumnutzungsbestimmungen zugrunde zu legen. Da diese bei zwei haushaltsangehörigen Personen eine Wohnfläche von 65 qm vorsehen, sei diese auch als angemessene Wohnfläche anzusehen. Darüber hinaus sei zu beachten, dass die Kläger aufgrund des Erwerbseinkommens der Klägerin zu 1) ihren Bedarf hinsichtlich der Regelleistungen vollständig und hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung zum Teil decken können, so dass - ausgehend von dem tatsächlichen Betrag von 395,- EUR für die Kaltmiete - nur ein Betrag nicht gedeckt werden kann, der unterhalb der angemessenen Kosten der Unterkunft liegt. Demnach sei die tatsächliche Kaltmiete zu berücksichtigen. Ansonsten müsste der Erwerbstätigenfreibetrag für diese Differenz zwischen angemessener und tatsächlicher Kaltmiete beansprucht werden, welches nicht vom Gesetzgeber intendiert sei.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 12.10.2010 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18.03.2010, dieser in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2010, aufzuheben und den Klägern Kosten der Unterkunft für die Gesamtwohnfläche von 64,5 qm in voller Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im bisherigen Verfahren, insbesondere halte sie an der Rechtsauffassung fest, dass eine Wohnfläche von 62 qm angemessen sei.

Mit Änderungsbescheiden vom 30.04.2010, vom 31.05.2010, vom 07.07.2010 und vom 11.08.2010 hat die Beklagte den Leistungsanspruch der Kläger für die Monate April bis Juli 2010 an das tatsächliche Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1) angepasst, ohne dass die der Berechnung zugrunde gelegten Kosten der Unterkunft und Heizung geändert worden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Die Kläger sind in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Der Bescheid vom 12.01.2010 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2010 ist rechtswidrig. Die Kläger haben im Zeitraum von Februar bis Juli 2010 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II unter Zugrundelegung einer angemessenen Nettokaltmiete in Höhe von 344,50 EUR und nicht nur in Höhe von 328,60 EUR.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Mit der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung wird der Verfassungsauftrag der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) insoweit umgesetzt, als ein zum dauerhaften Wohnen geeigneter und bestimmter Wohnraum notwendiger Bestandteil eines menschenwürdigen Daseins ist (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Aufl., § 22, Rdnr. 5). Welche Aufwendungen im Einzelfall angemessen sind, errechnet sich aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und nach dem örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro qm (sogenannte "Produkttheorie"; vgl. dazu u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R und Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R). Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in drei Schritten vorzugehen. Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. In einem zweiten Schritt ist sodann die Angemessenheit des Mietpreises unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten zu ermitteln. Schließlich ist zu prüfen, ob eine bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war (vgl. dazu u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R und Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R).

Zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche war bislang, d.h. bis zum 31.12.2009, auf die landesrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) abzustellen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R). In Nordrhein-Westfalen stellte der Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen "Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum WoBindG (VV-WoBindG)" vom 08.03.2002 in der geänderten Fassung vom 21.09.2006 die maßgebliche landesrechtliche Regelung dar (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.02.2009, L 19 AS 62/08 und Urteil vom 29.04.2010, L 9 AS 58/08), die bei einem Zweipersonenhaushalt eine angemessene Wohnungsgröße von 60 qm (vgl. Nr. 5.7.1. lit. b) der VV-WoBindG) vorsah. Nicht heranzuziehen war dagegen der Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr "Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB)" vom 03.02.2004 in der geänderten Fassung vom 26.01.2006 (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R; so auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.04.2010, L 9 AS 58/08), nach dem bei einer Zwei-Zimmer-Wohnung von einer Wohnflächenobergrenze von 62 qm auszugehen war (vgl. Nr. 1.4.1 der Anlage 1 der WFB). Infolge der Föderalismusreform wurde das bundesrechtliche WoFG für das Land Nordrhein-Westfalen durch das Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW) vom 08.12.2009 außer Kraft gesetzt. Die VV-WoBindG wurden - weitestgehend und insbesondere hinsichtlich der hier allein bedeutsamen Nr. 5.7.1. - von dem neuen Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr "Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB)" vom 12.12.2009 abgelöst (vgl. Nr. 19 Satz 2 der WNB). Nach Nr. 8.2 lit. b) dieser WNB sind für einen Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen zwei Wohnräume oder 65 qm Wohnfläche angemessen im Sinne des § 18 Abs. 2 WFNG NRW.

Diese Nachfolgeregelung ist bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche zugrunde zu legen (vgl. Sozialgericht Aachen, Beschluss vom 25.02.2010, S 6 AS 205/10 ER und Urteil vom 18.08.2010, S 4 AS 577/10; vgl. auch Sozialgericht Duisburg, Beschluss vom 27.04.2010, S 35 AS 1592/10 ER). Nr. 8.2 der WNB konkretisiert ebenso wie vorher Nr. 5.7.1. der VV-WoBindG die gesetzliche Vorschrift (§ 18 Abs. 2 WFNG NRW bzw. § 27 Abs. 4 WoFG), die die im Wohnberechtigungsschein anzugebende Wohnungsgröße für den Wohnungssuchenden regelt. Es besteht kein sachlicher Grund, nunmehr die am 28.01.2010 geänderten WFB als Rechtsgrundlage zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche heranzuziehen. Das Bundessozialgericht hat im seinem Urteil vom 19.12.2009 (B 4 AS 27/09 R) überzeugend dargelegt, dass diese Vorschrift bereits deshalb außer Betracht zu lassen ist, da sie die Größe der Wohnung lediglich mit der Anzahl der Zimmer - und nicht (auch) mit der Anzahl der haushaltsangehörigen Personen - verknüpft. Diese Begründung ist auf die aktuelle Rechtslage übertragbar. Gefolgt werden kann aber auch nicht dem neunten Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 29.04.2010, L 9 AS 58/08), nach dem weiterhin auf die VV-WoBindG abzustellen sein dürfte, so dass im vorliegenden Fall eine Wohnfläche von 60 qm angemessen wäre. Solange der Verordnungsgeber seine gemäß § 27 SGB II bestehende Möglichkeit der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche speziell für das SGB II nicht in Anspruch nimmt, hat sich die Rechtsprechung weiterhin an den geltenden Durchführungsbestimmungen des WoFG oder der entsprechenden neuen landesrechtlichen Regelungen zu orientieren. Das Gericht hält es indes nicht für nachvollziehbar, an einer - hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Frage - abgelösten Vorschrift festzuhalten, obgleich eine Nachfolgeregelung in Kraft getreten ist (vgl. auch Bundessozialgericht, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 70/08 R zur Heranziehung der aktuell geltenden Verwaltungsvorschrift). Auch ist gerade nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber eine dynamische Entwicklung der Wohnraumgröße für möglich gehalten hat. Vielmehr hat er diese Frage bisher offen gelassen.

Im Hinblick auf den angemessenen Quadratmeterpreis kann als qualifizierte Erkenntnisquelle auf den jeweils örtlich einschlägigen Mietspiegel für Wohnungen im unteren, nicht im untersten Bereich abgestellt werden (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R und Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.02.2009, L 19 AS 62/08). Unter Berücksichtigung des Mietspiegels von Aachen (gültig vom 01.01.2009 bis 31.12.2010) sind die von der Beklagten zugrunde gelegten 5,30 EUR nicht zu beanstanden. Der notwendigen Beschränkung auf das untere Marktsegment kann nach Auffassung der Kammer dadurch Rechnung getragen werden, dass vom einschlägigen Mietspiegel des Wohnungsortes ein Querschnitt aus dem gesamten Spektrum gezogen wird. Dabei werden allerdings Wohnungen, die in einer sogenannten "guten Wohnlage", sowie solche Wohnungen, die unter die Kategorie "besondere Ausstattung" gefasst werden, nicht berücksichtigt. Man erhält so nicht die durchschnittliche Miete in dem betreffenden Gebiet, sondern einen nach unten korrigierten Durchschnittswert. Dieser wird nach Auffassung der Kammer am besten der Notwendigkeit einer Orientierung am unteren Marktsegment gerecht. Unter Berücksichtigung, dass der Mietspiegel für Aachen ein entsprechendes Spektrum von 2,10 bis 8,00 EUR und damit einen Wert von 5,05 EUR/qm vorgibt, erscheinen die von der Beklagten berücksichtigten 5,30 EUR pro qm nicht zu niedrig. Unabhängig davon, dass die Beklagte mittlerweile von einem abweichenden Quadratmeterpreis für die Stadt Aachen ausgeht, ist sie hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Zeitraums an den genannten Wert - als Teil des zugrunde gelegten schlüssigen Konzepts (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R und Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R) - gebunden.

Ausgehend von einer angemessenen Wohnfläche von 65 qm und einem Quadratmeterpreis von 5,30 EUR beträgt die angemessene Nettokaltmiete im Zeitraum von Februar bis Juli 2010 somit 344,50 EUR und nicht nur 328,60 EUR. Die Nebenkosten in Höhe von 70,- EUR und die Heizkosten in Höhe von 95,- EUR wurden von der Beklagten in voller Höhe übernommen, so dass sich eine Prüfung der Angemessenheit im vorliegenden Fall erübrigt.

Eine Beschränkung auf die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung war demgegenüber gerechtfertigt. Erstens ist es gerichtsbekannt, dass die Anmietung einer in Bezug auf Größe und Kosten angemessenen Wohnung in Aachen möglich ist. Derartige Wohnungen sind konkret verfügbar und zugänglich. Dieses wurde von den Klägern auch nicht bezweifelt. Zweitens hat die Beklagte die Kläger auch zur Kostensenkung aufgefordert. Zudem ist drittens auch nicht von einer Unzumutbarkeit der Kostensenkung auszugehen. Der entsprechende von den Klägern im Verwaltungsverfahren erfolgte Vortrag kann nicht überzeugen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Kosten eines Umzugs unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 SGB II von der Beklagten zu übernehmen wären. Zuletzt sei - wie bereits in der mündlichen Verhandlung - angemerkt, dass die vorgetragene faktische Inanspruchnahme des Erwerbstätigenfreibetrags für die Begleichung der die angemessene Kaltmiete übersteigenden Kosten der Unterkunft die gesetzlich beabsichtigte Folge ist, wenn tatsächliche und angemessene Unterkunftskosten auseinander fallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Beklagten waren die außergerichtlichen Kosten der Kläger in voller Höhe aufzuerlegen. Unabhängig von den Ausführungen in der Begründung der Klage, hat das Gericht den Klageantrag - unter Berücksichtigung des klärenden Vortrags in der mündlichen Verhandlung - dahingehend ausgelegt, dass sich das Begehren der Kläger auf eine Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft in voller Höhe, d.h. ausgehend von einer Wohnfläche von bis zu 65 qm und nicht nur bis zu 62 qm, richtet.

Der Beschwerdewert gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wird nicht erreicht. Die Berufung wird indes gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG zugelassen. Zum einen hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Zum anderen weicht das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. Urteil vom 29.04.2010, L 9 AS 58/08) ab; es beruht zudem auf dieser Abweichung.
Rechtskraft
Aus
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