L 7 B 236/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 149/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 236/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 27.03.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1953 geborene Beschwerdeführer (Bf.) bezieht seit dem 01.06.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe der monatlichen Regelleistung von 345,00 EUR zuzüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung. Zuletzt bewilligte die Beschwerdegegnerin (Bg.) dem Bf. mit Bescheid vom 04.04.2006 Leistungen für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2006 in Höhe von monatlich 613,07 EUR.

Mit Schreiben vom 22.02.2006 beantragte der Bf. bei der Bg. die sofortige Übernahme von Medikamentenkosten einer medizinischen Notfallbehandlung und Übernahme der Praxisgebühr und weiterer Medikamentenkosten. Seit 03.01.2006 sei er mit einem Notfall-Überweisungsschein eines HNO-Facharztes in der Universitätsklinik R. in Behandlung. Die teueren Medikamente auf Rezept der Universitätsklinik würden von der Krankenkasse nicht bezahlt. Er habe diese Medikamente vielmehr selbst zahlen müssen. Es müsse entweder mehr Arbeitslosengeld II (Alg II) gezahlt werden oder es müssten die Kosten für die Medikamente von der Bg. übernommen werden. Er habe sich das Geld ausleihen müssen, um die teueren Medikamente zu zahlen und er könne von seinem Alg II dieses ausgeliehene Geld nicht zurückbezahlen. Er verweise auf die beigefügten medizinischen Unterlagen sowie die ausgestellten Rezepte.

Mit Bescheid vom 22.03.2006 lehnte die Bg. die Übernahme der geltend gemachten Kosten ab, da der entsprechende Bedarf aus der Regelleistung zu decken sei und das SGB II zusätzliche Leistungen hierfür nicht vorsehe.

Bereits am 20.03.2006 hat der Bf. beim Sozialgericht Regensburg (SG) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat er insbesondere auf seine hohe finanzielle Belastung hingewiesen, die ihm im Dezember 2005 durch die notwendige Anschaffung eines neuen Kühlschranks entstanden sei. Deshalb habe er sich im Januar 2006 das Geld für die Medikamente leihen müssen. Mittlerweile habe er das geliehene Geld zurückgezahlt und zugleich neue Ausgaben für die verordneten Medikamente gehabt. Das Geld fehle ihm nun für seinen Lebensunterhalt. Die von der Klinik verordneten Medikamente würden bis Ende März benötigt, da dann die vorhandenen Tabletten aufgebraucht seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2006 hat die Bg. den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.03.2006 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 27.03.2006 hat das SG sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch den Antrag auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Anwaltsbeiordnung abgelehnt. Es sei zum Entscheidungszeitpunkt nach dem eigenen Vorbringen des Bf. nicht davon auszugehen, dass die Entscheidung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich sei. Nach seinen Angaben würden die vorhandenen Medikamente ausreichen, um seine Behandlung bis Ende März 2006 sicherzustellen. Der Kauf neuer Arzneimittel werde demnach erst dann erforderlich, wenn dem Bf. die laufenden Leistungen für April bereits zur Verfügung stehen würden. Daher sei eine Verpflichtung der Bg. zur vorläufigen Gewährung weiterer Leistungen im gegenwärtigen Zeitpunkt weder geboten noch zulässig. In der Sache sei allerdings darauf hinzuweisen, dass sich aus der Notwendigkeit überproportionaler Aufwendungen zur Deckung eines grundsätzlich von der Regelleistung umfassten unabweisbaren Bedarfs im Einzelfall durchaus ein Anspruch auf zusätzliche Leistungen nach Maßgabe des § 23 Abs.1 SGB II ergeben könne. Die Leistungen seien grundsätzlich als Darlehen zu gewähren, das durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 v.H. der Regelleistung getilgt werde. Daraus folge andererseits, dass der Gesetzgeber zusätzliche Leistungen jedenfalls solange nicht als veranlasst ansehe, als die betreffenden Aufwendungen 10 v.H. der monatlichen Regelleistung nicht wesentlich übersteigen würden. Sofern dieser Betrag aber gar mehrere Monate lang deutlich überschritten werde, könne sich die Notwendigkeit von ergänzenden (Darlehens-)Leistungen ergeben, um das Existenzminimum im Übrigen sicherzustellen. Dies gelte zumal dann, wenn gleichzeitig eine größere Eersatzbeschaffung nötig werde, wie das hier bezüglich des Kühlschranks geltend gemacht worden sei. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt fehle es allerdings noch an den erforderlichen Nachweisen darüber, wie lange der Bf. die Medikamente voraussichtlich noch einnehmen müsse und welche Kosten ihm dafür pro Monat entstehen werden.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Erneut weist er darauf hin, dass er im Januar 2006 mit einem Überweisungsschein eines HNO-Facharztes zur Notfallbehandlung in die Universitätsklinik überwiesen worden sei. Die Medikamente würden zur medizinischen Grundversorgung einer Notfallbehandlung gehören. Alle Medikamentenkosten der medizinischen Grundversorgung seien sofort zu übernehmen ohne Rückzahlung. Das Medikament Cortison dürfe er wegen schwerer gesundheitlicher Nebenwirkungen nicht mehr nehmen, es sei durch das Medikament Wobencym ersetzt worden. Medikamente seien notwendig, um einen schweren gesundheitlichen Schaden im HNO-Bereich und teuere Krankenhausbehandlungen zu vermeiden. Es sei nicht zumutbar, vom Alg II die ständig steigenden Lebenshaltungskosten und gleichzeitig Medikamentenkosten einer medizinischen Notfallbehandlung zu bezahlen. Er verweise auf das beigefügte Rezept der Universitätsklinik vom 20.03.2006 und das Rezept der Allgemeinärztin Dr.med.R. G. vom 11.04.2006.

Die Bg. vertritt die Auffassung, dass die nunmehr vorgelegte Verordnung vom 11.04.2006 zur Begründung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz untauglich sei. Es sei nicht dargetan, warum es sich nicht um Kosten im Sinne von § 27 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) handeln solle, für deren Übernahme die Krankenkasse zuständig sei. Der Bf. sei nach dortiger Auffassung gehalten, zuerst gegenüber der Krankenkasse seine sich aus § 27 SGB V ergebenden Rechte einzufordern. Sofern es sich nicht um eine Verordnung im Sinne von § 27 SGB V handele, seien die Kosten nicht notwendig. Der Bf. sei gehalten, sich die durch die Krankenkasse zu übernehmenden Medikamente verordnen zu lassen. Es sei nicht dargetan, wie hoch die Aufwendungen seien, warum diese nicht getragen werden könnten und wie lange der geltend gemachte Bedarf noch andauere. Es sei auch nicht dargetan, dass der Bf. ein Darlehen nach § 23 Abs.1 SGB II begehre. Die Übernahme der Kosten als zusätzlicher Bedarf (zusätzliche Regelleistung) sei im SGB II nicht vorgesehen und könne daher ohnehin nicht erfolgen. Im Übrigen werde auf die Begründung im Widerspruchsbescheid vom 07.04.2006 verwiesen. Bislang sei der Widerspruchsbescheid nicht mit einer Klage angefochten worden.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 04.04.2006).

II.

Die eingelegte Beschwerde ist zulässig, sachlich ist das Rechtsmittel aber nicht begründet, weil die von dem Bf. begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehen kann.

Gemäß § 86b Abs.2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dabei hat der Bf. sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.

Zu Recht hat das SG Regensburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Bislang hat der Bf. nicht nachgewiesen, dass die Krankenkasse die Kosten für die geltend gemachten Medikamente nicht übernimmt. Während des Bezugs von Alg II ist der Bf. in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert (§ 5 Abs.1 Nr.2a SGB V). Daraus folgt, dass der Bf. gemäß § 27 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Heilmitteln hat, soweit dies notwendig ist, um die Krankheit zu heilen. Dadurch ist die medizinische Versorgung sichergestellt. Ein zusätzlicher Bedarf kann nur insoweit auftreten, als eine höherwertige und damit verbunden auch eine teuere Versorgung in Anspruch genommen wird. Diese kann allerdings durch zusätzliche Hilfegewährung über die Leistungen des SGB II nicht erfolgen. Die Regelleistung beinhaltet den Aufwand für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens und in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. In bestimmtem Umfang ist mithin in der Regelleistung auch ein Anteil für Gesundheitspflege enthalten. Weitere, zusätzliche Leistungen für den Bedarf "Medikamente" oder "Praxisgebühr" oder entsprechende "Mehrbedarfe" sieht das SGB II nicht vor. Zwar kommt gemäß § 23 Abs.1 SGB II die Gewährung eines Darlehens in Betracht, wenn ein von der Regelleistung nicht umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Hier hat der Bf. allerdings nicht zu erkennen gegeben, dass er die Gewährung eines rückzahlbaren Darlehens begehrt. Hinzu kommt, dass auch ein angeblicher unabweisbarer Bedarf weder dem Grunde nach noch in der Höhe noch bezüglich der Dauer nachgewiesen ist. Für die rückwirkende Anerkennung des unabweisbaren Bedarfs fehlt überdies ein Anordnungsgrund. Hinzu kommt, dass dem Bf. mit Bescheid vom 04.04. 2006 die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2006 monatliche Leistungen in HÖhe von insgesamt 613,07 EUR bewilligt wurden.

Somit war die Beschwerde des Bf. gegen den Beschluss des SG Regensburg vom 27.03.2006 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs.1 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit einem weiteren Rechtsmittel anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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