S 13 AS 11/07 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AS 11/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10.03.2007 gegen den Absenkungsbescheid vom 08.03.2007 wird angeordnet. Es wird unter Aufhebung der Vollziehung des Bescheides vom 08.03.2007 die Nachzahlung der seit dem 01.04.2007 einbehaltenen Absenkungsbeträge angeordnet. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller zu 1. lebt mit der Antragstellerin zu 2. als Partnerin in einer eheähnlichen Gemeinschaft sowie den Antragstellern zu 3. bis 5. als gemeinsame Kinder in einem Haushalt. Er ist syrischer Staatsangehöriger und im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz in Verbindung mit einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 des Aufenthaltsgesetzes, welche zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt. Der Antragsteller war bis zum 20.12.2005 als Maurer bei der Firma O. M., einem Bauunternehmen des Bruders, versicherungspflichtig beschäftigt und bezog ab dem 24.11.2005 bis zum 01.12.2006 Leistungen der Krankenversicherung. Ab dem 04.12.2006 meldete er sich arbeitslos und bezieht seitdem Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit. Aufgrund eines Bescheides der Antragsgegnerin vom 26.10.2006 wurden den Antragstellern zu 1. bis 5. monatlich 591,50 EUR Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.10.2006 bis zum 31.03.2007 bewilligt. Nach dem Verfügungssatz des Bescheides erhält der Antragsteller zu 1. keine Leistungen nach dem SGB II. Aus dem Berechnungsteil ergibt sich, dass sein Krankengeld als Einkommen angerechnet wurde. Die Bewilligung des Arbeitslosengeldes wurde der Antragsgegnerin unter dem 14.12.2006 durch Überreichung einer Kopie des Bewilligungsbescheides vom 08.12.2006 mitgeteilt.

Mit Schreiben vom 27.12.2006 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die proArbeit gGmbH als Beschäftigungsförderungsgesellschaft des Kreises N. seit Januar 2005 für die Arbeitsberatung und -vermittlung aller Arbeitslosengeld-II-Empfänger im Kreis N. zuständig sei. Die proArbeit gGmbH werde den Antragsteller zu 1. daher bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützen. Um die entsprechenden Eingliederungsmöglichkeiten zu erörtern, wurde der Antragsteller zu 1. zu einem Beratungsgespräch am 01.02.2007 um 09:30 Uhr in die Geschäftsstelle der proArbeit gGmbH in C. eingeladen. Der Antragsteller zu 1. wurde darauf hingewiesen, dass es sich um einem Pflichttermin handele und er die Rechtsfolgenbelehrung auf der Rückseite des Schreibens beachten müsse. Dort wird ausgeführt, dass ein Termin bei der Arbeitsberatung unbedingt wahrzunehmen ist. Sollte ein vereinbarter Termin ohne wichtigen Grund nicht wahrgenommen werden, werde das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 10 Prozent abgesenkt. Die entsprechenden Gesetzesnormen wurden im Wortlaut wiedergegeben. Der Sachbearbeiterin bei der proArbeit gGmbH wurde nach einem Vermerk vom 09.02.2007 mitgeteilt, dass der Antragsteller zu 1. die Einladung für den 01.02.2007 verlegt habe und er habe sie auch nicht lesen können. Er befinde sich in einem Sprachkurs in der C.-schule. Es wurde ein neuer Termin für den 26.02.2007 vereinbart, den der Antragsteller zu 1. auch wahrnahm. Dort wies der Antragsteller zu 1. darauf hin, dass er nicht verstehe, warum die proArbeit gGmbH für ihn zuständig sei, weil er doch Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit bekomme. Dem Antragsteller wurde eine Eingliederungsvereinbarung vorgelegt und - soweit ersichtlich - von ihm unterzeichnet.

Mit Schreiben vom 09.02.2007 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu der vorgesehenen Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 10 Prozent des für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen maßgebenden Regelbetrages an und wies darauf hin, dass er trotz Rechtsfolgenbelehrung einer Einladung für den 01.02.2007 nicht gefolgt sei.

Der Antragsteller wandte ein, er beziehe kein Arbeitslosengeld II und halte die Absenkung deshalb für rechtswidrig. Wie der Antragsgegnerin bekannt sei, besuche er zur Zeit eine Sprachschule. Ferner sei bei der Rentenversicherung ein Antrag auf berufliche und medizinische Rehabilitation gestellt worden. Nach Beendigung der Sprachschule habe der Antragsteller eine Beschäftigung bei seinem Bruder B.O. in H. in Aussicht. Es sei daher völlig unnötig ein Beratungsgespräch zu führen. Zuständig sei entweder der Rentenversicherungsträger oder die Bundesagentur für Arbeit.

Mit Bescheid vom 08.03.2007 wurde der Anspruch des Antragstellers zu 1. auf Arbeitslosengeld II gemäß § 31 Abs. 2 SGB II um 10 Prozent der für ihn maßgebenden Regelleistung für die Zeit vom 01.04. bis zum 30 ...06.2007 abgesenkt und dies mit einem unentschuldigten Meldeversäumnis begründet. Der Antragsteller sei als Partner der Frau B.L. Mitglied der Bedarfsgemeinschaft und damit würden für ihn die Regelungen des SGB II gelten. Für den Fall, dass sich die Schulzeiten mit dem Meldetermin überschnitten hätten, hätte er diesen schriftlich oder telefonisch absagen können. Auch die übrigen Umstände hätten ihn nicht gehindert, an dem Beratungstermin teilzunehmen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller mit Schrieben vom 10.03.2007 Widerspruch. Die Antragsgegnerin könne ihm nur Pflichten auferlegen, wenn er zuvor freiwillig eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen habe. Um Aussetzung der Vollziehung während des Widerspruchsverfahrens wurde gebeten.

Am 18.03.2007 stellte der Antragsteller zu 1. einen Eilantrag bei dem erkennenden Gericht. Zur Begründung verweist er auf seine bisherigen Darlegungen und trägt ergänzend vor, er sei zu einem Gespräch eingeladen worden, obwohl bekannt gewesen sei, dass er einen Integrationskurs für 6 Monate begonnen habe. Zudem sei überhaupt nicht ersichtlich, aus welchem Grund ein Gespräch über seine berufliche Zukunft geführt werden solle, da er nach Beendigung wieder bei seinem Bruder in der Firma arbeiten werde. Auch diese Tatsache sei der Antragsgegnerin bekannt. Er ist der Ansicht, eine Anwendung des § 31 Abs. 2 SGB II auf Empfänger von Arbeitslosengeld sehe das Gesetz nicht vor. Als Empfänger von Arbeitslosengeld sei er kein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne des SGB II. Er habe sich auch nicht geweigert, der Einladung folge zu leisten, sondern habe schlichtweg die Aufforderung nicht verstanden. Dies belege auch die Tatsache, dass er nach der Aufklärung durch die Antragsgegnerin beim nächsten Termin unverzüglich erschienen sei. Er habe keine böse Absicht verfolgt, als er nicht erschienen sei. Ferner sei es für ihn unverständlich, aus welchen Gründen diese Sanktion gegen ihn verhängt worden sei. Das SGB III sehe schließlich auch Eigenbemühungen vor und diese Eigeninitiative habe er auch an den Tag gelegt, indem er ich um einen Sprachkurs, eine Rehamaßnahme und anschließend um eine Arbeitsstelle gekümmert habe. Daraufhin sei von der Agentur für Arbeit auch kein weiterer Nachweis von Bewerbungsbemühungen verlangt worden. Weitergehende Obliegenheiten ergäben sich auch aus dem SGB II nicht. Schließlich habe er nachgewiesen, dass sein Bruder bereit sei, ihn als Maurer wieder fest einzustellen. Die Antragsgegnerin sei im Übrigen insgesamt für ihn nicht zuständig. Darüber hinaus sei mit Bescheid vom 08.04.2007 nicht das Arbeitslosengeld II des Antragstellers zu 1., sondern die Ansprüche der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gekürzt worden. Diese Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft hätten aber weder eine Ankündigung, noch eine Rechtsfolgenbelehrung, noch eine Aufforderung zu einem Vorstellungstermin erhalten, so dass die Kürzung schon aus diesem Grunde rechtswidrig sei. Der Antragsteller legt eine Bescheinigung der O. N. vom 11.06.2007 vor, wonach diese bestätigt, ihn nach der Beendigung des Deutschkurses fest als Maurer einstellen zu wollen.

Die Antragsteller haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 08.03.2007 anzuordnen und die seit dem 01.04.2007 einbehaltenen Kürzungsbeträge nachzuzahlen.

Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie weist darauf hin, der Antragsteller sei hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II, denn er könne mit seinem Arbeitslosengeld seinen und den Lebensunterhalt der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend sichern. Er unterliege daher den Pflichten, die ihm das SGB II auferlegen. Nach einer bundesweit geltenden Vereinbarung zwischen der Agentur für Arbeit und den zugelassenen kommunalen Trägern würden auch Bezieher von Arbeitslosengeld, die selbst keinen individuellen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hätten, von den kommunalen Trägern betreut. Der Antragsteller zu 1. sei deshalb verpflichtet gewesen, sich auf die mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Meldeaufforderung zu dem festgelegten Termin zu melden. Gegen diese Pflicht habe er verstoßen und die Absenkung um 10 Prozent sei deshalb rechtmäßig. Auch sei die Sanktion nicht bei den Antragstellern zu 2. bis 5., sondern bei dem Antragsteller zu 1. berücksichtigt worden. Aus dem Bescheid vom 28.03.2007 ergebe sich insoweit, dass die Kürzung in Höhe von 31,00 EUR von dem Bedarfsanteil des Antragstellers zu 1. abgezogen worden sei.

Das Gericht hat die Leistungsakte des Antragstellers zu 1. von der Bundesagentur für Arbeit beigezogen. Wegen der Übrigen Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakte, der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie der beigezogenen Leistungsakte der Bundesagentur für Arbeit.

II.

Der Antrag ist nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Der Widerspruch hat nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, so dass zutreffend das Rechtsschutzbegehren auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gerichtet ist. Da die Absenkung teilweise schon vollzogen ist, muss das Begehren dahingehend ausgelegt werden, dass insoweit die Aufhebung der Vollziehung gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 SGG begehrt wird.

Richtiger Antragsgegner ist die Stadt C ... Der Kreis N. hat gemäß § 1 der Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II den kreisangehörigen Städten und Gemeinden die Durchführung der Aufgaben nach diesem Gesetz zur Entscheidung im eigenen Namen übertragen. Diese "Delegation" führt nach inzwischen ständiger Rechtsprechung aller Senate des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) dazu, dass die Stadt C., welche den Bescheid vom 08.03.2007 erlassen hat und auch materiell zur Leistung verpflichtet ist, zutreffenderweise im einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch genommen wird.

Das Gericht hat den Antrag dahingehend ausgelegt, dass dieser für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhoben werden sollte. Bei verständiger Würdigung geht es dem Antragsteller zu 1. um alle in Betracht kommenden Ansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und nicht nur um einen Anspruch des Antragstellers zu 1. Insoweit war der Antrag nach dem sog. Meistbegünstigungsprinzip umzudeuten. Für eine Übergangszeit bis zum 30.06.2007 sind Anträge wegen der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten und den darauf resultierenden Zweifeln in Erweiterung der üblichen Auslegungskriterien danach zu beurteilen, in welcher Weise die an einer Bedarfsgemeinschaft beteiligten Personen den Antrag hätte erheben müssen, um die für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt gewünschte höhere Leistung zu erhalten (BSG; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R).

Der Antrag ist auch begründet.

Für die Entscheidung über die Anordnung der vom Gesetzes wegen entfallenen aufschiebenden Wirkung bedarf es einer Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das Aussetzungsinteresse des Betroffenen gegeneinander abzuwägen sind; dabei sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs in den Blick zu nehmen. Danach kann die aufschiebende Wirkung angeordnet werden, wenn in der Hauptsache das Rechtsbehelf - hier also der Widerspruch - offensichtlich begründet ist. Auch wenn wegen § 39 Nr. 1 SGB II im Regelfall der durch den Verwaltungsakt Betroffene das Vollzugsrisiko zu tragen hat, besteht in einem derartigen Fall grundsätzlich kein öffentliches Interesse am Sofortvollzug eines aller Voraussicht nach aufzuhebenden Verwaltungsaktes. Dies gilt auch bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts , wenn also der Erfolg lediglich wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.2007 - L 13 AS 4160/06 ER- B; LSG NRW, Beschluss vom 14.12.2006 - L 9 B 153/06 AS ER).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn der Absenkungsbescheid vom 08.03.2007 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig.

Dies folgt schon daraus, dass der Absenkungsbescheid im Verfügungssatz eine tatsächlich nicht realisierbare Rechtsfolge ausspricht, denn die Leistungen an den Antragsteller zu 1. können nicht abgesenkt werden, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu 1. mit den maßgeblichen Bescheiden keine Leistungen nach dem SGB II bewilligt hat. Aus dem Verfügungssatz des Bescheides vom 27.12.2006 ergibt sich vielmehr, dass dem Antragsteller zu 1. Alg II in Höhe von 0,00 EUR gewährt wird. Gleiches ergibt sich aus dem Tenor des Bescheides vom 23.02.2007 und 28.03.2007. Der Bedarf und das Einkommen des Antragstellers zu 1. erscheinen in diesen Bescheiden, ebenso wie die Kürzung nach § 31 SGB II im Bescheid vom 28.03.2007 nur als Berechnungsposten. Aber auch eine Heranziehung dieser Berechnungen lässt nur den Schluss zu, dass dem Antragsteller zu 1. kein Alg II bewilligt werden sollte, denn die den Antragsteller zu 1. betreffende Einzelberechnung endet ebenfalls mit dem Ergebnis, dass ihm Alg II in Höhe von 0,00 EUR zusteht. Die Bescheide sind daher nur verständlich und hinreichend bestimmt i. S. d. § 33 SGB X, wenn dem Antragsteller zu 1. keine Leistung bewilligt werden sollte.

Die Antragsgegnerin verkennt dabei, dass nach der Rechtsprechung des BSG Anspruchsinhaber jeweils die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind und wendet insbesondere die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht bzw. unzutreffend an. Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn der gesamte Bedarf der Bedarfsgemeinschaft nicht aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt wird. Bei zutreffender Berechnung hätte dies zur Folge gehabt, dass auch der Antragsteller zu 1. im Verhältnis seines Bedarfes zum Gesamtbedarf einen Teilanspruch auf Arbeitslosengeld II gehabt hätte, der auch im Verfügungssatz der o. g. Bescheide als solcher individueller Anspruch auszuweisen gewesen wäre. Die § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II widersprechende Art der Berechnung durch die Antragsgegnerin führt dazu, dass ein abzusenkender Anspruch des Antragstellers zu 1. auf Alg II nicht bestanden hat.

Mit Bescheid vom 28.03.2007 wurden stattdessen vielmehr die Ansprüche der Antragstellerin zu 2. auf 378,64 EUR abgesenkt, ohne das hierfür eine Rechtsgrundlage ersichtlich wäre, denn weder wurde der Antragstellerin zu 2. gegenüber ein Absenkungsbescheid bekannt gegeben, noch ist ein Anlass für eine solche Absenkung gegenüber der Antragstellerin zu 2. ersichtlich. Die auf diese Weise vollzogenen Absenkung ist gemäß § 86b Abs.1 Satz 2 SGG aufzuheben und im Wege der Folgenbeseitigung sind die schon einbehaltenen Beträge nachzuzahlen.

Im Übrigen wäre nach Auffassung des Gerichts der Absenkungbescheid auch wegen einer unzureichenden Rechtsfolgenbelehrung rechtswidrig. Nach § 31 Abs. 2 SGB II ist eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen einer Meldeversäumnis erforderlich. Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Rechtsfolgenbelehrung ist, dass sie konkret, richtig, vollständig und verständlich erläutert, welcher Verstoß gegen welche Pflichten zu welchen konkreten Sanktionen führt (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1981 - 7 RAr 24/81; Urteil vom 13.05.1987 - 7 RAr 90/85). Sind der Behörde bestimmte Umstände bekannt, die gegen die Verpflichtung des Betroffenen sprechen können, muss aus der Belehrung hervorgehen, dass diese Umstände eine Meldepflicht nicht ausschließen (vgl. Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 31 Rn 48).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Im Hinblick auf die umstrittene Meldeaufforderung vom 27.12.2006 ist die Rechtsfolgenbelehrung unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhanges unzureichend. In der Meldeaufforderung wird darauf hingewiesen, dass die proArbeit gGmbH für die Arbeitsberatung und -vermittlung aller Arbeitslosengeld-II-Empfänger zuständig ist. Auch in der Übrigen Meldeaufforderung wie auch in der Rechtsfolgenbelehrung ist lediglich von Alg-II Empfängern die Rede. Aufgrund des Inhalts der oben bereits genannten Bescheide konnte der Antragsteller zu 1. jedoch nicht davon ausgehen, dass er Empfänger von Alg II ist. Vielmehr ist er zutreffend davon ausgegangen, dass ihm kein Alg II bewilligt worden ist. Auf dieser Grundlage konnte er auch nicht nachvollziehen, wie sein Alg II in einer ersten Stufe um 10 Prozent abgesenkt werden könnte. Die Meldeaufforderung und auch die Rechtsfolgenbelehrung waren für ihn daher unverständlich.

Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass bei Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft die für sich genommen z. B. durch den Bezug von Arbeitslosengeld nicht bedürftig sind und erst durch die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II wie ein Hilfebedürftiger behandelt werden (fiktiv Hilfebedürftige), bei verfassungskonformer Auslegung hohe Anforderungen an die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen für Sanktionen bzw. eine ausweitende Auslegung des Merkmals "wichtiger Grund" geboten sind (vgl. BSG Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R). Die sanktionsrechtlichen Folgen der Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II könnten ansonsten gegen das Grundrecht auf Achtung und Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz) verstoßen, weil sie denjenigen, der sich eigentlich selbst helfen kann, verpflichtet, seine Mittel für andere einzusetzen, mit der Folge, dass er dadurch selbst mittellos wird und auf staatliche Hilfe angewiesen ist (vgl. BVerwG Urteil vom 26.11.1998 - 5 C 37/97; BVerfGE 87, 153, 172). Vor diesen Hintergrund dürfte es zumindest erforderlich sein, dass Bezieher von Arbeitslosengeld, welche durch die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II zu fiktiv Bedürftigen werden, darauf hingewiesen werden, dass die SGB II-Träger auch für die Betreuung von Arbeitslosengeld-Empfängern zuständig sind und daraus auch für Empfänger von Arbeitslosengeld nach dem SGB III die Verpflichtung folgt, sich bei den Trägern des SGB II nach Aufforderung zu melden.

Ein solcher Hinweis hätte hier auch nahe gelegen, weil der Antragsgegnerin der Umstand, dass der Antragsteller zu 1. Arbeitslosengeld bezog, bekannt war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Rechtskraft
Aus
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