L 9 AS 59/08 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 16 AS 690/07 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 59/08 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Beruht das Aufenthaltsrecht einer Staatsangehörigen der Tschechischen Republik allein auf dem Zweck der Arbeitsuche, hat sie gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 und gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB 12 keinen Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe.
Diese Regelungen befinden sich in Übereinstimmung mit den Regelungen der Richtlinie 2004/38/EG und verstoßen nicht gegen Artikel 12 und Artikel 18 EGV.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 15. Januar 2008 geändert. Der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird in vollem Umfang abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, bewilligt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller sind Staatsangehörige der Tschechischen Republik und im September 2006 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Die 1980 geborene Antragstellerin zu 2) hat nach ihren Angaben in der Tschechischen Republik die mittlere Reife absolviert, eine Wirtschaftsfachschule ohne Abschluss besucht und als Telefonistin und in der Videoausleihe (zuletzt bis August 2006) gearbeitet. Der Antragsteller zu 1) ist 2001 geboren; der Kindesvater A. zahlt monatlichen Unterhalt in Höhe von 800 Tschechischen Kronen, entsprechend ca. 30 EUR. Die Antragsteller kamen in die Bundesrepublik Deutschland, da hier die Mutter und die Schwester der Antragstellerin zu 2) leben. Die Mutter und deren Mann finanzierten nach Angaben der Antragstellerin zu 2) für Wohnungsmiete und Lebensunterhalt der Antragsteller monatlich ca. 1.000 EUR. Eine erlaubte Beschäftigung hat die Antragstellerin zu 2) in der Bundesrepublik Deutschland zwar gesucht, aber bisher nicht gefunden und nicht ausgeübt. Mit Bescheinigung vom 16. Oktober 2006 bestätigte die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin zu 2) Freizügigkeit gemäß § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) bis zum 5. September 2011 genieße und eine unselbständige Beschäftigung nur nach Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 284 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB 3) gestattet sei. Mit Bescheid vom 3. April 2007 lehnte die Bundesagentur für Arbeit einen Antrag auf Arbeitserlaubnis für eine Beschäftigung als Eisverkäuferin mit der Begründung ab, dass für die beabsichtigte Beschäftigung deutsche und ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer (bevorrechtigte Arbeitnehmer) zur Verfügung stünden. Mit Bescheid vom 18. April 2007 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB 2) für die Zeit von März bis August 2007 in Höhe von monatlich 928,50 EUR. Mit Bescheid vom 22. Juni 2007 bewilligte die Antragsgegnerin für den genannten Zeitraum höhere Leistungsbeträge. Auf den Fortzahlungsantrag vom 24. Juli 2007 hob die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23. August 2007 den Bescheid vom 22. Juni 2007 mit Wirkung ab dem 1. September 2007 auf und begründete dies damit, dass die Antragstellerin zu 2) keine gültige Arbeitserlaubnis und damit keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 habe. Hiergegen haben die Antragsteller am 21. September 2007 Widerspruch eingelegt.

Die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller haben mit Schreiben vom 11. Oktober 2007 unter Bezugnahme auf den Widerspruch die Aufhebung des Bescheides vom 23. August 2007 beantragt. Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 22. Oktober 2007 die Aufhebung des angefochtenen Bescheides abgelehnt. Hiergegen haben die Antragsteller vorsorglich erneut Widerspruch eingelegt und um klagefähigen Widerspruchsbescheid gebeten. Nach Aktenlage wurde bisher über beide Widersprüche nicht entschieden.

Am 30. Oktober 2007 haben die Antragsteller bei dem Sozialgericht Wiesbaden die vorläufige Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II) im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie haben u. a. vorgetragen, die Antragstellerin zu 2) sei durchaus erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB 2, denn die Aufnahme einer Tätigkeit könnte erlaubt werden. Es sei die abstrakt-generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis maßgeblich (Sozialgericht Dessau 21. Mai 2005 – S 9 AS 386/05 ER). Nur in Fällen der rechtlichen Unmöglichkeit der Arbeitsaufnahme solle die Grundsicherung für Arbeitslose ausgeschlossen sein. Im Übrigen könne bei Einschätzung der Arbeitsmarktlage nicht davon ausgegangen werden, dass ihr keine Beschäftigung erlaubt werden könne. Unter Berücksichtigung ihres jungen Alters und der vollen Gesundheit könne nicht angenommen werden, dass ihr der Arbeitsmarkt generell verschlossen sei. Zumindest unter Härtegesichtspunkten könne der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht ausgeschlossen werden. Die Antragsgegnerin hat dem widersprochen und auf den Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 17. Oktober 2006 (L 3 ER 175/06 AS) verwiesen. Danach komme es im Rahmen des § 8 Abs. 2, 2. Alternative SGB 2 auf die arbeitsgenehmigungsrechtlichen Regelungen an, so dass eine Einschätzung der Arbeitsmarktlage vorzunehmen sei. Die Antragstellerin zu 2) habe bisher ausweislich ihres Lebenslaufes nur Tätigkeiten ausgeübt, für die keine besonderen Qualifikationen erforderlich seien. Bei diesen Tätigkeiten sei davon auszugehen, dass in erheblichem Umfang bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stünden. Mit Verfügung vom 9. Januar 2008 hat der Kammervorsitzende des Sozialgerichts die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin als sog. Optionskommune auch als Trägerin der Sozialhilfe als leistungspflichtig in Betracht komme und wegen Personenidentität für eine Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kein Raum sei. Mit Beschluss vom 15. Januar 2008 hat das Sozialgericht Wiesbaden die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für die Zeit vom 30. Oktober 2007 bis zum 31. Januar 2008 insgesamt 1.256,42 EUR monatlich nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB 12) zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen. In der Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin zu 2) habe keinen Anspruch auf Gewährung von Alg II nach §§ 7ff, 19ff SGB 2, da sie nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB 2 sei. Die abstrakt-generelle Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU reiche nicht aus, um ein "Können" im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB 2 zu bejahen. Es müsse die konkrete Aussicht auf die Erteilung bestehen. Dabei müsse eine Einschätzung des Arbeitsmarktes vorgenommen werden. So sei vorliegend bei einer in ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkten Hilfebedürftigen ohne Berufsausbildung die Tatbestandsseite des § 39 Abs. 2 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) zu prüfen (gegen Sozialgericht Dessau S 9 AS 386/05 ER). Anderenfalls wäre eine vorhandene Erlaubnis gemäß § 8 Abs. 2, 1. Var. SGB 2 ohne Bedeutung. Zudem folge aus den Gesetzgebungsmaterialien, dass eine Prüfung der Genehmigungsfähigkeit am Maßstab des Arbeitsgenehmigungsrechts vorzunehmen sein solle (BT-Drs. 15/1516, S. 52). Europarechtliche Bedenken gegen dieses Auslegungsergebnis bestünden nicht. Der Erlaubnisvorbehalt habe seine Rechtfertigung in Art. 24 der sog. Beitrittsakte 2003 (ABl. L 236 vom 23. September 2003, S. 33) in Verbindung mit den entsprechenden Anhängen und den dortigen Freizügigkeitsbeschränkungen für die Angehörigen der zum 1. Mai 2004 beigetretenen Staaten. Die Antragsgegnerin sei jedoch als Leistungsträgerin nach dem SGB 12 leistungspflichtig. Die Kammer sei trotz Zuständigkeit für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende in analoger Anwendung von § 75 Abs. 2, 2. Var., Abs. 5 SGG zuständig für die Entscheidung über einen Sozialhilfeanspruch nach dem SGB 12. Vorliegend bestehe zwar für eine Beiladung kein Raum, da die Antragsgegnerin als sog. Optionskommune personenidentisch mit der Trägerin der Sozialhilfe sei. Im Wege des erst-recht-Schlusses seien dann die Rechtsfolgen der § 75 Abs. 2 und 5 SGG auch auf die Antragsgegnerin anzuwenden. § 75 Abs. 2 und 5 SGG fänden auch im Eilverfahren entsprechende Anwendung. Der Gesetzgeber habe auch im neu gefassten § 75 Abs. 2 SGG mit der Erweiterung auf Träger der Grundsicherung und Sozialhilfe hinreichend deutlich gemacht, dass hierin eine hinreichende Ermächtigung zur Durchbrechung des Fachkammerprinzips gegeben sei. Die hier in Frage kommenden Ansprüche nach dem SGB 2 und SGB 12 (Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes) schlössen sich auch gegenseitig aus, wie § 5 Abs. 2 SGB 2 und § 21 SGB 12 klarstellten. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller habe auch mit Schreiben vom 27. Dezember 2007 erklärt, dass die Gewährung von Leistungen nach dem SGB 12 ebenfalls dem Antragsbegehren der Antragsteller entspreche. Die Antragsteller hätten auch Ansprüche auf Leistungen nach §§ 19 ff., 28 ff. SGB 12. Das Vorliegen von Bedürftigkeit sei festgestellt. § 21 SGB 12 stehe einer Leistungsgewährung nicht entgegen, da die Antragsteller nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB 2 seien. Der Anspruch sei auch nicht nach § 23 Abs. 3 Satz, 2. Var. SGB 12 ausgeschlossen, da diese Vorschrift europarechtskonform dahingehend zu reduzieren sei, dass jedenfalls Unionsbürger, die nicht ausreisepflichtig seien, von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen seien. Eine wortgetreue Auslegung verstoße im vorliegenden Fall gegen Art. 12 und 18 EGV, da sich die Antragsteller als Unionsbürger in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, ohne ihr Aufenthaltsrecht verloren zu haben. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe auf der Grundlage des allgemeinen Diskriminierungsverbotes des Art. 12 EGV einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung bei sozialhilfeähnlichen Leistungen angenommen, wenn Unionsbürger bereits von ihrer Freizügigkeit als Unionsbürger nach Art. 18 EGV – nicht von ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit – Gebrauch gemacht hätten (EuGH 20. September 2001, C 184/99; m.w.N.). Danach habe der Unionsbürger einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung bei Grundsicherungsleistungen, wenn er gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigt sei oder ein Erlöschen des früher begründeten Aufenthaltsrechts bislang nicht festgestellt worden sei (EuGH 7. September 2004 – C-456/02 – Rs. "Trojani"). Die Antragstellerin zu 2) begründe zunächst ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Var. FreizügG/EU. Das Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1) folge aus § 3 Abs. 1 FreizügG/EU als Familienangehöriger. Nach dem EuGH (7. September 2004 s. o.) sei bei Fortbestand des Aufenthaltsrechts eine direkte Anknüpfung an die Ausländereigenschaft nicht zu rechtfertigen. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB 12 diskriminiere nicht lediglich mittelbar, sondern statuiere eine zusätzliche Hürde für den Leistungsbezug von Ausländern und unterfalle damit der vom EuGH entschiedenen Fallgruppe. Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden Ungleichbehandlung würden in Literatur und Rechtsprechung in kritischer Auseinandersetzung mit der "Trojani"-Entscheidung kontrovers beurteilt. Doch selbst, wenn man in Abkehr von der in der o. g. EuGH-Entscheidung herausgearbeiteten Grundsätzen nach allgemeiner Dogmatik auf objektive Gründe der Ungleichbehandlung und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abstelle, so sei der Leistungsausschluss für Arbeitsuchende im Rahmen des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB 12 nicht zu rechtfertigen. Sollte mit der Regelung einem "Sozialleistungstourismus" vorgebeugt werden, so sei dies kein objektiver, von der Staatsangehörigkeit unabhängiger Zweck, solange rein fiskalische Erwägungen im Sinne einer staatsangehörigkeitsbezogenen Mittelverwendung verfolgt würden (EuGH 16. Januar 2003, C-388/01). Daran ändere auch die nach der "Trojani"-Entscheidung in Kraft getretene Unionsbürger-Richtlinie RL 2004/38 EG nichts. Zwar kenne sie kein tatbestandlich § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Var. FreizügG/EU vergleichbares Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche, sondern nur einen entsprechenden Ausweisungsschutz (Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38 EG), wenn eine begründete Aussicht auf Einstellung bestehe. Jedoch eröffne bereits der nach nationalem Recht legale Aufenthalt den Anwendungsbereich des Diskriminierungsschutzes nach Art. 12 und 18 EGV. Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts führe in Verbindung mit der Pflicht der Gerichte, das nationale Recht europarechtskonform auszulegen, zu der o. g. einschränkenden Auslegung des § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB 12.

Gegen den am 15. Januar 2008 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 14. Februar 2008 Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin trägt vor, die Entscheidung sei bereits wegen Verletzung des Grundrechts des gesetzlichen Richters aufzuheben. Der Anspruch sei nach § 23 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB 12 ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut hätten Ausländer, die eingereist seien, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Davon würden auch EU-Bürger erfasst. Aus der EuGH-Rechtsprechung ergäben sich keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte, dass diese Regelung gegen höherrangiges Recht verstoße (LSG Niedersachsen-Bremen 2. August 2007 – L 9 AS 447/07 ER). Die Freizügigkeit werde nicht unbeschränkt gewährt. Die Mitgliedstaaten hätten z. B. das Recht, von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaates zu verlangen, dass diese bei Aufenthalt über eine ausreichende Krankenversicherung sowie über genügende Existenzmittel verfügten, durch die sichergestellt sei, dass sie während ihres Aufenthaltes nicht die Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssten. Diese Ungleichbehandlung stelle keine Diskriminierung dar, sondern sei sachlich zur Verhinderung eines sog. Sozialtourismus gerechtfertigt und wirke der einseitigen Belastung der Sozialleistungssysteme einzelner Länder entgegen. Auch nach der Unionsbürgerrichtlinie ende das Aufenthaltsrecht, wenn seine Voraussetzungen endeten. Beantrage der Betroffene Sozialhilfe, seien die für den Aufenthalt vorausgesetzten Mittel offensichtlich nicht mehr vorhanden und das Aufenthaltsrecht ende. Durch das Zugestehen eines Anspruchs auf SGB 12-Leistungen werde ein ausländischer Staatsangehöriger einem Leistungssystem zugeordnet, das ihm keine adäquaten Möglichkeiten zur Arbeitsmarktintegration bieten könne. Zudem würde er nicht den gesetzlichen Forderungen wie z. B. Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung, Nachweis von Bemühungen über die Arbeitssuche etc. unterliegen, und wäre auch keinen Sanktionen ausgesetzt. Als Leistungsbezieher wäre er somit gegenüber deutschen Staatsangehörigen privilegiert, worin eine Inländerdiskriminierung gesehen werden könnte.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 15. Januar 2008 zu ändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen, sowie Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, zu bewilligen.

Die Antragsteller tragen vor, es liege kein Verfahrensverstoß vor. Das angerufene Gericht sei zuständig gewesen. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB 12 sei nicht verletzt. Sie seien nicht eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen und ihr Aufenthaltsrecht ergebe sich nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Ein Leistungsausschluss würde sich als Diskriminierung darstellen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und an sich statthaft, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der erkennende Senat lässt es dahingestellt, ob bei der Rüge eines Verfahrensmangels (hier: Unzuständigkeit der entscheidenden Kammer des Sozialgerichts) auch im einstweiligen Anordnungsverfahren gemäß § 86b Abs. 2 SGG eine Zurückverweisung analog § 159 SGG in Frage kommt, da jedenfalls wegen der hier vorliegenden besonderen Eilbedürftigkeit schon aus diesem Grund nach Ausübung von Ermessen kein Gebrauch von der evtl. Möglichkeit gemacht wird. Gemäß der Geschäftsverteilung für das Jahr 2008 ist der erkennende Senat sowohl für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende als auch der Sozialhilfe aus dem Sozialgerichtsbezirk A-Stadt zuständig. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat in vollem Umfang Erfolg. Der angegriffene Beschluss des Sozialgerichts war deshalb zu ändern. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind dabei von dem Antragsteller glaubhaft, d. h. überwiegend wahrscheinlich, zu machen, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig sein, das heißt, es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 209/06 ER). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der Existenz oder bei erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rdnr. 28).

Die Antragsteller haben das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht. Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. August 2007 sowie der Bescheid vom 22. Oktober 2007 sind zu Recht ergangen. Die Antragsteller haben gegen die Antragsgegnerin weder einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2 noch auf Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB 12. Der erkennende Senat hat bereits Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller gemäß § 9 Abs. 1 SGB 2, § 19 Abs. 1 SGB 12 bzw. daran, ob ein möglicher Anspruch am Nachranggrundsatz des § 3 Abs. 3 SGB 2, § 2 Abs. 1 SGB 12 scheitert. Denn es ist bisher keineswegs geklärt, ob nicht die Eltern bzw. Großeltern der Antragsteller auch weiterhin bereit und in der Lage sind, für den gesamten Bedarf der Antragsteller aufzukommen, wenn das vorliegende Verfahren abschließend nicht zum Erfolg führt. Dann würde aber gemäß der Definition der Hilfebedürftigkeit bzw. wegen des Nachranggrundsatzes die öffentliche Leistung entfallen, da die Antragsteller auf andere Weise die erforderlichen Leistungen erhalten können. Immerhin sind die Antragsteller bereits im September 2006 in die Bundesrepublik Deutschland gekommen und haben bis April 2007 die für ihren Lebensunterhalt erforderlichen Leistungen (einschließlich der Kosten für eine eigene Wohnung) von den Eltern bzw. Großeltern erhalten. Ob und gegebenenfalls warum dann die Leistungen ohne erkennbare Veränderung der Verhältnisse eingestellt worden sind, wird aus den Akten nicht erkennbar. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass nicht die Eltern bzw. Großeltern nach Einstellung der SGB 2-Leistungen zum 1. September 2007 nicht gegebenenfalls ihrerseits wieder Leistungen erbracht haben oder erbringen. Der Hinweis im Aktenvermerk vom 6. November 2007, diese seien auf Dauer nicht bereit, die Kosten weiter zu tragen, deutet eher darauf hin, dass die Leistungen jedenfalls zunächst noch nicht eingestellt worden sind. Wurden aber weiterhin Leistungen erbracht und möglicherweise erst eingestellt, nachdem die Antragsgegnerin die Bedarfsdeckung der Antragsteller übernommen hatte, wäre von fehlender Hilfebedürftigkeit auszugehen bzw. käme der Nachranggrundsatz zum Tragen. Diese tatsächliche Unklarheit bedürfte in einem Hauptsacheverfahren möglicherweise der weiteren Aufklärung. Vorliegend hält es der erkennende Senat unter Berücksichtigung der Besonderheiten eines Eilverfahrens für angebracht, die Frage der Hilfebedürftigkeit dahingestellt zu lassen, da ein Anspruch der Antragsteller auch aus anderen rechtlichen Gründen zu verneinen ist.

Hinsichtlich eines Anspruchs aus §§ 7 ff., 19 ff. SGB 2 gehören die Antragsteller nicht zu den Berechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB 2. Danach sind ausgenommen aus dem Kreis der Berechtigten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB 2) Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (vgl. hierzu die grundlegenden Beschlüsse des erkennenden Senates vom 13. September 2007 – L 9 AS 44/07 ER – und vom 14. Januar 2008 –L 9 AS 216/07 ER). Die Antragstellerin zu 2) ist möglicherweise nicht nur zum Zwecke der Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, kann allerdings allein daraus derzeit noch ihr Aufenthaltsrecht ableiten. Der erkennende Senat misst dabei der von der Antragstellerin zu 2) vorgelegten Freizügigkeitsbescheinigung vom 16. Oktober 2006 mit dem Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Genehmigung bei Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) und dem Versuch der Antragstellerin zu 2) eine Arbeitserlaubnis für die angestrebte Beschäftigung als Eisverkäuferin zu erlangen, ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. LSG NRW 15. Juni 2007 – L 20 B 59/07 AS ER RdNr. 18). Soweit die Antragstellerin zu 2) zu ihren Eltern gezogen ist, kommt dem gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU schon deshalb keine die Freizügigkeit auf Dauer begründende Bedeutung zu, da die Antragstellerin zu 2) älter als 21 Jahre ist. Ein Aufenthaltsrecht der Antragsteller ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU. Zwar sind Unionsbürger auch dann freizügigkeitsberechtigt, wenn sie während des Aufenthalts in dem anderen Mitgliedstaat lediglich Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen, z.B. als Touristen, Patienten oder Studierende. Allerdings müssen sie auch insoweit über die erforderlichen Existenzmittel und eine Krankenversicherung verfügen (Renner, § 2 FreizügG/EU Rdnr. 15 m.w.N.). Die Antragsteller sind auch nicht Verbleibeberechtigte i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU. Zu diesem Personenkreis zählt nur, wer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, nachdem er zuvor als Arbeitnehmer oder als Selbständiger erwerbstätig war (Renner, § 2 FreizügG/EU Rdnr. 16). Die Antragstellerin zu 2) ist weder als Arbeitnehmerin noch als Selbständige einer Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Den Antragsstellern steht schließlich auch kein voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht unabhängig vom Aufenthaltszweck zu. Das FreizügG/EU enthält zwar keine dahingehende Regelung. Verwaltung und Gerichte sind aber der Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung unterworfen (Schreiber, Die Bedeutung des Gleichbehandlungsanspruchs aus Art. 12 i.V.m. Art. 18 EGV für Grundsicherungsleistungen – SGB 2 und SGB 12 -, ZESAR 2006, 423, 431). Art. 6 der Richtlinie 2004/38/EG sieht ein allein an den Status als Unionsbürger anknüpfendes Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates nur für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten vor und dies auch nur mit der Einschränkung, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (Art. 14 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Antragstellerin zu 2) eine Freizügigkeitsbescheinigung/EU ausgestellt wurde. Anders als bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und der Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG kommt der Freizügigkeitsbescheinigung/EU lediglich deklaratorische Bedeutung zu (Welte, Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU, InfAuslR 2005, 8). Über das Freizügigkeitsrecht wird nämlich nicht durch Verwaltungsakt entschieden; vielmehr gewährt das Gemeinschaftsrecht bei Vorliegen der gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen jedem Unionsbürger und seinen Familienangehörigen unmittelbar das Recht auf Freizügigkeit (Renner, Ausländerrecht, 2.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise zu § 2 FreizügG/EU). Entfällt das Freizügigkeitsrecht, kann sie in den Fällen des § 5 Abs. 5 FreizügG/EU unter den dort genannten Voraussetzungen eingezogen werden. Einer Aufhebungsentscheidung bedarf es nicht.

Ob es der Antragstellerin zu 2) auch an der Voraussetzung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB 2 fehlt, weil ihr als Ausländerin die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erlaubt ist und ihr auch nicht erlaubt werden kann, § 8 Abs. 2 SGB 2, wie das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, kann wegen des grundsätzlichen Anspruchsausschlusses gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB 2 dahingestellt bleiben (vgl. Blüggel in Eicher/Spellbrink SGB 2 2. Aufl. 2008 § 8 RdNr. 46b).

Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Leistungen gemäß §§ 19 ff., 28 ff. SGB 12. Der Ausschluss eines Leistungsanspruchs gemäß § 23 Abs. 1 SGB 12 folgt aus § 23 Abs. 3 Satz 1, 2. Variante SGB 12. Danach haben u. a. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Wie oben bereits gezeigt beruht das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 2) allein auf dem Zweck der Arbeitsuche, woraus sich der Anspruchsausschluss gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB 12 – auch für den Antragsteller zu 1) - ergibt.

Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob sich die Rechtsfolge des Ausschlusses auch von Ansprüchen auf Sozialhilfe vor der entsprechenden Ergänzung des § 23 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz SGB 12 ("oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen") durch das Gesetz vom 2. Dezember 2006 Artikel 1 Nr. 4 (BGBl. I S. 2670) bereits aus § 21 Satz 1 SGB 12 ergeben hat, wie es der Gesetzgeber in der Begründung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (BT-Drucksache 16/688, B zu Nr. 2 Buchstabe a, S. 13) gesehen hat (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen 14. Januar 2008 - L 8 SO 88/07 ER). Denn jedenfalls durch die Ergänzung des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB 12 ist klargestellt, dass ein Sozialhilfeanspruch eines Ausländers, sowie seiner Familienangehörigen, jedenfalls dann nicht besteht, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (vgl. LSG NRW 15. Juni 2007 s. o.).

Die Regelungen des § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB 2 und des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB 12 befinden sich zur Überzeugung des erkennenden Senates auch in Übereinstimmung mit europäischem Recht (vgl. Beschlüsse des erkennenden Senates zu § 7 SGB 2 vom 13. September 2007 – L 9 AS 44/07 ER - und vom 14. Januar 2008 – L 9 AS 216/07 ER, vgl. auch LSG NRW vom 22. März 2007 – L 19 B 21/07 AS ER-, LSG Niedersachsen-Bremen vom 2. August 2007 – L 9 AS 447/07 ER). So hat der Gesetzgeber in der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (BT-Drucksache 16/2711, B zu Nr. 5 Buchstabe - § 23 Abs. 3 Satz 1, S. 10) ausgeführt, dass mit der Einfügung in § 23 Abs. 3 Satz 1 "oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen" ein der Regelung im SGB 2 entsprechender Leistungsausschluss für Ausländer normiert werde, der zugleich sicher stelle, dass Ausländer, die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB 2 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 hätten, auch keinen Anspruch aus dem SGB 12 herleiten könnten. Damit werde Artikel 24 Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 umgesetzt. Gemäß Artikel 24 ("Gleichbehandlung") Abs. 1 der Richtlinie genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält – vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen – die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift ist der Aufnahmemitgliedstaat abweichend von Abs. 1 jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthaltes oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Abs. 4 Buchstabe b) einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren. Gemäß Artikel 14 Abs. 1 der Richtlinie steht Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen das Aufenthaltsrecht nach Artikel 6 [bis zu drei Monaten] zu, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates nicht unangemessen in Anspruch nehmen. Gemäß Abs. 2 steht Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen das Aufenthaltsrecht nach den Artikeln 7, 12 und 13 [über drei Monate; bei Tod oder Wegzug; Scheidung usw.] zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Gemäß Abs. 4 darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen – abweichend von den Absätzen 1 und 2 und unbeschadet der Bestimmungen des Kapitels VI auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden, wenn a) die Unionsbürger Arbeitnehmer oder Selbständige sind oder b) die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Gemäß Artikel 7 (Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate) Abs. 1 hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er a) Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder c) und d) [liegt hier nicht vor].

Dabei kann sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 2) nur aus eigenem Recht herleiten, jedoch nicht als Familienangehörige ihrer in der Bundesrepublik Deutschland bereits schon länger wohnenden Eltern, da sie das 21. Lebensjahr überschritten hat und soweit ihr von diesen auch kein Unterhalt mehr gewährt wird und sie damit nicht als Familienangehörige ihrer Eltern im Sinne des Artikel 2 Nr. 2 c) der Richtlinie gilt, wie bereits oben gezeigt wurde. Soweit ihr jedoch Unterhalt gewährt wird und ihr daraus ein Aufenthaltsrecht erwächst, entfallen als Folge des Nachrangprinzips und wegen Wegfalls der Bedürftigkeit Ansprüche nach dem SGB 2 bzw. SGB 12. Da die Antragstellerin zu 2) weder als Arbeitnehmerin noch als Arbeitsuchende mit begründeter Einstellungsaussicht im Sinne der Richtlinie anzusehen ist, noch über ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz verfügt, steht ihr seit der Einstellung der Zahlungen durch ihre Eltern kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 EG in der Bundesrepublik mehr zu, Artikel 7 der Richtlinie, ungeachtet weitergehender Rechte nach den Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland.

Es liegt auch kein Verstoß gegen Artikel 12 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV - Diskriminierungsverbot) vor. Denn für die unterschiedliche Behandlung der Antragsteller einerseits und der Deutschen Staatsangehörigen sowie der in der Bundesrepublik lebenden ausländischen Arbeitnehmer und Selbständigen liegen objektive Gründe vor, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (vgl. EuGH C 398/92, Rs "Mund & Fester"). Bei der Antragstellerin zu 2) haben sich noch keine verfestigten Beziehungen zum deutschen Arbeitsmarkt entwickelt, sie versucht vielmehr im deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Damit ist nicht die Staatsangehörigkeit der Antragsteller einziges Unterscheidungsmerkmal, sondern zugleich die Nähe bzw. Ferne zum deutschen Arbeitsmarkt, insoweit auch gegenüber den anderen ausländischen Arbeitnehmern, die entweder eine Aussicht auf Erlangung einer Arbeitsgenehmigung haben oder hier bereits beschäftigt waren. Dabei handelt es sich nicht um eine willkürliche Ungleichbehandlung, sondern um eine Regelung, die durch objektive Umstände gerechtfertigt ist und nicht mit den Zielen des EG-Vertrages in Widerspruch steht (vgl. EuGH C-29/95, Rs "Pastoors"). Ein weiteres Unterscheidungskriterium besteht darin, dass die Antragsteller Staatsangehörige der Tschechischen Republik sind. Gemäß dem Vertrag über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (BGBl. II 2003, S. 1410) und Art. 24 der Beitrittsakte (BGBl. II 2003, S. 1418) in Verbindung mit den entsprechenden Anhängen waren die Freizügigkeit einschränkende Maßnahmen der neuen EU-Bürger hinsichtlich eines ungehinderten und diskriminierungsfreien Zutritts zum Arbeitsmarkt jedes Mitgliedstaates zulässig nach dem 2+3+2-Modell (2 Jahre + 3 Jahre + 2 Jahre vgl. hierzu Fuchs in Zesar 2007, S. 97 ff). Von den möglichen Zulassungsbeschränkungen machen die Bundesrepublik Deutschland und Österreich weiterhin Gebrauch (vgl. Fuchs s. o., LSG NRW 22. März 2007 – L 19 B 21/07 AS ER). So hat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen zum Verfahren vor dem EuGH (C 138/02 Rs "Collins" bei Staatsangehörigkeit der USA und Irlands) unter Hinweis auf das Urteil in der Rs. "Martinez Sala" ausgeführt (RdNr. 65), dass es nicht überraschend sei, dass der Gerichtshof auf Artikel 17 Abs. 2 EGV und Artikel 12 EGV zurückgegriffen habe, um eine derartige auf die Staatsangehörigkeit gestützte Diskriminierung einer Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, die fast ihr ganzes Leben in dem Aufnahmestaat verbracht habe, zu unterbinden. Auf den dortigen Fall bezogen, fährt weiter unten jedoch fort (RdNr. 75), dass eine an den Aufenthalt geknüpfte Voraussetzung, mit der die Integration in dem betreffenden Staat und die Verbindungen des Antragstellers zum nationalen Arbeitsmarkt überprüft werden soll, gerechtfertigt sein kann, um den so genannten Sozialtourismus von Personen zu überprüfen, die von Staat zu Staat reisen, um beitragsunabhängige Leistungen in Anspruch zu nehmen, und um Missbräuche zu verhindern.

Es ist auch kein Verstoß gegen Artikel 18 EGV zu erkennen. Insoweit hat der erkennende Senat bereits in seinem grundlegenden Beschluss vom 13. September 2007 - L 9 AS 44/07 ER – ausgeführt: Art. 18 EGV gewährleistet grundsätzlich die Freizügigkeit für jeden Unionsbürger i.S.d. Art. 17 EGV. Nach der Rechtsprechung des EuGH erkennt Art. 18 EGV zwar jedem Unionsbürger das Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten unmittelbar zu (Vorabentscheidung vom 7. September 2004 – C-456/02 – Rs. Trojani). Allerdings gelte dieses Recht nicht absolut, sondern bestehe nur vorbehaltlich der im EGV und Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen. So könnten die Mitgliedstaaten nach Art. 1 der Richtlinie 90/364 von Angehörigen eines (anderen) Mitgliedstaats, die das Recht zum Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet wahrnehmen wollten, verlangen, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine ausreichende Krankenversicherung sowie über genügende Existenzmittel verfügten, durch die sichergestellt sei, dass sie während ihres Aufenthaltes nicht die Sozialhilfe des Aufnahmestaates in Anspruch nehmen müssten (EuGH s.o. Nrn. 31-33). Diese Beschränkungen und Bedingungen sind unter Einhaltung der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Grenzen und im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, anzuwenden (EuGH s.o. Nr. 34). Beantragt der Hilfesuchende gerade aus Mangel an Existenzmitteln eine Leistung wie das Arbeitslosengeld II oder die Sozialhilfe, erwächst einem Unionsbürger aus Art. 18 EGV in Anwendung dieser Grundsätze kein Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, da es ihm an ausreichenden Existenzmitteln im Sinne der Richtlinie 90/364 fehlt (EuGH s.o. Nr. 35-36).

Soweit sich das Sozialgericht im angefochtenen Beschluss auf die Rechtsprechung des EuGH (insbesondere Urteil vom 7. September 2004, C-456/02 – Rs. "Trojani") stützt, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen. Zum einen liegt bereits ein abweichender Sachverhalt vor, da der Kläger (französischer Staatsbürger) des dortigen Verfahrens ab Januar 2002 in einem Heim der Heilsarmee in Belgien aufgenommen worden war und dort für die Unterkunft und etwas Taschengeld im Rahmen eines individuellen Projekts der gesellschaftlichen und beruflichen Eingliederung etwa 30 Stunden die Woche verschiedene Leistungen erbrachte. Bereits daraus lässt sich eine gewisse Nähe zum Arbeitsmarkt erkennen und außerdem gehörte der Kläger zu den bevorrechtigten Arbeitsuchenden, die (würde der Fall jetzt in der Bundesrepublik Deutschland zu entscheiden sein) gemäß § 284 Abs. 1 SGB 3 einer Genehmigung nicht bedürften.

Die vertragsgemäße Beschränkung hinsichtlich der Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt und auch des Ausschlusses entsprechender Leistungen gemäß dem SGB 2 findet nach Auffassung des erkennenden Senates ihre Entsprechung in der mit dem Inhalt des EGV in Übereinstimmung befindlichen Einschränkung der Ansprüche auf Sozialhilfe. Beide Leistungsbereiche stehen in einer Wechselwirkung dergestalt, dass die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dem Leistungssystem des SGB 2 unterfallen mit dem Grundsatz des Förderns und Forderns und dem Ziel einer Integration auf dem Arbeitsmarkt (§ 14 SGB 2) etwa mit Hilfe einer Eingliederungsvereinbarung (§ 15 SGB 2) bestimmte Bemühungen festzuschreiben, die der Eingliederung in Arbeit dienen, durch sog. Sofortangebote (zur Eingliederung in Arbeit, § 15a SGB 2), aber auch mit Sanktionsmaßnahmen wie Absenkung und Wegfall der Leistungen bei Pflichtverletzungen in Bezug auf die Eingliederungsvereinbarung oder Pflichtverletzungen hinsichtlich der angestrebten Aufnahme und Fortführung von Arbeit. Nur die Nichterwerbsfähigen und die Hilfebedürftigen ab 65 Jahren und unter 15 Jahren unterliegen nicht den Zielen und Verpflichtungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern erhalten Ansprüche aus dem SGB 12. Diese Wechselwirkung der beiden Leistungssysteme würde bei der vom Sozialgericht vorgesehenen Lösung in Fällen wie dem vorliegenden aufgehoben und zu einer sozialhilferechtlichen Bevorzugung der in Hinsicht auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit noch eingeschränkten Bürger der neuen EU Staaten führen.

Weitergehende Rechte ergeben sich für die Antragsteller auch nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen vom 11. Dezember 1953 (BGBl II, 564) bzw. aus dem Gesetz zu dem Europäischen Fürsorgeabkommen vom 11. Dezember 1953 und dem Zusatzprotokoll zu dem Europäischen Fürsorgeabkommen vom 15. Mai 1956 (BGBl. II, 563). Denn die Tschechische Republik ist diesem Abkommen nicht beigetreten und es liegt auch keine Flüchtlingseigenschaft (vgl. Zusatzprotokoll zu dem Europäischen Fürsorgeabkommen) der Antragsteller vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Den Antragstellern war für die Beschwerdeinstanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt B., A-Stadt, beizuordnen. Gemäß § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO), der über die Verweisungsnorm des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Antragsteller sind ausweislich der vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der entsprechenden Überprüfung durch die Antragsgegnerin nicht in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits – auch nicht in Raten – aufzubringen, die insbesondere durch die Vertretung durch einen Rechtsanwalt entstehen, § 114 ZPO. Gemäß § 119 Satz 2 ZPO ist in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen, ob die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat, wie es vorliegend der Fall ist. Angesichts der Komplexität der zu entscheidenden Rechtsfragen ist auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes geboten, § 121 Abs. 2 ZPO.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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