L 3 AS 3530/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 6362/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3530/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Verletzung von Obliegenheiten aus einer Eingliederungsvereinbarung kann nur nach § 31 Abs. 1 SGB II sanktioniert werden.
§ 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II stellt gegenüber § 31 Abs. 1 SGB II keinen Auffangtatbestand dar, sondern erfasst nur Obliegenheitsverletzungen, die zeitlich dem Bezug von Alg II vorgelagert sind.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Absenkung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die 1950 geborene Klägerin steht mit ihren beiden 1988 und 1989 geborenen Töchtern im Anschluss an den Bezug von Sozialhilfe seit 01.01.2005 im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Zuletzt waren der aus der Klägerin und ihren beiden Töchtern bestehenden Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 10.10.2006 für die Zeit vom 01.11.2006 bis 30.04.2007 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 1.229,43 EUR bewilligt worden. Diese Leistung setzte sich unter Anrechnung von Kindergeld in Höhe von 308 EUR aus der Regelleistung in Höhe von 345 EUR für die Klägerin und in Höhe von jeweils 276 EUR für die Kinder, einem Mehrbedarf für Alleinerziehung in Höhe von 41 EUR und Unterkunftskosten in Höhe von 599,43 EUR zusammen.

Am 11.09.2006 fand ausweislich eines am selben Tag erstellten Vermerks der Beklagten ein Kontakt zwischen der Klägerin und der Beklagten statt. Dabei entschied sich die Klägerin nach dem Vermerk zur Teilnahme an einer am 16.10.2006 beginnenden Maßnahme Sachbearbeitung für gelernte Kaufleute. Da die Teilnehmerliste schon voll war, wurde sie auf die Nachrückliste gesetzt.

Nach einer nicht unterschriebenen und nicht mit einem Datum versehenen Eingliederungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten mit einer vorgesehenen Gültigkeitsdauer bis 11.03.2007 verpflichtete sich die Klägerin, Ortsabwesenheit vorher mit dem persönlichen Ansprechpartner abzustimmen und alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken. Hierbei sind insbesondere Stellensuche/Erstellung von Bewerbungsunterlagen genannt.

Mit Bescheid vom 19.10.2006, dem eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt war, schlug die Beklagte der Klägerin vor, ab 23.10.2006 an einer Maßnahme der Eignungsfeststellung/Trainingsmaßnahme für kaufmännische Sachbearbeitung, die am 16.10.2006 begonnen hatte und bis 08.12.2006 dauern sollte, teilzunehmen.

Die Klägerin trat die Eingliederungsmaßnahme am 23.10.2006 nicht an.

Im Rahmen der Anhörung teilte sie unter dem 23.11.2006 mit, sie habe an der Trainingsmaßnahme nicht teilnehmen können, da sie sich von einer sehr schweren Grippe habe erholen müssen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe sie nicht, da sie wegen der Arztgebühr keinen Arzt aufgesucht habe. Im Übrigen könne sie als Alleinerziehende eine achtstündige Schulung aber auch kaum wahrnehmen. Eine vierstündige Schulung wäre eventuell möglich.

Am 30.11.2006 erließ die Beklagte einen Bescheid zur Absenkung des Arbeitslosengeldes II gemäß § 31 SGB II. Darin hieß es wörtlich: "Der Ihnen zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II wird unter Wegfall des eventuell zustehenden Zuschlags nach § 24 SGB II für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.03.2007 monatlich um 30 % der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrags, abgesenkt. Daraus ergibt sich eine Absenkung in Höhe von maximal 104 EUR monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wird insoweit für den o.g. Zeitraum gemäß § 48 Absatz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben. Im Einzelnen sind von der Absenkung betroffen: die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II)." Begründet wurde die Entscheidung gestützt auf § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II damit, dass die Klägerin trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer zumutbaren Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht teilgenommen habe. Ihre Entschuldigung, wonach sie aufgrund einer Grippe nicht habe teilnehmen können, könne bei Abwägung der persönlichen Einzelinteressen mit denen der Allgemeinheit nicht als wichtig im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II anerkannt werden.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie wiederholte ihr Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren und teilte ergänzend mit, eine Absenkung sei für sie ein Härtefall.

Durch Änderungsbescheid vom 10.01.2007 setzte die Beklagte mit der Begründung, dass ein Betrag in Höhe von 12,70 EUR zur Deckung der Müllgebühren direkt an die Stadt Freiburg abzuführen sei, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.02.2007 bis 30.04.2007 neu fest und bewilligte für die Monate Februar und März 2007 nun nur noch 1.125,43 EUR und für den Monat April 2007 wieder 1.229,43 EUR. Der Berechnungsbogen befindet sich nicht in der Verwaltungsakte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe sich geweigert an der ihr angebotenen Maßnahme/Kaufmännische Sachbearbeitung teilzunehmen, obwohl ihr eine Belehrung über die Rechtsfolgen erteilt worden sei. Ein wichtiger Grund hierfür sei nicht nachgewiesen. Sie trage zwar vor, zum fraglichen Zeitpunkt krank und deshalb nicht in der Lage gewesen zu sein, an der Maßnahme teilzunehmen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe sie jedoch nicht vorgelegt. Der Einwand, die Praxisgebühr von 10 EUR gescheut zu haben, führe zu keinem anderen Ergebnis, da für Leistungsempfänger nach dem SGB II die Möglichkeit einer Befreiung von der Zuzahlungspflicht bestehe. Die Klägerin könne auch nicht einwenden, als alleinerziehende Mutter zweier Töchter an einer achtstündigen Maßnahme nicht teilnehmen zu können, da beide Töchter der Klägerin bereits über 15 Jahre alt seien. Die Voraussetzungen für die Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 30 % der maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts seien daher erfüllt. Daraus ergebe sich eine Absenkung in Höhe von 104 EUR monatlich. Die Sanktion umfasse die Kalendermonate Januar bis März 2007. Die Belehrung der Klägerin sei am 03.12.2006 erfolgt. Damit sei sie in die Lage versetzt worden, die konkreten Auswirkungen der Pflichtverletzung zu erkennen. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid sei deshalb nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) teilweise aufzuheben.

Hiergegen hat die Klägerin am 11.12.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie hat nunmehr unter Vorlage eines Überweisungsscheins der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Halla vom 06.12.2007 an einen Orthopäden vorgetragen, dass sie in der maßgeblichen Zeit unter starken Rückenproblemen gelitten und auch heute noch täglich Schmerzen habe. Sie habe auch noch verschiedene Bewerbungen und Vorstellungsgespräche laufen gehabt, was sie gehindert habe, zu einem weiteren Gespräch mit der Beklagten zu kommen. Tatsache sei, dass sie das Geld brauche.

Mit Urteil vom 30.05.2008 hat das SG den Bescheid vom 30.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2007 aufgehoben, den Bescheid vom 10.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2007 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.02.2007 bis zum 31.03.2007 weitere Leistungen in Höhe von 104 EUR monatlich zu bezahlen. Zum Streitgegenstand hat es ausgeführt, bezogen auf den Monat Januar 2007 sei die Klage als reine Anfechtungsklage zulässig, da nach Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2007 wieder der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006 rechtswirksam und zu erfüllen sei. Für die Monate Februar und März 2007 sei die Klage als Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Der Bescheid vom 10.01.2007 sei insoweit als Zweitbescheid zu qualifizieren. Die Klägerin habe für die Zeit von Januar bis März 2007 Anspruch auf ungekürzte Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II gehabt. Für die Sanktionierung des Nichtantritts der angebotenen Maßnahme fehle es an einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Es sei davon auszugehen, dass das Angebot der Trainingsmaßnahme lediglich im Rahmen eines einfachen Einladungsschreibens erfolgt sei. Dass vorab schon eine entsprechende Verpflichtung der Klägerin im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung erfolgt sei, sei nicht erwiesen. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II scheide deshalb als Anspruchsgrundlage aus, da der bloße Nichtantritt einer Maßnahme hiervon nicht erfasst werde. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II stelle den Nichtantritt einer Eingliederungsmaßnahme nur dann unter Sanktion, wenn die Verpflichtung zur Teilnahme an dieser Maßnahme im Rahmen eines Eingliederungsvertrages vereinbart worden sei. Der Nichtantritt einer Trainingsmaßnahme werde auch nicht durch § 31 Abs. 4 Nr. 3a bzw. b SGB II erfasst. Die Variante Nr. 3a komme schon deshalb nicht in Betracht, weil ein Sperrzeitbescheid, wie er dort vorausgesetzt werde, nicht ergangen sei. Auch die Tatbestandsvariante Nr. 3b sei nicht einschlägig. Die Norm sei in Fällen, in denen ein Sanktionstatbestand des § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) während des Bezugs allein von Arbeitslosengeld II erfüllt werde, nicht anwendbar. In solchen Fallkonstellationen stelle § 31 Abs. 1 SGB II die gegenüber § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II speziellere und damit auch abschließende Vorschrift dar. § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II sei kein genereller Auffangtatbestand. Dies würde zum einen das ausdifferenzierte System der Sanktionsvoraussetzungen von § 31 Abs. 1 SGB II aushebeln und würde im Ergebnis zu erheblichen Doppelsanktionen (nämlich nach Abs. 1 und Abs. 4) für jene Personen führen, die bereits und allein im SGB II-Bezug stünden. Um dieses unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht begründbare Ergebnis zu umgehen, käme allenfalls eine Reduzierung des Auffangtatbestands auf diejenigen Fälle in Betracht, in denen Abs. 1 (wie vorliegend) nicht einschlägig, wohl aber der Sache nach ein Sperrzeittatbestand nach § 144 SGB III tatbestandlich erfüllt sei. Die Interpretation dieser Tatbestandsvariante als solchermaßen reduzierter Auffangtatbestand übersehe jedoch den Zusammenhang mit § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II. Dieser zeige gerade, dass von der Vorschrift nur Obliegenheitsverletzungen während des (tatsächlichen oder dem Grunde nach möglichen) Bezugs von Arbeitslosengeld I aus der Arbeitslosenversicherung umfasst sein solle. Nr. 3b gelte für die Fälle, in denen der SGB III-Träger den Eintritt einer Sperrzeit nicht förmlich festgestellt habe, etwa weil der Betroffene schon mangels erfüllter Anwartschaftszeit kein Arbeitslosengeld zu beanspruchen habe. Systematisch nachvollziehbar lasse sich demnach die Regelung des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II nur so verstehen, dass von ihr lediglich Konstellationen erfasst würden, in denen eine Sperrzeit tatsächlich verhängt worden sei (a) oder hätte verhängt werden können (b), die in den Bezugszeitraum von Arbeitslosengeld II nachwirke. Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Arbeitsstellen, -gelegenheiten oder Maßnahmen während des reinen Arbeitslosengeld II-Bezuges würden damit nur über § 31 Abs. 1 SGB II sanktioniert.

Das SG hat die Berufung zugelassen.

Gegen das der Beklagten am 08.07.2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.07.2008 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, dass im vorliegenden Fall § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II einschlägig sei. Es handele sich dabei um eine Auffangvorschrift. § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II beziehe sich zwar dem Wortlaut nach eindeutig auf Hilfebedürftige, bei denen tatsächlich eine Sperrzeit eingetreten sei, was wiederum voraussetze, dass der Hilfebedürftige Anspruch auf Arbeitslosengeld habe bzw. gehabt habe. Dies lasse jedoch nicht den Schluss zu, dass die pflichtwidrige Handlung von Hilfebedürftigen nach § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II vor Eintritt in den Leistungs- und Betreuungszusammenhang nach dem SGB II begangen worden sein müsse. Der Wortlaut der Norm stelle lediglich darauf ab, ob die Voraussetzungen, die nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch eine Sperrzeit rechtfertigen würden, im Falle des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen vorlägen. Die zweite Alternative in Absatz 4 Nr. 3 sei völlig losgelöst von der ersten Alternative zu lesen. Hier tauche die Formulierung "Anspruch auf Arbeitslosengeld" nicht auf. § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II sei deshalb so zu lesen, dass all die Fälle erfasst würden, die zum Eintritt einer Sperrzeit führten, wenn der Hilfebedürftige tatsächlich Arbeitslosengeld bezöge. § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II solle all die Fälle erfassen, die nicht von § 31 Abs. 1 SGB II erfasst seien. Nicht überzeugend sei auch, dass die "systematisch versteckte" Stelle im Gesetz gegen einen Auffangtatbestand spreche, da es sich in § 31 Abs. 1 bis 3 SGB II im Wesentlichen um SGB II - spezifische Regelungen handele und eben mit Abs. 4 die Verknüpfung zu den Vorschriften des SGB III hergestellt werde. Im Übrigen stelle die Weigerung, an einer Trainingsmaßnahme teilzunehmen, einen Sperrzeittatbestand dar, so dass die Voraussetzungen für eine Sanktion erfüllt seien.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie sei ihrer Meldepflicht nachgekommen. Wegen eines Bandscheibenvorfalls und Ischias habe sie sich in Therapie begeben müssen. Die Klägerin hat einen Terminzettel über Akupunkturtermine ab 20.12.2007 vorgelegt.

Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass eine Rechtsfolgenbelehrung nicht am 03.12.2006, sondern vor Beginn der Maßnahme stattgefunden habe und dass ein gesonderter Änderungsbescheid im Zusammenhang mit dem Sanktionsbescheid vom 30.11.2006 nicht erlassen worden sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nach Zulassung durch das SG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG den angefochtenen Absenkungsbescheid vom 30.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2007 aufgehoben sowie den Bescheid vom 10.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2007 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Monate Februar und März 2007 weitere Leistungen in Höhe von 104 EUR monatlich zu bezahlen. Für den Monat Januar 2007 steht der Klägerin der Betrag in Höhe von 104 EUR ohne erneute Verurteilung zu, da nach Aufhebung der Bescheide wieder der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006 Rechtsgrundlage für diese Leistung ist. Eine Anspruchsgrundlage für die Sanktion besteht nicht.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Streitgegenstand - wie vom SG ausgeführt - nur der Bescheid vom 30.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2007 und der Bescheid vom 10.01.2007 in der Fassung, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 04.12.2007 gefunden hat, ist. Ein gesonderter Änderungsbescheid im Zusammenhang mit dem Sanktionsbescheid wurde nicht erlassen. Der Bescheid vom 10.10.2006 ist, soweit er nicht durch die angefochtenen Bescheide in Höhe des Absenkungsbetrags aufgehoben wurde, bestandskräftig und bindend.

Wegen der für die Absenkung des Arbeitslosengeldes II gemäß §§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 48 Sozialgesetzbuch SGB X und § 31 SGB II erforderlichen Voraussetzungen nimmt der Senat auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verzichtet auf deren erneute Darstellung. (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass ein Verwaltungsakt nach § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt sein muss.

Im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist der Senat der Auffassung, dass der Sanktionsbescheid vom 30.11.2006 inhaltlich nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 SGB X gewesen ist, nachdem in diesem Bescheid der Absenkungsbetrag nicht konkret beziffert wurde (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen Urteil des erkennenden Senats vom 21.01.2009 - L 3 AS 2935/08 -). Der Mangel der Bestimmtheit könnte indessen durch den Bescheid vom 10.01.2007 und den Widerspruchsbescheid vom 04.12.2007, aus denen der Minderungsbetrag in Höhe von 104 EUR jeweils hervorgeht, mit Rückwirkung geheilt worden sein (vgl. hierzu Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16.10.2008 - L 5 AS 449/08 -, www.juris.de). Fraglich könnte dies deshalb sein, weil diese Bescheide erst zu einem Zeitpunkt erlassen wurden, nachdem bereits nur noch der niedrigere Betrag geleistet wurde, so dass es der Klägerin mit Hilfe dieser Bescheide nicht möglich war, auf die Absenkung zu reagieren und im Vorhinein zu entscheiden wie sie den fehlenden Betrag decken kann.

Letztendlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, denn abgesehen davon ist auch der Senat wie das SG der Überzeugung, dass der nunmehr von der Beklagten allein noch geltend gemachte § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II nicht als Anspruchsgrundlage für die Sanktion herangezogen werden kann. Über die in den Entscheidungsgründen des SG genannten Ausführungen hinaus, auf die der Senat auch im Hinblick auf die genannten Literaturnachweise zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt und auf deren erneute Darstellung verzichtet, ist insoweit zur Klarstellung nocheinmal auszuführen, dass für den Fall, dass der Nichtantritt einer Maßnahme sowohl die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II als auch des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II erfüllen würde, die Beklagte die Möglichkeit hätte, immer dann auf die Sperrzeitregelung des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II zurückzugreifen, wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nicht vorlägen. Dies könnte z.B. dann der Fall sein, wenn - wie hier - der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nicht nachgewiesen wäre oder eine Absenkung nach Abs. 1 an der mangelnden Rechtsfolgenbelehrung, die § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II nicht vorsieht, scheitern würde. Sowohl der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung als auch die Vornahme einer ordnungsgemäßen Belehrung sind dem Leistungsträger jedoch objektiv möglich und können und müssen ihm - wenn die Voraussetzungen vorliegen - abverlangt werden. Auch hieraus kann deshalb gefolgert werden, dass § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II im Verhältnis zu § 31 Abs. 1 SGB II entgegen der wohl so zu verstehenden Ziffer 31.37 der Dienstanweisung der BA zu § 31 SGB II keinen Auffangtatbestand darstellt. Wenn zur Verhängung einer Sanktion eine ordnungsgemäß abgeschlossene Eingliederungsvereinbarung mit Rechtsfolgenbelehrung nicht erforderlich wäre, hätte dies zur Folge, dass Hilfebedürftige mit und ohne Eingliederungsvereinbarung gleichgestellt wären. Durch die Eingliederungsvereinbarung soll dem Hilfebedürftigen noch einmal eindeutig vor Augen geführt werden, welche Maßnahmen er zu ergreifen hat, um wieder in Arbeit zu kommen. Nur in diesem Fall ist deshalb bei Nichtantritt einer in einer Eingliederungsvereinbarung vorgesehenen Maßnahme eine Sanktion über § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II gerechtfertigt. Anders stellt sich die Sachlage nur dann dar, wenn der Betroffene im Zeitpunkt der Obliegenheitsverletzung - hier des Nichtantritts der Maßnahme - nicht im Leistungsbezug nach dem SGB II steht. Denn in diesem Fall hat der SGB II-Leistungsträger keine tatsächliche Möglichkeit zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung vor der Obliegenheitsverletzung. Dies ist dann ein Fall des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II. Hieraus ist zu folgern, dass § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II nur Obliegenheitsverletzungen erfassen soll, die zeitlich dem Bezug von Arbeitslosengeld II vorgelagert sind. Eine wie hier vorliegende Pflichtverletzung im Zusammenhang mit Arbeitsstellen, -gelegenheit oder Maßnahmen während des reinen Arbeitslosengeld II-Bezuges wird - wie das SG in nicht zu beanstandender Weise und umfassend ausgeführt hat - dagegen nur über § 31 Abs. 1 SGB II sanktioniert. Dies erschließt sich auch aus Sinn und Zweck von § 31 Abs. 4 Nr. 3a und b SGB II, der darin zu sehen ist, dass die Norm sicherzustellen soll, dass ein nach dem SGB III-Nichtberechtigter seinen Bedarf nicht über das SGB II ersatzweise bzw. unsanktioniert decken kann. Die Wirkung des Sperrzeitrechts soll auf diesem Weg vor Umgehungen geschützt werden. Voraussetzung hierfür ist aber, dass eine Sperrzeit tatsächlich verhängt wurde (Nr. 3a) oder vom SGB III-Träger hätte verhängt werden können (Nr. 3b) und der Betroffene zum Zeitpunkt der Obliegenheitsverletzung (Sperrzeittatbestand) nicht im Bezug von Arbeitslosengeld II stand (so auch SG Düsseldorf, Urteil vom 08.10.2007 - S 28 AS 6/05 -, www.juris.de; a.A. wohl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2006 - L 18 AS 1191/06, www.juris.de).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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