L 11 AS 23/09 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AS 621/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 23/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es kann als höchstrichterlich geklärt gelten,dass die Ortsabwesenheit eines SGB-II-Leistungsempfängers anderen Kriterien als der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers unterliegt.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.10.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Entzug von Leistungen nach dem SGB II während nicht genehmigter Ortsabwesenheit.
Der Kläger, der geringfügig beschäftigt ist, erhielt von der Beklagten für die Zeit ab 01.02.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und der angemessenen Unterkunft in Höhe von 693,00 EUR monatlich zuerkannt (Bescheid vom 03.01.2008 und Anerkenntnis vom 15.10.2008 im Verfahren S 19 AS 22/08). Mit Bescheid vom 17.01.2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 01.02.2008 wegen Ortsabwesenheit auf, nachdem sie den Antrag des Klägers auf Ortsabwesenheit vom 28.01.2008 bis 03.03.2008 abgelehnt und ihn auf die Folgen des ungenehmigten Auslandsaufenthaltes hingewiesen hatte.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 02.05.2008 hat der Kläger Klage erhoben und Leistungen für die Zeit vom 01.02.2008 bis 19.02.2008 beantragt. Das Sozialgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Ortsabwesenheit sei nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig gewesen.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem am 14.11.2008 zugestellten Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.10.2008 hat der Kläger am 12.12.2008 Beschwerde eingelegt. Die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, da es um die Frage gehe, inwieweit ein Empfänger von SGB II-Leistungen für sich Urlaub und Ortsabwesenheit beanspruchen dürfe und einem Arbeitnehmer gleichzustellen sei. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitslose seien auf den Verkauf ihrer Arbeitsleistung angewiesen, insoweit also vergleichbar. Weil es für einen Arbeitslosen wichtig sei, nicht nur gleiche Pflichten, sondern in gewissem Rahmen auch gleiche Rechte zu haben, zähle hierzu auch ein gewisser Urlaubsanspruch.

II.
Die vom Kläger fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen.
Nach § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Der Kläger hat keine Abweichung des Sozialgerichts von einer höchstrichterlichen Entscheidung geltend gemacht. Ebensowenig wird ein Verstoß gegen eine Vorschrift des Verfahrensrechts gerügt. Die Rechtssache ist auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl § 144 RdNr 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand von Rechtsprechung und Literatur nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4).
Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob er als Empfänger von SGB II-Leistungen Anspruch auf Urlaub wie ein Arbeitnehmer habe, ist nicht klärungsbedürftig. Die Antwort hierauf ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. § 7 Abs 4a SGB II bestimmt, dass der Leistungsempfänger keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, wenn er ortsabwesend ist. Der zeit- und ortsnahe Bereich ist in der Erreichbarkeitsanordnung der Bundesagentur vom 23.11.1997 bzw. 16.11.2001 geregelt, auf die Abs 4a verweist. Nach § 3 Abs 1 Satz 1 Erreichbarkeitsanordnung ist ein Aufenthalt von bis zu 3 Wochen pro Kalenderjahr außerhalb des Nahbereichs zulässig, wenn der Grundsicherungsträger dem vorher zugestimmt hat. Bei dieser genehmigten Ortsabwesenheit handelt es sich um keinen Urlaub iS des Bundesurlaubsgesetzes, dessen Regelungen nicht gelten. Dass das Bundesurlaubsgesetz auf Bezieher von Leistungen nach dem AFG nicht unmittelbar anwendbar ist, ist höchstrichterlich geklärt (BSG, Urteil vom 10.08.2000 in SozR 3-4100 § 103 Nr 23). Danach ergibt sich aus den Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes, dass nur das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch nach diesem Gesetz begründen kann. Aus dieser Rechtsprechung kann hinreichend klar entnommen werden, dass auch dem Empfänger von SGB II-Leistungen kein Anspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz zusteht. Bestätigt wird dies durch die ausdrückliche Verweisung auf das Bundesurlaubsgesetz in § 16 Abs 3 Satz 2 bei Beschäftigungen in Arbeitsgelegenheiten iS des § 16 Abs 3 SGB II.
Dass die Erreichbarkeitsanordnung vom 23.10.1997 (geändert durch die Anordnung vom 16.11.2001), worauf § 7 Abs 4a SGB II Bezug nimmt, nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, ist vom Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen vom 10.08.2000 (aaO) und 20.06.2001 - SozR 3-4300 § 119 Nr 3 - festgestellt worden. Aus diesen Entscheidungen im Zusammenhang mit §§ 103 AFG bzw. 119 SGB III lassen sich ausreichende Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass § 7 Abs 4a SGB II verfassungskonform ist. Ebenso wie ein Arbeitsloser Eingliederungsbemühungen zeit- und ortsnah Folge zu leisten hat und keinen Anspruch auf Urlaub wie ein Arbeitnehmer besitzt, hat sich der Hilfebedürftige für die Zuweisung von Arbeitsgelegenheiten und Eingliederungsmaßnahmen zur Verfügung zu halten. Da die Erreichbarkeitsanordnung Ausnahmen vom Aufenthalt im zeit- und ortsnahen Bereich vorsieht, ist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Genüge getan. Ob die Beklagte die Zustimmung zu Recht verweigert hat, ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Die im Einzelfall mögliche sachliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung stellt keinen Grund dar, eine kraft Gesetzes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Bei Verfahren mit geringem Streitwert soll es grundsätzlich mit einer gerichtlichen sachlichen Überprüfung des Klagebegehrens sein Bewenden haben.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). Nach § 145 Abs 4 Satz 4 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
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