L 1 B 40/08 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 6 AS 67/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 40/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 19.11.2008 abgeändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Duisburg Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 19.11.2008 ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt.

Prozesskostenhilfe gemäß §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zu bewilligen, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei der Beurteilung, ob hinreichende Erfolgsaussicht besteht, muss der verfassungsrechtliche Rahmen berücksichtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist gemäß Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) eine weitgehende Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Personen bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 26.06.2003 - 1 BvR 1152/02, SozR 4-1500 § 73 a Nr. 1 = NJW 2003, 3190). Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst darf nicht in das PKH-Verfahren verlagert werden, die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen deswegen nicht überzogen werden (ausführlich m. w. N. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage § 73 a Rdnr. 7 ff.).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Senat die Klage als zulässig ansieht. Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen einen Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Der Widerspruchsbescheid vom 01.04.2008 wurde am selben Tag abgesandt. Damit gilt er gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, also am 04.04.2008 als bekanntgegeben. Die Frist zur Erhebung der Klage begann damit am 05.04.2008 und endete am 05.05.2008 (§ 64 SGG). Dennoch sieht der Senat die am Dienstag, den 06.05.2008 erhobene Klage als zulässig an, denn die Klägerin und Beschwerdeführerin hat glaubhaft gemacht (§§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO), dass sie den Widerspruchsbescheid erst am 07.04.2008 erhalten hat. Der Senat sieht die entsprechende substantiierte Erklärung der Klägerin vom 16.06.2009 insoweit als ausreichend an.

Die Begründetheit der Klage ist mindestens offen, so dass nach den o. a. Gesichtspunkten Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.:

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht. Anders als das Sozialgericht meint, ist keineswegs evident, dass das von der Klägerin absolvierte Skipraktikum nicht unter den Begriff der Klassenfahrt im Sinne dieser Vorschrift fällt. Der Begriff der Klassenfahrt ist gesetzlich nicht definiert, festgelegt ist lediglich, dass es sich um eine Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handeln muss. Die für Nordrhein-Westfalen insoweit maßgeblichen schulrechtlichen Bestimmungen sind die Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten (Wanderrichtlinien - WRL) - Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 19.03.1997 (GABl. NW. I. S. 101). Hiernach fallen nicht nur Schulwanderungen, Schulfahrten und Schulandheimaufenthalte unter den Anwendungsbereich der Wanderrichtlinien, sondern auch Studienfahrten. Diese müssen einen deutlichen Bezug zum Unterricht haben, programmatisch aus dem Schulleben erwachsen und im Unterricht vor- und nachbereitet werden (WRL Ziffer 1). Diese Voraussetzungen werden durch das mehrtägige Praktikum nach den im Klage- und PKH-Verfahren vorgelegten Bescheinigungen der Schule zweifellos erfüllt, wobei - entgegen der Meinung des Sozialgerichts - unbeachtlich ist, wer die Bescheinigung unterschrieben hat. Entscheidend ist nach Ziffer 3.1 der WRL allein, dass die Schulleiterin oder der Schulleiter die Studienfahrt als Schulveranstaltung genehmigt hat, wovon im vorliegenden Fall ohne Weiteres auszugehen ist. Abgesehen davon hat die stellvertretende Schulleiterin am 12.12.2008 bescheinigt, dass es sich bei dem Skipraktikum um eine Veranstaltung handelt, die integraler Bestandteil der Ausbildung an der zweijährigen Berufsfachschule für Sozial- und Gesundheitswesen ist. Gerade der Umstand, dass die Veranstaltung als Praktikum angerechnet wird, spricht nicht gegen, sondern für die Finanzierung der Maßnahme durch die Beklagte. Bei einer derartigen notwendigen und zur Ausbildung gehörenden Schulveranstaltung wäre es besonders befremdlich, dass Personen die - wie die Klägerin - Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen - aus finanziellen Gründen an der Maßnahme nicht teilnehmen können.

Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ZPO) liegen ebenfalls vor, so dass die Prozesskostenhilfe zu bewilligen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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