L 5 KR 1905/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 3155/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1905/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 05.04.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Kapitalzahlungen aus zwei Direktversicherungen der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (KV) und der sozialen Pflegeversicherung (PV) unterliegen und ob dem Kläger die insoweit entrichteten Beiträge zu erstatten sind.

Der 1942 geborene Kläger ist seit 01.06.2007 versicherungspflichtiges Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei der Beklagten zu 1) und damit auch Pflichtmitglied bei der Beklagten zu 2). Zuvor war er bis zum Renteneintritt bei der Z. U. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt.

Während des Arbeitsverhältnisses schloss der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für den Kläger eine Lebensversicherung bei der A. L.-AG (A.-AG; Lebensversicherung Nummer: 6/6 /4) ab. Vereinbart wurde eine Vertragslaufzeit vom 01.12.1977 bis zum 01.12.2007. Ausweislich der Bestätigung der A.-AG vom 05.03.2009 handelte es sich bei diesem Vertrag um eine Firmendirektversicherung mit Gehaltsumwandlung. Im Oktober 2007 wurde die Versicherungsnehmereigenschaft auf den Kläger übertragen. Die Beiträge zur Kapitalleistung für das Jahr 2007 hatte der Arbeitgeber des Klägers im Voraus Anfang des Jahres 2007 gezahlt.

Mit der V. L.-AG (nunmehr E.; im Folgenden: E.) bestand im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages eine weitere Teilversicherung, welche vom früheren Arbeitgeber des Klägers zu seinen Gunsten abgeschlossen wurde. Ausweislich des Versicherungsschein wurde eine Vertragslaufzeit vom 01.12.1977 bis zum 01.12.2007 vereinbart. Am 01.12.1979 wurde die Teilversicherung in eine Einzelversicherung (Vertragsnummer T5 ) umgewandelt und auf den Kläger - als Versicherungsnehmer - übertragen. Versicherungsbeiträge wurden ab der Fortführung als Einzelversicherung nicht mehr eingezahlt.

Am 01.12.2007 zahlte die A.-AG dem Kläger aus der o.g. Lebensversicherung einen Betrag i.H.v. 92.836,64 EUR aus. Daraufhin setzte die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 19.10.2007 mit Wirkung zum 01.01.2008 Beiträge zur KV aus dieser Kapitalzahlung i.H.v. monatlich 119,14 EUR fest (Beitragssatz 15,4% aus 773,64 EUR). Da der Bescheid dem Kläger nicht zugegangen war, übersandte die Beklagte zu 1) dem Kläger den Bescheid erneut am 29.02.2008.

Ferner zahlte die E. dem Kläger am 01.12.2007 einen Betrag i.H.v. 8.501,97 EUR aus der o.g. Lebensversicherung aus. Mit Bescheid vom 27.11.2007 setzte die Beklagte zu 1) mit Wirkung zum 01.01.2008 Beiträge zur KV aus dieser Kapitalzahlung i.H.v. monatlich 10,91 EUR fest (Beitragssatz 15,4 % aus 70,85 EUR).

Mit separatem Bescheid vom 27.11.2007 machte die Beklagte zu 2) Beiträge zur PV i.H.v. monatlich 14,36 EUR nach beitragspflichtigen Einnahmen i.H.v. monatlich 844,49 EUR geltend (Beitragssatz 1,7%).

Am 03.12.2007 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 27.11.2007 und mit Schreiben vom 06.03.2008 gegen den Bescheid vom 19.10.2007 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheiden vom 19.08.2009 wiesen die Beklagten die Widersprüche jeweils zurück. Neben der Rente würden auch vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht unterliegen. Demnach unterfielen auch kapitalisierte Leistungen der Beitragspflicht, wenn eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden sei. Für die Beitragserhebung sei der gesamte Zahlbetrag der Kapitalleistungen maßgebend. Die Widerspruchsbescheide enthielten die Rechtsmittelbelehrung, dass innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben werden könne. Davon machte der Kläger keinen Gebrauch.

Aufgrund einer Beitragssatzerhöhung in der gesetzlichen PV setzte die Beklagte zu 2) mit (nicht in der Akte befindlichem) bestandskräftigem Bescheid vom 15.07.2008 den Beitrag ab dem 01.07.2008 auf 16,47 EUR fest (Beitragssatz 1,95%).

Mit (nicht in der Akte befindlichen) Bescheiden vom 17.02.2009 setzte die Beklagte zu 1) aufgrund einer Beitragssatzerhöhung in der gesetzlichen KV die Beiträge mit Wirkung vom 01.01.2009 auf 119,91 EUR (A.-AG) bzw. 10,98 EUR (E.) bestandskräftig fest (Beitragssatz 15,5%).

Mit (nicht in der Akte befindlichen) Bescheiden unbekannten Datums setzte die Beklagte zu 1) aufgrund einer Beitragssatzsenkung in der gesetzlichen KV die Beiträge mit Wirkung vom 01.07.2009 auf 115,27 EUR (A.-AG) bzw. 10,56 EUR (E.) bestandskräftig fest (Beitragssatz 14,9%).

Mit (nicht in der Akte befindlichen) Bescheiden unbekannten Datums setzte die Beklagte zu 1) aufgrund einer Beitragssatzerhöhung in der gesetzlichen KV die Beiträge mit Wirkung vom 01.01.2011 auf 119,91 EUR (A.-AG) bzw. 10,98 EUR (E.) bestandskräftig fest (Beitragssatz 15,5%).

Aufgrund einer Beitragssatzerhöhung in der gesetzlichen PV setzte die Beklagte zu 1), auch im Namen der Beklagten zu 2), mit Bescheid vom Dezember 2012 den Beitrag zur KV und PV ab dem 01.01.2013 auf 130,89 (KV) und 17,31 EUR (PV) bestandskräftig fest (Beitragssatz PV 2,05%).

Aufgrund einer Beitragssatzerhöhung in der gesetzlichen PV setzte die Beklagte zu 1), auch im Namen der Beklagten zu 2), mit Bescheid vom 14.01.2015 den Beitrag ab dem 01.01.2015 auf 130,89 (KV) bzw. 19,85 EUR (PV) bestandskräftig fest (Beitragssatz PV 2,35%).

Mit Bescheid vom 29.12.2015 setzte die Beklagte zu 1), auch im Namen der Beklagten zu 2), den Beitrag ab dem 01.01.2016 auf 135,95 (KV) bzw. 19,85 EUR (PV) bestandskräftig fest.

Mit Schreiben vom 15.08.2011 (Eingang 16.08.2011) beantragte der Kläger bei der Beklagten zu 1) die Rückerstattung der bereits gezahlten Beiträge. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe entschieden, dass keine KV-Beiträge anfielen, wenn die Versicherungsprämien selbst bezahlt worden seien.

Die Beklagten reagierten darauf mit Schreiben vom 25.08.2011 und 14.12.2011, indem sie den Kläger aufforderten nachzuweisen, dass er nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis eine Direktversicherung als private Lebensversicherung fortgesetzt habe (mit Wechsel des Versicherungsnehmers).

Der Kläger legte daraufhin den Versicherungsschein der V. Versicherung, ein Schreiben der E. vom 07.03.2012, aus dem hervorgeht, dass er weder Versicherungsnehmer war noch Beiträge als Privatperson gezahlt hat, und ein Schreiben der A.-AG vor, wonach die Versicherungsnehmereigenschaft im Oktober 2007 auf den Kläger übertragen wurde.

Daraufhin lehnte die Beklagte zu 1), auch im Namen der Beklagten zu 2), mit Bescheid vom 27.04.2012 die Neuberechnung der Beiträge aus den Kapitalleistungen ab. Der Bescheid enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass innerhalb eines Monats bei der Beklagten zu1) Widerspruch eingelegt werden könne. Ein Widerspruch des Klägers erfolgte jedoch nicht.

Nachdem der Kläger die geforderten Beiträge bis 30.09.2015 entrichtet hatte, stellte er ab dem 01.10.2015 die Zahlung der Beiträge an die Beklagten ein. Er stellte sodann unter dem 10.10.2015 und dem 16.11.2015 wiederholende Anträge auf Erstattung seiner bisher geleisteten Beiträge. Darüber hinaus legte er die Bescheinigung seines ehemaligen Arbeitgebers vom 03.10.2009 vor, wonach er, der Kläger, die Prämien durch Abzug vom Gehalt bezahlt habe und die Überweisung durch den Arbeitgeber erfolgt sei. Die Überweisungen hätten in keinem Zusammenhang mit einer betrieblichen Altersversorgung gestanden. Es habe sich bei den Versicherungen der A. und der E. um keine betriebliche Altersvorsorge gehandelt.

Mit Bescheid vom 24.11.2015 lehnte die Beklagte zu 1) und mit Bescheid vom 17.12.2015 die Beklagte zu 1), auch im Namen der Beklagten zu 2), die Beitragserstattung ab und verwies dabei auf den bisher geführten Schriftverkehr. Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) unterlägen Versorgungsbezüge, die als Kapitalleistungen (Einmalzahlung) gezahlt würden, ab dem 01.01.2004 der Beitragspflicht. Dabei sei es unbeachtlich, wer die Beiträge im Einzelnen getragen habe. Nur eine vollständige Übernahme des Versicherungsvertrages durch den Kläger als Arbeitnehmer im Rahmen eines Versicherungsnehmerwechsels könne Auswirkungen auf die beitragspflichtigen Teile der Kapitalleistung haben. Für eine private Lebensversicherung zur Altersvorsorge bestehe keine Beitragspflicht als Versorgungsbezug. Zudem wiesen die Beklagte zu 1) darauf hin, dass Widerspruch und Klage, welche die Entscheidungen des Beitragsrechts betreffen, keine aufschiebende Wirkung hätten und verwiesen den Kläger auf den Klageweg.

Der Kläger verwies mit Schreiben vom 06.12.2015 und 11.01.2016 erneut darauf, dass seine Beitragsrückforderung zu Recht bestehe. Es bestehe keine Beitragspflicht.

Die Mitgliedschaft des Klägers bei den Beklagten endete am 31.03.2016.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2016 wies die Beklagte zu 1), auch im Namen der Beklagten zu 2), den Widerspruch des Klägers zurück. Die Beklagte zu 1) verwies dabei auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.09.2006 (Aktenzeichen B 12 KR 1/06 R und B 12 KR 17/06 R) sowie vom 25.04.2007 (B 12 KR 25/05 R und B 12 KR 26/05 R) und vom 12.12.2007 (B 12 KR 6/06 R und B 12 KR 2/07 R). Demnach sei es maßgeblich, dass die Versicherungsverträge vom damaligen Arbeitgeber abgeschlossen worden seien und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sei. Unerheblich sei dabei, in welchem Umfang die den Bezügen zu Grunde liegenden Aufwendungen von dem Versicherten selbst getragen würden. Etwas anderes ergebe sich nur, wenn der Arbeitnehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheide und es infolgedessen zu einer Übertragung des Vertrages auf den Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer (bei Zahlung der Prämien durch den Arbeitnehmer) komme. Hiergegen erhob der Kläger am 06.06.2016 Klage zum SG. Bei den abgeschlossenen Lebensversicherungen handele es sich nicht um eine betriebliche Altersversorgung. Die Prämien für beide Lebensversicherungen seien ausschließlich vom ihm, dem Kläger, geleistet worden. Der Abschluss einer Gruppen/Direktversicherung über den Arbeitgeber sei erfolgt, da der Arbeitgeber eine Vermittlungsprovision erhalten habe. Auch habe der Arbeitgeber seine Beitragsbasis für lohngebundene/abhängige Kosten reduzieren könne. Gleichzeitig sei auch die vom Arbeitnehmer abzuführende Lohnsteuer aus einer Versicherungsprämie pauschal zu seinen Lasten reduziert worden.

Die Beklagten traten der Klage entgegen und verwiesen auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10.05.2016.

Mit Verfügung vom 29.09.2016 befragte das SG die A.-AG sowie die E. zu dem Sachverhalt und bat um Vorlage der Versicherungsscheine sowie sonstiger Verträge. Mit Schreiben vom 04.10.2016 bestätigte die A.-AG und mit Schreiben vom 17.10.2016 die E. das Vorliegen einer betrieblichen Altersversorgung und legten ergänzende Unterlagen vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 05.04.2017 wies das SG die Klage ab. Gegenstand des Verfahrens seien die Bescheide vom 24.11.2015 und 17.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2016, in denen die Erstattung der bereits geleisteten Beiträge abgelehnt worden sei. Die angefochtenen Bescheide seien jedoch rechtmäßig, der Kläger müsse aus den streitgegenständlichen Kapitalzahlungen Beiträge zur KV und PV zahlen. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch stehe ihm nicht zu. Die Klage richte sich gegen die beklagte Krankenkasse (Beklagte zu 1) und die bei ihr errichtete Pflegekasse (Beklagte zu 2). Zwar habe der Kläger in der Klageschrift ausdrücklich nur die Krankenkasse als Beklagte bezeichnet. Doch seien mit den angefochtenen Bescheiden, die in der Klage als Streitgegenstand bezeichnet worden seien, auch im Namen der Pflegekasse Beiträge zur PV festgesetzt worden. Da in der Klageschrift noch hinreichend zum Ausdruck komme, dass die Beitragserhebung insgesamt angefochten werde, deute die Kammer die Klage zugunsten des Klägers so, dass er sich von Anfang an gegen die Festsetzung von Beiträgen aus den Kapitalleistungen sowohl durch die Beklagte zu 1) als auch durch die Beklagte zu 2) habe wenden wolle. Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung seien §§ 237, 229 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie bei den Pflegeversicherungsbeiträgen § 57 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Danach würden bei versicherungspflichtigen Rentnern - zu welchen der Kläger nach § 5 Abs. l Nr. 11 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI gehöre - der Beitragsbemessung neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und dem Arbeitseinkommen auch der Zahlbetrag der Rente vergleichbarer Einnahmen zugrunde gelegt (§ 237 Satz 1 SGB V). Zu diesen der gesetzlichen Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) gehörten u.a. auch Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt würden (§ 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V). Sei bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls an Stelle von Versorgungsbezügen eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung vereinbart oder zugesagt worden, gelte dabei ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der ab dem 01.01.2004 anzuwendenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003, BGBl. I, S. 2190). Diese Vorschriften seien verfassungsmäßig und gültig (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] vom 07.04.2008, 1 BvR 1924/07, in juris; BSG, Urteil vom 25.04. 2012, B 12 KR 19/10 R, in juris, m.w.N.). Sie würden die Krankenkassen und Gerichte binden. Die Beklagten hätten diese gesetzlichen Bestimmungen rechtsfehlerfrei angewandt und die zur Auslegung der Vorschriften in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BVerfG und BSG entwickelten Grundsätze zutreffend dargestellt. Bei den Kapitalzahlungen der A.-AG und der E. handele es sich, entgegen der Darstellung des Klägers, um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und damit um beitragspflichtige Versorgungsbezüge. Die Kapitalleistungen beruhten jeweils auf einer Direktversicherung im Sinne des Betriebsrentenrechts (§ lb Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung - BetrAVG), die der ehemalige Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für den Kläger zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen habe. Dass die Versicherung der Altersvorsorge des Klägers gedient habe, ergebe sich dabei bereits aus dem Zeitpunkt ihrer Auszahlung: die Versicherungsleistung sei in dem Jahr fällig geworden, in dem der Kläger sein 65. Lebensjahr vollendet habe (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2007, B 12 KR 6/06 R, in juris). Die Zahlungen unterlägen damit in vollem Umfang der Beitragspflicht in der gesetzlichen KV und sozialen PV. Sie lasse sich nicht in verschiedene (Beitrags-) Anteile aufspalten. So sei der Arbeitgeber während der gesamten Versicherungslaufzeit Versicherungsnehmer der Direktversicherung bei der A.-AG geblieben. Hinsichtlich der Teilversicherung mit der E. sei der Kläger zwar seit dem 01.12.1979 Versicherungsnehmer geworden, jedoch seien von ihm keine Beiträge an die Versicherung gezahlt worden. Dabei handele es sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht um eine bloße Formalität. Habe sich der Kläger somit während der gesamten Versicherungslaufzeit den institutionellen Rahmen der Direktversicherung im Sinne des Betriebsrentengesetzes, mit all seinen arbeitsrechtlichen, insolvenzrechtlichen und steuerlichen Auswirkungen zu Nutze gemacht, seien die erwirtschafteten Erträge auch beitragsrechtlich der betrieblichen Altersvorsorge zuzuordnen und als Versorgungsbezüge zu Beiträgen zur KV und PV der Rentner heranzuziehen. Dabei komme es auf die Art und Weise der Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung nicht an. Die Kammer schließe sich auch insoweit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 25.05.2011, B 12 P 1/09 R, in juris; BSG, Urteil vom 12.12.2008, B 12 KR 6/08 R, in juris) an. Schließlich sei die Heranziehung der Kapitalleistung zu KV- und PV-Beiträgen auch nicht deshalb unzulässig, weil die Versicherungsverträge bereits vor dem 01.01.2004 abgeschlossen worden seien. Einer Übergangsregelung habe es nicht bedurft (vgl. BVerfG vom 07.04.2008, 1 BvR 1924/07, in juris). Der verfassungsrechtlich gebotene Vertrauensschutz sei gewahrt.

Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 06.04.2017 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 05.05.2017 zum SG erhobene Berufung, die dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 11.05.2017 vorgelegt worden ist. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass die Entscheidung über eine betriebliche Altersversorgung durch den Arbeitgeber getroffen werde. Es sei eine Entscheidung, die der unternehmerischen Freiheit unterliege. Ausweislich der Arbeitgeberauskunft vom 10.03.2009 stünden die streitgegenständlichen Versicherungen in keinem Zusammenhang mit der betrieblichen Altersversorgung, daher käme eine Beitragspflicht nicht in Betracht.

Der Kläger beantragt - sachgerecht gefasst -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 05.04.2017 sowie die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 24.11.2015 und 17.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2016 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, die aus der Kapitalleistung zwischen dem 01.01.2008 und 31.03.2016 bereits gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zutreffend habe das SG die Klage abgewiesen. Die E. und die A.-AG hätten übereinstimmend bestätigt, dass es sich bei den geschlossenen Verträgen um eine betriebliche Altersvorsorge gehandelt habe. Die von der Firma Z. getroffene Aussage, wonach die Überweisung in keinem Zusammenhang mit einer betrieblichen Altersvorsorge stehe, sei unzutreffend. Darüber hinaus habe die E. mit Schreiben vom 12.05.2009 bestätigt, dass Beiträge seit der Fortführung als Einzelvertrag auf den Namen des Klägers nicht gezahlt worden seien. Die A.- AG habe mit Schreiben vom 31.07.2015 bestätigt, dass die volle Ablaufleistung beitragspflichtig sei.

Im Erörterungstermin am 23.08.2017 vor dem Berichterstatter haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mitgeteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und damit zulässig. Insbesondere ist die Berufung nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger bei Monatsbeiträgen von über 100 EUR monatlich für über acht Jahr die Erstattung von Beiträgen von über 750 EUR begehrt.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig, weshalb der Kläger hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt ist. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der aus den Leistungen der E. und der A.-AG abgeführten Beiträge zur KV und PV, denn diese wurden nicht zu Unrecht iS des § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) entrichtet.

Der Senat lässt dahingestellt, ob die Klage des Klägers hinsichtlich der Beitragserstattung unzulässig ist, weil sie den geltend gemachten Erstattungsbetrag der einbehaltenen Beiträge zur KV und PV seit 01.01.2008 nicht beziffert. Betrifft ein Zahlungsanspruch einen abgeschlossenen Vorgang aus der Vergangenheit, ist er zur Vermeidung eines ansonsten im Raum stehenden zusätzlichen Streits über die Höhe des Anspruchs konkret zu beziffern. Es muss also grundsätzlich ein bestimmter (bezifferter) Zahlungsantrag gestellt und dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt (z.B. zu Kostenerstattungsansprüchen: BSG, Urteil vom 28.01.1999 – B 3 KR 4/98 R – in juris Rn. 27 und Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 5/09 R – in juris Rn. 14). Nichts anderes gilt für den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Beiträge zur KV und PV. Denn diese auf der Grundlage der Zahlung der E. und der A.- AG einbehaltenen Beiträge sind dem Kläger bekannt und können deshalb ohne weiteres von ihm beziffert werden.

Jedenfalls scheitert der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Erstattung der Beiträge zur KV und PV, weil die materiell-rechtlichen Voraussetzungen dieses Anspruches nicht gegeben sind.

Gemäß § 26 Abs. 2 Halbsatz 1 SGB IV sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Der Erstattungsanspruch steht gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB IV dem zu, der die Beiträge getragen hat. Die Normen gelten für alle Zweige der Sozialversicherung (BSG, Urteil vom 24.03.1983, 8 RK 36/81, in juris, Rn. 10; Waßer, in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 26 Rn. 54).

Der Senat lässt dabei ebenfalls dahingestellt, ob dem Erstattungsanspruch entgegensteht, dass der Kläger - wovon angesichts seines Alters auszugehen sein dürfte - zwischen dem 01.01.2008 und 31.03.2016 Leistungen aus der KV und ggf. der PV erhalten hat und ob die im Zeitraum bis 31.12.2010 entrichteten Beiträge verjährt sind (§§ 23 Abs. 1 Satz 5, 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV), denn jedenfalls stellen die bindenden Beitragsbescheide einen selbstständigen Verpflichtungsgrund für die Beitragsentrichtung dar und stehen der Beitragserstattung entgegen. Im Übrigen sind die streitgegenständlichen Kapitalzahlungen aber auch als Renten der betrieblichen Altersversorgung anzusehen und der Bemessung der Beiträge des Klägers zugrunde zu legen.

Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 54 Abs. 1 SGB XI werden die Mittel der KV und der PV u.a. durch Beiträge aufgebracht. Nach § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Der Umfang der Beitragspflicht zur KV und PV beurteilt sich nach dem Versichertenstatus des Kläger in dem Zeitpunkt, für den Beiträge erhoben werden. Vorliegend war der Kläger für den streitigen Zeitraum zwischen dem 01.01.2008 und 31.03.2016 in der KVdR versicherungspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V) und damit nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI auch in der PV. Bei versicherungspflichtigen Rentnern werden nach § 237 SGB V der Beitragsbemessung zu Grunde gelegt:

1. der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und 3. das Arbeitseinkommen.

§ 226 Abs. 2 und die §§ 228, 229 und 231 SGB V gelten entsprechend. Da § 237 SGB V die Regelung des § 229 SGB V für entsprechend anwendbar erklärt, unterliegen auch die dort genannten Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht selbst dann, wenn diese neben einer Rente im Sinne des § 237 Satz 1 SGB V geleistet werden. Als Versorgungsbezüge gelten nach § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V neben anderen Versorgungsleistungen insbesondere Renten der betrieblichen Altersversorgung (Nr. 5), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein Hundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Die Beitragsbemessung zur PV folgt den gleichen Regeln (§ 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i. V. m. §§ 226 - 238, 244 SGB V).

Der Kläger hat von der E. und der A.-AG jeweils eine Kapitalzahlung erhalten. Bei diesen Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen handelt es sich um Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V (so bereits zwischen dem Kläger und einer nachfolgenden Krankenversicherung ergangener Beschluss des LSG vom 16.11.2016 - L 4 KR 3802/16 ER-B -). Die Einstufung obliegt dabei - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht der unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers. Vielmehr gehören zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung definitionsgemäß Renten, die – wie hier – aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung gezahlt werden. Um eine Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Sie ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll. Dieser Versorgungszweck kann sich – wie vorliegend – aus der vereinbarten Laufzeit ergeben. Unerheblich ist, ob der Abschluss nach Auffassung aller Beteiligten allein zur Ausnutzung der steuerlich anerkannten und begünstigten Gestaltungsmöglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung erfolgt ist. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistungen aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist bei einer solchen für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart der Direktversicherung gegeben (BSG, Urteile vom 13.09.2006, B 12 KR 5/06 R; B 12 KR 1/06 R und B 12 KR 17/06 R, alle in juris; weiterführend BSG, Urteile vom 12.11.2008, B 12 KR 9/08 R und 10/08 R, in juris; sowie BSG, Urteile vom 30.03.2011, B 12 KR 24/09 R und 16/10 R; BSG, Urteil vom 25.04.2012, B 12 KR 26/10 R, alle in juris).

Die Verbeitragung von Kapitalzahlungen der betrieblichen Altersversorgung (einmaliger Versorgungsbezug) verstößt nach Ansicht des erkennenden Senats nicht gegen Verfassungsrecht. Der Senat schließt sich der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 12.11.2008, B 12 KR 6/08 R, B 12 KR 9/08 R und B 12 KR 10/08 R, in juris jeweils mwN; sowie Urteile vom 30.03.2011, B 12 KR 24/09 R und 16/10 R, und vom 25.04.2012, B 12 KR 26/10 R, alle in juris) und den Entscheidungen des BVerfG (Beschlüsse vom 04.04.2008, 1 BvR 1924/07 und vom 06.09.2010, 1 BvR 739/08, beide in juris) an.

Eine verfassungs- oder europarechtswidrige Ungleichbehandlung des Klägers bzw. eine Verletzung von Vertrauenstatbeständen liegt nicht vor. Die vom BSG vorgenommene Typisierung, wonach auch die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses teilweise arbeitnehmerfinanzierte Direktversicherung, bei welcher der Arbeitgeber Versicherungsnehmer ist, einen Versorgungs-bezug im Sinne des § 229 SGB V bildet, ist mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 06.09.2010, 1 BvR 739/08, in juris). Ein Verstoß gegen Grundrechte ergibt sich auch dann nicht, wenn der Versorgungsbezug aus bereits zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogenem Arbeitsentgelt finanziert worden ist (BVerfG, Beschluss vom 06.09.2010, 1 BvR 739/08, in juris). Im Beschluss vom 28.09.2010 (1 BvR 1660/08, in juris) hat das BVerfG noch einmal bestätigt, dass die Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V grundsätzlich weder gegen die wirtschaftliche Handlungsfreiheit i. V. m dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes noch gegen Art. 14, 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG verstößt. Einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG sieht das BVerfG nur dann, wenn auch diejenigen Kapitalleistungen der Beitragspflicht unterworfen werden, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat (Beschluss vom 28.09.2010, 1 BvR 1660/08, in juris). Das BVerfG stellt nicht nur auf die Tragung der Versicherungsprämien durch den Mitarbeiter ab, sondern darauf, dass bei Direktversicherungen durch das Einrücken des Mitarbeiters in die Stellung des Versicherungsnehmers der institutionelle Rahmen der Betriebsrente verlassen wird (BVerfG, Beschluss vom 28.09.2010, 1 BvR 1660/08; BVerfG, Beschluss vom 14.04.2011,1 BvR 2123/08, in juris). Dies haben die Beklagten beachtet. Beitragszahlungen nach dem Einrücken des Klägers in die Stellung des Versicherungsnehmers sind nicht gegeben. Dies ergibt sich aus den Aussagen der E. und der A.-AG und wird vom Kläger auch nicht bestritten. Einwände gegen die Berechnung der Beiträge werden im Übrigen nicht erhoben und sind auch nicht ersichtlich. Unter Ansatz der jeweiligen Beitragssätze (§ 241 SGB V, § 55 SGB XI) errechnen sich die von dem Kläger zu zahlenden Beiträge zur KV und PV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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