L 4 KR 1160/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 1363/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1160/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin als Witwe und Sonderrechtsnachfolgerin des am 1944 geborenen und am 2004 verstorbenen Diplomingenieurs Dr. K.-T. B. (Versicherter) die Zahlung von EUR 17.162,35 beanspruchen kann.

Der Versicherte war bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Im Oktober 2001 war beim Versicherten ein Prostatakarzinom festgestellt worden. Nach dem Arztbrief des Prof. Dr. U., Ärztlicher Direktor der Klinik für Tumorbiologie an der A.-L.-Universität F., vom 02. April 2002 waren beim Versicherten ab Februar 2002 die PSA-Werte, die zunächst drastisch gesenkt werden konnten, wieder angestiegen. Es wurde die Diagnose eines knochenmetastasierenden Prostatakarzinoms, primär nicht operabel, gestellt. Am 14. Oktober 2002 lag der PSA-Wert bei 724. Nach dem Arztbrief des Arztes für Radiologie Dr. E. vom 17. Oktober 2002 ergab sich im Vergleich zur Voruntersuchung vom 02. November 2001 die Darstellung von zahlreichen aktiven ossären Metastasen der Schädelkalotte, der Wirbelsäule, der Rippen und des Beckens. Durch eine am 17. Oktober 2002 ausgestrahlte Fernsehsendung wurden der Versicherte und seine Ehefrau auf die Privatklinik Dr. A. V. M. (Zentrum für Ganzheitliche Medizin, im Folgenden: Privatklinik) in E. aufmerksam gemacht. Darin wurde über einen Patienten berichet, der an einem Prostatakarzinom im fortgeschrittenen Stadium mit Knochenmetastasen erkrankt war und in der Privatklinik behandelt worden war, und zwar in regelmäßigen Abständen mit dem Präparat "Ukrain" in Kombination mit einer Ganzkörper-Hyperthermie; dieser Patient sei wieder vollkommen gesund geworden. Der Versicherte und seine Ehefrau beschafften sich einen Internetausdruck über die Privatklinik und die dort durchgeführten Behandlungen. Am 21. Oktober 2002 stellte die internistische Gemeinschaftspraxis Dres. L. u.a. eine vertragsärztliche Verordnung für Krankenhausbehandlung in Form einer "Palliativ-Therapie" bei "therapieresistentem Prostata-Carzinom" aus. Arzt für Urologie, Belegarzt der P.-Klinik, Dr. P. stellte dem Versicherten ebenfalls am 21. Oktober 2002 eine vertragsärztliche Verordnung für Krankenhausbehandlung für palliative Therapie wegen "Prostatakarzinom ossär metastasierend" aus. Nach dem Arztbrief des Dr. P. vom 22. Oktober 2002 hatte dieser dem Versicherten eine Chemotherapie im Rahmen einer Studie in Karlsruhe oder Mannheim oder einem anderen Onkologischen Zentrum empfohlen. Der Versicherte wollte danach jedoch vorerst die Möglichkeit einer Thermotherapie/Hyperthermie erörtern. Davon hatte Dr. P. jedoch wegen der ossären Metastasierung abgeraten.

Der Versicherte begab sich zusammen mit seiner Ehefrau am 22. Oktober 2002 zu einem Konsultationsgespräch mit Dr. A. in die Privatklinik. Dr. A. (Schreiben vom 23. Oktober 2002) empfahl einen ersten dreiwöchigen Therapiezyklus in der Privatklinik, bestehend aus einem kombinierten Therapieverfahren (Behandlung mit Ukrain kombiniert mit einer regionalen Tiefenhyperthermie). Mit der Erklärung vom 22. Oktober 2002 willigte der Versicherte in die Durchführung dieses kombinierten Therapieverfahrens in der Privatklinik ein. Darin wurde der Versicherte auch darüber aufgeklärt, dass die zur Behandlung verwendeten Medikamente, u.a. Ukrain, Noclosan, Loxat und PC-Spes, in Deutschland noch nicht zugelassen seien und somit die Behandlung noch keine schulmedizinische Anerkennung gefunden habe. Dies gelte auch für die Therapie mit der regionalen Tiefenhyperthermie und der lokalen Hyperthermie, die derzeit hier noch nicht zur schulmedizinischen Standardtherapie zählten. Gleiches gelte für die begleitende komplementäronkologische Behandlung u.a. mit hochdosiertem Vitamin. Der Versicherte verpflichtete sich und gegebenenfalls seine Erben, die entstehenden Kosten der Behandlung, der ärztlichen Leistungen sowie für den stationären Aufenthalt im grob kalkulierten Rahmen von ungefähr DM 20.000,00 für den geplanten dreiwöchigen Behandlungszyklus am letzten Behandlungstag zu begleichen. Vom 22. Oktober bis 14. November 2002 wurde der Versicherte dann dementsprechend in der Privatklinik stationär behandelt (vgl. Arztbrief des Dr. A. vom 20. November 2002). Nach dem genannten Arztbrief habe unter der durchgeführten Therapie eine Verbesserung des Krankheitsbildes erreicht werden können. Der PSA-Wert sollte kontrolliert werden. Die Notwendigkeit der Wiederholung der Therapie ergebe sich aus der Entwicklung des PSA-Werts. Es wurde auch ein Therapieplan aufgestellt, in dem u.a. die Einnahme von Prostasol empfohlen wurde. Für Prostasol-Kapseln, die dem Versicherten am 13. Dezember 2002 übersandt wurden, stellte die Privatklinik EUR 235,95 in Rechnung. Für die stationäre Behandlung berechnete die Privatklinik dem Versicherten einschließlich der Kosten für den Pflegesatz (EUR 3.841,00) insgesamt EUR 16.926,40. Diese Beträge wurden vom Versicherten bezahlt.

Nach der stationären Aufnahme in der Privatklinik hatte der Versicherte bzw. seine Ehefrau nach Rücksprache mit der Beklagten auch Kontakt mit der B.M.-Klinik (Klinik für Onkologie und Immunologie in B. B., Ärztlicher Direktor Dr. Ha.), die eine von den Krankenkassen zugelassene Vertragsklinik ist (im Folgenden: Vertragsklinik), aufgenommen. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2002 wurde der Versicherte über die Behandlung in der Vertragsklinik informiert. Nach einem Konsultationsgespräch am 12. November 2002 machte Dr. Ha., nachdem ihm Laborwerte zugesandt worden waren, mit Schreiben vom 03. Dezember 2002 einen Therapievorschlag mit zwei Therapieoptionen (Chemotherapie oder Therapieversuch mit einer pflanzlichen Kombination), wobei mit der ersten Behandlung vor Weihnachten noch begonnen werden könne. Am 12. November 2002 stellte Dr. P. dem Versicherten erneut eine Verordnung über Krankenhausbehandlung in Form von palliativer Therapie wegen Prostatakarzinom ossär metastasierend aus. Am 21. November 2002 stellte sich der Versicherte noch in der Urologischen Klinik des Klinikums Mannheim wegen weiterer Therapie vor (Arztbrief des Oberarztes Privatdozent Dr. Si. vom 28. November 2002). Der Versicherte wurde dann auf Kosten der Beklagten vom 16. Dezember 2002 bis 03. Januar 2003, vom 10. Februar bis 01. März, vom 31. März bis 17. April, vom 19. Mai bis 06. Juni sowie vom 22. Juli bis 05. August 2003 jeweils stationär in der Vertragsklinik behandelt (vgl. Arztbriefe vom 03. Januar, 28. Februar, 17. April, 05. Juni sowie 05. August 2003). Für die zuerst genannte stationäre Behandlung in der Vertragsklinik ergab sich für die Beklagte eine Kostenbelastung von EUR 3.216,39. Ferner wurde der Versicherte noch jeweils im Städtischen Klinik K. stationär vom 04. bis 21. Juli (Onkologie) und vom 23. September bis 15. Oktober 2003 (Strahlentherapie) sowie vom 19. Februar bis 11. März 2004 (Strahlentherapie) behandelt, gleichfalls in der Abteilung Innere Medizin der Paracelsusklinik in Karlsruhe vom 15. bis 17. April 2004.

Am 03. Februar 2003 begehrte der Versicherte von der Beklagten die Erstattung der Kosten für die Behandlung in der Privatklinik in Höhe von EUR 17.162,35. Er reichte verschiedene Unterlagen ein und machte geltend, bei ihm bestehe seit Oktober 2001 ein fortgeschrittenes nicht operables Prostatakarzinom. Seitdem seien verschiedene schulmedizinische Therapien durchgeführt worden. Nach Ausschöpfung dieser Standardverfahren sei es im Oktober 2002 zu einem erneuten PSA-Anstieg und starken Rückenbeschwerden gekommen. Deswegen sei Eile geboten gewesen. Aus Panik und Todesangst heraus sei er zur Privatklinik gefahren, von der er gehört habe, dass dort sofort ein Platz frei gewesen sei. Dort seien folgende Maßnahmen durchgeführt worden: Hyperthermie, Mistel- und Thymustherapie, Therapien zur Immun- und Knochenstabilisierung, Schmerztherapie und Bluttransfusionen. Von diesen Therapien hätten viele Ärzte über positive Erfahrungen berichtet. Die Kosten der Privatklinik seien aufgrund einer Einzelfallentscheidung zu erstatten. Auf Anforderung der Beklagten reichte der Versicherte auch die Laborwerte bei der Aufnahme in der Privatklinik ein. Die Beklagte erhob eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz (MDK) vom 27. Mai 2003, in der darauf hingewiesen wurde, dass die Behandlung in einer Privatklinik medizinisch nicht indiziert gewesen sei. Es sei eine vertragsärztliche Behandlung auch bei Notwendigkeit stationär in Regelkliniken, beispielsweise dem Städtischen Klinikum und den S. V.-Krankenhäusern in K., möglich gewesen. Im Übrigen sei hinsichtlich der Ukrain-Therapie eine Wirksamkeit nicht belegt. Mit Bescheid vom 04. Juni 2003 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme danach ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch reichte der Versicherte ein Attest des Dr. L. vom 21. Juli 2003 ein und machte geltend, die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) seien erfüllt. Vor der Aufnahme in der Privatklinik hätten konventionelle Therapien nicht mehr zur Verfügung gestanden. Am 21. Oktober 2002 sei eine sofortige stationäre Behandlung unaufschiebbar dringend geworden. Es habe zu diesem Zeitpunkt ein lebensbedrohlicher Zustand bestanden. Erst am 23. Oktober 2002 habe er erfahren, dass die Privatklinik kein zugelassenes Krankenhaus sei. Im Übrigen treffe auch nicht zu, dass die in der Privatklinik durchgeführten Behandlungen keine Wirksamkeit erbracht hätten. Die Beklagte erhob ein Gutachten des Dr. St. vom MDK vom 13. Oktober 2003, der zu dem Ergebnis gelangte, adäquate vertragliche bzw. stationäre Behandlung in Vertragskrankenhäusern sei möglich gewesen, insbesondere in einem Krankenhaus in K ... Die in der Privatklinik durchgeführte Behandlung mit Aredia sei vertraglich erbringbar, was belege, dass die vertraglichen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft gewesen seien. Die Behandlung in der Privatklinik sei nach dem SGB V ausgeschlossen. Die dort durchgeführten Behandlungen entsprächen überwiegend auch nicht dem aktuellen Erkenntnisstand des medizinischen Wissens. Mit Hinweisschreiben vom 21. Oktober 2003 bestätigte die Beklagte ihren ablehnenden Standpunkt. Der Versicherte hielt seinen Widerspruch aufrecht. Er wies darauf hin, dass beispielsweise die Behandlung mit Ukrain in der Universität Ulm durchgeführt werde. Auch müsse berücksichtigt werden, dass die Privatklinik für das Medikament Aredia lediglich EUR 399,50 angesetzt habe, hingegen die Apotheke dafür EUR 425,26 berechnet habe. Auch sei zu berücksichtigen, dass er dann zwar vom 04. bis 21. Juli 2003 stationär im Klinikum Karlsruhe behandelt worden sei. Dort habe man sich jedoch auf die Behandlung des primären und des akute Krankheitszustands beschränkt. Wegen eines bedrohlichen Abfalls der Thrombozyten-Werte sei dann eine lebensverbessernde Chemotherapie in der Vertragsklinik nicht möglich gewesen. Es seien der Beklagten zusätzliche Kosten entstanden. Dadurch, dass er die Kosten für die Behandlung in der Privatklinik selbst gezahlt habe, habe die Beklagte Kosten erspart. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 03. März 2004). Zur Begründung bezog sich der Widerspruchsausschuss auf die Stellungnahmen des MDK und führte weiter aus, auch eine Erstattung in Höhe der Kosten, die bei Behandlung in einem Vertragskrankenhaus entstanden wären, könne nicht in Betracht kommen.

Deswegen erhob der Versicherte am 02. April 2004 mit Fernkopie Klage beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe. Die Klage führte die Klägerin nach dem Tod des Versicherten als dessen Sonderrechtsnachfolgerin fort. Die Klägerin begehrte die Zahlung der Kosten der Behandlung des Versicherten in der Privatklinik in Höhe von EUR 17.162,35. Die Klägerin benannte die ihren Ehemann behandelnden Ärzte und führte die durchgeführte stationären Behandlungen auf. Sie trug vor, am 21. Oktober 2002 habe beim Versicherten ein lebensbedrohlicher Zustand bestanden. Sein Immunsystem sei stark angegriffen gewesen, es habe sich eine starke Anämie entwickelt und er habe sich wegen der starken Knochenschmerzen kaum bewegen können. Eine ganzheitliche stationäre Behandlung sei zu diesem Zeitpunkt nur in der Privatklinik möglich gewesen. Zunächst seien sie sich nicht darüber im Klaren gewesen, dass die Privatklinik kein zugelassenes Krankenhaus gewesen sei, es habe die Lebensrettung des Versicherten an erster Stelle gestanden. Erst eine Kontaktaufnahme mit der Beklagten einen Tag nach der Aufnahme in der Privatklinik habe den Hinweis auf die Vertragsklinik in B. ergeben, wo ebenfalls ein komplementäres Verfahren zur Krebstherapie angeboten worden sei. Dort sei jedoch erst in zwei Wochen ein Zimmer frei gewesen. Die Behandlung in der Privatklinik habe zu einer beachtlichen Verbesserung des Gesundheitszustands des Versicherten geführt. Nur so sei die Fortsetzung der Chemotherapie möglich gewesen. Die Behandlungstherapien, mit denen der Versicherte in der Privatklinik behandelt worden sei, seien auch alle anerkannt gewesen. Dies gelte beispielsweise für die Misteltherapie, aber auch für die Hyperthermie; mittels dieser Therapie sei der Versicherte auch später in der Vertragsklinik behandelt worden. Ein Anspruch auf Kostenerstattung sei begründet. Der Versicherte habe sich in einer Notlage und Todesangst befunden, als er die Privatklinik aufgesucht habe. Ein Abbruch der Behandlung dort um die Vertragsklinik in Anspruch zu nehmen, sei nicht zumutbar gewesen, ebenso wenig ein Abwarten von 14 Tagen auf einen freien Krankenhausplatz. Die Notlage müsse aus der Ex-ante-Sicht des Versicherten erfolgen. Es liege auch ein Systemversagen vor, soweit die Beklagte die Behandlung mit Ukrain nicht übernehme. Der Kostenerstattungsanspruch insoweit ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Off-Label-Use. Dieses Arzneimittel sei seit langem für seine Erfolge in der Krebstherapie bekannt und werde teilweise in den osteuropäischen Ländern, wo es in der Ukraine und Weißrussland auch zugelassen sei, als Standardtherapie angewandt. Auch in Österreich sei es zur klinischen Prüfung angemeldet. Die Grundsätze des Off-Label-Use seien hier entsprechend anzuwenden, da das Arzneimittel in einem anderen Land zugelassen sei. Insoweit gehe es um den Fall eines "compassionate use". Insgesamt müsse auch berücksichtigt werden, dass ein ähnliches Behandlungskonzept wie in der Privatklinik dann in der Vertragsklinik in B. B. durchgeführt worden sei. Die Klägerin verwies auch auf die Urteile des BSG vom 19. Februar 2002 (B 1 KR 16/00) und vom 19. November 2004 (B 1 KR 27/02). Die Klägerin reichte auch zahlreiche Unterlagen ein. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Eine vertragsärztliche Versorgung habe im Fall des Versicherten zur Verfügung gestanden. Auf die von der Privatklinik praktizierte Therapie habe kein Sachleistungsanspruch bestanden. Eine Leistungsverpflichtung könnte sich allenfalls aus einem Systemversagen ergeben, d.h. wenn eine erforderliche Behandlung von der Krankenkasse beispielsweise deswegen nicht als Sachleistung zur Verfügung stehe, weil die fehlende Anerkennung einer Methode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruhe. Ein solcher Systemmangel liege hier jedoch nicht vor. Eine Behandlung müsse sich in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen als erfolgreich erwiesen haben, was durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken zu belegen sei. Darauf, dass eine Therapie im konkreten Einzelfall erfolgreich gewesen sei und zu einer Besserung geführt habe, komme es nicht an. Wenn eine Medikamentenzulassung in Deutschland, wie bei Ukrain, nicht vorliege, reiche allein die Zulassung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) nicht aus, vielmehr wäre in diesem Fall eine zentrale europäische Zulassung nach der EWG-Verordnung Nr. 2309/93 erforderlich. Auch eine Zulassung in einigen osteuropäischen Ländern begründe keinen Leistungsanspruch. Unerheblich sei es ferner, dass der Versicherte in der Privatklinik teilweise mit Therapiemethoden behandelt worden sei, die als Standardtherapien in den zugelassenen Krankenhäusern vorgehalten würden. Bei komplexen Therapieansätzen sei der Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht anhand der Einzelelemente, sondern aufgrund der Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller einzusetzenden Maßnahmen zu beurteilen. Mit Urteil vom 23. Februar 2005 wies das SG die Klage ab. Auf jeden Fall setze der Kostenerstattungsanspruch voraus, dass sich der Versicherte eine Maßnahme beschafft habe, die vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sei. Es lasse sich nicht feststellen, dass das beim Versicherten angewandte Therapiekonzept der Privatklinik derzeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen habe. Dass das Behandlungskonzept der Privatklinik, welches mehrere Behandlungsbestandteile umfasst habe, in seiner Gesamtheit eine Anerkennung in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen bereits gefunden habe, sei nicht belegt. Ein reduzierter Wirksamkeitsnachweis für das streitige Behandlungskonzept könne nicht angenommen werden, soweit es um das Prostatakarzinom gehe. Dieses sei keine so seltene Krankheit, dass von daher eine wissenschaftlich fundierte Wirksamkeitsprüfung ausgeschlossen wäre. Im Übrigen seien wesentliche Bestandteile des Behandlungskonzepts der Privatklinik nicht anerkannt. Dies gelte für die Hyperthermie in Form der regionalen Hyperthermie, die derzeit für den ambulanten Bereich lediglich Beratungsthema des Gemeinsamen Bundesausschusses (GB) sei. Bei dem Präparat Ukrain handle es sich unstreitig um ein nicht zugelassenes Arzneimittel. Aus diesem Grunde scheide die Anwendbarkeit der vom BSG zum so genannten Off-Label-Use entwickelten Grundsätze aus. Auch fehle eine einheitliche wissenschaftlich plausible Theorie zur Wirksamkeit dieses Präparates derzeit.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 03. März 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. März 2005 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen. Das SG habe sich nicht ausreichend mit dem Urteil des BSG vom 19. Oktober 2004 auseinandergesetzt. Im Oktober 2002 sei der Versicherte austherapiert gewesen, weshalb die behandelnden Ärzte nur noch eine palliative Therapie empfohlen und verordnet hätten. Die Wahl der geeigneten Klinik sei ihm überlassen gewesen; er sei auch nicht darauf hingewiesen worden, keine Privatklinik aufzusuchen. Damals habe ein lebensbedrohlicher Zustand bestanden. Ein Fernsehbericht vom 17. Oktober 2002 habe ihn auf erfolgreiche Behandlungen von Prostatakrebs in der Privatklinik aufmerksam gemacht. Damals sei es dem Versicherten nur um die Lebensrettung gegangen. Erst eine Kontaktaufnahme mit der Beklagten am 23. Oktober 2002 habe den Hinweis auf die Vertragsklinik in Bad Bergzabern ergeben. Die Klägerin reichte verschiedene Unterlagen ein, darunter auch den Beschluss des Hessischen LSG vom 13. April 2005 (L 8 KR 38/05 ER), ferner Behandlungsberichte über die Behandlungen in der Vertragsklinik in Bad Bergzabern seit dem 15. Dezember 2002.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 04. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. März 2004 zu verurteilen, an sie EUR 17.162,35 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Tatsächlich seien die angewandten Behandlungen in der Privatklinik überwiegend solche Methoden gewesen, die auch in Vertragskrankenhäusern angeboten würden. Die Inanspruchnahme der Privatklinik sei nicht erforderlich gewesen. Eine teilweise Kostenerstattung, auch soweit es beispielsweise um den Pflegesatz gehe, scheide aus. Die Krankenhausbehandlung sei eine komplexe Leistung, wobei die einzelnen Therapien ein Therapiekonzept ergäben. Das Therapiekonzept der Privatklinik sei insbesondere durch die Anwendung des Arzneimittels Ukrain wissenschaftlich nicht anerkannt. Es sei auch nicht ersichtlich, dass es dem Versicherten nicht möglich gewesen sein sollte, vor Inanspruchnahme der Privatklinik mit ihr Kontakt aufzunehmen, um ihr Gelegenheit zu geben, sowohl auf die Rechtslage hinzuweisen als auch vertragliche Behandlungsalternativen anzubieten. Für den stationären Krankenhausaufenthalt des Versicherten in der Zeit ab 15. Dezember 2002 in der Vertragsklinik in B. B. habe sie EUR 3.216,39 gezahlt, wobei für den Versicherten 14 Zuzahlungstage angefallen seien.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn der Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. März 2004 ist rechtmäßig und verletzt auch die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten nicht in ihren Rechten. Da schon dem Versicherten weder ein Sachleistungsanspruch auf Zurverfügungstellung der Behandlungen in der Privatklinik noch ein an seine Stelle getretener Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) zugestanden hatte, kann auch die Klägerin als vorrangige Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) nicht die Erstattung von EUR 17.162,35 verlangen, weder in dieser Höhe noch in Höhe eines Teilbetrags, sei es beispielsweise in Höhe des Betrags für den Pflegesatz. Dies hat das SG zutreffend entschieden. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils.

Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Die Klägerin begehrt die Zahlung von insgesamt EUR 17.162,35. Dabei sind dem Versicherten für die stationäre Behandlung in der Privatklinik vom 22. Oktober bis 14. November 2002 nach den vorgelegten Rechnungen einschließlich des Pflegesatzes von EUR 3.841,00 Kosten in Höhe von EUR 16.926,40 entstanden. Ferner hat die Privatklinik dem Versicherten nach der vorgelegten Rechnung vom 13. November 2002 für noch an diesem Tag gelieferte Prostasol-Kapseln, die in dem Therapieplan des Entlassungsberichts des Dr. A. aufgeführt waren, EUR 235,95 in Rechnung gestellt. Dem Versicherten stand kein Anspruch auf Krankenhausbehandlung in der Privatklinik vom 22. Oktober bis 14. November 2002 als Sachleistungsanspruch zu, denn insoweit besteht ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung nur für stationäre Behandlungen in einem zugelassenen Vertragskrankenhaus, das die Privatklinik nicht war. Darauf, ob in einer Privatklinik teilweise solche Behandlungen durchgeführt werden, wie sie auch in einer Vertragsklinik zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung angeboten werden, kommt es nicht an. Insoweit kann bei einer stationären Krankenhausbehandlung in einer Privatklinik auch der Anspruch auf Kostenübernahme nicht nur auf einzelne vertragsärztlich bzw. arzneimittelrechtlich zugelassene Komponenten eines einheitlich zur Anwendung gebrachten Behandlungskonzepts begrenzt werden.

Es könnte dem Anspruch auf Erstattung der stationären Behandlungskosten in der Privatklinik, der erstmals am 03. Februar 2003, also nach Durchführung der Behandlungen, geltend gemacht wurde, schon entgegenstehen, dass sich der Versicherte im Hinblick auf die sich bereits vor dem 22. Oktober 2002 abzeichnende Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung nicht an die Beklagte gewandt hatte, um sich wegen Behandlungsmöglichkeiten beraten zu lassen, so wie er dies dann nach dem 22. Oktober 2002, seinem Vorbringen zufolge nämlich am 23. Oktober 2002, getan hat. Die Beklagte hätte mithin die Krankenhausbehandlung in der Privatklinik nicht bereits vor dem 22. Oktober 2002 abgelehnt, weswegen die Ablehnung nicht kausal für die entstandenen Kosten gewesen ist. Es könnte die Vermutung naheliegen, dass der Versicherte im Hinblick auf die von ihm erwähnte Fernsehsendung über die Privatklinik vom 17. Oktober 2002 angesichts der ihm bekannten Befunde bereits auf die Aufnahme in der Privatklinik festgelegt gewesen ist.

Selbst wenn der Senat jedoch davon ausgehen würde, dass für den Versicherten am 22. Oktober 2002 aufgrund der am 21. Oktober 2002 ausgestellten vertragsärztlichen Verordnungen über palliative Krankenhausbehandlung eine Notfallbehandlung für die streitige Krankenhausbehandlung in der Privatklinik bestanden haben könnte, hätte dies keinen Anspruch auf Kostenerstattung des Versicherten für diese Kosten gegen die Beklagte begründet. Ist eine Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines zugelassenen Vertragskrankenhauses fehlt, liegt zwar ein Notfall vor (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 25/05 R - Rdnr. 16). Insoweit hat Dr. L. (Attest vom 21. Juli 2003) angegeben, die Einweisung des Versicherten habe wegen des schlechten Allgemeinzustands schnell durchgeführt werden müssen. Bedingt durch den schlechten Allgemeinzustand sei eine Prüfung, ob ein Vertragskrankenhaus vorgelegen habe. in der gebotenen Eile nicht möglich gewesen. Eine Notfallbehandlung, die ersichtlich jedoch von der Privatklinik selbst nicht bejaht wurde, erfolgt sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich als Naturalleistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Vergütungsanspruch der Privatklinik richtet sich dann nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die Krankenkasse (vgl. BSG, a.a.O.). Im Hinblick auf die vom Versicherten noch am 13. Dezember 2002, mithin kurz vor der Aufnahme zur stationären Behandlung in der Vertragsklinik, gestellten und von der Privatklinik ausgelieferten Prostasol-Kapseln könnte ein derartiger Notfall in keinem Fall bejaht werden.

Den Kostenerstattungsanspruch kann die Klägerin auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - (BVerfGE 115, 15 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 5) sowie die nachfolgend dazu ergangene Rechtsprechung des BSG stützen. Auch daraus ergibt sich kein Anspruch auf die durchgeführte Krankenhausbehandlung in der Privatklinik als Sachleistung. Selbst wenn der Senat davon ausgeht, dass beim Versicherten im Hinblick auf die Untersuchungsergebnisse vom Oktober 2002 eine notstandsähnliche Situation vorgelegen hat, vermag nicht festgestellt zu werden, dass es im Oktober 2002 zu den in der Privatklinik angewandten palliativen Behandlungsmethoden im Sinne eines kombinierten Therapieverfahrens unter Einschluss der Medikamente Ukrain, Noclosan, Loxat und PC-Spes, zu denen der Versicherte am 22. Oktober 2002 von den Ärzten der Privatklinik darüber aufgeklärt worden war, dass diese derzeit in Deutschland noch nicht zugelassen seien und somit die Behandlung damit noch keine schulmedizinische Anerkennung gefunden habe, keine zugelassenen Behandlungsalternativen im ambulanten und vor allem im stationären Bereich gegeben hat. Solche Behandlungsalternativen werden gerade durch den Arztbrief des Dr. P. vom 22. Oktober 2002, vor allem aber durch die folgenden stationären Krankenhausbehandlungen in Vertragskliniken ab 16. Dezember 2002 (nach einer Beratung des Versicherten durch den Ärztlichen Direktor Vertragsklinik Dr. Ha. vom 12. November 2002) belegt. Darauf, ob im Hinblick auf das in der Privatklinik angewandte kombinierte Therapieverfahren eine auf Indizien gestützte nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden hat, kommt es daher nicht an. Unerheblich ist es mithin auch, dass der Behandlungsversuch in der Privatklinik ersichtlich nicht angeschlagen hatte, weshalb bereits ab 16. Dezember 2002 ersichtlich eine stationäre Behandlung in der Vertragsklinik notwendig wurde. Es besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung solcher Kosten, wie sie beim Versicherten im Falle einer stationären Behandlung, wenn diese vom 22. Oktober bis 14. November 2002 in der Vertragsklinik oder in einem anderen zugelassenen Krankenhaus durchgeführt worden wäre, für die Beklagte entstanden wären.

Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a SGG war hier nicht anwendbar, denn die Klägerin war als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten nach § 183 Satz 1 SGG eine kostenrechtlich privilegierte Beteiligte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 1/06 R - Rdnr. 31).

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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