L 8 SB 4608/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 410/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4608/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. August 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.

Die 1954 geborene Klägerin stellte am 22.08.2005 beim Versorgungsamt Stuttgart einen Erstantrag nach dem SGB IX und gab an, sie leide an einer Lumboischialgie, einer Skoliose, einem Impingement-Syndrom rechts, einem Cervicalsyndrom, einer Polyarthralgie, Kopf- und Ohrenschmerzen unklarer Genese sowie an einer beidseitigen Hörminderung. Nach Einholung von Befundberichten von ihrem Hausarzt Dr. L. und dem HNO-Arzt Dr. S. (nebst Sprachaudiogramm vom 03.05.2005) und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme stellte das Landratsamt Rems-Murr-Kreis mit Bescheid vom 18.10.2005 unter Berücksichtigung einer Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, eines Kopfschmerzsyndroms (Teil-GdB 20) sowie einer beidseitigen Schwerhörigkeit und Schwindel (Teil-GdB 20) einen GdB von 30 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit 22.08.2005 fest.

Dagegen legte die Klägerin am 17.11.2005 Widerspruch ein und machte einen GdB von 50 geltend. Zur Begründung gab sie an, die Funktionsbeeinträchtigung ihrer Schulter sei nicht berücksichtigt worden. Hierzu legte sie den Bericht des Orthopäden Dr. K. vom 17.11.2005 und weitere ärztliche Unterlagen vor. In der hierzu eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde zwar zusätzlich ein Schulter-Arm-Syndrom berücksichtigt, bei gleichbleibenden Teil-GdB-Werten von jeweils 20 aber weiterhin ein GdB von insgesamt 30 angenommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2005 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 18.01.2006 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der sie einen GdB von mindestens 50 geltend machte. Das SG hörte zunächst Dr. K., Dr. L. und Dr. S. schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Orthopäde Dr. K. schilderte am 01.03.2006 den Krankheits- und Behandlungsverlauf, die Diagnosen und führte unter Vorlage von Befundberichten aus, die Bewertung der Gesundheitsstörungen der Klägerin durch den Beklagten sei unter rein funktionellen Gesichtspunkten erfolgt. Der von ihm dokumentierte Krankheitsverlauf lasse zweifelsfrei erkennen, dass die Klägerin unter außergewöhnlichen Schmerzen leide, die eine höhere Bewertung erforderten. Auf orthopädischem Gebiet liege ein GdB von 40 vor. Es bestehe ein Cervical-Lumbalsyndrom sowie eine initiale Coxarthrose beiderseits und ein Impingement-Syndrom mit Schulterteilsteife im Bereich der rechten Schulter. Zeitweise könne der rechte Arm nur um 120 ° angehoben werden. Der Internist Dr. L. teilte am 29.03.2006 unter Beifügung weiterer ärztlicher Unterlagen die von ihm gestellten Diagnosen mit und gab an, die Schwerhörigkeit der Klägerin und die Beeinträchtigung durch das rechtsbetonte Schulter-Arm-Syndrom würde er jeweils mit einem GdB von 30 bewerten und einen Gesamt-GdB von 50 zuerkennen. Der HNO-Arzt Dr. S. diagnostizierte am 27.03.2006 unter Beifügung weiterer Unterlagen und des Sprachaudiogramms vom 03.05.2005 eine Rhinopathie, eine Innenohrschwerhörigkeit beiderseits, einen Schwindel unklarer Genese sowie eine rezidivierende Otalgie und Kopfschmerzen unklarer Genese und schätzte den GdB auf HNO-ärztlichem Gebiet auf 30. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der vorsorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Kö. vom 18.05.2006 entgegen.

Anschließend holte das SG auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von dem Internisten Dr. Sch., Stuttgart, ein fachärztliches Gutachten sowie von dem HNO-Arzt Dr. Sc. und dem Chirurgen Dr. N. entsprechende Zusatzgutachten ein. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der eingeholten fachärztlichen Zusatzgutachten vom 26.02.2007 und 28.02.2007 gelangte Dr. Sch. am 05.03.2007 zu der Beurteilung, bei der Klägerin lägen eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks und eine Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogengelenks, eine Funktionsstörung durch Zehenfehlform beiderseits und eine Arthrose, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit gelegentlichen Ohrgeräuschen beiderseits, ein Bluthochdruck, mit Medikamenten eingestellt, mit Hinweisen auf Sekundärschäden am Herzkreislaufsystem sowie eine chronische Magenschleimhautentzündung vor. Den Gesamt-GdB schätzte der Sachverständige auf 40. Nach den "Anhaltspunkten (AHP) 2004" sei ein GdB von 50 noch nicht anzunehmen, da die Einzel-GdB-Werte überwiegend 20 knapp erreichten. Da die AHP eine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit ausdrücklich nicht vorsehen würden, sei dieser Gesichtspunkt, der für die (als Gastwirtin im Service arbeitende) Klägerin sehr wichtig sei, da sowohl ihre orthopädischen Beschwerden als auch ihr Gehörschaden angesichts ihrer Berufstätigkeit besonders zum Tragen kämen, nicht berücksichtigt worden. Er müsse insoweit darauf hinweisen, dass das SGB IX die Behinderung grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der Teilhabestörung (in allen Bereichen) betrachte und in diesem Sinne die offenkundig stärker als übliche Betroffenheit der Klägerin durch ihre berufliche Tätigkeit als Teilhabestörung stärker ins Gewicht falle, sodass in diesem Fall ein GdB von 50 resultieren würde, die der Bewertung des Gerichts obliege.

Das daraufhin vom Beklagten unterbreitete Teilanerkenntnis (GdB 40 ab 22.08.2005) nahm die Klägerin zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits an. Im Übrigen verwies sie auf die Ausführungen von Dr. Sch., wonach im vorliegenden Fall "die Münze auf der Kante steht" und unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände ein etwas höherer GdB als 40 angemessen sei, sodass ein Gesamt-GdB von 50 angenommen werden könne. Der Beklagte machte unter Hinweis auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 11.06.2007 geltend, dass bei der Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen eine besondere berufliche Betroffenheit nicht zu berücksichtigen sei und daher ein GdB von insgesamt 50 nicht angenommen werden könne.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.08.2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin bedingten keinen höheren GdB als 40. Nach den Ergebnissen der eingeholten Gutachten sei die Funktionsbehinderung der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule, die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, die leichte Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogengelenks und die Funktionsstörung durch die beidseitige Zehenfehlform jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten. Die bei der Klägerin vorliegende geringgradige Innenohrschwerhörigkeit mit gelegentlichem Tinnitus beidseits rechtfertige nach dem Gutachten von Dr. Sc. keinen höheren GdB als 20. Hinzu kämen das Kopfschmerzsyndrom und die chronische Magenschleimhautentzündung, die mit einem GdB von jeweils 10 zu bewerten seien. Schließlich sei für den Bluthochdruck und die hypertensive Herzkrankheit ein GdB von 20 anzunehmen. Insgesamt ergebe sich kein höherer GdB als 40. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass lediglich zwei Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 vorlägen und die übrigen Gesundheitsstörungen nur einen - sich nicht erhöhend auswirkenden - Teil-GdB von 10 bedingten. Eine besondere berufliche Betroffenheit könne nicht berücksichtigt werden. Berufsspezifische Gesichtspunkte seien grundsätzlich unbeachtlich.

Mit Bescheid vom 18.09.2007 führte der Beklagte das Teilanerkenntnis aus.

Gegen den Gerichtsbescheid vom 28.08.2007 hat die Klägerin am 20.09.2007 Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Ziel festhält. Die bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten es, sie als schwerbehinderten Mensch anzuerkennen. Sie verweist auf die Ausführungen des vom SG gehörten Sachverständigen Dr. Sch. und betont, im vorliegenden Fall sei es auch unter regelgerechter Auslegung des SGB IX gerechtfertigt, ihre besonders starke berufliche Betroffenheit in die Bemessung des GdB einzubeziehen. Der Beurteilung des Sachverständigen Dr. Sch. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.02.2008, wonach ein Gesamt-GdB von 50 anzunehmen sei, sei zu folgen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. August 2007 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 2005 sowie den Bescheid vom 18. September 2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 ab 22. August 2005 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Ein GdB von 50 könne im Hinblick auf die dokumentierten Befunde und unter Berücksichtigung der Bewertungskriterien der AHP nicht anerkannt werden. Dass ein GdB von 50 bei strikter Anwendung der AHP nicht vorliege, habe Dr. Sch. in seiner ergänzenden Stellungnahme erneut bestätigt. Eine besondere berufliche Beeinträchtigung könne im Schwerbehindertenrecht keine Berücksichtigung finden.

Der Senat hat von Dr. Sch. die ergänzende Stellungnahme vom 20.02.2008 eingeholt. Dieser hat seine Beurteilung im eingeholten Gutachten wiederholt, dass bei strikter Anwendung der AHP ein GdB von 50 nicht festgestellt werden könne. Allerdings sehe er einen Widerspruch darin, dass im SGB IX von einer Teilhabestörung gesprochen werde, dies aber nicht in die AHP - dort sei unverändert von Funktionsstörungen die Rede - eingegangen sei. Wenn davon ausgegangen werde, dass die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen maßgebend seien, gehöre hierzu auch der berufliche Bereich. Wenn man aber die Schwere der Teilhabestörung mit der Feststellung des GdB abbilden wolle, sei seines Erachtens hier ein Gesamt-GdB von 50 anzunehmen. Dass dabei von ihm besonders auf die Störung der Teilhabe im Arbeitsleben hingewiesen worden sei, scheine zwar in gewissem Gegensatz zu Nr. 18 der AHP zu stehen. Dieser Gegensatz relativiere sich aber, wenn man vom Gedanken der Teilhabestörung ausgehend feststelle, dass hier ein - nämlich der berufliche - Lebensbereich überdurchschnittlich stark und damit im Endergebnis auch die Summe aller Lebensbereiche betroffen sei und damit eine etwas stärkere Teilhabestörung vorliege als sie zunächst bei der Bemessung der einzelnen Funktionsstörungen jeweils für sich betrachtet vorzuliegen scheine.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Akte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 18.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2005 und des Bescheides vom 18.09.2007, mit dem der Beklagte in Ausführung des vom Beklagten abgegebenen und von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnisses vom 22.06.2007 einen GdB von 40 festgestellt hat. Die Klägerin macht geltend, dass ihre verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen in der Gesamtschau und insbesondere unter Berücksichtigung ihrer besonderen beruflichen Betroffenheit als Gastwirtin einen GdB von 50 rechtfertigen.

Das SG hat die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze im angefochtenen Gerichtsbescheid vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Der Beklagte hat bei der - nach § 69 SGB IX allein maßgeblichen (vgl. Urteil des BSG vom 20.06.2007 - R 9 SB 1400/06 R) - Beurteilung des Gesamtzustandes der Behinderung der Klägerin als einzelne Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt: 1. Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Kopfschmerzsyndrom (bewertet mit einem Einzel-GdB von 20) 2. Schwerhörigkeit beidseitig, Schwindel (Einzel-GdB 20) 3. Bluthochdruck (Einzel-GdB 20) 4. Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogengelenks, Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks (Einzel-GdB 10) 5. Funktionsstörung durch beidseitige Zehenfehlform, Gebrauchseinschränkung beider Füße (Einzel-GdB 10) 6. chronische Magenschleimhautentzündung (Einzel-GdB 10).

Diese Bewertungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin hält der Senat für zutreffend. Er stützt sich hierbei auf das vom SG eingeholte Gutachten von Dr. Sch. nebst den Zusatzgutachten von Dr. Sc. und Dr. N., deren Beurteilungen mit diesen vom Beklagten zuletzt angenommenen Einzel-GdB-Werten (vgl. versorgungsärztliche Stellungnahme vom 11.06.2007) im Wesentlichen übereinstimmen. Die weiteren aktenkundigen ärztlichen Unterlagen enthalten keine Hinweise darauf, dass die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin höher zu bewerten sind. Die Klägerin macht auch selbst nicht geltend, dass nicht alle ihre Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt worden sind und die berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen oder einzelne davon einen höheren Einzel-GdB bedingten.

Die hiernach lediglich umstrittene Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen durch den Senat führt zu dem Ergebnis, dass der Gesamtzustand der Behinderung der Klägerin mit einem GdB von 40 angemessen bewertet ist. Bei dieser Gesamtwürdigung ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Nach Nr. 19 Abs. 4, S. 26 der AHP (2008) führen - von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen - zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zuname des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Hier ist bei der Gesamtbeurteilung von einer der beiden einen GdB von 20 bedingenden Funktionsbeeinträchtigungen auszugehen. Zu dem GdB von 20 für die eingangs unter 1. genannte Funktionsbeeinträchtigung der Klägerin kommt mithin ein GdB von 20 für die beidseitige Schwerhörigkeit einschließlich des Schwindels hinzu, wodurch das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung nach Überzeugung des Senats um 10 erhöht wird. Unter Berücksichtigung der Bewertung der weiteren Funktionsstörungen, die nur einen GdB von höchstens 10 bis 20 bzw. 10 bedingen, ist es allenfalls gerechtfertigt, den GdB um weitere 10 Punkte zu erhöhen, sodass insgesamt ein GdB von 40 anzunehmen ist. Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 10 führen nämlich nach Nr. 19 Abs. 4, S. 26 der AHP nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Diese Beurteilungsregel ist vom Bundessozialgericht ausdrücklich bestätigt worden (vgl. BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 28). Ein Ausnahmefall, der mit der in Nr. 19 Abs. 4, S. 26 der AHP genannten Art vergleichbar wäre, liegt nicht vor.

Mit einem Gesamt-GdB von 40 sind die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin nicht zu niedrig bewertet. Auch der auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. Sch. hat in seinem Gutachten vom 05.03.2007 einen Gesamt-GdB von 40 angenommen. Soweit er mit Blick auf die seiner Ansicht nach stärkere berufliche Betroffenheit der Klägerin durch ihre orthopädischen Beschwerden und ihren Gehörschaden einen GdB von 50 befürwortet, kann ihm nicht gefolgt werden. Der von ihm als Begründung angegebene Gesichtspunkt der Teilhabestörung (in allen Lebensbereichen), der seit dem Inkrafttreten des SGB IX maßgeblich sei, rechtfertigt keinen höheren GdB. Am 01.07.2001 ist das Schwerbehindertengesetz außer Kraft und das SGB IX in Kraft getreten. Eine wesentliche Änderung ist dadurch jedoch nicht eingetreten. Der nunmehr dem Feststellungsverfahren zugrunde zu legende § 69 SGB IX knüpft eng an der Vorgängervorschrift des § 4 SchwbG an; inhaltliche Änderungen waren hiermit nicht beabsichtigt (vgl. Urteil des BSG vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 2/06 R unter Hinweis auf die amtliche Begründung in BT-Drucks. 14/5074, S. 112 zu § 69). Das bedeutet, dass sich die Höhe des GdB auch weiterhin nach den bisherigen Maßstäben und Kriterien richtet. Ein wesentliches Beurteilungskriterium ist dabei, dass berufliche Belange bei der Bemessung des GdB nicht zu berücksichtigen sind (vgl. Nr. 18 Abs. 1, S. 20 der AHP). Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Zu Recht hat das SG in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX nur auf § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nicht auch auf § 30 Abs. 2 BVG, der eine Erhöhung des Grades der Schädigungsfolgen (früher Minderung der Erwerbsfähigkeit) bei besonderer beruflicher Betroffenheit vorsieht, verweist. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Damit ist deutlich, dass Erschwernisse, die durch die Ausübung eines bestimmten Berufes oder einer bestimmten Tätigkeit auftreten, nicht gesondert berücksichtigt werden können. Zusätzlich veranschaulicht wird dies dadurch, wenn man berücksichtigt, dass ein Berufswechsel nicht zu einem höheren oder niedrigeren GdB führen kann. Dass die Klägerin als selbstständige Gastwirtin (mit Tätigkeit im Bereich der Gästebedienung) durch ihre orthopädischen Beschwerden und ihren Gehörschaden möglicherweise stärker beeinträchtigt ist als andere behinderte Menschen mit gleichen Funktionsstörungen, aber ohne dieses berufliche Umfeld, vermag demnach nichts daran zu ändern, dass sich damit ein GdB von 50 nicht begründen lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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