Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 2781/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 910/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung.
Die am 1924 geborene Klägerin ist seit dem 01. April 1970 Mitglied der beklagten Krankenkasse und seit 1995 auch der bei der Beklagten gebildeten Pflegekasse. Sie war zunächst freiwillig versichert. Ihr Ehemann war Beamter im Dienst des beigeladenen Landes und als solcher beihilfeberechtigt sowie ergänzend privat krankenversichert. Sie bezieht seit dem 09. Juli 1981 eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, seit dem 01. Juli 1989 Regelaltersrente. Wegen des Rentenbezugs ist sie seitdem in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert. Der Rentenversicherungsträger führt seitdem die Beiträge zur Kranken- und (seit 1995) zur Pflegeversicherung an die Beklagte ab. Seit dem 01. März 1999 bezieht die Klägerin zusätzlich als Hinterbliebene vom beigeladenen Land monatliche Versorgungsbezüge. Die Bewilligung dieser Versorgungsbezüge teilte das Landesamts für Besoldung und Versorgung des beigeladenen Landes (im Folgenden LBV) der Beklagten mit Schreiben vom 12. Mai 1999 sowie zwei Erinnerungsschreiben vom 18. August und 12. November 1999 mit. Eine Reaktion hierauf ist der Verwaltungsakte der Beklagten nicht zu entnehmen. Das beigeladene Land führte in der Folgezeit aus diesen Versorgungsbezügen keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab.
Auf Grund eines maschinellen Datenabgleichs am 18. September 2007 teilte das LBV der Beklagten mit Schreiben vom 10. Oktober 2007 mit, es habe von den Versorgungsbezügen der Klägerin keine Beiträge abgeführt. Auf Bitten der Beklagten bezifferte das LBV die Zahlbeträge seit 01. Januar 2003 wie folgt: 01. Januar 2003 EUR 1.788,87 01. Juli 2003 EUR 1.821,31 01. Januar 2004 EUR 1.919,24 01. April 2004 EUR 1.927,65 01. August 2004 EUR 1.936,01 01. April 2005 EUR 1.918,10 01. Januar 2006 EUR 1.922,58 01. April 2007 EUR 1.885,34 01. Januar 2008 EUR 1.902,18.
Die Beklagte errechnete aus den mitgeteilten Zahlbeträgen unter Berücksichtigung eines Beitragssatzes zur Krankenversicherung von 14,7 v.H. und ab April 2007 von 15,3 v.H. (ab 01. Juli 2005 jeweils einschließlich des Zusatzbeitrags von 0,9 v.H.) sowie von 0,85 v.H. zur Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 eine Nachforderung von Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt EUR 14.458,23 (EUR 13.675,99 Beiträge zur Krankenversicherung und EUR 782,24 Beiträge zur Pflegeversicherung). Mit Schreiben vom 17. Januar 2008 forderte sie das beigeladene Land zum Einbehalt der laufenden Beiträge ab dem 01. Januar 2008 und auch der rückständigen Beiträge auf. Nach Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2008, der wie das Anhörungsschreiben vom 17. Januar 2008 im Briefkopf nur die beklagte Krankenkasse nannte, die noch nicht verjährten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von EUR 14.458,23 nach. Ferner teilte sie mit, dass das beigeladene Land diese Beiträge aus den weiterhin laufenden Versorgungsbezügen zu entrichten habe. Schließlich verfügte sie, dass ab 01. Januar 2008 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus den Versorgungsbezügen zu entrichten seien, und setzte die Beiträge auf insgesamt monatlich EUR 307,20 (Krankenversicherung EUR 291,03 (15,3 v.H. aus EUR 1.902,18); Pflegeversicherung EUR 16,17 (0,85 v.H. aus EUR 1.902,18)) fest.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Unter dem 27. Mai 2008 teilte die Beklagte - mit dem Zusatz "und Pflegekasse" im Briefkopf - der Klägerin unter anderem mit, es werde klargestellt, dass der angefochtene Bescheid im Namen der Pflegekasse bei der Beklagten ergangen sei, soweit in ihm auch Beiträge zur Pflegeversicherung geltend gemacht worden seien. Der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten und der Pflegekasse der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2008). Da Verjährung erst vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge fällig geworden seien, eintrete, seien die Beiträge für das Jahr 2004 entgegen der Auffassung der Klägerin noch nicht verjährt, sondern nur die Beiträge für 1999 bis 2003, die auch nicht mehr geltend gemacht würden. Dass die Beiträge erst nachträglich geltend gemacht würden, sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Sie seien nicht verwirkt. Bloßes "Nichtstun" reiche als Verwirkungsverhalten regelmäßig nicht aus. Sie (die Beklagte) habe gegenüber der Klägerin zu keiner Zeit ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass sie auf eine Beitragszahlung aus den Versorgungsbezügen verzichten wolle. Außerdem dürfte die Klägerin entsprechend der üblichen Verfahrensweise der Zahlstellen über die Beitragspflicht der Versorgungsbezüge informiert worden sein. Selbst wenn man ein Fehlverhalten von ihr (der Beklagten) oder der Zahlstelle annähme, folge daraus nichts zu Gunsten der Klägerin. Denn seit der Gesetzesänderung zum 01. Januar 1989 entfalle dadurch nicht der Beitragsanspruch. Da der Einbehalt in monatlichen Teilbeträgen zu erfolgen habe, sei sichergestellt, dass eine unzumutbare Überforderung ausgeschlossen sei, die aufgrund des Bezuges der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von EUR 682,49 monatlich und der Versorgungsbezüge in Höhe von EUR 1.902,18 monatlich auch nicht zu erkennen sei. Diese Ausführungen gälten für die soziale Pflegeversicherung entsprechend.
Seit dem 01. Juni 2008 behält das beigeladene Land von den Versorgungsbezügen der Klägerin monatlich EUR 150,00 ein und führt sie auf die Beitragsrückstände an die Beklagte ab (Schreiben des LBV an die Klägerin vom 30. April 2008).
Die Klägerin erhob am 27. Juni 2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie richtete diese Klage nur gegen die Beklagte, sodass das SG auch nur diese im Passivrubrum führte. Sie begehrte, den Bescheid der Beklagten und der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse vom 29. Januar 2008 aufzuheben, und führte aus, sie wende sich nur gegen die Beitragsnachforderung für die Vergangenheit, mit der Abführung ab der Feststellung im Januar 2008 sei sie einverstanden. Insoweit machte sie - wie im Wesentlichen bereits mit ihrem Widerspruch - geltend, es sei Verwirkung eingetreten, zumindest sei von der Beitragsnachforderung für die Vergangenheit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Abstand zu nehmen. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass die Versorgungsbezüge beitragspflichtig seien. Hierüber sei sie weder von der Beklagten noch vom LBV unterrichtet worden. Nachdem die "Witwenrente" seit dem 01. März 1999 mindestens zwanzigmal verändert worden sei, habe sie darauf vertrauen dürfen, dass sich bei der Bearbeitung ihrer Akte keine grundsätzlichen Fehler in der Berechnung befänden. Sie habe ihre Rente und die Versorgungsbezüge in ihre finanzielle Lebensplanung einbezogen und sei langfristige Verpflichtungen eingegangen. Müsse sie die Nachforderung begleichen, werde sie über mehrere Jahre lediglich noch Einnahmen in Höhe des Sozialhilfesatzes haben. Sie beziehe zurzeit aus der Altersrente und den Versorgungsbezügen zusammen EUR 2.377,16 monatlich, EUR 150,00 würden einbehalten.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Nachforderung sei keineswegs unzumutbar. Auf Grund der Verjährung müsse die Klägerin eine Großteil (nämlich für die Jahre 1999 bis 2003) nicht nachentrichten. Außerdem sei der monatliche Einbehalt begrenzt. Das beigeladene Land habe offensichtlich nicht einmal die gesetzliche Grenze ausgeschöpft, denn es behalte nur EUR 150,00 monatlich ein. Die monatlichen Einnahmen der Klägerin aus Rente und Versorgungsbezügen betrügen ab Juli 2008 EUR 2.592,20.
Mit Urteil vom 21. Januar 2009 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe zutreffend die Voraussetzungen des geltend gemachten Beitragsanspruchs wiedergegeben und zutreffend die Voraussetzungen einer Verwirkung verneint. Insoweit werde auf die Darstellung in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Der klägerische Vortrag rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Ungeachtet eines Verschuldens der Beklagten oder des LBV entfalle der unter Berücksichtigung der maßgebenden Verjährungsvorschriften geltend gemachte Beitragsanspruch nicht. Es lägen keine Hinweise darauf vor, dass die Klägerin auf Grund eines für sie erkennbaren Verhaltens der Beklagten und/oder des LBV habe davon ausgehen dürfen, dass von einer Beitragserhebung abgesehen werde.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 02. Februar 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. Februar 2009 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, die angegriffenen Bescheide ließen nicht erkennen, dass die Beklagte die Voraussetzungen einer Verwirkung geprüft habe. Die Beklagte habe den Beitragseinzug über einen langen Zeitraum von neun Jahren unterlassen. Auf Grund der mindestens 20 Rentenneuberechnungen in dieser Zeit habe sie darauf vertrauen dürfen, dass sie diese Beiträge nicht mehr ("zurück")-zahlen müsse. Auf Grund dieses Vertrauens habe sie sich entschieden, keine private Krankenversicherung durchzuführen. Bei einem Eintritt in die private Krankenversicherung mit 75 Jahren, also bei Beginn der Versorgungsbezüge, wäre die monatliche Prämie um EUR 131,34 niedriger gewesen als bei einem Eintritt zehn Jahre später bei Geltendmachung der Nachforderung durch die Beklagte. Es sei daher durch das Fehlverhalten der Beklagten unmöglich geworden, eine private Krankenversicherung abzuschließen. In einem Lebensalter von 75 Jahren hätte sie den Wechsel in die private Krankenversicherung durchgeführt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Januar 2009 und den Bescheid vom 29. Januar 2008 in der Fassung des Bescheids vom 27. Mai 2008, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008 aufzuheben, soweit Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von EUR 14.458,23 nachgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen. Sie habe die Beitragseinziehung seit 1999 versäumt. Dies stelle nur ein bloßes Nichtstun dar, das nicht zur Verwirkung führen könne. Daran änderten auch die Rentenneunberechnungen nichts, die zum einen nur die Rentenhöhe und nicht die Beitragserhebung betroffen und zum anderen nicht von ihr (der Beklagten) gestammt hätten.
Das durch Beschluss vom 26. Mai 2009 beigeladene Land hat seine Akten vorgelegt, in der Sache jedoch keine Stellungnahme abgegeben und keinen Antrag gestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere auch statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) ist nicht gegeben. Der Beschwerdewert von EUR 750,00 ist überschritten. Denn die Klägerin wendet sich gegen die Beitragsnachforderung in Höhe von EUR 14.458,23.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 29. Januar 2008 in der Fassung des Bescheids vom 27. Mai 2008, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008, soweit Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von EUR 14.458,23 nachgefordert werden. Die Klägerin hat Klage allein gegen die Nachforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhoben.
Erlassen haben die zuvor genannten Bescheide sowohl die Beklagte als Krankenkasse als auch die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse. Da Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nachgefordert wurden und die Beklagte nicht in ihrer Funktion als Einzugsstelle nach § 28h Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) entschied, war erforderlich, dass sowohl die Krankenkasse als auch die Pflegekasse einen gemeinsamen Bescheid über die Beitragsnachforderung erlassen (seit 01. Juli 2008: § 46 Abs. 2 Satz 4 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI)). Der Bescheid vom 29. Januar 2008 nannte als erlassene Behörde allein die Beklagte, nicht aber die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse. Erst mit dem weiteren Bescheid vom 27. Mai 2008 stellte die Beklagte klar, dass der Bescheid vom 29. Januar 2008 auch im Namen der Pflegekasse erging. Die Mitteilung vom 27. Mai 2008 ist als Verwaltungsakt nach § 31 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) anzusehen. Denn insoweit wurde der bisherige Bescheid vom 29. Januar 2008 ergänzt. Der Bescheid vom 27. Mai 2008 wurde nach § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Über den Widerspruch entschied der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten und der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse.
2. Die Beklagte fordert zu Recht Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 nach.
2.1. Nach § 237 Satz 1 Nr. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) werden der Beitragsbemessung bei versicherungspflichtigen Rentnern - zu denen die Klägerin gehört - der Zahlbetrag der einer Rente vergleichbaren Einkommen zu Grunde gelegt. Nach § 237 Satz 2 SGB V gelten § 226 Abs. 2 und die §§ 228, 229 und 231 SGB V entsprechend. nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 1. Halbsatz SGB V gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, Versorgungsbezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder aus einem Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen. Solche beitragspflichtigen Versorgungsbezüge erhielt und erhält die Klägerin mit der ihr vom beigeladenen Land gezahlten Hinterbliebenenversorgung. Einer der Fälle des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SGB V, in denen die Versorgungsbezüge außer Betracht bleiben, liegt nicht vor.
2.2. Die Beklagte hat auch zutreffend keine Zahlung der nachgeforderten Beiträge von der Klägerin selbst verlangt, sondern insoweit den Einbehalt von der weiterhin zu zahlenden Hinterbliebenenversorgung durch das LBV als Zahlstelle verfügt. Denn nach § 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben für Versicherungspflichtige, die eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, die Zahlstellen der Versorgungsbezüge die Beiträge aus Versorgungsbezügen einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu zahlen. Soweit die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben ist, hat diese die Zahlstelle (hier das LBV) aus den weiterhin zu zahlenden Versorgungsbezügen einzubehalten (§§ 256 Abs. 2 Satz 1, 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
2.3. Die für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 nachgeforderten Beiträge zur Krankenversicherung sind nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die zu zahlenden Beiträge werden fällig mit der Auszahlung der Versorgungsbezüge, von denen sie einzubehalten sind (§ 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Damit waren - wie im Widerspruchsbescheid zutreffend dargelegt - die ab 01. Januar 2004 nicht einbehaltenen Beiträge zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 29. Januar 2008 noch nicht verjährt.
2.4. Auch kann die Klägerin die Zahlung der nachgeforderten Beiträge nicht wegen Verwirkung verweigern. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt. Danach entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Bundessozialgericht (BSG) SozR 2200 § 1399 Nr. 11 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1303 Nr. 6; SozR 4-2400 § 22 Nr. 2). Bloßes Nichtstun des Berechtigten reicht nicht aus. Vielmehr muss ein Handeln des Berechtigten hinzukommen, das bei dem Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. zu allem Urteil des erkennenden Senats vom 08. Februar 2008 - L 4 KR 1913/06 -, nicht veröffentlicht). Bloßes Nichtgeltendmachen eines vermeintlichen Anspruchs führt allein zur Verjährung, sobald die Verjährungsfristen abgelaufen sind und die Einrede erhoben wird.
Weder aus den vorliegenden Akten noch dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich Anhaltspunkte, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber ausdrücklich oder konkludent ein Verhalten gezeigt hatte, aus dem die Klägerin hätte schließen können, dass die Beiträge aus der vom beigeladenen Land bezogenen Hinterbliebenenversorgung nicht zu zahlen seien. Es liegt ein bloßes Nichtstun vor. Die Beklagte hat lediglich auf die Meldung der Versorgungsbezüge durch das LBV nicht reagiert.
Die Dauer des Zeitraums, in welchem die Beiträge zu Unrecht nicht einbehalten wurden, ist unerheblich. Seit Inkrafttreten des SGB V am 01. Januar 1989 kommt es nach §§ 256 Abs. 2, 255 Abs. 2 SGB V zur Aufrechterhaltung des Beitragsanspruchs weder auf das fehlende Verschulden der Zahlstelle noch auf das Fehlverhalten der Krankenkasse an. Laufende Versorgungsbezüge sollen ohne Rücksicht auf ein eventuelles früheres Fehlverhalten der Beteiligten zur Beitragserhebung herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1993 12 RK 62/92 -, veröffentlicht in juris). Im Übrigen wird die Klägerin vor einer Nachforderung für weit zurückliegende Zeiträume durch den Eintritt der Verjährung geschützt.
Dass nach Behauptung der Klägerin die Rente (gemeint wohl die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung) seit 01. März 1999 zwanzigmal geändert worden sein soll, kann ebenfalls keinen Vertrauenstatbestand begründen. Die Änderungen der von der Klägerin bezogene gesetzlichen Rente betreffen nicht die vom beigeladenen Land bezogene Hinterbliebenenversorgung. Insbesondere entscheidet der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit nicht über die Abführung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Schließlich ist die Behauptung der Klägerin nicht nachvollziehbar, sie hätte sich bei Kenntnis der Beitragspflicht der Versorgungsbezüge zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung entschlossen. Die vom beigeladenen Land bewilligte Hinterbliebenenversorgung hatte und hat keinen Einfluss auf die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner. Diese Versicherungspflicht besteht unabhängig vom Erhalt der Versorgungsbezüge und erlaubt der Klägerin keine Wahlmöglichkeit zwischen der Mitgliedschaft in der gesetzlichen und in der privaten Krankenversicherung.
2.5. Die Beklagte hat die Höhe der nachgeforderten Beiträge zur Krankenversicherung zutreffend berechnet (Bl. 11/14 der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte). Insoweit werden von der Klägerin auch keine Einwände erhoben.
3. Soweit die Klägerin sich gegen die Nachforderung von Beiträgen zur Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 wendet, könnte fraglich sein, ob die von der (anwaltlich vertretenen) Klägerin allein gegen die Beklagte erhobene Klage ausreichend ist, sondern Klage auch hätte gegen die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse erhoben werden müssen. Aus den streitgegenständlichen Bescheiden war erkennbar, dass erlassende Behörde sowohl die Beklagte als auch die bei ihr errichtete Pflegekasse war. Eine nachträgliche Erweiterung der Klage gegen die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse wäre als Klageänderung (§ 99 SGG) anzusehen, für die alle Prozessvoraussetzungen gegeben sein müssten, auch Erhebung der Klage innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG. Dies lässt der Senat offen. Jedenfalls erfolgte die Nachforderung der Beiträge zur Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 aus den unter 2. dargelegten Gründen zu Recht. Denn die Vorschriften des SGB V gelten für die Erhebung der Beiträge zur Pflegeversicherung entsprechend (§§ 57 Abs. 1 Satz 1, 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI).
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung.
Die am 1924 geborene Klägerin ist seit dem 01. April 1970 Mitglied der beklagten Krankenkasse und seit 1995 auch der bei der Beklagten gebildeten Pflegekasse. Sie war zunächst freiwillig versichert. Ihr Ehemann war Beamter im Dienst des beigeladenen Landes und als solcher beihilfeberechtigt sowie ergänzend privat krankenversichert. Sie bezieht seit dem 09. Juli 1981 eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, seit dem 01. Juli 1989 Regelaltersrente. Wegen des Rentenbezugs ist sie seitdem in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert. Der Rentenversicherungsträger führt seitdem die Beiträge zur Kranken- und (seit 1995) zur Pflegeversicherung an die Beklagte ab. Seit dem 01. März 1999 bezieht die Klägerin zusätzlich als Hinterbliebene vom beigeladenen Land monatliche Versorgungsbezüge. Die Bewilligung dieser Versorgungsbezüge teilte das Landesamts für Besoldung und Versorgung des beigeladenen Landes (im Folgenden LBV) der Beklagten mit Schreiben vom 12. Mai 1999 sowie zwei Erinnerungsschreiben vom 18. August und 12. November 1999 mit. Eine Reaktion hierauf ist der Verwaltungsakte der Beklagten nicht zu entnehmen. Das beigeladene Land führte in der Folgezeit aus diesen Versorgungsbezügen keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab.
Auf Grund eines maschinellen Datenabgleichs am 18. September 2007 teilte das LBV der Beklagten mit Schreiben vom 10. Oktober 2007 mit, es habe von den Versorgungsbezügen der Klägerin keine Beiträge abgeführt. Auf Bitten der Beklagten bezifferte das LBV die Zahlbeträge seit 01. Januar 2003 wie folgt: 01. Januar 2003 EUR 1.788,87 01. Juli 2003 EUR 1.821,31 01. Januar 2004 EUR 1.919,24 01. April 2004 EUR 1.927,65 01. August 2004 EUR 1.936,01 01. April 2005 EUR 1.918,10 01. Januar 2006 EUR 1.922,58 01. April 2007 EUR 1.885,34 01. Januar 2008 EUR 1.902,18.
Die Beklagte errechnete aus den mitgeteilten Zahlbeträgen unter Berücksichtigung eines Beitragssatzes zur Krankenversicherung von 14,7 v.H. und ab April 2007 von 15,3 v.H. (ab 01. Juli 2005 jeweils einschließlich des Zusatzbeitrags von 0,9 v.H.) sowie von 0,85 v.H. zur Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 eine Nachforderung von Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt EUR 14.458,23 (EUR 13.675,99 Beiträge zur Krankenversicherung und EUR 782,24 Beiträge zur Pflegeversicherung). Mit Schreiben vom 17. Januar 2008 forderte sie das beigeladene Land zum Einbehalt der laufenden Beiträge ab dem 01. Januar 2008 und auch der rückständigen Beiträge auf. Nach Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2008, der wie das Anhörungsschreiben vom 17. Januar 2008 im Briefkopf nur die beklagte Krankenkasse nannte, die noch nicht verjährten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von EUR 14.458,23 nach. Ferner teilte sie mit, dass das beigeladene Land diese Beiträge aus den weiterhin laufenden Versorgungsbezügen zu entrichten habe. Schließlich verfügte sie, dass ab 01. Januar 2008 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus den Versorgungsbezügen zu entrichten seien, und setzte die Beiträge auf insgesamt monatlich EUR 307,20 (Krankenversicherung EUR 291,03 (15,3 v.H. aus EUR 1.902,18); Pflegeversicherung EUR 16,17 (0,85 v.H. aus EUR 1.902,18)) fest.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Unter dem 27. Mai 2008 teilte die Beklagte - mit dem Zusatz "und Pflegekasse" im Briefkopf - der Klägerin unter anderem mit, es werde klargestellt, dass der angefochtene Bescheid im Namen der Pflegekasse bei der Beklagten ergangen sei, soweit in ihm auch Beiträge zur Pflegeversicherung geltend gemacht worden seien. Der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten und der Pflegekasse der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2008). Da Verjährung erst vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge fällig geworden seien, eintrete, seien die Beiträge für das Jahr 2004 entgegen der Auffassung der Klägerin noch nicht verjährt, sondern nur die Beiträge für 1999 bis 2003, die auch nicht mehr geltend gemacht würden. Dass die Beiträge erst nachträglich geltend gemacht würden, sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Sie seien nicht verwirkt. Bloßes "Nichtstun" reiche als Verwirkungsverhalten regelmäßig nicht aus. Sie (die Beklagte) habe gegenüber der Klägerin zu keiner Zeit ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass sie auf eine Beitragszahlung aus den Versorgungsbezügen verzichten wolle. Außerdem dürfte die Klägerin entsprechend der üblichen Verfahrensweise der Zahlstellen über die Beitragspflicht der Versorgungsbezüge informiert worden sein. Selbst wenn man ein Fehlverhalten von ihr (der Beklagten) oder der Zahlstelle annähme, folge daraus nichts zu Gunsten der Klägerin. Denn seit der Gesetzesänderung zum 01. Januar 1989 entfalle dadurch nicht der Beitragsanspruch. Da der Einbehalt in monatlichen Teilbeträgen zu erfolgen habe, sei sichergestellt, dass eine unzumutbare Überforderung ausgeschlossen sei, die aufgrund des Bezuges der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von EUR 682,49 monatlich und der Versorgungsbezüge in Höhe von EUR 1.902,18 monatlich auch nicht zu erkennen sei. Diese Ausführungen gälten für die soziale Pflegeversicherung entsprechend.
Seit dem 01. Juni 2008 behält das beigeladene Land von den Versorgungsbezügen der Klägerin monatlich EUR 150,00 ein und führt sie auf die Beitragsrückstände an die Beklagte ab (Schreiben des LBV an die Klägerin vom 30. April 2008).
Die Klägerin erhob am 27. Juni 2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie richtete diese Klage nur gegen die Beklagte, sodass das SG auch nur diese im Passivrubrum führte. Sie begehrte, den Bescheid der Beklagten und der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse vom 29. Januar 2008 aufzuheben, und führte aus, sie wende sich nur gegen die Beitragsnachforderung für die Vergangenheit, mit der Abführung ab der Feststellung im Januar 2008 sei sie einverstanden. Insoweit machte sie - wie im Wesentlichen bereits mit ihrem Widerspruch - geltend, es sei Verwirkung eingetreten, zumindest sei von der Beitragsnachforderung für die Vergangenheit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Abstand zu nehmen. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass die Versorgungsbezüge beitragspflichtig seien. Hierüber sei sie weder von der Beklagten noch vom LBV unterrichtet worden. Nachdem die "Witwenrente" seit dem 01. März 1999 mindestens zwanzigmal verändert worden sei, habe sie darauf vertrauen dürfen, dass sich bei der Bearbeitung ihrer Akte keine grundsätzlichen Fehler in der Berechnung befänden. Sie habe ihre Rente und die Versorgungsbezüge in ihre finanzielle Lebensplanung einbezogen und sei langfristige Verpflichtungen eingegangen. Müsse sie die Nachforderung begleichen, werde sie über mehrere Jahre lediglich noch Einnahmen in Höhe des Sozialhilfesatzes haben. Sie beziehe zurzeit aus der Altersrente und den Versorgungsbezügen zusammen EUR 2.377,16 monatlich, EUR 150,00 würden einbehalten.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Nachforderung sei keineswegs unzumutbar. Auf Grund der Verjährung müsse die Klägerin eine Großteil (nämlich für die Jahre 1999 bis 2003) nicht nachentrichten. Außerdem sei der monatliche Einbehalt begrenzt. Das beigeladene Land habe offensichtlich nicht einmal die gesetzliche Grenze ausgeschöpft, denn es behalte nur EUR 150,00 monatlich ein. Die monatlichen Einnahmen der Klägerin aus Rente und Versorgungsbezügen betrügen ab Juli 2008 EUR 2.592,20.
Mit Urteil vom 21. Januar 2009 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe zutreffend die Voraussetzungen des geltend gemachten Beitragsanspruchs wiedergegeben und zutreffend die Voraussetzungen einer Verwirkung verneint. Insoweit werde auf die Darstellung in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Der klägerische Vortrag rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Ungeachtet eines Verschuldens der Beklagten oder des LBV entfalle der unter Berücksichtigung der maßgebenden Verjährungsvorschriften geltend gemachte Beitragsanspruch nicht. Es lägen keine Hinweise darauf vor, dass die Klägerin auf Grund eines für sie erkennbaren Verhaltens der Beklagten und/oder des LBV habe davon ausgehen dürfen, dass von einer Beitragserhebung abgesehen werde.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 02. Februar 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. Februar 2009 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, die angegriffenen Bescheide ließen nicht erkennen, dass die Beklagte die Voraussetzungen einer Verwirkung geprüft habe. Die Beklagte habe den Beitragseinzug über einen langen Zeitraum von neun Jahren unterlassen. Auf Grund der mindestens 20 Rentenneuberechnungen in dieser Zeit habe sie darauf vertrauen dürfen, dass sie diese Beiträge nicht mehr ("zurück")-zahlen müsse. Auf Grund dieses Vertrauens habe sie sich entschieden, keine private Krankenversicherung durchzuführen. Bei einem Eintritt in die private Krankenversicherung mit 75 Jahren, also bei Beginn der Versorgungsbezüge, wäre die monatliche Prämie um EUR 131,34 niedriger gewesen als bei einem Eintritt zehn Jahre später bei Geltendmachung der Nachforderung durch die Beklagte. Es sei daher durch das Fehlverhalten der Beklagten unmöglich geworden, eine private Krankenversicherung abzuschließen. In einem Lebensalter von 75 Jahren hätte sie den Wechsel in die private Krankenversicherung durchgeführt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Januar 2009 und den Bescheid vom 29. Januar 2008 in der Fassung des Bescheids vom 27. Mai 2008, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008 aufzuheben, soweit Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von EUR 14.458,23 nachgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen. Sie habe die Beitragseinziehung seit 1999 versäumt. Dies stelle nur ein bloßes Nichtstun dar, das nicht zur Verwirkung führen könne. Daran änderten auch die Rentenneunberechnungen nichts, die zum einen nur die Rentenhöhe und nicht die Beitragserhebung betroffen und zum anderen nicht von ihr (der Beklagten) gestammt hätten.
Das durch Beschluss vom 26. Mai 2009 beigeladene Land hat seine Akten vorgelegt, in der Sache jedoch keine Stellungnahme abgegeben und keinen Antrag gestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere auch statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) ist nicht gegeben. Der Beschwerdewert von EUR 750,00 ist überschritten. Denn die Klägerin wendet sich gegen die Beitragsnachforderung in Höhe von EUR 14.458,23.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 29. Januar 2008 in der Fassung des Bescheids vom 27. Mai 2008, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2008, soweit Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von EUR 14.458,23 nachgefordert werden. Die Klägerin hat Klage allein gegen die Nachforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhoben.
Erlassen haben die zuvor genannten Bescheide sowohl die Beklagte als Krankenkasse als auch die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse. Da Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nachgefordert wurden und die Beklagte nicht in ihrer Funktion als Einzugsstelle nach § 28h Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) entschied, war erforderlich, dass sowohl die Krankenkasse als auch die Pflegekasse einen gemeinsamen Bescheid über die Beitragsnachforderung erlassen (seit 01. Juli 2008: § 46 Abs. 2 Satz 4 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI)). Der Bescheid vom 29. Januar 2008 nannte als erlassene Behörde allein die Beklagte, nicht aber die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse. Erst mit dem weiteren Bescheid vom 27. Mai 2008 stellte die Beklagte klar, dass der Bescheid vom 29. Januar 2008 auch im Namen der Pflegekasse erging. Die Mitteilung vom 27. Mai 2008 ist als Verwaltungsakt nach § 31 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) anzusehen. Denn insoweit wurde der bisherige Bescheid vom 29. Januar 2008 ergänzt. Der Bescheid vom 27. Mai 2008 wurde nach § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Über den Widerspruch entschied der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten und der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse.
2. Die Beklagte fordert zu Recht Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 nach.
2.1. Nach § 237 Satz 1 Nr. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) werden der Beitragsbemessung bei versicherungspflichtigen Rentnern - zu denen die Klägerin gehört - der Zahlbetrag der einer Rente vergleichbaren Einkommen zu Grunde gelegt. Nach § 237 Satz 2 SGB V gelten § 226 Abs. 2 und die §§ 228, 229 und 231 SGB V entsprechend. nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 1. Halbsatz SGB V gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, Versorgungsbezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder aus einem Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen. Solche beitragspflichtigen Versorgungsbezüge erhielt und erhält die Klägerin mit der ihr vom beigeladenen Land gezahlten Hinterbliebenenversorgung. Einer der Fälle des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SGB V, in denen die Versorgungsbezüge außer Betracht bleiben, liegt nicht vor.
2.2. Die Beklagte hat auch zutreffend keine Zahlung der nachgeforderten Beiträge von der Klägerin selbst verlangt, sondern insoweit den Einbehalt von der weiterhin zu zahlenden Hinterbliebenenversorgung durch das LBV als Zahlstelle verfügt. Denn nach § 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben für Versicherungspflichtige, die eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, die Zahlstellen der Versorgungsbezüge die Beiträge aus Versorgungsbezügen einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu zahlen. Soweit die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben ist, hat diese die Zahlstelle (hier das LBV) aus den weiterhin zu zahlenden Versorgungsbezügen einzubehalten (§§ 256 Abs. 2 Satz 1, 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
2.3. Die für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 nachgeforderten Beiträge zur Krankenversicherung sind nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die zu zahlenden Beiträge werden fällig mit der Auszahlung der Versorgungsbezüge, von denen sie einzubehalten sind (§ 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Damit waren - wie im Widerspruchsbescheid zutreffend dargelegt - die ab 01. Januar 2004 nicht einbehaltenen Beiträge zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 29. Januar 2008 noch nicht verjährt.
2.4. Auch kann die Klägerin die Zahlung der nachgeforderten Beiträge nicht wegen Verwirkung verweigern. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt. Danach entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Bundessozialgericht (BSG) SozR 2200 § 1399 Nr. 11 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1303 Nr. 6; SozR 4-2400 § 22 Nr. 2). Bloßes Nichtstun des Berechtigten reicht nicht aus. Vielmehr muss ein Handeln des Berechtigten hinzukommen, das bei dem Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. zu allem Urteil des erkennenden Senats vom 08. Februar 2008 - L 4 KR 1913/06 -, nicht veröffentlicht). Bloßes Nichtgeltendmachen eines vermeintlichen Anspruchs führt allein zur Verjährung, sobald die Verjährungsfristen abgelaufen sind und die Einrede erhoben wird.
Weder aus den vorliegenden Akten noch dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich Anhaltspunkte, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber ausdrücklich oder konkludent ein Verhalten gezeigt hatte, aus dem die Klägerin hätte schließen können, dass die Beiträge aus der vom beigeladenen Land bezogenen Hinterbliebenenversorgung nicht zu zahlen seien. Es liegt ein bloßes Nichtstun vor. Die Beklagte hat lediglich auf die Meldung der Versorgungsbezüge durch das LBV nicht reagiert.
Die Dauer des Zeitraums, in welchem die Beiträge zu Unrecht nicht einbehalten wurden, ist unerheblich. Seit Inkrafttreten des SGB V am 01. Januar 1989 kommt es nach §§ 256 Abs. 2, 255 Abs. 2 SGB V zur Aufrechterhaltung des Beitragsanspruchs weder auf das fehlende Verschulden der Zahlstelle noch auf das Fehlverhalten der Krankenkasse an. Laufende Versorgungsbezüge sollen ohne Rücksicht auf ein eventuelles früheres Fehlverhalten der Beteiligten zur Beitragserhebung herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1993 12 RK 62/92 -, veröffentlicht in juris). Im Übrigen wird die Klägerin vor einer Nachforderung für weit zurückliegende Zeiträume durch den Eintritt der Verjährung geschützt.
Dass nach Behauptung der Klägerin die Rente (gemeint wohl die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung) seit 01. März 1999 zwanzigmal geändert worden sein soll, kann ebenfalls keinen Vertrauenstatbestand begründen. Die Änderungen der von der Klägerin bezogene gesetzlichen Rente betreffen nicht die vom beigeladenen Land bezogene Hinterbliebenenversorgung. Insbesondere entscheidet der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit nicht über die Abführung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Schließlich ist die Behauptung der Klägerin nicht nachvollziehbar, sie hätte sich bei Kenntnis der Beitragspflicht der Versorgungsbezüge zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung entschlossen. Die vom beigeladenen Land bewilligte Hinterbliebenenversorgung hatte und hat keinen Einfluss auf die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner. Diese Versicherungspflicht besteht unabhängig vom Erhalt der Versorgungsbezüge und erlaubt der Klägerin keine Wahlmöglichkeit zwischen der Mitgliedschaft in der gesetzlichen und in der privaten Krankenversicherung.
2.5. Die Beklagte hat die Höhe der nachgeforderten Beiträge zur Krankenversicherung zutreffend berechnet (Bl. 11/14 der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte). Insoweit werden von der Klägerin auch keine Einwände erhoben.
3. Soweit die Klägerin sich gegen die Nachforderung von Beiträgen zur Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 wendet, könnte fraglich sein, ob die von der (anwaltlich vertretenen) Klägerin allein gegen die Beklagte erhobene Klage ausreichend ist, sondern Klage auch hätte gegen die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse erhoben werden müssen. Aus den streitgegenständlichen Bescheiden war erkennbar, dass erlassende Behörde sowohl die Beklagte als auch die bei ihr errichtete Pflegekasse war. Eine nachträgliche Erweiterung der Klage gegen die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse wäre als Klageänderung (§ 99 SGG) anzusehen, für die alle Prozessvoraussetzungen gegeben sein müssten, auch Erhebung der Klage innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG. Dies lässt der Senat offen. Jedenfalls erfolgte die Nachforderung der Beiträge zur Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 aus den unter 2. dargelegten Gründen zu Recht. Denn die Vorschriften des SGB V gelten für die Erhebung der Beiträge zur Pflegeversicherung entsprechend (§§ 57 Abs. 1 Satz 1, 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI).
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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