L 9 KR 423/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 112 KR 205/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 423/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Rentenversicherungsfreiheit wegen Bezugs einer Vollrente wegen Alters nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI tritt nur bei Bezug einer Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversi-cherung ein. Bei Bezug einer ausländischen Altersrente tritt die Versicherungsfreiheit nur dann ein, wenn über- oder zwischenstaatliches Recht dies ausdrücklich vorsehen. Dies war bei einer polnischen Altersrente bis zum 30. April 2004 nicht der Fall.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Zeitraum vom 1. November 1994 bis 31. Mai 1996.

Die 1929 geborene Klägerin lebte ursprünglich in Polen. Dort erhielt sie seit den 1980er Jahren eine Rente der dortigen Sozialversicherungsanstalt, die bis einschließlich Januar 2000 gezahlt wurde. Im Laufe des Kalenderjahr 1990 siedelte sie nach B über, wo sie weiterhin ihren Wohnsitz hat. Sie nahm in der Folgezeit Beschäftigungen auf; u. a. war sie vom 1. November 1994 bis 31. Mai 1999 bei der Beigeladenen zu 1) gegen ein monatliches Entgelt von 620,00 DM bzw. 630,00 DM beschäftigt. Weiterhin war sie im Zeitraum vom 1. März 1996 bis 31. August 1996 sowohl bei der Beigeladenen zu 2) als auch bei dem Beigeladenen zu 3) bei beschäftigt. Mit Bescheiden vom 30. August 1996 stellte die Beklagte fest, dass in den jeweils mit den Beigeladenen zu 2) und 3) begründeten Beschäftigungsverhältnissen Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversichtung bestehe, da das aus beiden Beschäftigungen zusammen erzielte Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze überschreite. Zur Rentenversicherung sei nur der Arbeitgeberanteil zu zahlen. Diesen Bescheid änderte sie am 3. Januar 1996 (gemeint: 3. Januar 1997) dahingehend ab, dass auch zur Rentenversicherung der volle Beitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zu zahlen sei. Die Bescheide, von denen auch die Klägerin eine Ausfertigung erhielt, sind nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen worden.

Im August 1999 und erneut mit Schreiben vom 11. Juli 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten u. a. die Erstattung der von ihr für den Zeitraum vom 1. Oktober 1994 bis 31. Juli 1999 getragenen Beiträge zur Rentenversicherung, da sie als Bezieherin der polnischen Rente rentenversicherungsfrei gewesen sei. Nachdem die damalige Landesversicherungsanstalt Berlin – jetzt: Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (Beigeladene zu 4) - der Klägerin mit Rentenbescheid vom 27. August 2003 beginnend ab dem 1. Juni 1999 eine Regelaltersrente gewährt hatte, erstattete die Beklagte mit Bescheid vom 11. Dezember 2003 für den Zeitraum vom 1. Juni bis 31. Juli 1999 Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 62,81 EUR sowie mit weiterem Bescheid vom 22. Januar 2004 weitere 115,75 EUR für diesen Zeitraum. Sodann lehnte sie mit Bescheid vom 16. Februar 2004 u. a. die Erstattung der von der Klägerin getragenen Beiträge zur Rentenversicherung für den Zeitraum vom 1. November 1994 bis 31. Mai 1999 ab, da sie nicht versicherungsfrei gewesen sei. Zwar bestehe keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn eine Vollrente wegen Alters bezogen werde. Darunter falle jedoch nicht die aus Polen bezogene Altersrente.

Hiergegen richteten sich der eingelegte Widerspruch sowie die bereits am 24. Mai 2004 erhobene Klage. Der Rentenversicherungsträger erkannte zwischenzeitlich im Rahmen eines Vergleiches, der vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (L 6 R 4/05) geschlossen wurde, einen Anspruch der Klägerin auf eine Regelaltersrente bereits ab dem 1. Juli 1996 unter Anrechnung der polnischen Rente an. In der Folge erließ die Beklagte einen Teilabhilfebescheid vom 18. Januar 2007, mit dem sie der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis 31. Mai 1999 die von ihr getragenen Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 1.240,46 EUR erstattete. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch, soweit ihm nicht mit dem genannten Bescheid abgeholfen wurde, mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2007 als unbegründet zurück. Eine Erstattung von Beiträgen für Zeiträume vor dem 1. Juli 1996 sei nicht möglich, da eine Vollrente wegen Alters erst ab diesem Zeitpunkt bezogen worden sei. Der vorherige Bezug der polnischen Altersrente führe dagegen weiterhin nicht zur Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Klage, die auf die Erstattung der von der Klägerin getragenen Beiträge zur Rentenversicherung im Zeitraum vom 1. November 1994 bis 30. Juni 1996 gerichtet war, hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 21. Juni 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nur der tatsächliche Bezug einer Vollrente wegen Alters führe zu der Versicherungsfreiheit. Eine polnische Altersrente sei nicht gleichgestellt, da weder über- noch zwischenstaatliches Recht bezüglich der Versicherungsfreiheit eine solche Gleichstellung regele. Die Verordnung (EWG) 1408/71 sei auf Polen erst seit dem 1. Mai 2004 anwendbar. Dass ein Anspruch auf die Altersrente seit November 1994 bestanden habe, reiche für eine Versicherungsfreiheit nicht aus, wenn sie nicht tatsächlich bezogen werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Gewährung von Krankengeld wegen des Bezuges der polnischen Altersrente in der Vergangenheit abgelehnt worden sei. Denn die maßgeblichen Rechtsvorschriften enhielten diesbezüglich ausdrücklich eine Gleichstellung von Renten, die von einem ausländischen Versicherungsträger gezahlt werden. Da ein Anspruch auf Krankengeld nicht bestanden habe, sei auch nur der ermäßigte Beitragssatz zur Anwendung gekommen.

Gegen das ihr am 27. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Juli 2007 und 18. Juli 2007 Berufung eingelegt. Sie begehrt die Erstattung der Beiträge zur Rentenversicherung, da sie bereits einen Anspruch auf eine Altersrente gehabt habe und damit Versicherungsfreiheit eingetreten sei. Es sei darauf abzustellen, dass ein derartiger Anspruch bestanden habe, da sie von den Sozialleistungsträgern, obwohl diese gewusst hätten, dass sie eine polnische Rente bezog, sie nicht ausreichend auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung hingewiesen hätten. Darüber hinaus stehe nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen der Bezug einer polnischen Rente wegen Alters dem Bezug einer deutschen Vollrente wegen Alters gleich. Letztendlich sei sie deshalb nicht versicherungspflichtig gewesen, da die Beschäftigungen nur geringfügig ausgeübt worden seien und bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenzen es sich um Versehen der Lohnbuchhaltungen gehandelt habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2007 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2004 in der Fassung des Bescheides vom 18. Januar 2007 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die im Zeitraum vom 1. November 1994 bis 30. Juni 1996 gezahlten Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die Beschäftigungen seien nicht geringfügig gewesen, so dass auch nicht aus diesem Rechtsgrund Versicherungsfreiheit eingetreten sei.

Der Senat hat die Beteiligten unter dem 3. März 2010 zu der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss angehört.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig. Der Senat konnte sie gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten vorher angehört worden sind. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der von ihr getragenen Beiträge zur Rentenversicherung im Zeitraum vom 1. November 1994 bis 30. Juni 1996 hat.

Gemäß § 26 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs/Viertes Buch (SGB IV) sind zu Unrecht erstattete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Ein solcher Anspruch auf Erstattung von Beiträgen zur Rentenversicherung gegen die Beklagte scheitert zum einen daran, dass diese für die Erstattung nicht zuständig ist (hierzu unter 1), zum anderen daran, dass die Beiträge im streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu Unrecht entrichtet wurden (hierzu unter 2).

1.) Die Beklagte ist gemäß § 211 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs/Sechstes Buch (SGB VI) in Verbindung mit den von den Spitzenverbänden der Krankenkassen, dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und der Bundesanstalt für Arbeit am 31. Mai 2000 vereinbarten "Gemeinsamen Grundsätze für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung" (Gemeinsame Grundsätze) für die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge nicht zuständig. Dies obliegt vielmehr gemäß § 126 SGB VI dem Rentenversicherungsträger.

Gemäß § 126 SGB VI ist grundsätzlich der Rentenversicherungsträger für die Durchführung der Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung, die auch die Erstattung von Beiträgen umfasst, zuständig. Die Beklagte kann als Einzugsstelle für die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur Rentenversicherung gemäß § 211 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nur dann zuständig sein, wenn der Erstattungsanspruch noch nicht verjährt ist, die Beiträge vom Träger der Rentenversicherung noch nicht beanstandet worden sind und die Träger der Rentenversicherung dies mit den Einzugsstellen oder den Leistungsträgern vereinbart haben. Nach Nr. 3.3.1 Satz 1 der Gemeinsamen Grundsätze ist für die Bearbeitung eines Erstattungsantrages grundsätzlich die Einzugsstelle zuständig, soweit sich aus den Abschnitten 3.3.2. und 3.3.3. nichts anderes ergibt. Nach Pkt. 3.3.2 Satz 1 Bstb. a) der Gemeinsamen Grundsätze bleibt der Rentenversicherungsträger für die Bearbeitung des Antrags ausschließlich zuständig, wenn seit Beginn des Erstattungszeitraums Leistungen (Leistungen zur Rehabilitation oder Rente) beantragt, bewilligt oder gewährt worden sind; dies gilt nicht für Rentenversicherungsbeiträge, die für Zeiten nach Beginn einer innerstaatlichen Vollrente wegen Alters gezahlt wurden. Die Klägerin begehrt die Erstattung von Beiträgen ab November 1994. Da der Rentenversicherungsträger ihr die Altersrente für Zeiträume ab dem 1. Juli 1996 gewährte, sind im Sinne der Gemeinsamen Grundsätze nach Beginn des Erstattungszeitraums Leistungen bewilligt worden. Der Ausnahmetatbestand, dass eine innerstaatliche Vollrente wegen Alters gezahlt wurde, liegt gerade nicht vor.

Darüber hinaus verblieb die Zuständigkeit auch gemäß Pkt. 3.3.2 Bstb. d) der Gemeinsamen Grundsätze deshalb beim Rentenversicherungsträger, weil der Erstattungsanspruch zumindest teilweise verjährt ist. Gemäß § 27 Abs. 2 SGB IV verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 SGB IV in der bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Fassung werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, spätestens am Fünfzehnten des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Damit sind die Beiträge auf Grund abhängiger Beschäftigung für den Monat November 1994 am 15. Dezember 1994 fällig geworden, so dass der Anspruch auf Erstattung dieser Beiträge mit Ablauf des Kalenderjahres 1998 verjährt ist. Der erste auf Erstattung der Beiträge gerichtete Antrag der Klägerin, der die Verjährung unterbrochen oder gehemmt haben könnte, stammt aus dem Jahre 1999, so dass dieser den Ablauf der Verjährungsfrist für die Erstattung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags für den Monat November 1994 nicht mehr hätte unterbrechen bzw. hemmen können. Somit war zumindest ein Teil des Erstattungsanspruchs verjährt.

2.) Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der Beiträge zur Rentenversicherung gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 SGB IV, da diese im Zeitraum vom 1. November 1994 bis 30. Juni 1996 nicht zu Unrecht entrichtet wurden. Denn die Klägerin war in diesem Zeitraum gegen Arbeitsentgelt beschäftigt und damit gemäß § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig. Sie war weder wegen geringfügiger Ausübung der Beschäftigung gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI (hierzu unter a), noch wegen Bezugs einer Vollrente wegen Alters gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI (hierzu unter b) versicherungsfrei.

a.) Die Klägerin war im genannten streitgegenständlichen Zeitraum nicht geringfügig beschäftigt im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der bis 31. März 1999 geltenden Fassung. Nach dieser Vorschrift lag eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als fünfzehn Stunden in der Woche ausgeübt wurde und das Arbeitsentgelt regelmäßig ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße, bei höherem Arbeitsentgelt ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht überstieg. Ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße betrug im Kalenderjahr 1994: 560,- DM, im Kalenderjahr 1995: 580,- DM und im Kalenderjahr 1996: 590,- DM. Aus der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) bezog die Klägerin ein Einkommen von 620,- DM bzw. 630,- DM, so dass die Grenze überschritten wurde. Soweit die Klägerin in einzelnen Monaten weniger verdiente, weil für einen Teil des Monats kein Entgeltanspruch bestand, wie z.B. in den Monaten Januar und Februar 1995, so war die Geringfügigkeitsgrenze insoweit anteilig zu mindern, so dass sie weiter überschritten wurde. Dass das Entgelt aus der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) ein Sechstel des Gesamteinkommens der Klägerin nicht überschritt, ist insbesondere unter Berücksichtigung der von ihr bezogenen niedrigen polnischen Rente nicht ersichtlich.

Die beiden weiteren Beschäftigungen bei den Beigeladenen zu 2) und 3) waren im Zeitraum vom 1. März 1996 bis 31. August 1996 ebenfalls nicht geringfügig ausgeübt worden, da die Entgelte aus beiden Beschäftigungen gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV zusammenzurechnen waren und insgesamt die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Dies hatte die Beklagte mit den bestandskräftigen Bescheiden vom 30. August 1996 und 3. Januar 1996 (gemeint: 1997), die Tatbestandswirkung entfalten, festgestellt. Mit diesen Bescheiden steht für die Beteiligten verbindlich fest, dass die Beschäftigungen Versicherungspflicht in der Sozialversicherung begründeten.

b.) Die Klägerin war entgegen ihrer Auffassung in dem streitgegenständlichen Zeitraum aber auch nicht gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI wegen Bezugs einer Vollrente wegen Alters versicherungsfrei. Denn sie bezog die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erst ab dem 1. Juli 1996. Da § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI nur den tatsächlichen Bezug einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erfasst (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, § 5 Rn. 38), führte weder der Bezug der polnischen Altersrente noch der Umstand, dass sie einen (nicht realisierten) Anspruch auf die deutsche Altersrente hatte, zur Versicherungsfreiheit.

aa.) Der Versicherungsfreiheit der in § 5 Abs. 4 SGB VI geregelten Fälle liegt die Erwägung zu Grunde, dass ein Sicherungsbedürfnis in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr besteht, weil das Sicherungsziel bereits erreicht ist oder aber nicht mehr erreicht werden kann. § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI konkretisiert dies dahingehend, dass eine Versicherungspflicht nicht mehr besteht, wenn eine Vollrente wegen Alters bezogen wird. Denn dann sind entrichtete Beiträge zur Rentenversicherung nutzlos, da sie für den Versicherten bei einer Rentenleistung nicht mehr berücksichtigungsfähig sind. Gemäß § 75 Abs. 1 SGB VI werden Entgeltpunkte für Beiträge nach Beginn einer Altersrente nicht berechnet. Gleichzeitig ist gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI der Wechsel von einer Altersrente in eine andere ausgeschlossen, so dass eine Berücksichtigung von Beiträgen nach Beginn einer Rente wegen Alters - abgesehen von dem Ausnahmefall der §§ 66 Abs. 1 Nr. 8, 76d, 75 Abs. 1 SGB VI, der die Berücksichtigung von Beiträgen während des Bezugs einer Teilrente betrifft - nicht möglich ist.

Bei einer ausländischen Altersrente liegt dies jedoch anders. Soweit nach deren Beginn Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt werden, so können diese für eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung anspruchssteigernd berücksichtigt werden. Insoweit besteht auch kein Anlass, Bezieher einer ausländischen Altersrente von der Versicherungspflicht auszunehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Berücksichtigung dieser Beiträge im Einzelfall günstig auswirkt. Für den Fall, dass der Betroffene bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze überhaupt nicht versichert war oder eine Beitragserstattung aus seiner Versicherung erhalten hat (z.B. wegen Nichterfüllung der Wartezeit nach § 210 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI), ordnet § 5 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI gesondert die Versicherungsfreiheit des betreffenden Personenkreises an, da auch hier ein Sicherungsbedürfnis nicht mehr besteht. Die Klägerin erfüllte jedoch diesen Tatbestand der Versicherungsfreiheit nicht, da sie vor Vollendung des 65. Lebensjahres rentenversichert war und eine Beitragserstattung, insbesondere nach § 210 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, nicht erfolgte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus über- oder zwischenstaatlichem Recht. Zwar bestimmte z.B. Art. 14d Abs. 3 der bis 30. April 2010 geltenden Verordnung (EWG) 1408/71, dass Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates, nach denen ein Rentenberechtigter, der eine Erwerbstätigkeit ausübt, der Pflichtversicherung aufgrund dieser Tätigkeit nicht unterliegt, auch für den nach Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedsstaates zum Bezug einer Rente Berechtigten gelten. Damit wird ausdrücklich angeordnet, dass eine aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bezogene Rente einer deutschen gleichgestellt ist. Die Verordnung (EWG) 1408/71 ist jedoch in Bezug auf Polen erst seit dem 1. Mai 2004 anwendbar und erfasst daher nicht den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. November 1994 bis 30. Juni 1996. Das zuvor geltende deutsch-polnische Abkommensrecht sah dagegen eine derartige Gleichstellung nicht vor.

bb.) Dass die Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf die deutsche Vollrente wegen Alters hatte, führt zu keinem anderen Ergebnis, da bereits nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI nur der tatsächliche Bezug, nicht aber der dem Grunde nach bestehende, aber nicht realisierte Anspruch auf die Rente zur Versicherungsfreiheit führt. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 4 SGB VI (vgl. unter aa.). Denn wenn die Vollrente wegen Alters während der Ausübung der Beschäftigung nicht bezogen wurde, können die erworbenen Beitragszeiten bei dem späteren Beginn noch berücksichtigt werden, so dass sie nicht nutzlos aufgewendet sind. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherte nicht in der erforderlichen Weise über die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Rente informiert worden ist, wie die Klägerin es hier geltend macht. Dies kann bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch und dazu führen, dass die Rente entgegen der Vorschrift des § 99 SGB VI für Zeiten vor Antragstellung gezahlt werden muss. Ohne tatsächlichen Bezug – ggf. auf Grund des genannten Herstellungsanspruchs – tritt die Versicherungsfreiheit dagegen nicht ein.

3.) Soweit sich die Klägerin im Berufungsverfahren auf die rückwirkende Neuberechnung der ihr gewährten Altersrente ohne Berücksichtigung der seit 1991 gezahlten Rentenversicherungsbeiträge, die Minderung des Zugangsfaktor nach § 77 SGB VI, eine fehlende Verzinsung des Rentennachzahlungsbetrages sowie die Unrichtigkeit der Verrechnung der Nachzahlung mit der polnischen Rente beruft, muss sie sich in einem gesonderten Verfahren an den Rentenversicherungsträger wenden. Im hiesigen Berufungsverfahren kann sie damit nicht gehört werden. Dies gilt auch hinsichtlich der erwähnten Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, soweit solche im Zeitraum von November 1994 bis Juni 1996 gezahlt worden sein sollten. Diesbezüglich muss sie sich an die Agentur für Arbeit wenden.

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf des § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung erfolglos blieb.

5.) Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
Saved