L 11 AS 620/10 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 895/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 620/10 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
hinreichende Erfolgsaussicht bei Teilerfolg
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.07.2010 in Ziffer III aufgehoben.

II. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 10 AS 895/10 ER vor dem Sozialgericht Nürnberg ohne Ratenzahlung bewilligt.

III. Der Antragstellerin wird Herr Rechtsanwalt B., A-Stadt, beigeordnet.

IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wegen Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.


Gründe:


I.
Streitig war die Bewilligung von der Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.01.2010.

Die ASt bezog mit Unterbrechungen seit Januar 2005 Alg II. Die Antragsgegnerin (Ag) bewilligte der ASt zuletzt mit bestandskräftigen Bescheid vom 02.12.2009 die monatliche Regelleistung in Höhe von 359,00 EUR für den Zeitraum 01.11.2009 bis 30.04.2010. Mit ihrem Fortzahlungsantrag vom 30.10.2009 hatte die ASt angegeben, nach der Zwangsräumung ihrer Wohnung seit Mai 2009 keine feste Anschrift mehr zu haben. Postalisch sei sie über ihre Tochter zu erreichen. Die Ag wies im Bescheid darauf hin, dass die Bewilligung vorläufig erfolge. Nach den Angaben im Leistungsantrag halte sich die ASt im R.Weg in A-Stadt auf. Hierdurch ändere sich die Zuständigkeit innerhalb der ARGE.

Nachdem Postscheckübersendungen an die ASt für die Leistungen im November und Dezember 2009 unter der Anschrift im R.Weg an die Ag zurückgingen, weil die ASt nicht anzutreffen gewesen sei, hob die Ag mit Bescheid vom 07.01.2010 die Bewilligung des Alg II für die Zeit ab dem 01.01.2010 auf. Nach § 7 Abs 4a SGB II iVm der Erreichbarkeitsanordnung habe der Leistungsempfänger sicherzustellen, innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches durch Briefpost erreichbar zu sein.

Mit Widerspruch vom 01.02.2010 brachte die ASt vor, sie halte sich vorübergehend bei einem Bekannten im R.Weg auf. Postalisch sei sie über ihre am A.Platz wohnhafte Tochter zu erreichen. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden.

Am 01.06.2010 hat die ASt beim Sozialgericht Nürnberg (SG) beantragt, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die mit Bescheid vom 02.12.2009 bewilligten Leistungen auszuzahlen und die monatliche Regelleistung in Höhe von 359,00 EUR über den 30.04.2010 hinaus zu bewilligen. Sie sei nicht polizeilich gemeldet, weil sie sich nur vorübergehend im R.Weg aufhalte, bis sie eine neue Wohnung angemietet habe. Bei ihrer Tochter könne sie nicht wohnen, denn diese lebe in beengten Verhältnissen, jedoch sei sie dort jederzeit postalisch erreichbar. Zudem hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung ihres Bevollmächtigten beantragt.

Das SG hat mit Beschluss vom 06.07.2010 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. In Bezug auf den Widerspruch vom 01.02.2010 könne einstweiliger Rechtsschutz nur in der Form beansprucht werden, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 07.01.2010 anzuordnen. Hierbei sei im Rahmen der zu treffenden Interessenabwägung neben den Erfolgsaussichten auch die Dringlichkeit der Angelegenheit zu berücksichtigen. Diese sei nicht glaubhaft gemacht, denn es handle sich in Bezug auf die mit Bescheid vom 02.12.2009 bewilligten Ansprüche um Leistungen für bereits abgelaufene Bewilligungszeiträume. Eine Fortwirkung aus der Leistungsverweigerung in der Vergangenheit sei jedoch nicht zu erkennen, denn ursächlich für eine aktuell bestehende Notlage sei nicht die unterbliebenen Auszahlungen für die Monate bis April 2010, sondern der Umstand, dass die ASt - nach Ermittlungen des SG - keinen Fortzahlungsantrag gestellt habe. In der Folge sei auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, Leistungen ab dem 01.05.2010 zu gewähren. Einem derartigen Eilantrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis, denn Voraussetzung für eine Regelungsanordnung iSd § 86b Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei ein streitiges Rechtsverhältnis. Mangels Fortzahlungsantrages für die Zeit ab dem 01.05.2010 gebe es jedoch kein regelungsbedürftiges Rechtsverhältnis. Darüber hinaus hat das SG die Bewilligung von PKH mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt (Ziffer III des Tenors).

Gegen diesen Beschluss hat die ASt insgesamt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und beantragt, die laufenden Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 359,00 EUR/ Monat auszubezahlen.

Mit Beschluss vom 23.09.2010 (L 11 AS 586/10 B ER) hat der Senat den Beschluss des SG vom 06.07.2010 abgeändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 01.02.2010 gegen den Bescheid vom 07.01.2010 angeordnet. Bei der Interessenabwägung, die im Rahmen des § 86b Abs 1 Nr. 2 SGG vorzunehmen sei, sei in erster Linie auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen, und es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich der Bescheid der Ag vom 07.01.2010 als rechtmäßig erweisen könnte. Im Übrigen sei der Eilantrag, die Ag zur Bewilligung der Regelleistungen für die Zeit ab dem 01.05.2010 zu verpflichten, abzuweisen gewesen, weil es die ASt versäumt habe einen Fortzahlungsantrag zu stellen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG) und in der Sache begründet.

Nach § 73a Abs 1 SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO erhält PKH eine Partei (im sozialgerichtlichen Verfahren: Beteiligter), die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht zwar nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (BSG vom 17.02.98 - B 13 RJ 83/97 R). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 73a Rn.7, 7a) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH-Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Allerdings müssen dabei letzte Zweifel an der rechtlichen Beurteilung nicht ausgeschlossen werden, denn eine endgültige und abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist in der Regel nicht möglich und auch nicht notwendig (Peters/Sautter/ Wolff, SGG, 4.Aufl., Stand 1/2008, § 73a Ziff.13.2 a).

Im vorliegenden Rechtsstreit war mit dem Eilantrag vom 01.06.2010 ein (Teil-)Erfolg vor dem SG mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, denn zumindest dem Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 01.02.2010 (gegen den Bescheid vom 07.01.2010) anzuordnen, hätte das SG entsprechen müssen. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss des Senates vom 23.09.2010 im Verfahren L 11 AS 586/10 B ER Bezug genommen.

Nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der ASt sind die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH ohne Ratenzahlung gegeben, denn die ASt verfügt weder über Einkommen noch über Vermögen, das er in zumutbarer Weise verwerten könnte, um die Kosten des Prozesses aufzubringen.

Ist die Vertretung durch Anwälte, wie im sozialgerichtlichen Verfahren, nicht vorgeschrieben, so wird dem Beteiligten auf dessen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, § 202 SGG iVm § 121 Abs 2 ZPO.

Der Senat hält im vorliegenden Fall die Beiordnung eines Rechtsanwaltes für erforderlich, § 121 Abs 2 ZPO, weil neben tatsächlichen Umständen rechtliche Fragen komplexer Natur zu klären sind, die einen juristischen Laien regelmäßig überfordern.

PKH für das Beschwerdeverfahren wegen PKH ist nicht zu bewilligen (vgl. Leitherer aaO § 73a Rn. 2b).

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG, und ergeht kostenfrei.
Rechtskraft
Aus
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