Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1841/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 485/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 03. Dezember 2010 wird als unzulässig verworfen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten.
Der am 24.10.1943 geborene Kläger ist Eigentümer einer forstwirtschaftlichen Fläche von 15,4004 ha in der Gemarkung L. im Landkreis Freudenstadt. Im Jahre 1983 stellte die Beklagte (bzw. eine ihrer Rechtsvorgängerinnen) die Zugehörigkeit des Klägers zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung fest.
Der Kläger bezieht seit dem 01.11.2008 von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund eine Regelaltersrente von EUR 171,97 netto im Monat. Der Kläger hatte die - bestandskräftig festgesetzten - Beitragsforderungen der Beklagten zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung für die Jahre 2004 bis 2007 (EUR 260,26 bis EUR 291,93 p.a.) nicht beglichen. Auf ein Verrechnungsersuchen der Beklagten hin hatte die DRV Bund mit Bescheid vom 23.01.2009, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 19.03.2009, die Verrechnung der Beitragsschulden mit der Hälfte des Rentenanspruchs, also in Höhe von EUR 86,71 monatlich, verfügt. Die Klage des Klägers gegen diese Verrechnung wies das Sozialgericht Reutlingen mit Urteil vom 28.01.2010 zurück (S 3 R 1363/09). Über die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil (L 5 R 1463/10) hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg noch nicht entschieden.
Gegen den Bescheid der Beklagten vom 18.03.2009 über die Festsetzung der Beiträge für 2008 in Höhe von EUR 247,65 hatte der Kläger Widerspruch eingelegt. Der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 01.10.2009 wurde bestandskräftig. Klage wurde nicht erhoben.
Mit Bescheid vom 12.03.2010 setzte die Beklagte für 2009 einen Beitrag von EUR 231,65 fest. Dieser setze sich aus EUR 60,00 Grundbeitrag und EUR 171,65 "Beitrag für Forstbetrieb" zusammen (Abschnitt "Für 2009 festgesetzter Beitrag"). Zugleich wies sie darauf hin, dass aus den Vorjahren - noch - ein Rückstand von EUR 1.714,54 bestehe, sodass die Gesamtforderung EUR 1.946,22 betrage (Abschnitt "Zu zahlender Beitrag/Gesamtforderung").
Der Kläger erhob Widerspruch. Der Bescheid sei nichtig. Zwangsabgaben seien nicht zulässig. In einem beigefügten Vordruck führte der Kläger aus, er weise Forderungen, die von Vertretern der Bundesrepublik an ihn gestellt würden, zurück. Er sei bekennender Staatsbürger des fortbestehenden, rechtsfähigen Staates "Deutsches Reich", dessen Rechtsnachfolger nicht die Bundesrepublik Deutschland sei. Da sich Deutschland de facto im Kriegszustand befinde, sei Völkerrecht anzuwenden. Insoweit sehe die Haager Landkriegsordnung vom 18.10.1907 den Schutz des Privateigentums und ein Plünderungsverbot vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2010 zurück. Der Kläger sei am maßgeblichen Stichtag, dem 01.07.2009, forstwirtschaftlicher Unternehmer gewesen und daher beitragspflichtig zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Diese Zugehörigkeit sei mit einem für alle Beteiligten bindenden Bescheid bereits 1983 festgestellt worden. Gegen die Beitragspflicht für 2009 könne nicht eingewandt werden, es bestehe keine Gewinnerzielungsabsicht oder die forstwirtschaftliche Fläche werde nicht bewirtschaftet. Die Zwangsmitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sei verfassungsmäßig.
Am 26.05.2010 übersandte der Kläger der Beklagten per Telefax diverse Unterlagen, darunter ein vorgedrucktes Schreiben an verschiedene Bundesbehörden, baden-württembergische Gerichte und die Beklagte, in dem er unter Bezug unter anderem auf das Geschäftszeichen des Widerspruchsbescheids der Beklagten ausführte, in Deutschland seien unter anderem Strafzettel, Gerichtsgebührenerhebungen, DR-II-Nummern und Zwangsmitgliedschaften ("z. B. IHK") nichtig bzw. illegal. Die Beklagte wertete dieses Telefax als Klageerhebung und leitete es an das Sozialgericht Reutlingen (SG) weiter, wo es am 31.05.2010 einging.
Im Klagverfahren hat der Kläger unter anderem vorgetragen, das "sog. ‚Gericht‘" handle ohne Rechtsgrundlage, da die Bundesrepublik mindestens seit dem 17.07.1990 rechts- und handlungsunfähig geworden sei, nachdem mit Gesetz von jenem Tag Art. 23 Grundgesetz (GG) a.F., der den Geltungsbereich des GG gezogen habe, aufgehoben worden sei.
Nachdem die Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat sie das SG mit Gerichtsbescheid vom 03.12.2010 zurückgewiesen. Es hat im Tatbestand ausgeführt, der Kläger habe in seinem Widerspruch die Existenz der Bundesrepublik geleugnet. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es angeführt, der Kläger sei als forstwirtschaftlicher Unternehmer beitragspflichtig zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei forstwirtschaftlicher Unternehmer, wer über Grund und Boden verfüge, der zur Gewinnung von Forsterzeugnissen bearbeitet werde. Eine Mindestgröße der Fläche sei nicht erforderlich, nachdem das Unfallversicherungsrecht selbst für Unternehmer mit Flächen bis zu 0,25 ha nur eine Befreiungsmöglichkeit vorsehe. Auch sei kein bestimmtes Mindestmaß an Arbeitsaufwand für die Bewirtschaftung erforderlich. Eine Bewirtschaftung ende auch nicht dann, wenn ein so genanntes aussetzendes Unternehmen Holz nur in mehrjährigen Zwischenräumen ernte, wobei sich die Zeiten ohne Anbau und Ertrag über Jahrzehnte erstrecken könnten. Es gelte die widerlegbare Vermutung, dass bei bestehenden Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch dann, wenn im Einzelfall konkrete Bewirtschaftungsmaßnahmen fehlten, die Stellung als forstwirtschaftlicher Unternehmer fortbestehe. Hiernach bestehe auch beim Kläger Beitragspflicht. Im Übrigen müsse er sich, wenn er seine Eigenschaft als forstwirtschaftlicher Unternehmer in Frage stelle, gegen den Veranlagungsbescheid und nicht nur gegen die Beitragsbescheide wenden. Letztlich, so das SG, verstoße die Zwangsmitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung auch nicht gegen Recht der Europäischen Union (Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs [EuGH] vom 05.03.2009 in Sachen "Kattner Stahlbau" [C-350/07]). In der Rechtsmittelbelehrung hat das SG auf die Berufung verwiesen. Ausführungen über eine Zulassung der Berufung enthält der Gerichtsbescheid nicht.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihm am 09.12.2010 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 07.01.2011 "alle zulässigen Rechtsmittel nach deutschem Recht" eingelegt. Er trägt vor, der Gerichtsbescheid sei null und nichtig, da er nicht von dem Richter unterschrieben sei. Er verstoße auch gegen das völkerrechtlich anerkannte Verarmungsverbot. Kein Mensch könne hierzulande von einer Rente über EUR 177,60 monatlich leben, geschweige denn von einer davon um 50 % gekürzten Zahlung. Er trägt ferner vor, er habe die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht geleugnet. Vielmehr handle es sich bei der Bundesrepublik Deutschland um eine Finanzagentur in Form einer GmbH, die im Handelsregister beim Amtsgericht Frankfurt a.M. unter der Nummer (HRB) 51411 geführt werde.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 03. Dezember 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Der Senat hat bei dem Kreisforstamtsleiter des Landkreises Freudenstadt wegen der Größe, der Eigentumsverhältnisse und des Bewirtschaftungszustands der fraglichen Flächen nachgefragt. Wegen des Ergebnisses wird auf die schriftliche Auskunft vom 01.03.2011 verwiesen.
Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, sie verfüge nicht mehr über den Veranlagungsbescheid aus dem Jahre 1983, da die insoweit maßgebliche Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren verstrichen sei. Der Senat hat sodann eine entsprechende Bitte um Vorlage dieses Bescheids an den Kläger gerichtet. Dieser hat unter anderem erwidert, das entsprechende Schreiben des Senats sei nicht unterschrieben gewesen.
Mit weiterem Schreiben vom 24.05.2011 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass sein Rechtsmittel, so es als Berufung ausgelegt wird, möglicherweise unzulässig ist, weil die notwendige Beschwer nicht erreicht ist.
Entscheidungsgründe:
1. Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid des SG Berufung eingelegt. So ist sein einführender Schriftsatz vom 06.01.2011, bei dem SG am 07.01.2011 eingegangen, auszulegen. Er hat zwar ausdrücklich "alle zulässigen Rechtsmittel" erhoben. In Betracht kämen daher neben der Berufung auch - da das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat - eine Nichtzulassungsbeschwerde an das LSG und ein Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem SG selbst (vgl. § 105 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die weitere Auslegung seines Vorbringens ergibt jedoch, dass er eine volle formelle und inhaltliche Überprüfung des Gerichtsbescheids begehrt. Er rügt zum einen den angeblichen Formfehler, der Gerichtsbescheid sei nicht unterschrieben. Zum anderen wiederholt er sein materielles Vorbringen, die Beklagte sei mangels Existenz bzw. Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik nicht berechtigt, Bescheide zu erlassen, außerdem verstoße der Bescheid gegen völkerrechtliche Vorschriften. Eine so umfassende Prüfung kann der Kläger nur mit einer Berufung erreichen. Auch die begehrte Feststellung, der Gerichtsbescheid sei "null und nichtig", kann der Kläger nur mit einer Berufung erreichen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.04.2008, L 4 R 23/07, Juris Rn. 14). Für diese Auslegung spricht letztlich auch, dass sich der Kläger in dem bisher als Berufung geführten Verfahren vor dem LSG eingelassen und damit zum Ausdruck gebracht hat, eine Entscheidung des LSG zu begehren, wenn er auch die konkreten Anfragen nicht beantwortet hat.
2. Die Berufung ist unzulässig und daher zu verwerfen.
a) Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die (unter anderem) eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Dies gilt nach § 144 Abs. 2 Satz 2 SGG dann nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. § 144 Abs. 1 Satz Nr. 1 SGG erfasst auch Ansprüche eines Leistungsträgers gegen einen Bürger Daher gilt diese Vorschrift auch für Anfechtungsklagen gegen Beitragsbescheide eines Sozialleistungsträgers (Leitherer, in: Meyer-Lade¬wig/Kel¬¬ler/Lei¬therer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 144 Rn. 10). Etwas anderes gilt nur, wenn der Sozialleistungsträger in dem angegriffenen Bescheid - auch - die Beitragspflicht dem Grunde nach, also z. B. die Zugehörigkeit zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung, festgestellt hat und die Beteiligten darüber streiten (BSG, Beschluss vom 25.07.2002, B 10 LW 6/02 B, Juris Rn. 8 ff.).
b) Hiernach war die Berufung zulassungsbedürftig.
Der Kläger streitet zwar mit der Beklagten auch über seine Zugehörigkeit zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung insgesamt. Die Beklagte hat diese Zugehörigkeit jedoch in dem angegriffenen Bescheid nicht (erstmals) ausdrücklich festgestellt. Insoweit gilt der Zugehörigkeitsbescheid vom 1983 fort. Dass dieser Bescheid existiert, hat auch der Kläger nicht bestritten, sodass es unschädlich ist, dass er nicht mehr vorgelegt werden kann. Maßgebend für dieses Verfahren sind daher allein die festgesetzten Beiträge.
Die Beschwer des Klägers beträgt nur EUR 231,65 entsprechend den für das Jahr 2009 festgesetzten Beiträgen. Die Beklagte hat nur diese Beiträge festgesetzt. Ihr weiterer Hinweis auf die rückständigen Beiträge der Vorjahre und die Gesamtforderung war keine (erneute) Festsetzung. Dass diese Ausführung kein Teil des Verfügungssatzes des Bescheids war, ergibt sich aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) schon daraus, dass sie die Beklagte in einem gesonderten, drucktechnisch abgesetzten Abschnitt aufgenommen hatte. Außerdem hatte die Beklagte die Beiträge der Vorjahre regelmäßig zeitnah - und bestandskräftig - festgesetzt, was auch dem Kläger bekannt ist. Es bestand daher kein Anlass für eine erneute Festsetzung, die womöglich dem Kläger neue Anfechtungsmöglichkeiten eröffnet hätte.
Es greift auch nicht die Ausnahmeregelung des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG ein. Die hier streitige Beitragszeit beträgt nicht mehr als ein Jahr.
c) Das SG hat die Berufung aber nicht zugelassen. Entsprechende Ausführungen, die durchaus in den Entscheidungsgründen enthalten sein könnten, fehlen. Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung allein führt nicht zur Zulässigkeit der Berufung.
3. Da die Berufung bereits unzulässig ist, weist der Senat nur außerhalb der tragenden Entscheidungsgründe darauf hin, dass sie auch unbegründet wäre.
Der Einwand des Klägers, der Gerichtsbescheid des SG sei - entgegen § 105 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 134 Abs. 1 SGG - von dem Vorsitzenden nicht unterschrieben worden, trifft nicht zu. Das Original eines Urteils oder Gerichtsbescheids verbleibt bei den Akten. Das hier bei den Akten des SG befindliche Original des Gerichtsbescheids vom 03.12.2010 trägt die Unterschrift der Vorsitzenden.
Inhaltlich hat das SG zu Recht entschieden, dass die Beklagte die streitigen Beiträge festsetzen durfte. Die vom Senat durchgeführte Anfrage bei dem zuständigen Kreisforstamt hat ergeben, dass der Kläger Eigentümer der Waldfläche in der genannten Größe ist und dass dort vor zuletzt etwa 25 Jahren Einschläge oder andere Bewirtschaftungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Dies reicht nach den zutreffenden rechtlichen Ausführungen des SG aus, um den Kläger weiterhin als forstwirtschaftlichen Unternehmer anzusehen.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten.
Der am 24.10.1943 geborene Kläger ist Eigentümer einer forstwirtschaftlichen Fläche von 15,4004 ha in der Gemarkung L. im Landkreis Freudenstadt. Im Jahre 1983 stellte die Beklagte (bzw. eine ihrer Rechtsvorgängerinnen) die Zugehörigkeit des Klägers zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung fest.
Der Kläger bezieht seit dem 01.11.2008 von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund eine Regelaltersrente von EUR 171,97 netto im Monat. Der Kläger hatte die - bestandskräftig festgesetzten - Beitragsforderungen der Beklagten zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung für die Jahre 2004 bis 2007 (EUR 260,26 bis EUR 291,93 p.a.) nicht beglichen. Auf ein Verrechnungsersuchen der Beklagten hin hatte die DRV Bund mit Bescheid vom 23.01.2009, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 19.03.2009, die Verrechnung der Beitragsschulden mit der Hälfte des Rentenanspruchs, also in Höhe von EUR 86,71 monatlich, verfügt. Die Klage des Klägers gegen diese Verrechnung wies das Sozialgericht Reutlingen mit Urteil vom 28.01.2010 zurück (S 3 R 1363/09). Über die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil (L 5 R 1463/10) hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg noch nicht entschieden.
Gegen den Bescheid der Beklagten vom 18.03.2009 über die Festsetzung der Beiträge für 2008 in Höhe von EUR 247,65 hatte der Kläger Widerspruch eingelegt. Der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 01.10.2009 wurde bestandskräftig. Klage wurde nicht erhoben.
Mit Bescheid vom 12.03.2010 setzte die Beklagte für 2009 einen Beitrag von EUR 231,65 fest. Dieser setze sich aus EUR 60,00 Grundbeitrag und EUR 171,65 "Beitrag für Forstbetrieb" zusammen (Abschnitt "Für 2009 festgesetzter Beitrag"). Zugleich wies sie darauf hin, dass aus den Vorjahren - noch - ein Rückstand von EUR 1.714,54 bestehe, sodass die Gesamtforderung EUR 1.946,22 betrage (Abschnitt "Zu zahlender Beitrag/Gesamtforderung").
Der Kläger erhob Widerspruch. Der Bescheid sei nichtig. Zwangsabgaben seien nicht zulässig. In einem beigefügten Vordruck führte der Kläger aus, er weise Forderungen, die von Vertretern der Bundesrepublik an ihn gestellt würden, zurück. Er sei bekennender Staatsbürger des fortbestehenden, rechtsfähigen Staates "Deutsches Reich", dessen Rechtsnachfolger nicht die Bundesrepublik Deutschland sei. Da sich Deutschland de facto im Kriegszustand befinde, sei Völkerrecht anzuwenden. Insoweit sehe die Haager Landkriegsordnung vom 18.10.1907 den Schutz des Privateigentums und ein Plünderungsverbot vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2010 zurück. Der Kläger sei am maßgeblichen Stichtag, dem 01.07.2009, forstwirtschaftlicher Unternehmer gewesen und daher beitragspflichtig zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Diese Zugehörigkeit sei mit einem für alle Beteiligten bindenden Bescheid bereits 1983 festgestellt worden. Gegen die Beitragspflicht für 2009 könne nicht eingewandt werden, es bestehe keine Gewinnerzielungsabsicht oder die forstwirtschaftliche Fläche werde nicht bewirtschaftet. Die Zwangsmitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sei verfassungsmäßig.
Am 26.05.2010 übersandte der Kläger der Beklagten per Telefax diverse Unterlagen, darunter ein vorgedrucktes Schreiben an verschiedene Bundesbehörden, baden-württembergische Gerichte und die Beklagte, in dem er unter Bezug unter anderem auf das Geschäftszeichen des Widerspruchsbescheids der Beklagten ausführte, in Deutschland seien unter anderem Strafzettel, Gerichtsgebührenerhebungen, DR-II-Nummern und Zwangsmitgliedschaften ("z. B. IHK") nichtig bzw. illegal. Die Beklagte wertete dieses Telefax als Klageerhebung und leitete es an das Sozialgericht Reutlingen (SG) weiter, wo es am 31.05.2010 einging.
Im Klagverfahren hat der Kläger unter anderem vorgetragen, das "sog. ‚Gericht‘" handle ohne Rechtsgrundlage, da die Bundesrepublik mindestens seit dem 17.07.1990 rechts- und handlungsunfähig geworden sei, nachdem mit Gesetz von jenem Tag Art. 23 Grundgesetz (GG) a.F., der den Geltungsbereich des GG gezogen habe, aufgehoben worden sei.
Nachdem die Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat sie das SG mit Gerichtsbescheid vom 03.12.2010 zurückgewiesen. Es hat im Tatbestand ausgeführt, der Kläger habe in seinem Widerspruch die Existenz der Bundesrepublik geleugnet. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es angeführt, der Kläger sei als forstwirtschaftlicher Unternehmer beitragspflichtig zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei forstwirtschaftlicher Unternehmer, wer über Grund und Boden verfüge, der zur Gewinnung von Forsterzeugnissen bearbeitet werde. Eine Mindestgröße der Fläche sei nicht erforderlich, nachdem das Unfallversicherungsrecht selbst für Unternehmer mit Flächen bis zu 0,25 ha nur eine Befreiungsmöglichkeit vorsehe. Auch sei kein bestimmtes Mindestmaß an Arbeitsaufwand für die Bewirtschaftung erforderlich. Eine Bewirtschaftung ende auch nicht dann, wenn ein so genanntes aussetzendes Unternehmen Holz nur in mehrjährigen Zwischenräumen ernte, wobei sich die Zeiten ohne Anbau und Ertrag über Jahrzehnte erstrecken könnten. Es gelte die widerlegbare Vermutung, dass bei bestehenden Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch dann, wenn im Einzelfall konkrete Bewirtschaftungsmaßnahmen fehlten, die Stellung als forstwirtschaftlicher Unternehmer fortbestehe. Hiernach bestehe auch beim Kläger Beitragspflicht. Im Übrigen müsse er sich, wenn er seine Eigenschaft als forstwirtschaftlicher Unternehmer in Frage stelle, gegen den Veranlagungsbescheid und nicht nur gegen die Beitragsbescheide wenden. Letztlich, so das SG, verstoße die Zwangsmitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung auch nicht gegen Recht der Europäischen Union (Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs [EuGH] vom 05.03.2009 in Sachen "Kattner Stahlbau" [C-350/07]). In der Rechtsmittelbelehrung hat das SG auf die Berufung verwiesen. Ausführungen über eine Zulassung der Berufung enthält der Gerichtsbescheid nicht.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihm am 09.12.2010 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 07.01.2011 "alle zulässigen Rechtsmittel nach deutschem Recht" eingelegt. Er trägt vor, der Gerichtsbescheid sei null und nichtig, da er nicht von dem Richter unterschrieben sei. Er verstoße auch gegen das völkerrechtlich anerkannte Verarmungsverbot. Kein Mensch könne hierzulande von einer Rente über EUR 177,60 monatlich leben, geschweige denn von einer davon um 50 % gekürzten Zahlung. Er trägt ferner vor, er habe die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht geleugnet. Vielmehr handle es sich bei der Bundesrepublik Deutschland um eine Finanzagentur in Form einer GmbH, die im Handelsregister beim Amtsgericht Frankfurt a.M. unter der Nummer (HRB) 51411 geführt werde.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 03. Dezember 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Der Senat hat bei dem Kreisforstamtsleiter des Landkreises Freudenstadt wegen der Größe, der Eigentumsverhältnisse und des Bewirtschaftungszustands der fraglichen Flächen nachgefragt. Wegen des Ergebnisses wird auf die schriftliche Auskunft vom 01.03.2011 verwiesen.
Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, sie verfüge nicht mehr über den Veranlagungsbescheid aus dem Jahre 1983, da die insoweit maßgebliche Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren verstrichen sei. Der Senat hat sodann eine entsprechende Bitte um Vorlage dieses Bescheids an den Kläger gerichtet. Dieser hat unter anderem erwidert, das entsprechende Schreiben des Senats sei nicht unterschrieben gewesen.
Mit weiterem Schreiben vom 24.05.2011 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass sein Rechtsmittel, so es als Berufung ausgelegt wird, möglicherweise unzulässig ist, weil die notwendige Beschwer nicht erreicht ist.
Entscheidungsgründe:
1. Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid des SG Berufung eingelegt. So ist sein einführender Schriftsatz vom 06.01.2011, bei dem SG am 07.01.2011 eingegangen, auszulegen. Er hat zwar ausdrücklich "alle zulässigen Rechtsmittel" erhoben. In Betracht kämen daher neben der Berufung auch - da das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat - eine Nichtzulassungsbeschwerde an das LSG und ein Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem SG selbst (vgl. § 105 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die weitere Auslegung seines Vorbringens ergibt jedoch, dass er eine volle formelle und inhaltliche Überprüfung des Gerichtsbescheids begehrt. Er rügt zum einen den angeblichen Formfehler, der Gerichtsbescheid sei nicht unterschrieben. Zum anderen wiederholt er sein materielles Vorbringen, die Beklagte sei mangels Existenz bzw. Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik nicht berechtigt, Bescheide zu erlassen, außerdem verstoße der Bescheid gegen völkerrechtliche Vorschriften. Eine so umfassende Prüfung kann der Kläger nur mit einer Berufung erreichen. Auch die begehrte Feststellung, der Gerichtsbescheid sei "null und nichtig", kann der Kläger nur mit einer Berufung erreichen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.04.2008, L 4 R 23/07, Juris Rn. 14). Für diese Auslegung spricht letztlich auch, dass sich der Kläger in dem bisher als Berufung geführten Verfahren vor dem LSG eingelassen und damit zum Ausdruck gebracht hat, eine Entscheidung des LSG zu begehren, wenn er auch die konkreten Anfragen nicht beantwortet hat.
2. Die Berufung ist unzulässig und daher zu verwerfen.
a) Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die (unter anderem) eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Dies gilt nach § 144 Abs. 2 Satz 2 SGG dann nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. § 144 Abs. 1 Satz Nr. 1 SGG erfasst auch Ansprüche eines Leistungsträgers gegen einen Bürger Daher gilt diese Vorschrift auch für Anfechtungsklagen gegen Beitragsbescheide eines Sozialleistungsträgers (Leitherer, in: Meyer-Lade¬wig/Kel¬¬ler/Lei¬therer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 144 Rn. 10). Etwas anderes gilt nur, wenn der Sozialleistungsträger in dem angegriffenen Bescheid - auch - die Beitragspflicht dem Grunde nach, also z. B. die Zugehörigkeit zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung, festgestellt hat und die Beteiligten darüber streiten (BSG, Beschluss vom 25.07.2002, B 10 LW 6/02 B, Juris Rn. 8 ff.).
b) Hiernach war die Berufung zulassungsbedürftig.
Der Kläger streitet zwar mit der Beklagten auch über seine Zugehörigkeit zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung insgesamt. Die Beklagte hat diese Zugehörigkeit jedoch in dem angegriffenen Bescheid nicht (erstmals) ausdrücklich festgestellt. Insoweit gilt der Zugehörigkeitsbescheid vom 1983 fort. Dass dieser Bescheid existiert, hat auch der Kläger nicht bestritten, sodass es unschädlich ist, dass er nicht mehr vorgelegt werden kann. Maßgebend für dieses Verfahren sind daher allein die festgesetzten Beiträge.
Die Beschwer des Klägers beträgt nur EUR 231,65 entsprechend den für das Jahr 2009 festgesetzten Beiträgen. Die Beklagte hat nur diese Beiträge festgesetzt. Ihr weiterer Hinweis auf die rückständigen Beiträge der Vorjahre und die Gesamtforderung war keine (erneute) Festsetzung. Dass diese Ausführung kein Teil des Verfügungssatzes des Bescheids war, ergibt sich aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) schon daraus, dass sie die Beklagte in einem gesonderten, drucktechnisch abgesetzten Abschnitt aufgenommen hatte. Außerdem hatte die Beklagte die Beiträge der Vorjahre regelmäßig zeitnah - und bestandskräftig - festgesetzt, was auch dem Kläger bekannt ist. Es bestand daher kein Anlass für eine erneute Festsetzung, die womöglich dem Kläger neue Anfechtungsmöglichkeiten eröffnet hätte.
Es greift auch nicht die Ausnahmeregelung des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG ein. Die hier streitige Beitragszeit beträgt nicht mehr als ein Jahr.
c) Das SG hat die Berufung aber nicht zugelassen. Entsprechende Ausführungen, die durchaus in den Entscheidungsgründen enthalten sein könnten, fehlen. Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung allein führt nicht zur Zulässigkeit der Berufung.
3. Da die Berufung bereits unzulässig ist, weist der Senat nur außerhalb der tragenden Entscheidungsgründe darauf hin, dass sie auch unbegründet wäre.
Der Einwand des Klägers, der Gerichtsbescheid des SG sei - entgegen § 105 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 134 Abs. 1 SGG - von dem Vorsitzenden nicht unterschrieben worden, trifft nicht zu. Das Original eines Urteils oder Gerichtsbescheids verbleibt bei den Akten. Das hier bei den Akten des SG befindliche Original des Gerichtsbescheids vom 03.12.2010 trägt die Unterschrift der Vorsitzenden.
Inhaltlich hat das SG zu Recht entschieden, dass die Beklagte die streitigen Beiträge festsetzen durfte. Die vom Senat durchgeführte Anfrage bei dem zuständigen Kreisforstamt hat ergeben, dass der Kläger Eigentümer der Waldfläche in der genannten Größe ist und dass dort vor zuletzt etwa 25 Jahren Einschläge oder andere Bewirtschaftungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Dies reicht nach den zutreffenden rechtlichen Ausführungen des SG aus, um den Kläger weiterhin als forstwirtschaftlichen Unternehmer anzusehen.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
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