L 5 KR 5650/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 5497/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5650/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.11.2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 2.756,78 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Verpflichtung der Klägerin, Sozialversicherungsbeiträge im Wege der sog. Entleiherhaftung zu zahlen.

Aufgrund eines Arbeitnehmer-Überlassungsvertrages entlieh die Klägerin von der F. Personal GmbH in dem Zeitraum vom 17.10.2002 - 30.05.2003 den Beigeladenen Ziff. 3 als Arbeitnehmer. Am 01.06.2003 eröffnete das Amtsgericht Karlsruhe über das Vermögen der F. Personal GmbH das Insolvenzverfahren.

Mit Bescheid vom 01.12.2003 forderte die Beklagte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 2.756,78 EUR nach. Zur Begründung gab sie an, die F. Personal GmbH schulde ihr für den Beigeladenen Ziff. 3 Sozialversicherungsbeiträge für November und Dezember 2002 sowie März bis Mai 2003. Der Versuch eines Einzugs der Beiträge im Wege der Zwangsvollstreckung gegenüber der F. Personal GmbH sei erfolglos geblieben. Angesichts dessen hafte die Klägerin gemäß § 28e SGB IV als Entleiherin für die Erfüllung der Zahlungspflicht der Verleiherin wie ein selbstschuldnerischer Bürge.

Hiergegen legte die Klägerin am 19.12.2003 Widerspruch ein. Sie machte geltend, gemäß § 28e Abs. 2 Satz 2 SGB IV könne der Entleiher die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt habe; ein derartiges Mahnschreiben der Beklagten liege nicht vor. Weiterhin sei davon auszugehen, dass die Agentur für Arbeit Karlsruhe den Beitragsrückstand der F. Personal GmbH bereits beglichen habe. Schließlich habe die Beklagte der F. Personal GmbH am 28.02.2003 eine sog. Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, die die F. Personal GmbH an die Klägerin weitergeleitet habe. Aufgrund dieser Bescheinigung habe sie, die Klägerin, angenommen, dass sämtliche Sozialversicherungsbeiträge bis einschließlich 28.02.2003 an die Einzugsstelle abgeführt worden sei. Hätte sie von dem schon zu diesem Zeitpunkt bestehenden Beitragsrückstand gewusst, hätte sie der F. Personal GmbH nicht die volle Rechnungssumme überwiesen, sondern die Sozialversicherungsbeiträge direkt an die Beklagte gezahlt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, entgegen der Ansicht der Klägerin habe sie die F. Personal GmbH nicht mehr mahnen müssen. Eine Mahnung sei entbehrlich, wenn (wie hier seit dem 01.06.2003) über das Vermögen des Verleihers bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet sei. Denn in diesem Fall könnten gemäß § 87 InsO die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen; eine Einzelmahnung sei damit ausgeschlossen. Zu Unrecht berufe sich die Klägerin zudem auf Zahlungen der Agentur für Arbeit. Denn zum einen zahle die Agentur für Arbeit Sozialversicherungsbeiträge nur für die letzten drei Monate vor Eintritt des Insolvenzereignisses, hier also für die Zeit vom 01.03. - 31.05.2003; auch für die Monate davor bestünden aber Beitragsschulden. Zum anderen blieben trotz Zahlungen der Agentur für Arbeit die Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber gemäß § 208 Abs. 2 Satz 1 SGB III bestehen. Unbeachtlich sei schließlich der Vortrag der Klägerin, sie habe auf die Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 28.02.2003 vertraut. Denn die Beitragspflicht bestehe bei Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen unabhängig von einer etwaigen Gut- oder Bösgläubigkeit. Dies habe das Sozialgericht Karlsruhe in einem parallel gelagerten Fall ausdrücklich betont.

Die Klägerin verfolgte ihr Begehren mit der am 15.08.2005 vor dem Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage weiter. Sie machte geltend, trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei eine Mahnung der F. Personal GmbH nicht entbehrlich gewesen. Denn § 28e Abs. 2 Satz 2 SGB IV werde durch § 87 InsO nicht verdrängt. § 87 InsO stelle lediglich klar, dass Forderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr individuell eingeklagt, sondern nur durch Anmeldung zur Insolvenztabelle verfolgt werden können. Die Notwendigkeit einer außergerichtlichen Mahnung nach § 28e Abs. 2 Satz 2 SGB IV bleibe hingegen bestehen. Unzutreffend sei weiterhin die Behauptung der Beklagten, die Agentur für Arbeit habe ausstehende Sozialversicherungsbeiträge nur für die Zeit vom 01.03. - 31.05.2003 übernommen; tatsächlich habe die Agentur für Arbeit die Beiträge bereits ab dem 01.11.2002 gezahlt. Nicht zu folgen sei zudem der Ansicht der Beklagten, die Zahlungen der Agentur für Arbeit ließen die Forderungen gegenüber dem Entleiher - also ihr gegenüber - unberührt. Denn nach dem Wortlaut des § 208 Abs. 2 Satz 1 SGB III gelte dies nur für die Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber. Der Entleiher hafte zwar gemäß § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV neben dem Arbeitgeber wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Er trete aber nicht an dessen Stelle. Vorschriften, die ausschließlich den Arbeitgeber beträfen, fänden auf den Entleiher nicht ohne weiteres Anwendung.

Mit Beschluss vom 23.11.2005 wurde das Ruhen des Verfahrens mit Blick auf ein beim Landessozialgericht Baden-Württemberg anhängiges Parallelverfahren (L 4 KR 3771/05) angeordnet. Nach Vorliegen der Entscheidung des Landessozialgerichts rief die Beklagte das Verfahren wieder an.

Die Klägerin führte zur Begründung ihrer Klage weiter aus, im Parallelfall sei noch nicht über die mit der Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung zusammenhängende Problematik entschieden worden. Die Forderung der Beklagten verstoße insoweit gegen Treu und Glauben: Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte der F. Personal GmbH im Februar 2003 trotz eines erheblichen Beitragsrückstands eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt habe. Hätte sie, die Klägerin, Kenntnis vom Beitragsrückstand gehabt, hätte sie die Sozialversicherungsbeiträge direkt an die Beklagte abgeführt und damit eine Inanspruchnahme im Wege der Entleiherhaftung vermieden. Da sie als Entleiherin im Gegensatz zur Beklagten keinen Überblick über die finanzielle Situation der F. Personal GmbH gehabt hätte, hätte sie sich auf die Richtigkeit der Unbedenklichkeitsbescheinigung verlassen müssen. Ihr stehe daher gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung zu, mit dem sie die Aufrechnung erkläre. Zwar seien für Ansprüche aus Amtshaftung grundsätzlich die ordentlichen Gerichte zuständig. Das Sozialgericht habe aber gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Hieraus folge die rechtswegüberschreitende Kompetenz des Sozialgerichts, auch über eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung aus Amtshaftung zu befinden.

Die Beklagte trat dem entgegen und wies im Hinblick auf § 208 Abs. 2 Satz 1 SGB III darauf hin, dass die Klägerin bezüglich der Beitragsforderung als Entleiherin an die Stelle des Arbeitgebers trete; sie müsse daher auch die einschlägigen Vorschriften gegen sich gelten lassen.

Mit Gerichtsbescheid vom 04.11.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab.

Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers hinsichtlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags hafte bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge, soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind (§ 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. § 28e Abs. 2 Satz 2 SGB IV stehe der Zahlungspflicht der Klägerin nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift könne der Entleiher die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt habe und die Mahnfrist nicht abgelaufen sei. Eine Mahnung sei aber entbehrlich, wenn - wie hier - über das Vermögen des Verleihers bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet sei. Denn in diesem Fall könnten gemäß § 87 InsO die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen; eine Einzelmahnung sei damit ausgeschlossen (BSG, SozR 4-2400 § 28e Nr. 1 Rdnr. 17). Die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags durch das Arbeitsamt lasse die Zahlungspflicht der Klägerin unberührt. Gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III (i. d. F. des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I S. 594) zahle das Arbeitsamt auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfallen und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden sei. Die Ansprüche auf die Beiträge blieben allerdings gegenüber dem Arbeitgeber bestehen (§ 208 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Könne also die Zahlung des Arbeitsamtes den Arbeitgeber nicht entlasten, so gelte dasselbe für den selbstschuldnerisch haftenden Bürgen (BSG, a.a.O., Rdnr. 22; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2007, L 4 KR 3771/05). Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe auf die Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 28.02.2003 vertraut. Zwar könne der Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Sozialrecht gelte, im Einzelfall einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen entgegenstehen (BSG, Beschluss vom 29.06.2000, B 12 KR 10/00 B, Juris). Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Denn zum einen sei ein besonderes Rechts- und Pflichtenverhältnis zwischen Einzugsstelle und Entleiher, aufgrund dessen die Einzugsstelle zur Wahrung der Interessen auch des Entleihers verpflichtet sei, ausdrücklich jedenfalls nicht geregelt (BSG, a.a.O.). Zum anderen könne eine Unbedenklichkeitsbescheinigung allenfalls dann einen Vertrauenstatbestand begründen, wenn sie an den Entleiher adressiert wäre; richte sie sich hingegen an den Verleiher, könne sich der Entleiher darauf nicht berufen (LSG für das Saarland, Urteil vom 27.10.2004, L 2 KR 1/01, Juris; LSG Nordrhein-Westfalen, NZS 2007, 597). Im vorliegenden Fall habe die Beklagte die Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 28.02.2003 für die F. Personal GmbH ausgestellt und an diese adressiert; an die Klägerin habe die Beklagte hingegen keine derartige Bescheinigung geschickt. Angesichts dessen könne dahingestellt bleiben, wie und wann die Klägerin erstmals von der Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 28.02.2003 Kenntnis erhalten habe. Aus diesen Erwägungen scheide auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten aus. Im Übrigen dürfe das Sozialgericht nicht über einen Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB entscheiden, sondern ausschließlich die ordentliche Gerichtsbarkeit; dies gelte entgegen der Auffassung der Klägerin auch dann, wenn mit der angeblichen Schadensersatzforderung gegen eine streitige Beitragsforderung aufgerechnet werden solle (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, NZS 2006, 167 Rdnr. 5).

Gegen den ihren Bevollmächtigten am 05.11.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 03.12.2009 Berufung eingelegt. Es gehe ihr weiterhin um die Frage, inwiefern die trotz des Bestehens erheblicher Zahlungsrückstände von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen seitens der Beklagten ausgestellte "Unbedenklichkeitsbescheinigung" vom 28.02.2003 zu einer Einschränkung der Haftung des Entleihers aus § 28 e) Abs. 2 Satz 1 SGB IV führe mit der Folge, dass der Einzugsstelle in einem solchen Fall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Entleiher verwehrt sei. Dies betreffe die Ansprüche, die erst nach Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung und deren Übersendung an die Klägerin in den Monaten März bis Mai 2003 entstanden seien (1.980,88 EUR). In diesem Zusammenhang sei bereits auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 29.06.2000 (Az: B 12 KR 10/00 B) verwiesen worden, in der das Bundessozialgericht angedeutet habe, dass der Einzugsstelle ein treuwidriges Verhalten entgegengehalten werden könne. Das hiergegen vorgebrachte Argument des Sozialgerichts Karlsruhe, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung könne allenfalls dann einen Vertrauenstatbestand begründen, wenn sie an den Entleiher adressiert sei, nicht jedoch, wenn sie sich an den Verleiher richte, vermöge nicht zu überzeugen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung diene nicht der Information des Verleihers, da dieser in der Regel darüber informiert sei, ob er die geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Einzugsstelle abgeführt habe oder nicht. Es liege vielmehr auf der Hand, dass die vom Verleiher bei der Einzugsstelle angeforderte Unbedenklichkeitsbescheinigung wegen der gesetzlich geregelten Haftung des Entleihers einzig und allein dem Zweck diene, diese dem Entleiher vorzulegen, damit dieser dann im Vertrauen auf die Unbedenklichkeitsbescheinigung die ihm vom Verleiher in Rechnung gestellten Leistungen bezahlen würde. Ansonsten müsste der Entleiher einen Sicherheitseinbehalt vornehmen, um sich gegen die jederzeit mögliche Inanspruchnahme durch die Einzugsstelle abzusichern. Vor diesem Hintergrund könne aber ein Vertrauenstatbestand, der auf dem elementaren Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben beruhe, nicht allein aus formalen Gründen, nämlich dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung seitens der Einzugsstelle an den Verleiher adressiert sei, verneint werden. Da ein Anspruch der Beklagten bereits dem Grunde nach nicht bestehe, komme es auf den zur Aufrechnung gestellten Schadenersatzanspruch wegen einer Amtspflichtverletzung der Beklagten nicht an. Nur der Vollständigkeit halber werde daher darauf hingewiesen, dass entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Karlsruhe dieses sehr wohl auch über einen Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB hätte entscheiden müssen. Zwar sei es richtig, dass Amtshaftungsansprüche grundsätzlich in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fielen. Allerdings habe das angerufene Gericht des zuständigen Rechtswegs den Rechtstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (§ 98 SGG i. V. m. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG). Diese rechtswegüberschreitende Sachkompetenz gelte auch im Falle einer zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG und der darin zum Ausdruck gebrachten Gleichwertigkeit der Rechtswege. Der vom Sozialgericht Karlsruhe zitierten Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz könne daher nicht gefolgt werden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.11.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und nimmt auf die darin enthaltenen Ausführungen Bezug.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 21.06.2011, 22.06.2011, 27.06.2011 und vom 28.06.2011 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 01.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Mit dem angegriffenen Haftungsbescheid hat die Beklagte darüber entschieden, dass die Klägerin für eine Beitragsforderung gegen den Arbeitgeber haftet. Es ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist anerkannt, dass ein Haftungsanspruch in der Form des Verwaltungsaktes geltend zu machen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.05.2008 - B 2 U 21/07 R -, veröffentlicht in Juris m.w.N.). Weiterhin hat die Beklagte die Höhe der Forderung festgesetzt. Die Haftung der Klägerin ergibt sich aus § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV. Danach haftet für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge, soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind. Das Sozialgericht hat im Gerichtsbescheid vom 04.11.2009 zutreffend begründet, warum diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind und warum eine Mahnung durch die Einzugsstelle nach § 28e Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei Insolvenz des Arbeitsgebers entbehrlich ist. Es hat ferner im Anschluss an das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.10.2007 (L 4 KR 3771/05) zutreffend dargelegt, dass die zwischenzeitlich erfolgte Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags durch das Arbeitsamt keinen Einfluss auf das Bestehen der Zahlungsverpflichtung der Klägerin hat, weil die Zahlung durch das Arbeitsamt nach § 208 Abs. 2 Satz 2 SGB III den Arbeitgeber nicht entlasten kann und damit auch keine befreiende Wirkung für den selbstschuldnerisch haftenden Bürgen entfalten kann. Der Senat teilt diese Auffassung und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung nach § 153 Abs. 2 SGG ab.

Soweit die Klägerin ihre Berufung maßgeblich auf die Rechtsauffassung stützt, der Beklagten sei es nach dem Rechtssatz von Treu und Glauben verwehrt, von ihr die Sozialversicherungsbeiträge zu fordern, weil sie selbst der Verleiherin am 28.02.2003 eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt habe, wonach diese ihren gesetzlichen und vertraglichen Zahlungsverpflichtungen der Beklagten gegenüber nachkomme, teilt der Senat diese Auffassung nicht.

Die Klägerin beruft sich insoweit auf den Beschluss des Bundessozialgerichts - BSG - vom 29.06.2000 (B 12 KR 10/00 B), in dem ausgeführt wurde, dass nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die Geltendmachung von Ansprüchen im Einzelfall unzulässig sein könne. Es hat aber weiterhin ausdrücklich offengelassen, inwiefern dieser Grundsatz eine generelle Einschränkung der Haftung nach § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV begründen kann.

Die Haftung nach § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV stellt sich als eine verschuldensunabhängige Haftung des Entleihers für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge dar, die ihn als selbstschuldnerischen Bürgen trifft. Eine Exkulpationsmöglichkeit durch besondere Sorgfaltswaltung bei der Auswahl des Verleihers ist dem Entleiher, anders als etwa dem Hauptunternehmer im Baugewerbe nach § 28e Abs. 3b Satz 1 SGB IV, nicht eröffnet. Er muss vielmehr neben den Verleiher wie ein Arbeitgeber für die Erfüllung der Beitragspflicht in der Sozialversicherung einstehen. Mit dem Zustandekommen des Arbeitsvertrages zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitsnehmer entsteht in aller Regel ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV, so dass den Entleiher neben den arbeitsrechtlichen Arbeitgeberpflichten auch die Verpflichtung zur Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeitrages trifft (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.07.2009 - L 8 B 5/09 R ER - in Juris). Eine Begrenzung der Haftung auf eigenes Verschulden des Entleihers sieht das Gesetz nicht vor. Die Klägerin kann sich aus diesem Grund nicht darauf berufen, dass sie sich entsprechend der Unbedenklichkeitsbescheinigung, die die Beklagte der Verleiherin am 28.02.2003 ausgestellt hat, darauf verlassen habe, die Verleiherin werde ihrer Zahlungspflicht nachkommen. Zwar soll das Risiko der Bürgenhaftung den Entleiher grundsätzlich dazu veranlassen, sich fortlaufend über die Seriosität des Verleihers zu informieren. Der unmittelbare Zweck der subsidiären Inanspruchnahme des Entleihers nach § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV ist aber der sozialversicherungsrechtliche Schutz des Leiharbeitnehmers und die Sicherung der Einnahmen der Sozialversicherungsträger (BSG, Urteil vom 07.03.2007 - B12 KR 11/06 - in Juris). Diese durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigten Schutzzwecke des § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB IV stehen einer verschuldensabhängigen Haftung des Entleihers entgegen. Die Klägerin haftet deshalb uneingeschränkt für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen Ziff. 3, ohne sich daraus befreien zu können.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung vermag der Senat keinen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben zu erkennen. Das Bundessozialgericht hat in seinem Beschluss vom 29.06.2000- B 12 KR 10/00 B - in Juris), auf den die Klägerin ihr Vorbringen maßgeblich stützt, zwar - bezugnehmend auf das dortige Beschwerdevorbringen - die Möglichkeit angenommen, dass der Grundsatz von Treu und Glauben im Einzelfall die Geltendmachung von Ansprüchen unzulässig machen kann (vgl. hierzu auch LSG für das Saarland, Urteil vom 27.10.2004 - L 2 KR 1/01 - in Juris, diese Frage offenlassend). Dem Beschluss des BSG ist aber schon nicht zu entnehmen, inwieweit das Gericht hierfür einen konkreten Anknüpfungspunkt im Fall der selbstschuldnerischen Bürgenhaftung des Entleihers sieht.

Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, den sie - wie die Klägerin meint - nunmehr mit der Inanspruchnahme der Klägerin aus der Entleiherhaftung verletzt haben könnte. Zu Recht hat das Sozialgericht in seinem Gerichtsbescheid bereits darauf abgestellt, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht an die Klägerin, sondern an die Verleiherin adressiert war. Zwar soll diese Bescheinigung der Verleiherin zum Nachweis der zuverlässigen Erfüllung ihrer Zahlungspflichten gegenüber Dritten dienen. Dass die Beklagte sich mit der Ausstellung der Bescheinigung im Verhältnis zur Klägerin treuwidrig verhalten hätte, folgt daraus aber nicht. Das BSG hat in seinem Beschluss vom 29.06.2000 - B 12 KR 10/00 B - darauf hingewiesen, dass ein besonderes Pflichtenverhältnis der Einzugsstelle den Entleihern gegenüber gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt sei. Es besteht auch nach Auffassung des Senats kein Anlass zu der Annahme, dass die Einzugsstelle auch zur Wahrung der Interessen der Entleiher verpflichtet wäre (vgl. auch LSG für das Saarland, Urteil vom 27.10.2004 - L 2 KR 1/01-). Es unterlag also dem Risiko der Klägerin, wenn sie sich auf den Inhalt dieser Bescheinigung verlassen hat und diese zum Anlass dafür genommen hat, keinen Sicherheitsabschlag für eine eventuelle Inanspruchnahme nach § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV einzubehalten. Für Zahlungen im Zeitraum vor Ausstellung der Bescheinigung kann dies ohnehin nicht gelten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2007 - L 4 KR 3771/05 -).

Auf eine Aufrechnung mit einem eventuellen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung, auf den sich die Klägerin beruft, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an. Für den vorliegenden Haftungsbescheid ist nur das Bestehen der zugleich festgesetzten Beitragsforderung gegen den Arbeitgeber und die Haftung des Adressaten hierfür rechtsbegründend. Seine Rechtmäßigkeit wird mit der Behauptung einer erfolgten Aufrechnung des Haftungsschuldners nicht berührt. Das folgt daraus, dass die Feststellung des Haftungsschuldners und der Höhe der Forderung lediglich den Rechtsgrund für die Leistung des Adressaten bilden. Dieser Rechtsgrund entfällt nicht mit der Erfüllung der Forderung durch diesen und daher auch nicht mit dem Erfüllungsersatz einer von diesem erklärten Aufrechnung. Daraus ergibt sich als Konsequenz, dass eine Aufrechnung die Rechtmäßigkeit des Bescheids nicht berührt und folglich insoweit im Anfechtungsprozess unbeachtlich ist (BVerwG, Urteil vom 03.06.1983 - 8 C 43/81 -, veröffentlicht in Juris).

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, da weder sie noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind der Klägerin nicht aufzuerlegen, weil diese keine Anträge gestellt und damit auch kein Prozessrisiko auf sich genommen haben (§ 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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