L 11 R 594/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 6670/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 594/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über den 31. Dezember 2012 hinaus auf Dauer streitig.

Die im Jahr 1955 in Griechenland geborene Klägerin siedelte 1968 in die Bundesrepublik Deutschland über. Nach eigenen Angaben erlernte sie keinen Beruf und war zunächst von 1969 bis 1993 - unterbrochen durch Arbeitslosigkeit (1982/1983) - als Arbeiterin beschäftigt. Von 1994 bis 2000 war sie Hausfrau und zuletzt von 2001 bis zu ihrer Krankmeldung im Juli 2007 als Kontrolleurin tätig. Seither ist sie arbeitsunfähig bzw arbeitslos. Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie das Merkzeichen "G" seit Januar 2008 anerkannt (Schwerbehindertenausweis des Landratsamts E. vom 18. Juli 2008).

Am 11. Dezember 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Zur Begründung gab sie an, sie leide an einer Behinderung nach Sprunggelenksfraktur (Sudeck-Syndrom), einem HWS- und LWS-Syndrom sowie einer psychischen Erkrankung mit Suizidgedanken. Anschließend zog die Beklagte den Entlassungsbericht der B.-Klinik B. K. vom 16. März 2008 bei. Dort hatte sich die Klägerin anlässlich einer von der Beklagten bewilligten stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im Zeitraum vom 22. Februar 2008 bis 14. März 2008 stationär aufgehalten. Dr. B.-F. und Dr. S. legten im Entlassungsbericht dar, die Klägerin leide an einer bimalleolären Sprunggelenksfraktur links (22. Juni 2007), einem Morbus-Sudeck Stadium II am linken Fuß, einem degenerativen HWS- und LWS-Syndrom sowie einer arteriellen Hypertonie. Aufgrund der Beschwerden am linken Sprunggelenk sei zur Zeit keine endgültige Beurteilung der Leistungsfähigkeit möglich. Bei bekannten degenerativen Veränderungen der LWS könne die Klägerin - unter Annahme der komplikationslosen Heilung der OSG-Fraktur links - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausüben. Bück-, Stoß- und Drehbelastungen der Wirbelsäule, anhaltend vornübergebeugte Körperhaltungen, Überkopfarbeiten sowie Arbeiten mit übermäßiggradig angehobenen Armen sollten vermieden werden. Ihre letzte Tätigkeit könne die Klägerin nicht mehr verrichten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien ihr jedoch unter Beachtung der genannten Einschränkungen noch sechs Stunden und mehr täglich möglich.

Nachdem die Klägerin im Januar 2009 einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt hatte, zog die Beklagte ein nach Aktenlage vom ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit erstattetes Gutachten von Dr. H. vom 23. Februar 2009 bei. Dieser stellte fest, die Klägerin leide an einer schweren psychischen Erkrankung sowie einem Zustand nach Sprunggelenksbruch links mit verminderter Belastbarkeit. Im Hinblick auf die psychische Erkrankung sei die Klägerin voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer täglich weniger als drei Stunden täglich leistungsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Beklagte ließ die Klägerin noch vom Unfallchirurgen und Sozialmediziner Dr. N. untersuchen und begutachten. Dieser führte in seinem Gutachten vom 26. Februar 2009 aus, die Klägerin leide an einem Zustand nach bimalleolärer Sprunggelenksfraktur links, einem Zustand nach älterer mit Cerclage versorgter Oberarmschaftfraktur rechts (aktuell ohne maßgebliche Bewegungseinschränkung oder sensomotorisches Defizit) sowie an Adipositas (keine aktuelle Wurzelreizsymptomatik oder sensomotorisches Defizit). Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, ohne einseitige Wirbelsäulenhaltungen, könne die Klägerin sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Vermeiden sollte sie dabei Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten auf unebenem Boden sowie auf schiefen Unterlagen. Auch der anschließend mit der Begutachtung betraute Neurologe und Psychiater Dr. H. (Gutachten vom 26. Februar 2009) bestätigte der Klägerin für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen (Diagnosen: Zustand nach bimalleolärer Sprunggelenksfraktur links, Zustand nach älterer mit Cerclage versorgter Oberarmschaftfraktur rechts - aktuell ohne maßgebliche Bewegungseinschränkung oder sensomotorisches Defizit -, Verdacht auf Dysthymie, DD längerdauernde Anpassungsstörung, somatoforme Schmerzangaben, phobischer Schwankschwindel). Er führte aus, die Klägerin sei zum Untersuchungszeitpunkt nicht mittelschwer und nicht schwer depressiv. Sie sei selbstbewusst im Auftreten. Affekt, Antrieb und Psychomotorik seien unauffällig. Sie sei klagsam und verstimmt. Bei angegebener Einnahme von Gabapentin, Amytryptillin, Proneurin, Phentanyl und Zolpidem sei eine Serumspiegelkontrolle durchgeführt worden. Nur das Medikament Promethazin liege im Referenzbereich. Dies spreche gegen einen wesentlichen Leidensdruck. Infolge der beschriebenen Erkrankungen seien bei der Verrichtung von Arbeiten einseitige Wirbelsäulenhaltungen sowie Tätigkeiten mit rein maßgeblicher Geh-/Stehbelastung zu vermeiden. Von Arbeiten auf Gerüsten und Leitern, auf unebenem Boden sowie schiefen Unterlagen sei ebenso abzusehen. Ferner sollten die Tätigkeiten nicht unter erhöhtem Zeitdruck und in Nachtschicht ausgeübt werden. Mit Bescheid vom 23. März 2009 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, bei dem festgestellten Leistungsvermögen liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor. Hiergegen erhob die Klägerin am 8. April 2009 Widerspruch, den der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2009 als unbegründet zurückwies.

Die Klägerin hat am 5. Oktober 2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der behandelnden Ärzte der Klägerin. Die Ärztin für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie Dr. S. (Auskunft vom 10. November 2009) hat mitgeteilt, sie habe die Klägerin letztmals im März 2009 gesehen. Zu diesem Zeitpunkt habe eine hochgradige Depression mit manifester Suizidalität vor dem Hintergrund persistierender schwerer neuropathischer Dauerschmerzen am linken Unterschenkel und im Fuß im Vordergrund gestanden. Zum damaligen Zeitpunkt sei sie nicht erwerbsfähig gewesen. Der Allgemeinarzt L. (Auskunft vom 8. November 2009) hat einen Morbus-Sudeck, eine schwere Depression, ein LWS-Syndrom, Bluthochdruck, eine Mikrohämaturie und einen medikamentös bedingten Transaminasenanstieg diagnostiziert. Die Klägerin sei wegen Schmerzzuständen und einer schweren Depression nicht leistungsfähig. Die Fachärztin für Psychiatrie Dr. R. (Auskunft vom 17. November 2009) hat über die Behandlung der Klägerin seit 23. September 2008 berichtet. Diagnostisch habe beim Erstkontakt eine schwere depressive Störung vorgelegen, welche auch beim letzten psychiatrischen Befund am 29. Oktober 2009 fortbestanden habe. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Wegen posttraumatischer Beschwerden am linken Fuß und persistierender Rückenbeschwerden mit Nervenwurzelreizsymptomatik hat der Orthopäde Dr. P. die Klägerin zuletzt im Februar 2009 behandelt (Auskunft vom 26. November 2009). Er führt aus, die Klägerin könne leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. In der Folge hat das SG das Gutachten des Chefarztes der Abteilung Psychiatrie und psychosomatische Medizin im F.-Krankenhaus S., Prof. Dr. E. (Eingang beim SG am 27. April 2010) eingeholt. Dieser hat bei der Klägerin eine schwere depressive Episode diagnostiziert. Aufgrund dieser Erkrankung sei die Klägerin nur null bis unter drei Stunden täglich in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine nachhaltige Besserung des Gesundheitszustandes sei nicht zu erwarten, die Erkrankung sei als chronifiziert anzusehen.

Anschließend hat die Beklagte unter Berufung auf die Ausführungen ihres ärztlichen Dienstes (Stellungnahme von Dr. B. vom 17. Juni 2010) einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit aufgrund eines Leistungsfalls am 15. Juni 2009 für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2012 anerkannt. Die Klägerin hat das Anerkenntnis nicht angenommen und vorgetragen, die Beklagte habe die bei ihr vorhandenen Leistungsbeeinträchtigungen nicht in ausreichendem Umfang gewürdigt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Rente müsse ohne Befristung gewährt werden, da nach dem im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. E. ausgeschlossen sei, dass sich ihr Gesundheitszustand verbessere. Mit Bescheid vom 7. Juli 2010 hat die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2012 gewährt.

Mit Urteil vom 27. Januar 2011, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 7. Februar 2011, hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 23. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2009 in der Fassung des Bescheides vom 7. Juli 2010 insoweit abgeändert, als es die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit aufgrund eines Leistungsfalls im September 2008 auch für die Zeit vom 1. April 2009 bis 31. Dezember 2009 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehe kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer. Die Rente der Klägerin werde unabhängig von der Arbeitsmarktlage geleistet. Sowohl das SG als auch die Beklagte gingen unter Berücksichtigung des Gutachtens des Prof. Dr. E. von einem derzeit aufgehobenen Leistungsvermögen aus. Allerdings sei eine Besserung des gesundheitlichen Zustandes der Klägerin nicht unwahrscheinlich und die Rente daher nur befristet zu gewähren. Dem Gutachten von Prof. Dr. E. könne in dieser Hinsicht nicht gefolgt werden. Zwar habe dieser ausgeführt, eine Besserung der Erwerbsfähigkeit sei nicht zu erwarten, weil die Erkrankung als chronifiziert anzusehen sei; allerdings habe der ärztliche Dienst der Beklagten (Stellungnahme von Dr. B. vom 17. Juni 2010) zu Recht darauf hingewiesen, dass sich bei der Untersuchung durch Dr. H. im Verwaltungsverfahren aufgrund der dort vorgenommenen Medikamentenspiegelbestimmung gezeigt habe, dass die Klägerin die verordneten Medikamente nicht bzw jedenfalls nicht in hinreichender Dosierung eingenommen habe. Eine Medikamentenspiegelbestimmung habe Prof. Dr. E. selbst nicht vorgenommen. Die bei der Klägerin vorliegende schwere depressive Episode sei hingegen durch die tatsächliche Einnahme der erforderlichen und geeigneten Medikation besserungsfähig. Hiergegen spreche auch nicht, dass die Klägerin aufgrund der Erkrankung ggfs nicht selbst in der Lage sei, für die regelmäßige Einnahme der Medikation zu sorgen. Denn sofern hierzu auch ihre Angehörigen nicht in der Lage seien, bestünde ohne weiteres die Möglichkeit, eine ausreichende und regelmäßige Medikamenteneinnahme im Wege der häuslichen Krankenpflege nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sicherzustellen. Darüber hinaus habe, wie Prof. Dr. E. ausführe, die Klägerin noch nie eine Psychotherapie durchgeführt, sodass auch insoweit noch offene Therapiemöglichkeiten bestünden, die eine Besserung der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht als unwahrscheinlich erscheinen ließen. Ferner sei das Gutachten des Prof. Dr. E. hinsichtlich der Frage einer dauerhaften Chronifizierung des Gesundheitszustandes der Klägerin bereits in sich widersprüchlich, da die von ihm gestellte Diagnose einer schweren depressiven Episode bereits nicht für einen Dauerzustand spreche. Dies werde dadurch betont, dass er in seiner gutachterlichen Bewertung ausgeführt habe, die Klägerin könne "derzeit" leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vollschichtig ausüben. Von einer Reduzierung des Leistungsvermögens sei ab September 2008 auszugehen. Dies ergebe sich aus der schriftlichen Sachverständigenzeugenaussage von Dr. R ... Die Klägerin habe nach deren Auskunft nach Aufnahme der Behandlung am 23. September 2008 durchgehend ein depressives und antriebsvermindertes Bild gezeigt. Dr. R. habe eine Überforderung der Klägerin bereits mit ihrem Alltag zuhause beschrieben. Tätigkeiten im Haushalt würden überwiegend vom Ehemann durchgeführt. Die Klägerin traue sich nicht mehr, alleine die Wohnung zu verlassen. Vor diesem Hintergrund sei die Beurteilung von Dr. R., die Klägerin sei seit Beginn der ambulanten Behandlung als "arbeitsunfähig" anzusehen, nachvollziehbar, wobei sich die beschriebene geminderte Leistungsfähigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt beziehe. Hinreichende Anhaltpunkte, die geeignet wären, einen noch früheren Eintritt der Erwerbsminderung nachzuweisen, habe das SG insbesondere im Hinblick auf den Entlassungsbericht über das stationäre Heilverfahren in der B.-Klinik B. K. vom 22. Februar 2008 bis 14. März 2008, in welchem eine relevante psychische Störung noch nicht diagnostiziert worden sei, nicht gesehen.

Hiergegen richtet sich die am 10. Februar 2011 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung, mit der die Klägerin geltend macht, das SG habe das Gutachten des Prof. Dr. E. nicht ausreichend gewürdigt. Daraus ergebe sich vielmehr, dass eine Besserung ihres gesundheitlichen Zustandes unwahrscheinlich sei; ihr sei daher eine Dauerrente zu gewähren. Sie befinde sich noch immer bei Dr. R. in psychiatrischer Behandlung und führe im gleichen Haus auch eine Maltherapie durch. Dr. R. sei nochmals zur Frage der potenziellen Behandlungsmöglichkeiten zu befragen und zur Ausgestaltung der derzeit von ihr durchgeführten Kunsttherapie, die sie alle zwei bis drei Wochen durchführe.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Januar 2011 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2009 sowie des Bescheides vom 7. Juli 2010 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2008 auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 19. Mai 2011 ausführlich erörtert. Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 24. Mai 2011 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

II.

Da der Senat die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Streitgegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 23. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2009 sowie der Änderungsbescheid vom 7. Juli 2010, der nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Der Senat hat den Antrag der Klägerin unter Berücksichtigung von § 99 Abs 1 Satz 2 SGB VI in deren Sinne interessengerecht dahingehend ausgelegt, als Rentenleistungen nicht lediglich auf Dauer, sondern vielmehr bereits ab dem Monat begehrt werden, in dem die Rente beantragt wurde. Die angefochtenen Bescheide sind allerdings insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in subjektiven Rechten, als ein über die mit Bescheid vom 07. Juli 2010 bewilligte Zeitrente hinausgehender Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2008 sowie über den 31. Dezember 2012 hinaus auf Dauer abgelehnt worden ist. Ein solcher Anspruch steht der Klägerin nicht zu; das SG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen.

Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Art 1 Nr 61 des RV-Alters-grenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl I, 554) auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das SG hat - dies wird von der Beklagten auch nicht mehr bestritten - zu Recht festgestellt, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. April 2009 bis 31. Dezember 2012 vorliegen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht jedoch kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer. Die Klägerin kann demgemäß nicht die Gewährung der Rente für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. März 2009 und über den 31. Dezember 2012 hinaus beanspruchen. Nach § 102 Abs 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (§ 102 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Nach § 102 Abs 2 Satz 4 SGB VI erfolgen Verlängerungen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (§ 102 Abs 2 Satz 5 SGB VI).

Zutreffend hat das SG entschieden, dass die Rente der Klägerin zwar unabhängig von der Arbeitsmarktlage geleistet wird; gleichwohl steht der Klägerin die Gewährung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit zu, denn es ist nicht "unwahrscheinlich", dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei ihr behoben werden kann. Das SG hat im angefochtenen Urteil zu Recht ausgeführt, dass die Frage der Wahrscheinlichkeit der Beseitigung einer Leistungsminderung prognostisch zu beurteilen ist und es auf die Besserungsaussichten unter Berücksichtigung aller vorhandenen therapeutischen Möglichkeiten ankommt. Die Aussage des Prof. Dr. E., eine Besserung der Erwerbsfähigkeit sei nicht zu erwarten, weil die Erkrankung als chronifiziert anzusehen sei, vermag auch den Senat nicht zu überzeugen. Insoweit hat Dr. B. (Stellungnahme vom 17. Juni 2010) zu Recht darauf hingewiesen, dass sich bei der Untersuchung durch Dr. H. im Verwaltungsverfahren aufgrund der dort vorgenommenen Medikamentenspielgelbestimmung gezeigt hat, dass die Klägerin die verordneten Medikamente nicht bzw jedenfalls nicht in hinreichender Dosierung eingenommen hat. Prof. Dr. E. hat demgegenüber eine Medikamentenspiegelbestimmung nicht durchgeführt. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung der Auffassung des Dr. B. an, dass eine schwere depressive Episode, an der die Klägerin derzeit leidet, durch eine entsprechende Einnahme der erforderlichen und geeigneten Medikamente besserungsfähig ist. Ferner bestehen bei einer derartigen Erkrankung auch Therapiemöglichkeiten, die eine Besserung der bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht als unwahrscheinlich ansehen lassen. So hat auch Prof. Dr. E. in seinem Gutachten bereits darauf hingewiesen, dass die Klägerin noch nie eine Psychotherapie durchgeführt habe, die als eine solche Therapie in Betracht käme. Soweit hierunter auch die derzeit von der Klägerin in zwei- bis dreiwöchigen Abständen durchgeführte Maltherapie zählt, so ist diese noch nicht abgeschlossen, so dass auch unter Berücksichtigung eines derzeit noch offenen Ergebnisses der Therapie eine Besserung der Gesundheitsstörung als nicht unwahrscheinlich anzusehen ist. Zudem ist das Gutachten des Prof. Dr. E. im Hinblick auf die dauerhafte Chronifizierung des Gesundheitszustandes der Klägerin, wie das SG ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, in sich widersprüchlich. Er hat die Diagnose einer schweren depressiven Episode gestellt. Der Begriff Episode geht jedoch bereits per se von einem nicht dauerhaften Zeitraum aus. Hierfür spricht auch, dass der Sachverständige im Rahmen seiner Bewertung dargelegt hat, die Klägerin könne "derzeit" keinerlei Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr ausüben. In der Folge ist damit die Erwerbsminderungsrente nach der gesetzlichen Regelung des § 102 Abs 2 Satz 1 SGB VI nur auf Zeit zu gewähren.

Nach § 101 Abs 1SGB VI werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Unter Berücksichtigung der zutreffenden Ausführungen des SG zum Leistungsfall (23. September 2008) ist die Rente wegen voller Erwerbsminderung damit ab 1. April 2009 zu leisten.

Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht erforderlich; der Beweisanregung der Klägerin vom 20. Mai 2011 war nicht zu folgen. Der Senat musste insbesondere Dr. R. nicht erneut zur Ausschöpfung aller Therapiemöglichkeiten und zur Möglichkeit der Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin unter Berücksichtigung der derzeit durchgeführten Therapie befragen. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 29. März 2006 (B 13 RJ 31/05 R, SozR 4-2600 § 102 Nr 2) ausgeführt hat, ist die Gewährung einer Dauerrente ausgeschlossen, solange noch nicht alle therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Die Tatsache, dass die Klägerin derzeit an einer Maltherapie in zwei- bis dreiwöchigen Abständen teilnimmt, zeigt gerade, dass noch eine Therapie durchgeführt wird, die Behandlungsmöglichkeiten demzufolge noch nicht ausgeschöpft sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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