L 1 KR 129/11 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 40 KR 123/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 129/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Bevollmächtigten des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Dortmund vom 19.02.2010 und 31.01.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Streitig ist die Höhe der nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren.

Der Antragsteller war ab dem 13.11.2008 arbeitsunfähig und erhielt nach Ende der Entgeltfortzahlung von der Antragsgegnerin ab 25.12.2008 Krankengeld. Mit Bescheid vom 09.04.2009 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass eine Untersuchung beim MDK ergeben habe, dass er ab dem 10.04.2009 wieder arbeitsfähig sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über den 09.04.2009 hinaus könne nicht akzeptiert werden. Die Antragsgegnerin stellte die Krankengeldzahlung ein. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, woraufhin die Antragsgegnerin den Bescheid vom 09.04.2009 für sofort vollziehbar erklärte.

Am 19.05.2009 beantragte der Antragsteller - ab dem 26.05.2009 anwaltlich vertreten -, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, "für die Zeit seit dem 10.04.2009 für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld zu zahlen". Die Bevollmächtigte des Antragstellers begründete den Antrag unter Beifügung ärztlicher Unterlagen sowie Darlegung der dem Antragsteller für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel. Der Antragsteller beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das einstweilige Rechtsschutzverfahren, die mit Beschluss vom 24.06.2009 unter Beiordnung der Bevollmächtigten bewilligt wurde.

Aufgrund einer weiteren Untersuchung durch den MDK am 09.06.2009 erkannte die Antragsgegnerin Arbeitsunfähigkeit bis zum Untersuchungstag an. Sie teilte dem Antragsteller mit Bescheid vom 10.06.2009 mit, seinem Widerspruch werde abgeholfen und Krankengeld werde bis zum 09.06.2009 gezahlt.

Mit Schriftsatz vom 15.06.2009 erklärte der Antragsteller das Verfahren für erledigt und beantragte Kostenentscheidung zu Lasten der Antragsgegnerin. Mit Beschluss vom 19.02.2010 verpflichtete das Sozialgericht die Antragsgegnerin, dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Bevollmächtigte des Antragstellers beantragte die Festsetzung folgender Vergütung aus der Staatskasse (Schreiben vom 15.07.2009):

Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV/RVG) 170 EUR
Terminsgebühr (Nr. 3106 VV/RVG) 100 EUR
Erledigungsgebühr (Nr. 1006 VV/RVG) 130 EUR
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV/RVG) 20 EUR
Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV/RVG) 79,80 EUR
Gesamt 499,80 EUR

Der Urkundsbeamte setzte die Vergütung wie folgt fest (Beschluss vom 28.07.2009):

Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV/RVG) 170 EUR
Terminsgebühr (Nr. 3106 VV/RVG) 100 EUR
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV/RVG) 20 EUR
Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV/RVG) 55,10 EUR
Gesamt 345,10 EUR

Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, da es an einer besonderen Mühewaltung der Bevollmächtigten an der unstreitigen Erledigung des Rechtsstreites gefehlt habe.

Gegen diese Entscheidung, die nur der Bevollmächtigten des Antragstellers, nicht aber dem Vertreter der Staatskasse übersandt wurde, legte die Bevollmächtigte am 05.08.2009 Erinnerung ein. Sie wandte sich gegen die Nichtberücksichtigung der Erledigungsgebühr. Sie habe an der unstreitigen Erledigung des Verfahrens besonders mitgewirkt, weil die Antragsgegnerin erst nach ihrer Einschaltung und Übersendung verschiedener ärztlicher Unterlagen und einer Erklärung zu den wirtschaftlichen Verhältnissen bereit gewesen sei, das Krankengeld weiter zu zahlen.

Mit Beschluss vom 19.02.2010 hat das Sozialgericht Dortmund die Erinnerung zurückgewiesen und die Anwaltsvergütung auf 345,10 EUR festgesetzt. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, weil keine anwaltliche Tätigkeit entfaltet worden sei, die über die normale Verfahrensführung hinaus zur gütlichen Einigung geführt habe. Die Kammer habe auch Zweifel daran, dass eine Terminsgebühr angefallen sei, sehe sich aber aufgrund des Verbotes einer Verböserung nach Erhebung einer Erinnerung durch die Bevollmächtigte an einer entsprechenden Änderung des Beschlusses des Urkundsbeamten gehindert.

Der Vertreter der Staatskasse erhielt am 03.03.2010 eine Ausfertigung des Beschlusses und erhob am 16.03.2010 "Anhörungsrüge gem. § 178a SGG". Er sei am Erinnerungsverfahren nicht beteiligt worden. Eine Terminsgebühr sei nicht entstanden, weil eine solche Gebühr in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei einem angenommenen Anerkenntnis nicht vorgesehen sei.

Mit Beschluss vom 31.01.2011 änderte das Sozialgericht den Beschluss vom 19.02.2010, soweit dort eine Terminsgebühr in Höhe von 100 EUR festgesetzt wurde und setzte die zu erstattende Vergütung auf insgesamt 226,10 EUR fest (Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV/RVG 170 EUR, Auslagenpauschale Nr. 7002 VV/RVG 20 EUR, 19% Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV/RVG 36,10 EUR; Gesamt: 226,10 EUR). Die Anhörungsrüge sei gem. § 12a RVG zulässig: Gegen den Beschluss vom 19.02.2010 sei keine Beschwerde möglich, da der Beschwerdewert gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG auch für die Staatskasse nicht erreicht werde. Das rechtliche Gehör des Vertreters der Staatskasse als Beteiligtem des Festsetzungsverfahrens sei verletzt worden, denn dieser sei vor der Festsetzung der Gebühren nicht gehört worden. Die Gehörsverletzung sei entscheidungserheblich gewesen, denn die Festsetzung der Terminsgebühr habe allein aufgrund des Verböserungsverbotes nicht aufgehoben werden können; bei einer Erhebung einer Erinnerung durch den Bezirksrevisor hätte dieser Grundsatz einer Aufhebung der Terminsgebühr nicht entgegengestanden. Eine Terminsgebühr sei nicht entstanden, denn das Verfahren sei nicht durch ein Anerkenntnis, sondern durch übereinstimmende Erledigungserklärungen erledigt worden. Die Antragsgegnerin habe den geltend gemachten Anspruch nicht durch Prozesserklärung gegenüber dem Gericht anerkannt, sondern lediglich die Zahlung wieder aufgenommen. Dem Anerkenntnis im prozessualen Sinne könne nicht der Fall gleichgesetzt werden, dass die Behörde die Zahlung wieder aufnimmt und das Verfahren dadurch seine Erledigung findet. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG könne zudem im einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht entstehen. Dieser Gebührentatbestand greife nur in Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Mit der Gebühr solle die Erledigung des Verfahrens unter Vermeidung der obligatorischen mündlichen Verhandlung vergütet werden, woran es in Beschlussverfahren fehle (§ 142 Abs. 1 SGG).

Gegen diese am 22.02.2011 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 08.03.2011 erhobene Beschwerde der Bevollmächtigten des Antragstellers. Diese meint, die Terminsgebühr sei zu Unrecht versagt worden, weil die Antragsgegnerin den geltend gemachten Anspruch anerkannt habe und Nr. 3106 VV/RVG keine Einschränkung dahingehend zu entnehmen sei, dass die fiktive Terminsgebühr nur in Verfahren entstehe, in denen eine mündliche Verhandlung obligatorisch sei. Zudem sei auch die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV/RVG festzusetzen. Die Antragsgegnerin habe allein aufgrund der Intervention der Bevollmächtigten eine neue Untersuchung des Antragstellers veranlasst und das Krankengeld weiter gezahlt, womit die Bevollmächtigte an der Verfahrenserledigung besonders mitgewirkt habe. Zudem rügt die Bevollmächtigte einen Verstoß gegen das Verböserungsverbot. Hätte sie keine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss erhoben, wäre es nicht zu dem Beschluss vom 19.02.2010 gekommen und hätte der Bezirksrevisor keine Anhörungsrüge erheben können.

Die Beschwerde, über die der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit mit den Berufsrichtern in voller Besetzung entscheidet (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 RVG) ist zulässig, insbesondere statthaft. Die für das Erstattungsverfahren des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts geltenden Spezialvorschriften des RVG gehen den Vorschriften des SGG vor, so dass §§ 178, 197 Abs. 2 SGG keine Anwendung finden (vergl. Senatsbeschluss vom 25.01.2010 - L 1 B 19/09 AS; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2008 - L 5 B 43/08 KR; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2009, § 178 Rnr. 3).

Die Festsetzung der PKH-Vergütung zugunsten der Bevollmächtigten ist nicht etwa ausgeschlossen, weil die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 19.02.2010 verpflichtet wurde, die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten. Das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 Abs. 2 SGG ist gegenüber der Festsetzung der aus der Staatskasse zu entrichtenden PKH-Vergütung nach Bewilligung der PKH nicht vorrangig (vergl. dazu im Einzelnen Senatsbeschluss vom 08.10.2010 - L 1 AS 852/10 B).

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200 EUR (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG). Zwar beschwert der angefochtene Beschluss die Bevollmächtigte des Antragstellers - die befugt ist, im eigenen Namen die gem. § 55 RVG aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung zu beantragen und das Beschwerdeverfahren zu führen (hierzu Senatsbeschluss vom 25.01.2010 - L 1 B 19/09 AS; Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage, § 56 RVG Rnr. 6) - unmittelbar nur um die mit diesem Beschluss versagte Terminsgebühr i.H.v. 100 EUR. Jedoch sind der Beschluss vom 19.02.2010 und der Beschluss vom 31.01.2011 hinsichtlich der Festsetzung der Anwaltsvergütung und damit der Bestimmung des Beschwerdewertes als Einheit anzusehen, denn mit dem Beschluss vom 31.01.2011 wird der die Anwaltsvergütung festsetzende Beschluss vom 19.02.2010 abgeändert. Nachdem mit dem Beschluss vom 19.02.2010 bereits die Festsetzung der von der Bevollmächtigten geltend gemachten Erledigungsgebühr abgelehnt wurde, liegt der Wert des Beschwerdegegenstandes bei 230 EUR.

Das Sozialgericht war befugt, aufgrund der Anhörungsrüge des Bezirksrevisors die PKH-Vergütung neu festzusetzen, so dass der Beschluss vom 31.01.2011 nicht allein aufgrund fehlender Befugnis zur Abänderung des Beschlusses vom 19.02.2010 rechtswidrig ist. Die fristgemäß erhobene (§ 12a Abs. 2 S. 1 RVG) Anhörungsrüge war zulässig.

Gem. § 12a Abs. 1 RVG wird auf die Rüge eines durch die Entscheidung nach dem RVG beschwerten Beteiligten das Verfahren fortgeführt, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Der Bezirksrevisor ist als Vertreter der Staatskasse (hierzu Anordnung des Justizministers über die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen im Geschäftsbereich des Justizministers vom 25.04.2000 in der Fassung vom 19.09.2007, JMBl. NRW S. 268) ein mit eigenen Rechten ausgestatteter Beteiligter in dem Verfahren auf Festsetzung der PKH-Vergütung. Dies ergibt sich allein aus § 56 RVG, wonach die Staatskasse neben dem Rechtsanwalt befugt ist, Erinnerung gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse einzulegen. Das Gesetz unterscheidet damit zwischen der Festsetzung der Vergütung durch den Urkundsbeamten der Geschäftstelle (§ 55 RVG) und der Staatskasse als Beteiligter des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens gegen die Vergütungsfestsetzung (§ 56 RVG). Der Bezirksrevisor ist damit kein "verwaltungsinterner Innenrevisor" (so aber SG Detmold, Beschluss vom 30.04.2011 - S 2 F 58/10 E), sondern kann sich im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren auf eine eigenständige Rechtsstellung und dieselben prozessualen Rechte berufen, wie der beteiligte Rechtsanwalt.

Der Beschluss vom 19.02.2010 war für den Bezirksrevisor nicht mit einem Rechtsmittel oder einem anderen Rechtsbehelf anfechtbar, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes - aus Sicht des Bezirksrevisors die Festsetzung der Terminsgebühr - 200 EUR nicht überstieg (§§ 56 Abs. 2 S.1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG). Da der Bezirksrevisor am Verfahren nicht beteiligt wurde und nicht auszuschließen ist, dass bei seiner Beteiligung und damit Nichtgeltung des Verböserungsverbotes die Entscheidung anders ausgefallen wäre, ist die Verletzung des Gehörsanspruchs des Bezirksrevisors auch entscheidungserheblich gewesen.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Eine Terminsgebühr ist nicht entstanden. Gem. § 2 Abs. 2 S.1 RVG, Nr. 3106 VV/RVG fällt in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen - wie hier - Betragsrahmengebühren entstehen, eine Terminsgebühr an. Die Gebühr entsteht nach der Anmerkung zu Nr. 3106 VV/RVG auch, wenn in einem Verfahren, für das die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einvernehmen mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (Nr. 1), nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird (Nr. 2) oder das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (Nr. 3).

Das Verfahren endete nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung. Unerheblich ist, dass die Antragsgegnerin keine ausdrücklich als Anerkenntnis bezeichnete Prozesserklärung, sondern lediglich die Erklärung abgegeben hat, dass sie "die Krankengeldzahlung für die Zeit vom 10.04.2009 - 09.06.2009 sofort anweisen" wird, woraufhin der Antragsteller das einstweilige Rechtschutzverfahren für erledigt erklärt hat. Maßgeblich für die Frage, ob der prozessuale Anspruch anerkannt wurde, ist der Vergleich zwischen dem geltend gemachten und dem zuerkannten Anspruch. Der Antragssteller hat mit dem Eilantrag die Zahlung von Krankengeld über den 10.04.2009 hinaus für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit begehrt und dieser Anspruch ist ihm als Ergebnis des Eilverfahrens von der Antragsgegnerin zugebilligt worden. Damit liegt ein von dem Antragsteller angenommenes Anerkenntnis der Antragsgegnerin vor.

Die Zubilligung der fiktiven Terminsgebühr scheidet jedoch aus, weil für das einstweilige Anordnungsverfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zwingend vorgeschrieben ist (§§ 86b Abs. 4, 124 Abs. 3 SGG). Der Senat gibt seine insoweit abweichende Rechtsprechung (Beschluss vom 14.07.2010 - L 1 AS 57/10 B) auf. Zwar fehlt, anders als bei Ziff. 1 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV/RVG, die ausdrücklich eine ansonsten obligatorische mündliche Verhandlung voraussetzt, bei Ziff. 3 eine entsprechende Voraussetzung. Der Senat schließt sich ungeachtet dessen nunmehr der Rechtsprechung an, wonach die Vorschrift der Nr. 3 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV/RVG aus systematischen und teleologischen Gründen dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass dieser Gebührentatbestand nur in Verfahren Anwendung findet, in denen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung obligatorisch ist (ausführlich LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.11.2010 - L 19 B 91/09 AS und Beschluss vom 22.12.2010 - L 19 AS 1138/10 B; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.09.2009 - L 13 B 15/08 R, Beschluss vom 20.10.2008 - L 20 B 67/08; abweichend Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19.Aufl. 2010, 3106 VV Anm. 6).

Die Beschwerde ist auch unbegründet, soweit die Bevollmächtigte eine Erledigungsgebühr geltend macht. Eine solche Gebühr ist nicht entstanden. Eine Erledigungsgebühr entsteht gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 1002 VV/RVG, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass des bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Eine Erledigungsgebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines Verfahrens kann nur beansprucht werden, wenn der Anwalt eine über die Einlegung und Begründung eines Rechtsbehelfs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Verfahren - die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV/RVG - abgegolten wird (ständige Rechtsprechung, vergl. nur BSG, Urteil vom 09.12.2010, B 13 R 63/09 R). Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt z.B. vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue, bisher noch nicht bekannte Beweismittel beibringt. Anders verhält es sich bei der Vorlage schon präsenter Beweismittel im Rahmen der dem Rechtsmittelführer ohnehin obliegenden Mitwirkung, deren unaufgeforderte Vorlage bereits mit der Verfahrensgebühr bzw. der Auslagenpauschale abgegolten ist (BSG, Urteil vom 02.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R, Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 14/09 R).

Eine über die Einlegung und Begründung des Rechtsschutzantrags hinausgehende besondere Tätigkeit der Bevollmächtigten liegt hier nicht vor. Deren Tätigkeit bestand in der Darlegung der aus Sicht des Antragstellers zu bemängelnden Lückenhaftigkeit der MDK-Untersuchung, der Vorlage von Unterlagen über ärztliche Untersuchungen, denen der Antragsteller sich nach Beendigung des Krankengeldbezuges unterzogen hatte sowie der Darlegung der Eilbedürftigkeit der Entscheidung. Die Abhilfeentscheidung der Antragsgegnerin beruhte auf einer weiteren MDK-Untersuchung, ohne dass für deren Ergebnis von der Bevollmächtigten beigebrachte bislang nicht bekannte Beweismittel maßgeblich gewesen wären. Der Umstand, dass der Antragsteller nach der für die angefochtene Entscheidung maßgeblichen MDK-Untersuchung erneut Ärzte aufgesucht hat und die Bevollmächtigte die hierüber erstellten Unterlagen vorgelegt hat, begründet keine qualifizierte Mitwirkung an der Verfahrenserledigung, zumal der Antragsteller selbst diese Unterlagen bei der Antragsgegnerin bereits eingereicht hatte.

Die Höhe der zustehenden Verfahrensgebühr ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Die Bevollmächtigte hat eine Gebühr deutlich unterhalb der Mittelgebühr geltend gemacht, was angesichts der für die Festsetzung der Gebührenhöhe maßgeblichen Kriterien nach § 14 RVG der Billigkeit entspricht. Die Verfahrensgebühr war nicht allein aufgrund des Umstandes, dass es sich um ein Eilverfahren handelte, auf 2/3 zu kürzen (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.12.2010 - L 19 AS 1138/10 B; entgegen der in den Gründen dieser Entscheidung enthaltenen Annahme ist ein entsprechender Grundsatz auch nicht der Entscheidung des Senats vom 14.07.2010 - L 1 AS 57/10 B zu entnehmen).

Die von der Bevollmächtigten geltend gemachte Post- und Telekommunikationspauschale ist gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV/RVG erstattungsfähig, der Anspruch auf die Umsatzsteuer ergibt sich aus Nr. 7008 VV/RVG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 3 RVG.

Die Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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