L 1 KR 58/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 2739/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 58/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erteilung einer Auskunft.

Sie ist 1948 geboren und bei der Beklagten versichert. Im Jahr 1979 ließ sie sich die Brüste mit Silikonimplantaten vergrößern. 20 Jahre später beantragte der Arzt für plastische Chirurgie Dr. G mit Schreiben vom 14. Oktober 1999 in ihrem Namen die Kostenübernahme für einen Implantatwechsel. Da die Mammae beidseits sehr weich und formverschieden seien, könne man erfahrungsweise von einem Auflösen der Silikonhülle der alten Implantate ausgehen. Weil die Gefahr einer Verschleppung des Silikons bestehe, empfehle er die Entfernung der Implantate und ggf. Ersatz durch neue, quer- und längvernetzte Implantate mit aufgerauter Oberfläche. Die Patientin wirke physisch sehr alterniert. Die Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe A bescheinigte im Oktober 1999, dass der Klägerin die Silikonprothesen wegen einer zunehmenden Kapselfibrose Beschwerden bereiteten. Darüber hinaus bestehe eine nicht unerhebliche Carcinophobie bei einer ausgeprägten depressiven Grundstimmung mit suizidalen Anzeichen. Auch der Arzt für Innere Krankheiten L befürwortete mit Attest vom 13. Oktober 1999 eine Operation. Durch die öffentliche Diskussion über Gesundheitsschäden durch Silikonimplantate sei die Klägerin in einem Zustand großer Angst. Ihr physischer Zustand verschlechtere sich laufend, so dass sie jetzt auch psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen müsse. Auch die Assistenzärztin S empfahl im ärztlichen Attest vom 18. Oktober 1999 die Entfernung der Implantate. Die Klägerin leide an schweren rezidivierenden depressiven Episoden mit Angstzuständen, Schlafstörungen und ungeklärten Gelenkschmerzen. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin e. V. (MDK) ein. In der schriftlichen Stellungnahme des/der Dr. Sdes MDK vom 29. Oktober 1999 heißt es: "der medizinisch indizierte Implantatwechsel kann während der OP im Vertrags-Krankenhaus erfolgen. Zusatzkosten für den Prothesen-Ersatz entstehen da nicht!" Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 10. November 1999 mit, die Kosten für die beantragte Implantatwechsel-Operation zu übernehmen. Die Klägerin hielt sich vom 23. bis zum 27. November 1999 im J Krankenhaus B auf. Dr. G ersetzte die beiden Implantate durch neue, Silikongel gefüllte Implantate. Gleichzeitig wurde eine Augenlidkorrektur durchgeführt.

Die Klägerin hatte in der Folge der Brustoperation anhaltende Schmerzen. Dr. G verordnete am 17. Februar 2009 eine erneute Krankenhausbehandlung zur Implantatkorrektur beiderseits wegen brustoperativer anhaltender Schmerzen. Nachdem der MDK lediglich eine Entfernung der Implantate empfohlen hatte, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 6. März 2000 die Kostenübernahme für den Krankenhausaufenthalt für eine Implantatkorrektur beidseitig ab. Eine solche bloße Implantatentfernung verordnete dann der Gynäkologe Dr. S am 30. März 2000 u. a. mit der Diagnose einer Kapselfibrose beidseits. Die Klägerin schrieb unter dem 25. Mai 2000 an die Beklagte, sie hätte sich 1999 aufgrund von Medienberichten zur Beratung bei Dr. G eingefunden. Dieser habe dringend zu einer Operation geraten, da die Silikonimplantate platzen könnten. Da sie darauf bestanden habe, dass ihre Brüste die gleiche Form behalten sollten, habe er ihr die harten M-Implantate empfohlen. Da sie sehr schlank sei und im Brustbereich wenig Fettgewebe sowie sehr dünne Haut habe, habe sie Bedenken gehabt. Zu ihrem Bedauern habe sie sich trotzdem von Dr. G operieren lassen. Das Operationsergebnis sei aus kosmetischer Sicht unmöglich. Seit der Operation leide sie unter starken Schmerzen, auch nachdem die Wundschmerzen abgeklungen seien. Mündlich habe ihr Dr. G eine Korrekturoperation durch einen Kollegen auf seine Kosten zugesichert. Die Brustoperation und auch die Augenlidanhebung seien insgesamt nicht sachgemäß durchgeführt worden. Ein Eingriff an den Brüsten sei eigentlich gar nicht nötig gewesen. Dr. G habe sie nicht wie erforderlich untersucht und sehr mangelhaft beraten. In einer neuerlichen Stellungnahme des MDK vom 16. August 2000 kam der Gutachter P des MDK nach körperlicher Untersuchung der Klägerin am 15. Juni 2000 zu dem Ergebnis, der gegenwärtig vorliegende Befund sei kosmetisch ohne Zweifel inoptimal. Ihm komme jedoch ein unmittelbarer Krankheitswert nicht zu. Möglicherweise sei das Ergebnis der Operation die Folge eines Aufklärungsfehlers. Im Übrigen müsse festgestellt werden, dass dem Attest des Internisten Ludwig vom 13. Oktober 1999 und dem der Gynäkologin A vom 11. Oktober 1999 der Charakter von Gefälligkeitsattesten bei unkorrekter Wiedergabe des Sachverhaltes zuerkannt werden müssten. Bei der aus psychiatrischer Indikation vorzeitig berentenden Klägerin bestehe ohne Zweifel eine Dysmorphobie (Körperbildstörung). Patienten mit diesem Krankheitsbild seien für kosmetische Operationen primär ungeeignet. Ob dieser Aspekt den genannten Ärzten bekannt gewesen sei, könne den Unterlagen nicht entnommen werden. Ein Schlichtungsverfahren sei bereits eingeleitet.

Am 28. September 2000 beantragte die Klägerin nunmehr ausdrücklich die Kostenübernahme für eine Implantatentfernung. Die Beklagte kam dem nach und erteilte eine Kostenzusage. Die Klägerin wurde am 26. November 2000 im M Krankenhaus S J in H stationär aufgenommen und befand sich dort bis 6. Dezember 2000.

Auf einem Formularschreiben der Beklagten beantragte die Klägerin am 4. Februar 2004 "Auskunft über gespeicherte Daten gemäß § 83 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X)" mit Diagnosen für den Zeitraum ab 1999 (Operation 11/1999). Diese antwortete mit Schreiben vom 18. Februar 2004 und gab folgende Auskunft:

"In der Zeit vom 23. Januar 1999 bis 27. November 1999 befand sie sich im J Krankenhaus in B.

Der einweisende Arzt war A. G B. Folgende Aufnahmediagnosen lagen vor: ICD 611.9 - sonstige Krankheiten der Brustdrüse - nicht näher bezeichnete Krankheit der Brustdrüse - Zustand nach Mammaaugmentation"

Die Klägerin mahnte mit Schreiben vom 12. Juni 2006 eine Erledigung an. Sinn der Sache sei durch eine Richtigstellung zu vermeiden, dass ihr bei künftigen eventuellen Erkrankungen Schäden und Nachteile entstünden. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 16. Juli 2006, ihr lägen keine medizinischen Unterlagen mehr aus dem Jahre 1999 vor. Der einzige nachvollziehbare Hinweis sei ein Eintrag der Krankenhausbehandlung mit der Krankenhauseinweisung wegen der Diagnose "nicht näher bezeichnete Krankheit der Brustdrüse". Eine Berichtigung der Daten könne nicht erfolgen, da kein Hinweis auf einen Implantatswechsel ersichtlich sei. Mit weiterem Schreiben vom 23. Juli 2006 teilte sie ergänzend mit, eine Löschung des Eintrages der Krankenhausbehandlung sei erst nach 10 Jahren möglich.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2006 äußerte die Klägerin die Auffassung, die Prüfung des MDK 1999 sei nicht sachgerecht gewesen. Die Kontraindikationen hätten zu Tage treten müssen. Im Ergebnis hätte der MDK darauf hinzuweisen gehabt, dass nach einer Entfernung der 20 Jahre alten Implantate auf keinen Fall eine Neueinsetzung erfolgen dürfe. Mit Schreiben vom 8. September 2006 bestätigte die Beklagte der Klägerin, dass in ihrer Leistungsmaske der Vermerk "laut Mitglied ist die einweisende Diagnose nicht korrekt" angebracht worden sei.

Am 23. Oktober 2007 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben zunächst mit dem Antrag, festzustellen, dass die Beklagte zu Schadensersatz verpflichtet sei. Erst nach der fehlgeschlagenen Operation habe sie erfahren, dass in der Bewilligung des Implantatwechsels eine falsche Diagnose zugrunde gelegen solle. Sie habe ein rechtliches Interesse an der begehrten Auskunft, da künftige eventuelle Leistungspflichten der Beklagten von der Diagnose abhängig seien könnten. Es mache einen erheblichen Unterschied, ob eine Brustdrüsenerkrankung, eine Kapselfibrose, ein Implantatundichtigkeitsrisiko oder rein kosmetische Gründe bestanden hätten. Sie hat zuletzt erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, aufgrund welcher ihr zur Verfügung gestellten Diagnose sie die Kosten für die Auswechslung der Brustimplantate übernommen habe.

Die Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2007 mit, dass sie aufgrund der ärztlichen Atteste von Frau G R A, ferner R L, Herrn Dr. A G und Frau G. S die Kosten für die Auswechslung der Brustimplantate der Klägerin übernommen habe. Frau A habe damals als Diagnose eine zunehmende Beschwerdesymptomatik bei Kapselfibrose mit einer nicht unerheblichen Carcinophobie bei ausgeprägt depressiver Grundstimmung mit suizidalen Wünschen festgestellt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2010 abgewiesen. Die Klageänderung sei zulässig im Sinne des § 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte habe sich nämlich nach §§ 99 Abs. 1, Abs. 2 SGG auf die geänderte Klage eingelassen, ohne der Änderung zu widersprechen. Sie habe konkret mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2007 versucht, das Auskunftsbegehren zu erfüllen. Der Sozialrechtsweg sei eröffnet. Die Klägerin begehre eine Auskunft aus einem Sozialversicherungsverhältnis. Der Klage fehle jedoch das Rechtsschutzbedürfnis. Dieses fehle nämlich, wenn unzweifelhaft sei, dass die begehrte Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern könne (Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.04.2004 - 3 C 25/03 -) oder das angestrebte Ergebnis auf einfacherer Weise erreicht werden könne. Es sei hier nicht erkennbar, in welcher Weise die begehrte Auskunft die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung der Klägerin verbessern könne. Künftige Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte könnten hiervon nicht abhängig sein. Sollte die Klägerin in Zukunft einen Anspruch auf Krankenbehandlung in diesem Zusammenhang gegenüber der Beklagten geltend machen, werde diese die Notwendigkeit der medizinischen Behandlung aufgrund aktuell vorliegender Befunde zu prüfen haben. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit diese Prüfung durch in Diagnosen, die in der Vergangenheit erfolgt seien, beeinflusst werden könne.

Im Übrigen habe die Beklagte dem Auskunftsbegehren der Klägerin entsprochen, soweit ihr dies möglich gewesen sei. Bereits mit Schreiben vom 18. Februar 2004 habe sie mitgeteilt, welche Aufnahme die Diagnose bei der stationären Behandlung im November 1999 vorgelegen habe. Zudem habe sie im Schriftsatz vom 19. Dezember 2007 mitgeteilt, aufgrund welcher ärztlichen Atteste von Frau G R A, ferner R L, Herrn Dr. A G und Frau G. S die Kosten für die Auswechslung der Brustimplantate der Klägerin übernommen habe. Aufgrund welcher ärztlichen Diagnose hierbei genau die positive Entscheidung getroffen worden sei, könne die Beklagte hingegen gar nicht mitteilen. Sie sei nämlich nicht verpflichtet, eine ärztliche Verordnung unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, welche Diagnose ihr zugrunde liege. Ob einen Versicherten wie hier - voll stationärer Krankenhausbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) zu gewähren sei, richte sich allein nach den medizinischen Erfordernissen im Einzelfalle. Die Krankenkasse habe insoweit in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob stationäre Krankenbehandlung notwendig sei. Sie könne sich dabei des medizinischen Sachverstandes des MDK bedienen. An die ärztliche Verordnung und die darin gestellte Diagnose sei sie in diesem Zusammenhang aber nicht gebunden. Die ärztliche Verordnung habe lediglich die Bedeutung einer gutachterlichen Stellungnahme (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 8.11.2005 - B 1 KR 18/04 R -).

Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin. Es sei falsch, ein Rechtschutzbedürfnis zu verneinen. Das begehrte Urteil werde ihre Lage in rechtlicher wie in wirtschaftlicher Hinsicht verbessern. Bei der Beurteilung künftiger Brusterkrankungen durch die Krankenkasse spiele es für die Kostenübernahme eine erhebliche Rolle, auf welchen wahren oder vermeintlichen Vorerkrankungen die neue Erkrankung beruhe. Sollten frühere kosmetisch bedingte Eingriffe die Ursache sein und ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen, werde im Zweifel eine Kostenübernahme verweigert werden. Sie habe ein erhebliches Interesse daran zu wissen, ob sie künftig mit einer Verweigerung einer Kostenübernahme rechnen müsse. So könne sie für diesen Fall vorsorgen.

Die Auskunft sei auch noch nicht erteilt. Es müsse - gegebenenfalls anhand der Unterlagen des MDK - feststellbar sein, welche Diagnose dem MDK und damit die Beklagte veranlasst habe, die Kosten für den Implantatwechsel zu übernehmen. Solle sich herausstellen, dass dies ausschließlich wegen einer medizinischen Indikation geschehen sei, würde für die Klägerin eine deutlich größere Sicherheit bestehen.

Sie beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2010 zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, aufgrund welcher der ihr zur Verfügung gestellten ärztlichen Diagnosen sie die Kosten für die Auswechslung der Brustimplantate übernommen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat zu der geäußerten Sorge der Klägerin, sie habe den damaligen Implantatwechsel nicht aufgrund einer medizinischen Indikation bewilligt, sondern aufgrund des kosmetischen Aspektes darauf hingewiesen, dass die Beklagte generell nur medizinisch notwendige Leistungen gewähren dürfe. Nur bei einer behandlungsbedürftigen Krankheit dürfe nach §§ 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 SGG V i. V. m. § 39 SGB V die Kostenübernahme erklärt werden. Nach diesem Grundsatz habe die Beklagte auch schon damals gehandelt.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Mit Beschluss vom 23. Juli 2010 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Besetzung durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 SGG entscheiden. Der Rechtsstreit weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Das SG hat die Klage im angefochtenen Gerichtsbescheid aus zutreffenden Gründen zurückgewiesen. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verweist der Senat auf die Begründung gemäß § 153 Abs. 2 SGG.

Das SG hat seine Annahme mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses insbesondere zu Recht darauf gestützt, dass die Beklagte bereits alle Auskünfte erteilt habe. Tatsächlich Unmögliches kann von ihr nicht gefordert werden. Der Beklagten liegen insbesondere keine weiteren Unterlagen vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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