L 9 U 1976/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 2051/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1976/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer psychovegetativen Beschwerdesymptomatik mit psychogenem Tremor als Folge des Arbeitsunfalls vom 10.10.2002 sowie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 50 v.H.

Der 1969 geborene Kläger war als Lackierer bei der A. AG N. beschäftigt. Beim Lackieren eines Audi A 3 in einer Lackierkabine stieß er am 10.10.2002 gegen 18:40 Uhr beim Aufrichten aus der Hocke mit dem Kopf gegen einen Infrarot-Strahler, der im Arbeitsbereich hing. Hierbei zog er sich eine Kopfplatzwunde mit Schädelprellung zu, weswegen er am selben Tag um 19:20 Uhr das Klinikum am Plattenwald aufsuchte. Dr. T., Abteilung für Unfallchirurgie, beschrieb beim Kläger folgenden Befund: Ca. 1 cm große Platzwunde fronto-agittal. Pupillen isokor, prompte Reaktion auf Licht und Konvergenz. Kein Nackenschmerz. Periphere Kraft, Motorik und Reflexe unauffällig. Die Röntgenaufnahmen des Schädels ergaben keinen Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung. Dr. T. desinfizierte die Wunde und versorgte sie mit einem Sprühverband. Er verneinte eine Arbeitsunfähigkeit und hielt eine Weiterbehandlung (allgemeine Heilbehandlung) durch einen anderen Arzt (Dr. N.) für angebracht, den der Kläger am 11.10.2002 aufsuchte (DA-Bericht von Dr. T. und Ärztliche Unfallmeldung von Dr. N. vom 11.10.2002).

Am 17.10.2002 stellte sich der Kläger beim Chirurgen und Durchgangsarzt Dr. L. vor, wo er über ein pfeifendes Ohrgeräusch links seit dem Unfall, eine erhebliche Schwindelsymptomatik, Druckgefühl und Übelkeit klagte. Dr. L. diagnostizierte eine Schädelprellung mit (reizloser) Kopfplatzwunde sowie den klinischen Verdacht auf eine Commotio labyrinthi und überwies den Kläger zur neurologischen Untersuchung. Der Neurologe und Psychiater Dr. B. führte unter dem 17.10.2002 aus, wegen starker, nicht näher zu lokalisierender Kopfschmerzen habe sich der Kläger bis zum 14.10.2002 geschont und Bettruhe eingehalten; beim Aufrichten gebe er zunehmenden Kopfschmerz und Benommenheitsschwindel an. Anhaltend bestehe ein Druck im Kopf mit Unsicherheit ohne gerichteter Abweichtendenz, verstärkt beim Autofahren. Weiter bestehe Übelkeit; ein Drehschwindel liege nicht vor. Als Vorerkrankungen gebe der Kläger ein Motorradunfall mit Commotio cerebri 1983 sowie ein massives Kopfschmerzsyndrom im Jahr 1998 (Ausschluss Meningitis/Borreliose) an, das als Migräne angesehen worden sei. Zusammenfassend sei nach den aktuellen Befunden eine intracranielle Läsion nach Schädelprellung nicht greifbar, eine relevante peripher oder zentral vestibuläre Läsion sei nicht reproduzierbar, auch nicht im Sinne einer traumatischen Canalolithiasis. Es handle sich um einen isolierten Tinnitus aurium links im Sinne einer leichten cochleären Schädigung. Ob diese eine Unfallfolge sei, müsse von HNO-ärztlicher Seite beurteilt werden. Die angegebenen Beschwerden im Sinne einer abklingenden Cephalgie mit Reduktion des Allgemeinbefindens und allgemeiner Verunsicherung sehe er als vegetative Dystonie an. Abgesehen von einer Bedarfsmedikation mit Paracetamol 1 g gegen die Kopfschmerzen und eine gestufte körperliche Belastungserprobung bei weiterer Arbeitsunfähigkeit über die nächsten Tage seien spezifische Maßnahmen auf neurologischem Gebiet nicht erforderlich.

In einem Zwischenbericht vom 28.10.2002 teilte Dr. L. mit, der Kläger zeige eine weiterbestehende erhebliche Beschwerdesymptomatik mit Zitteranfällen, Nervosität, Unruhe und Kopfschmerzen. Er habe weiter Arbeitsunfähigkeit bis 31.10.2002 bescheinigt und zum Ausschluss einer intracerebralen Verletzung eine Computertomographie (CT) veranlasst. Die CT des Schädels vom 28.10.2002 ergab eine unauffällige Darstellung der intracerebralen Strukturen. Es fand sich kein Nachweis einer Blutung oder eines Kontusionsherdes. Ödem- und Frakturzeichen waren ebenfalls nicht vorhanden (Arztbrief der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. G. u. a. vom 29.10.2002). Am 31.10.2002 berichtete Dr. L. über eine deutliche Befundbesserung und eine geplante Arbeitsfähigkeit ab 4.11.2002. Im Zwischenbericht vom 12.11.2002 teilte Dr. L. mit, bei weiter abklingender Beschwerdesymptomatik sei der Kläger ab 1.11.2002 arbeitsfähig auf einem Schonarbeitsplatz (nach Rücksprache und Kontrolle des Betriebsarztes) eingesetzt. Der Kläger habe am 12.11.2002 weiter über heftige Tremorattacken bei konzentrierter Tätigkeit geklagt; leichte Arbeiten seien möglich. Unter dem 21.11.2002 gab Dr. L. an, der Kläger klage weiter über rezidivierende nicht kontrollierbare Tremorattacken, insbesondere bei konzentrierter Arbeit. Auf eigenen Wunsch bleibe der Kläger arbeitsfähig auf einem Schonarbeitsplatz.

Dr. Beichert teilte über eine neurologische Nachuntersuchung des Klägers vom 25.11.2002 mit, in Übereinstimmung mit fremdanamnestischen Angaben der Ehefrau habe sich eineinhalb bis zwei Wochen nach dem Unfallereignis ein Zittern der rechten Hand entwickelt, das ohne besondere auslösende Konstellation fluktuiere, erheblich beeinträchtigend bei feinmotorischen Betätigungen sei und auch während des Schlafes persistiere. Die Ursache des posttraumatischen Tremors sei unklar; es sei eine MRT-Diagnostik des Neurocraniums veranlasst worden. Eine Konversionssymptomatik sei derzeit nicht eindeutig zu belegen. Die MRT des Neurocraniums vom 26.11.2002 ergab einen unauffälligen Befund. Der Kläger verblieb auf einem Schonarbeitsplatz, und es wurde eine endokrinologische Diagnostik eingeleitet (Arztbrief der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. Grünfelder u. a. 27.11.2002, Zwischenbericht von Dr. L. vom 28.11.2002). Am 16.12.2002 wurde der Kläger aus der ambulanten Behandlung entlassen. Unter dem 18.12.2002 teilte Dr. L. mit, die erheblichen Tremorattacken seien deutlich besser geworden. Der Kläger gehe weiterhin seiner Arbeit auf einem Schonarbeitsplatz nach.

Mit Schreiben vom 17.1.2003 teilte die Beklagte Dr. L. mit, die vom Kläger angegebene psychovegetative Beschwerdesymptomatik könne aufgrund fehlender klinischer Befunde nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 10.10.2002 zurückgeführt werden. Die erlittene Schädelprellung mit Kopfplatzwunde sei mit Eintritt der Arbeitsfähigkeit zum 2.11.2002 folgenlos abgeheilt. Eventuell weitere Behandlungen seien zu Lasten der Krankenkasse durchzuführen. Der Kläger, Dr. B., Dr. T., Drs. B./N. sowie die Betriebskrankenkasse Audi erhielten eine Mehrfertigung dieses Schreibens.

Mit Schreiben vom 6.9.2007 bat der Kläger um Einleitung eines Feststellungsverfahrens, da sich sein Gesundheitszustand seit dem Schreiben der Beklagten vom 17.1.2003, mit dem ein Kausalzusammenhang zwischen seinen Gesundheitsstörungen und dem Unfall abgelehnt worden sei, verschlechtert habe.

Der Kläger legte folgende Unterlagen vor: • Entlassungsbericht der Luisenklinik B. D. vom 9.4.2003 (stationärer Aufenthalt vom 27.3. bis 1.4.2003; Diagnose: Verdacht auf Basalganglienerkrankung; Leistungsvermögen: Autolackierer unter 3 Stunden täglich, leichte Tätigkeiten unter 3 Stunden täglich. Eine dissoziative Bewegungsstörung und asthenische Persönlichkeitsstörung sei aus psychiatrischer Sicht mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen worden. Wegen Hinweise auf eine mögliche Störung der Basalganglien sei der Kläger zur dringenden weiteren neurologischen Diagnostik vorzeitig entlassen worden. Es lägen Hinweise auf einen idiopathischen Morbus Parkinson, Tremordominanztyp, Morbus Wilson oder essentiellen Tremor vor) • Ärztliches Attest des Neurologen Dr. F. vom 18.9.2003 • Arztbrief des Psychiaters H. vom 28.10.2004 (Psychologische Faktoren bei Tremor der rechten Hand, DD Dissoziative Störung, Persönlichkeitsakzentuierung) • Bescheinigung des Psychiaters H. vom 12.7.2006 (Behandlung seit 2004, der psychopathologische Befund habe sich insofern stabilisiert, als regelmäßig der beruflichen Tätigkeit nachgegangen werden könne; aus psychiatrischer-psychotherapeutischer Sicht sei es angezeigt, dass der Kläger weiterhin in normaler Tagesschicht beruflich tätig sei) • Arztbriefe der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum S.-H. vom 10.8.2004, 17.9.2004, 4.11.2004, 13.12.2004 und 27.1.2005 (Diagnose: psychogener Tremor) • Attest von Dr. N. vom 5.9.2007 (Der Tremor hänge ursächlich mit dem vorausgegangenen Trauma zusammen, da er ausschließlich nach dem Unfall aufgetreten sei).

Mit Bescheid vom 28.11.2007 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 10.10.2002 als Arbeitsunfall. Als Folge des Arbeitsunfalls wurde anerkannt: Folgenlos verheilte Schädelprellung mit Kopfplatzwunde. Nicht als Folge des Arbeitsunfalls - weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung - wurde eine psychovegetative Beschwerdesymptomatik mit psychogenem Tremor der rechten Hand angesehen. Ein Anspruch auf Leistungen über den 1.11.2002 hinaus wurde abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Auswertung der vorliegenden Unterlagen und Befunde sowie die abschließende rechtliche Würdigung habe ergeben, dass der Unfall vom 10.10.2002 allenfalls zu einer Schädelprellung mit Kopfplatzwunde geführt habe. Umfangreiche neurologisch-psychiatrische Untersuchungen und bildgebende Verfahren hätten keinerlei Anhaltspunkte für weitere unfallbedingte Verletzungen ergeben. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden könnten aufgrund fehlender klinischer Befunde nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Unfall vom 10.10.2002 zurückgeführt werden. Die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch lägen nicht vor.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 19.12.2007, der Beklagten am 22.12.2007 zugegangen, Widerspruch ein, begehrte die Feststellung einer psychovegetativen Beschwerdesymptomatik mit psychogenem Tremor als weitere Unfallfolge sowie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. Der Kläger legte einen Arztbrief des Neurologen Dr. Frühmark vom 5.2.2008 vor, der darin über einen chronifizierten therapieresistenten Tremor berichtete, der zeitlich eng korreliert nach dem Arbeitsunfall aufgetreten sei. In Zusammenschau des bisherigen Verlaufs müsse angesichts der zeitlichen Korrelation mit hoher Wahrscheinlichkeit ein direkter kausaler Zusammenhang der Tremorentstehung mit dem erlittenen Arbeitsunfall vom 10.10.2002 gesehen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.6.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 2.7.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben, mit der er die Anerkennung einer psychovegetativen Beschwerdesymptomatik mit psychogenem Tremor der rechten Hand als weitere Unfallfolge sowie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. weiter verfolgt hat. Das SG hat weitere ärztliche Unterlagen beigezogen, u.a. • Arztbriefe der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums S.-H.n vom 15.4.2005 und 19.4.2005 (Diagnose: funktioneller Tremor der rechten Hand; ein Zusammenhang mit dem Trauma vom 10.10.2002 hielten sie weiterhin für unwahrscheinlich) • Sozialmedizinisches Gutachten des MDK (Dr. M.) vom 9.2.2005 (Diagnosen: Psychische Faktoren bei Tremor der rechten Hand, DD dissoziativer Tremor, Verdacht auf Persönlichkeitsstörung) • Arztbrief von Dr. F. vom 5.2.2008 (Diagnose: Chronifizierter therapieresistenter Tremor, zeitlich eng korreliert aufgetreten nach Arbeitsunfall. In Zusammenschau des bisherigen Verlaufs muss angesichts der engen zeitlichen Korrelation mit hoher Wahrscheinlichkeit ein direkter kausaler Zusammenhang der Tremorentstehung mit dem erlittenen Arbeitsunfall vom 10.10.2002 gesehen werden, auch wenn der genaue Patho-mechanismus nicht sicher zu benennen ist) • Arztbrief des Medizinischen Versorgungszentrums der Klinik am W. vom 11.12.2008 (Schwer klassifizierbarer Tremor des rechten Arms, Verdacht auf tremor-dominante Parkinson-Symptomatik) • Entlassungsbericht der Kliniken S. vom 5.6.2009 (Diagnosen: Chronifizierte Anpassungsstörung bei biografisch bedingten ungünstigen Bewältigungsmodi, Tremor unklarer Genese der rechten Hand seit Arbeitsunfall 10/02, mittelgradige bis schwere depressive Episode, u. a.) • Röntgen- und CT-Aufnahmen der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. G.r u. a. und Gutachten auf neurologischem bzw. nervenärztlichem Gebiet eingeholt.

Prof. Dr. M., Neurologische Universitätsklinik H., hat im Gutachten vom 1.4.2009 beim Kläger einen psychogenen Tremor diagnostiziert. Ein Zusammenhang mit dem Ereignis vom 10.10.2002 erscheine denkbar. Die beim Kläger schon vor dem Arbeitsunfall dokumentierten Arbeitsunfähigkeiten erweckten den Eindruck einer Disposition zu abnormen somatoformen Reaktionen. Eine Abwägung der Konkurrenzbedingungen könne aus neurologischer Sicht nicht eindeutig erfolgen. Nach den Angaben des Klägers bei der gutachterlichen Untersuchung hätten die Zitteranfälle, die heftig gewesen seien, anfangs den ganzen Körper betroffen und sich im weiteren Verlauf auf die rechte Hand konzentriert hätten, unmittelbar nach dem Unfall begonnen, was einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall im Sinne einer abnormen Belastungsreaktion plausibel machen würde. Dokumentiert worden sei das Zittern des ganzen Körpers und der rechten Hand erstmalig in dem Verlaufsbericht von Dr. L. vom 28.10.2002. Bei den zwei vorausgegangenen Konsultationen am 10.10.und 17.10.2002 würden diese Symptome nicht erwähnt. Im Bericht von Dr. N. vom 11.10.2002 und des Neurologen Dr. B. vom 17.10.2002 werde ein Zittern des Körpers oder der rechten Hand weder in der Anamnese noch im körperlichen Untersuchungsbefund genannt. Im Befundbericht von Dr. B. vom 25.11.2002 werde zudem dokumentiert, dass in Übereinstimmung mit fremdanamnestischen Angaben der Ehefrau sich ein Zittern der rechten Hand erst eineinhalb bis zwei Wochen nach dem Unfallereignis entwickelt habe. Auch weise die handschriftliche Aufzeichnung, z.B. am 31.10.2002, nicht auf eine ausgeprägte Tremorsymptomatik hin. Die zeitliche Latenz von ca. zwei Wochen zwischen dem Unfall und der erstmaligen Dokumentation des Symptoms Tremor spreche gegen einen Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom 10.10.2002. In der ergänzenden Stellungnahme vom 26.5.2009 hat Prof. Dr. M. ausgeführt, es bestünden keine konkreten Anhaltspunkte, die dafür sprächen, dass eine psychische Erkrankung auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Daher seien keine weiteren Begutachtungen oder medizinischen Ermittlungen erforderlich. Eine psychosomatische Untersuchung oder psychiatrische Exploration halte er jedoch aus therapeutischen Gründen für angebracht.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG die Neurologin und Psychiaterin Dr. S. mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Diese hat im Gutachten vom 13.11.2009 beim Kläger einen psychogenen Tremor sowie ein Zustand nach Schädelprellung am 10.10.2002 mit Kopfplatzwunde diagnostiziert. Weiter hat sie dargelegt, bei dem Kläger handle es sich um eine narzisstisch depressive Persönlichkeit, die nach der Schädelprellung und den danach auftretenden Konflikten am Arbeitsplatz entgleist sei. Bei dem Kläger seien aufgrund seiner biografischen Entwicklung Werte wie Fleiß, Leistung, Identifizierung mit der Arbeit sehr wichtig. In dem Moment, in dem der Unfall nicht als Arbeitsunfall infolge einer Vernachlässigung von Sicherheitsmaßnahmen anerkannt worden sei, er aus seiner Sicht minderwertige Tätigkeiten habe ausführen müssen und sich dem Vorwurf von Simulation und Schmarotzertum ausgesetzt gesehen habe, sehe er sich von der großen Familie - dem Betrieb, in dem er sich zuvor gut aufgehoben gefühlt habe - nicht anerkannt, ja sogar abgewiesen und abgewertet. Je mehr er um die Anerkennung eines vermeintlich schweren Unfalls und dessen sichtlich beeinträchtigende Folgen kämpfe und dies in den verschiedenen Verfahren immer wieder infrage gestellt bzw. abgewiesen werde, umso mehr verschlimmere sich die Symptomatik und umso mehr chronifiziere diese. Die Schädelprellung selbst sei komplikationslos abgelaufen. Sie sei vom Schweregrad her nicht geeignet, morphologische Veränderungen, auch nicht Mikroläsionen in den Stammganglien, die Ursache des Tremors hätten sein können, hervorzurufen. Substanzielle Schädigungen seien im Rahmen einer bildgebenden Diagnostik, ebenso weiterer radiologischer Zusatzuntersuchungen (DAT-Scan), ausgeschlossen worden. Alle durchgeführten Untersuchungen, sowohl klinisch-neurologisch als auch elektrophysiologisch, belegten keine körperliche Erkrankung. Es hätten keine Hinweise für eine Systemerkrankung (Morbus Parkinson u. a.) gefunden werden können. Gegen eine somatische Tremorform sprächen die fehlende Ausprägung an der anderen Extremität, die isolierte Betroffenheit der führenden rechten Hand und die Therapierefraktärität trotz multimodaler Therapieansätze. Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet lasse sich keine Gesundheitsstörung feststellen, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung auf den Unfall vom 10.10.2002 zurückzuführen sei. Die MdE betrage 0 v.H.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.3.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die psychovegetative Beschwerdesymptomatik mit psychogenem Tremor sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 10.10.2002 zurückzuführen. Das Gericht schließe sich den Ausführungen von Prof. Dr. M. in dessen Gutachten vom 1.4.2009 an, denen sich auch die Gutachterin Dr. S. im Ergebnis angeschlossen habe. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 31.3.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.4.2010 Berufung eingelegt und vorgetragen, mit der Berufung werde insbesondere gerügt, dass das SG eine Befragung der behandelnden Ärzte abgelehnt habe. Dies wäre jedoch erheblich gewesen, da die Gutachter davon ausgingen, dass sich der Tremor nicht unmittelbar nach dem Unfallereignis eingestellt habe. Es sollte insbesondere Dr. F. befragt werden, zumal dieser im Befundbericht vom 5.2.2008 ausdrücklich auf die enge zeitliche Korrelation zwischen dem Arbeitsunfall und den Tremor hingewiesen habe. Wenn der Tremor unmittelbar nach dem Arbeitsunfall aufgetreten sei, so sei mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kausalzusammenhang anzunehmen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. März 2010 aufzuheben, den Bescheid vom 28. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2008 abzuändern, eine psychovegetative Beschwerdesymptomatik mit psychogenem Tremor als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 10. Oktober 2002 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. ab 2. November 2002 bzw. 16. August 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, die behandelnden Ärzte seien schon zu einem früheren Zeitpunkt gehört worden und hätten keinerlei Angaben zu einem unfallnahen Beginn des Tremors gemacht. Im Übrigen seien auch keine relevanten Erkenntnisse hinsichtlich der Bewertung der Zusammenhangsfrage durch die Befragung der behandelnden Ärzte zu erwarten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagte sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer psychovegetativen Beschwerdesymptomatik mit psychogenem Tremor als weitere Unfallfolge und auf Gewährung von Verletztenrente hat.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründeten Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründete Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (s. BSG, Urteil vom 2.4.2009 - B 2 U 29/07/R - in Juris m. w. N.).

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls und ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung der MdE ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und Juris).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 (aaO Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Im Urteil vom 9.5.2006 (aaO Rdnr. 21) hat das BSG keinen Zweifel daran gelassen, dass die Theorie der wesentlichen Bedingung auch uneingeschränkt auf die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfällen und psychischen Störungen anzuwenden ist, die nach Arbeitsunfällen in vielfältiger Weise auftreten können. Die Feststellung der psychischen Störung sollte angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglichen Schu-lenstreiten aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen. Denn je genauer und klarer die beim Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, desto einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (BSG aaO Rdnr. 22). Das BSG hat im Weiteren darauf hingewiesen, dass es wegen der Komplexität von psychischen Gesundheitsstörungen im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel des Inhalts gebe, dass bei fehlender Alternativursache (etwa wenn eine Vorerkrankung oder Schadensanlage nicht nachweisbar sind) die versicherte naturwissenschaftliche Ursache (also die Einwirkung durch den Arbeitsunfall, festgestellt auf der ersten Stufe der Ursächlichkeitsprüfung) damit auch automatisch zu einer wesentlichen Ursache (im Sinne der Ursächlichkeitsprüfung auf der zweiten Stufe) wird. Dies würde angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren zu einer Umkehr der Beweislast führen, für die keine rechtliche Grundlage erkennbar sei (BSG aaO Rdnr. 39). Andererseits schließt aber eine "abnorme seelische Bereitschaft" die Annahme der psychischen Reaktion als Unfallfolge nicht aus. Wunschbedingte Vorstellungen sind aber als konkurrierende Ursachen zu würdigen und können der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und der psychischen Reaktion entgegenstehen (BSG aaO Rdnr. 37 und 38).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall, der hier am 10.10.2002 eingetreten ist) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Bei dem Ereignis vom 10.10.2002 handelt es sich um einen Arbeitsunfall, da der Kläger bei seiner versicherten Tätigkeit als Lackierer einen Unfall erlitten hat, als er beim Aufrichten aus der Hocke mit dem Kopf gegen einen Infrarot-Strahler stieß und sich hierbei eine Schädelprellung mit Kopfplatzwunde zuzog. Dieses Unfallereignis hat die Beklagte mit Bescheid vom 28.11.2007 auch als Arbeitsunfall anerkannt.

Ein sog. Erstschaden, der über eine Schädelprellung und eine Kopfplatzwunde hinausging, konnte beim Kläger nicht festgestellt werden. Das vom Chirurgen Dr. L. veranlasste CT des Schädels vom 28.10.2002 ergab eine unauffällige Darstellung der intracerebralen Strukturen. Es fand sich kein Hinweis auf eine Blutung oder einen Kontusionsschaden. Ödem- und Frakturzeichen waren ebenfalls nicht vorhanden. Das vom Neurologen Dr. B. veranlasste MRT des Neuro-craniums vom 26.11.2002 ergab ebenfalls einen unauffälligen Befund.

Ferner stellt der Senat aufgrund der Angaben von Dr. L. im Zwischenbericht vom 28.10.2002 und von Dr. B. im Bericht vom 25.11.2002 fest, dass beim Kläger nach dem Arbeitsunfall vom 10.10.2002 ein Tremor der rechten Hand aufgetreten ist. Für die Behauptung des Klägers, der Tremor sei unmittelbar nach dem Arbeitsunfall, und nicht erst eineinhalb bis zwei Wochen danach, aufgetreten, findet sich kein Anhalt. Denn in den Berichten von Dr. L. und Dr. B. vom 17.10.2002 werden die vom Kläger angegebenen Beschwerden: pfeifendes Ohrgeräusch links, erhebliche Schwindelsymptomatik, Druckgefühl, Übelkeit wiedergegeben, aber kein Tremor genannt und bei der neurologischen Untersuchung auch nicht festgestellt. Vielmehr werden - wie Prof. Dr. M. zu Recht ausführt - Zitteranfälle neben Nervosität und Unruhe erstmals im Zwischenbericht von Dr. L. vom 28.10.2002 genannt. Dies spricht gegen eine früheres Vorliegen ebenso wie die Angaben von Dr. B. im Bericht vom 25.11.2002. Letztlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Tremor umgehend nach dem Arbeitsunfall oder erst anderthalb bis zwei Wochen danach aufgetreten ist.

Bei dem Tremor der rechten Hand handelt es sich um einen psychogenen Tremor. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund des Gutachtens des Neurologen Prof. Dr. M. vom 1.4.2009 nebst ergänzender Stellungnahme vom 26.5.2009 sowie der Arztbriefe der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum S.-H. vom 10.8., 17.9., 4.11. und 13.12.2004 sowie 27.1., 15.4. und 19.4.2005, den unauffälligen CT-Befunden des Schädels vom 28.10.2002 und des MRT-Befundes des Neurocraniums vom 26.11.2002, des Entlassungsberichts der Kliniken S. vom 5.6.2009 sowie des Gutachtens der Neurologin und Psychiaterin Dr. S. vom 13.11.2009. Trotz wiederholter sowie umfangreicher diagnostischer Untersuchungen, die alle relevanten körperlichen Ursachen eines Tremors abdeckten, konnte kein Hinweis auf eine somatische Genese des Tremors gefunden werden. Ferner spricht für die Diagnose eines psychogenen Tremors, dass die Symptome abrupt nach einem vorausgegangenen leichten Trauma (Arbeitsunfall vom 10.10.2002 ohne gravierende körperliche Schädigung) aufgetreten sind und schnell ihren klinischen Höhepunkt mit konsekutiver Behinderung erreicht haben. Zudem ist beim Kläger als Rechtshänder die dominante Hand isoliert betroffen, während bei somatischen Tremorformen eine Ausprägung an beiden Extremitäten zu erwarten ist. Auch die fehlende therapeutische Ansprechbarkeit trotz multimodalen Therapieansatzes spricht für die psychische Genese des Tremors, wie insbesondere Prof. Dr. M. für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat.

Der psychogene Tremor ist nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 10.10.2002 bzw. die dabei erlittene Kopfplatzwunde mit Schädelprellung zurückzuführen. Eine substanzielle Schädigung des Gehirns hat der Kläger beim Unfall nicht erlitten. Vielmehr wurde eine solche durch die bildgebende Diagnostik und weitere radiologische Zusatzuntersuchungen (DAT-Scan) sowie die klinisch-neurologischen und elektrophysiologischen Untersuchungen ausgeschlossen. Dementsprechend haben die Ärzte der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums S.-H. in den Arztbriefen vom 10.8. und 17.9.2004, 27.1.2005 und 19.4.2005 auch einen Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 10.10.2002 und dem Tremor für unwahrscheinlich gehalten. Ein sog. Erstschaden, der als ursächlich für den Tremor in Betracht kommen könnte, ist damit schon nicht nachgewiesen. Weder Prof. Dr. M. noch Dr. S.oder ein sonstiger Arzt haben behauptet, dass eine Schädelprellung mit Kopfplatzwunde als Ursache für einen psychogenen Tremor in Betracht kommt. Selbst Dr. Frühmark, der einen Kausalzusammenhang zwischen Arbeitsunfall und Tremor der rechten Hand aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs bejaht, vermochte keinen erklärenden Pathomechanismus zu benennen, und erst recht nicht eine hierfür sprechende herrschende medizinische Lehrmeinung.

Für den Senat nachvollziehbar hat Dr. S. vielmehr dargelegt, dass es beim Kläger nach einem Bagatelltrauma zu einer psychischen Fehlentwicklung gekommen ist. Bei dem Kläger handelt es sich um eine narzisstisch depressive Persönlichkeit, die nach der Schädelprellung und den danach auftretenden Konflikten am Arbeitsplatz entgleist ist. Es entwickelte sich eine narzisstische Kränkung, die darauf zurückzuführen ist, dass nicht anerkannt wurde, dass der Arbeitsunfall auf eine Vernachlässigung von Sicherheitsmaßnahmen zurückzuführen ist, dass der Kläger aus seiner Sicht minderwertige Tätigkeiten hat ausführen müssen und sich dem Vorwurf von Simulation und Schmarotzertum ausgesetzt gesehen hat und sich somit insgesamt von seinem Arbeitgeber bzw. Betrieb nicht hinreichend unterstützt fühlte. Diese im Wesentlichen persönlichkeitsbedingte Fehlentwicklung, die ursächlich für den psychogenen Tremor ist, ist nicht wesentlich ursächlich auf das Schädigungsereignis zurückzuführen.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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