Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 491/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Abänderungsantrag der Grundsicherungsbehörde - hier: Jobcenter -nach § 86 b Abs. 1 S. 4 SGG gegen eine vom Gericht zugesprochene und rechtskräftig gewordene einstweilige An-ordnung ist statthaft.
Ein Änderungsantrag nach § 86 b Abs. 1 S. 4 SGG hat in der Sache nur Erfolg, wenn eine geänderte Sach- oder Rechtslage eingetreten ist oder sich der Antragsteller auf ohne Verschulden nicht früher geltend gemachte Gründe berufen kann.
Ein Änderungsantrag nach § 86 b Abs. 1 S. 4 SGG hat in der Sache nur Erfolg, wenn eine geänderte Sach- oder Rechtslage eingetreten ist oder sich der Antragsteller auf ohne Verschulden nicht früher geltend gemachte Gründe berufen kann.
Die Verfahren S 4 AS 491/12 ER und S 4 AS 596/12 ER werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Das Verfahren wird unter dem Az. S 4 AS 491/12 ER fortgeführt. Der Antrag des Antragstellers, den Beschluss des Sozialgerichts Karlsru-he vom 29. November 2011 im Verfahren S 4 AS 4751/11 ER mit Wirkung zum 1. Februar 2012 abzuändern, wird abgelehnt. Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin nach Maßgabe des Beschlusses vom 29. November 2011 weiter nahtlos Arbeitslosengeld II zu gewähren. Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Der Antragsgegnerin wird antragsgemäß ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin G. als Prozessbevollmächtigte beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt mit Antrag vom 7. Februar 2012, den Beschlusses des Ge-richts vom 29. November 2011 im Verfahren S 4 AS 4751/11 ER mit Wirkung zum 1. Februar 2012 abzuändern. Mit diesem Beschluss hatte das Sozialgericht Karlsruhe den Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragsgegnerin vorläufig Arbeitslosengeld II (Regelleistung und Krankenversicherungsschutz) nach Maßgabe des SGB II in gesetzlicher Höhe vom 22. November 2011 bis zum Ablauf dem 31. Mai 2012 zu gewähren.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Die 1969 geborene Antragsgegnerin leidet an einer schweren Zwangserkrankung. Deswegen bezog sie nach Aktenlage zunächst ab April 2007 befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. Mit Bescheid vom 15. Juli 2010 lehnte die Deutsche Rentenversicherung es ab, die Rente weiterzugewähren, nachdem die Antragsgenerin wiederholt Vorladungen zur medizinischen Untersuchung nicht gefolgt war.
Auf Antrag der Antragsgegnerin vom 14. April 2010 gewährte der Antragsteller ihr mit Bescheid vom 10. August 2010 für den Monat August 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in monatlicher Höhe von 364 EUR (Regelleistung) zuzüglich Zahlung der Krankenversicherungsbeiträge. Mit Ladung ebenfalls vom 10. August 2010 forderte er die Antragsgegnerin unter Belehrung über die Rechtsfolgen des Fernbleibens auf, am 22. August 2010, 8:30 Uhr, in der Brauerstr. 10 in Karlsruhe einen Termin zur ambulanten arbeitsamtsärztlichen Untersuchung wahrzunehmen.
Die Antragstellerin erschien zur Untersuchung am 22. August 2010 ohne Angaben von Gründen nicht.
Auf den vorläufigen Rechtsschutzantrag der heutigen Antragsgegnerin und damaligen Antragstellerin vom 22. November 2011 gewährte ihr das Gericht mit Beschluss vom 29. November 2011 ab Antragstellung bis zum 31. Mai 2012 laufende Grundsi-cherungsleistungen nach dem SGB II mit folgender Begründung:
"Der Antragstellerin sind für die Zeit ab dem 22. November 2011 für die Dauer von sechs Monaten von der Antragsgegnerin Arbeitslosengeld II und die Beiträge für den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz in gesetzlicher Höhe nach Maßgabe des SGB II zu gewähren. Die Antragsgegnerin könnte sich in der Sache unter Umständen zwar zu Recht auf eine fehlende Mitwirkung bei der Antragstellerin bei der Sachverhaltsaufklärung - Klärung der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - berufen. Ungeachtet des Problems, ob der zwangserkrankten Antragstellerin die Wahrnehmung eines ambulanten Untersuchungstermins außerhalb ihrer Wohnung materiell-rechtlich zumutbar ist, scheitert die konkludente Leistungsversagung der Antragsgegnerin indes bereits aus formell rechtlichen Gründen. Denn die Antragsgegnerin hat es versäumt, den von ihr zunächst zutreffend eingeschlagenen Weg der Mitwirkungsaufforderung - Ladung der Antragstellerin zur arbeitsamtsärztlichen Untersuchung am 10. August für den 22. August 2010 unter zutreffender Belehrung über die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens - weiter zu verfolgen. Nach dem nicht entschuldigten Fernbleiben der Antragstellerin am 22. August 2010 wäre es nämlich an der Antragsgegnerin gewesen, daraus die Konsequenzen zu ziehen, und weitere Grundsicherungsleistungen mangels zumutbarer Mitwirkung gemäß § 66 SGB I durch rechtsförmlichen Bescheid zu versagen. Daran fehlt es. Der Antrag der Antragstellerin vom April 2010 auf Gewährung von Arbeitslosengeld II ist zu diesem Zeitpunkt in der Sache auch nur teilweise - nämlich für den Monat August 2010 - beschieden gewesen, harrt aber im Übrigen bis heute einer rechtsförmlichen Entscheidung durch die Antragsgegnerin. Bei lebensnaher Auslegung hat die Antragstellerin im April 2010 nämlich nicht nur für einen Monat, sondern für die Dauer eines gesetzlichen Bewilligungszeitraums - sechs Monate - laufende Leistungen der Antragsgegnerin beantragt."
Der Beschluss des Gerichts vom 29. November 2011 wurde rechtskräftig und der Antragsteller nahm die Leistungen auf.
2. Mit erneuter Ladung zur amtsärztlichen Untersuchung vom 13. Dezember 2011 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin abermals auf, sich am 3. Januar 2012 zur ambulanten gutachtlichen Untersuchung bei der Agentur für Arbeit in Karlsruhe vorzustellen. Die Antragsgegnerin erschien nicht; vielmehr legte sie dem Antragsteller am 4. Januar 2012 ein auf den 30. Dezember 2011 datierendes ärztliches Attest der Internistin K. vor. Darin hieß es, die Antragsgegnerin befinde sich in ihrer hausärztlichen Behandlung. Wegen Ängsten und Phobien könne die Antragsgegnerin derzeit weder öffentliche Gebäude betreten noch öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Eine psychiatrische Mitbehandlung sei eingeleitet. Die Antragsgegnerin könne sich bei öffentlichen Institutionen derzeit nicht vorstellen.
Mit Verfügung vom 30. Januar 2012 versagte der Antragsteller der Antragsgegnerin Arbeitslosengeld II mit Wirkung ab dem 1. Februar 2012 mangels Mitwirkung.
Am 7. Februar 2012 beantragt der Antragsteller (S 4 AS 491/12 ER) mit der Begrün-dung, die Sachlage habe sich infolge des erneuten unentschuldigten Fernbleibens der Antragsgegnerin zur am 3. Januar 2012 terminierten ambulanten arbeitsamtsärztlichen Untersuchung geändert,
den Beschluss des Gerichts vom 29. November 2011 mit Wirkung zum 1. Feb-ruar 2012 abzuändern und den Antrag der Antragsgegnerin auf laufende SGB II-Leistungen abzulehnen.
Die Antragsgegnerin beantragt am 14. Februar 2012 (S 4 AS 596/12 ER) unter Hinweis auf ein krankheitsbedingt entschuldigtes Fernbleiben zur arbeitsamtsärztlichen Untersuchung am 3. Januar 2012 der Sache nach,
den Abänderungsantrag abzulehnen und ihr weiter Arbeitslosengeld II zu ge-währen.
Die Behördenakte (2 Bände) liegt dem Gericht vor. Auf deren Inhalt und den Inhalt der Prozessakten (S 4 AS 491/12 ER und S 4 AS 4751/11 ER) wird Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Antragstellers ist nach § 86b Abs. 1 S. 4 SGG statthaft. Danach kann das angerufene Gericht der Hauptsache in einem neuen, selbständigen Verfahren (vgl. Keller, in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b, Rn. 20a) auf Antrag eines Beteiligten die von ihm am 29. November 2011 erlassene einstweilige Anordnung - eine Maßnahme im Sinn der Norm - jederzeit ändern oder aufheben.
1. Zu beachten ist indes, dass der Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG kein zusätz-liches Rechtsmittel darstellt; das Verfahren dient nicht in der Art eines Rechtsmittel-verfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung - hier der Beschluss des Sozialgerichts vom 29. November 2011 - formell und materiell rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2008, 2 VR 1/08, JURIS; ferner BVerwGE 80, 16; BFH, Beschluss vom 17. März 1999 X S 13/98, JURIS; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. Oktober 2007, L 4 B 583/07 KA ER, JURIS; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 2009, L 7 SO 5021/09 ER, JURIS). Im Rahmen des Abänderungsverfahrens kann mithin die Rechtskraft der zuvor ergangenen Entscheidung nicht außer Acht gelassen werden. Eine Abänderung nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG ist deshalb, obgleich sie "jederzeit", d.h. ohne Bindung an Fristen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 1999 - 11 B 74/99 - NVwZ 1999, 894; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage, § 80 Rn. 184; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn. 384), möglich ist, nicht völlig in das Belieben des Gerichts gestellt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 12. Juni 1996 - 10 Q 1293/95 - NVwZ-RR 1997, 446; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 1999 a.a.O.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. November 2004 - 1 M 287/04 - NVwZ-RR 2006, 365; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage, Rn. 1179). Eine Abänderungsbefugnis nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG besteht deshalb zunächst regelmäßig nur dann, wenn eine geänderte Sach- und Rechtslage eingetreten ist oder wenn der Beteiligte sich auf ohne Verschulden nicht früher geltend gemachte Gründe berufen kann (vgl. BFH, Beschluss vom 17. März 1999 a.a.O.). Darüber hinaus soll eine Änderung durch Anpassung an die Entwicklung der Hauptsache erfolgen können, wenn auf der Grundlage besserer Rechtserkenntnis und der darauf folgenden neuen Prozesslage ein Bedürfnis besteht (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 45; BVerwGE 80, 16; ferner Bundesver-fassungsgericht, Kammerbeschluss vom 19. April 1994 - 1 BvR 87/94 - (JURIS)). Ein bloßer Wandel in der Meinungsbildung - etwa infolge eines Wechsels in der Besetzung des Spruchkörpers oder in der Zuständigkeit des Gerichts - rechtfertigt für sich allein allerdings noch nicht eine Änderung der bisher getroffenen Entscheidung (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 45; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 1999 a.a.O.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O.); dem stünde schon der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit entgegen. Erschöpft sich ein Antrag im Wesentlichen in der Wiederholung früheren Vorbringens, so wird einem derartigen Antrag regelmäßig die Rechtskraft der früheren Entscheidung entgegenstehen (BVerwG Buchholz a.a.O.).
2. An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, sieht das Gericht keinen Anlass für eine Abänderung des Beschlusses vom 29. November 2011. Soweit sich der Antragsteller auf eine zu seinen Gunsten geänderte Sach- und Rechtslage infolge einer verweigerten zumutbaren Mitwirkungshandlung der Antragsgegnerin - betr. die Wahrnehmung eines Termins beim arbeitsamtsärztlichen Dienst am 3. Januar 2012 - bezieht, vermag das Gericht eine solche nicht zu erkennen. Denn die Antragsgegnerin hat ihr Fernbleiben zu diesem Termin durch am 4. Januar 2012 vorgelegtes und bereits am 30. Dezember 2011 ausgestelltes ärztliches Attest der Internistin K. hinreichend entschuldigt. Danach leidet die Antragsgegnerin an Ängsten und Phobien, die die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und das Betreten öffentlicher Gebäude gegenwärtig ausschließen; eine psychiatrische Mitbehandlung ist eingeleitet. Das Attest hat sich die Antragsgegnerin wohl infolge der Ladung des Antragstellers vom 13. Dezember 2011 ausstellen lassen. Aufgrund dieser neuen Sachlage, die im Übrigen an eine ältere Sachlage - den ab April 2007 dreijährigen Rentenbezug der Antragsgegnerin infolge Zwangserkrankung - nachvollziehbar anknüpft, hätte der Antragsteller aus dem Fernbleiben der Antragsgegnerin zum ambulanten Untersuchungstermin bei seinem arbeitsärztlichen Dienst am 3. Januar 2012 keine für sie negativen Schlüsse ziehen dürfen.
a. Soweit der Antragsteller meint, die Aussagen der Internisten K. im Attest vom 30. Dezember 2011 seien am 3. Januar 2012 bereits zeitlich überholt gewesen und ließen es nicht zu, daraus herzuleiten, es sei der Antragsgegnerin unzumutbar gewesen, den arbeitsärztlichen Termin wahrzunehmen, überspannt sie offensichtlich die Anforderungen an eine zumutbare Mitwirkung. Der Antragsteller ist insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den grundrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) - Leben und körperliche Unversehrtheit - bei anstehenden Vollstreckungsmaßnahmen, wie etwa einer Zwangsräumung der Wohnung (vgl. nur BVerfGE 52, 214, 220 und BVerfG-K 6, 5-13, Beschluss vom 27. Juni 2005, 1 BvR 224/05, JURIS Rn. 15), hinzuweisen, die das Gericht hier für analog anwendbar hält. Danach verpflichtet das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sämtliche staatliche Gewalt, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Die unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen ist. Vor allem haben die Vollstreckungsgerichte in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst ausgeschlossen werden. Dies kann es erfordern, dass Beweisangeboten des Schuldners hinsichtlich seines Vorbringens, ihm drohten bei einer Wohnungsräumung schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen, besonders sorgfältig nachgegangen wird. Es ist Aufgabe der staatlichen Organe, Grundrechtsverletzungen nach Möglichkeit auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist so durchzuführen, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird.
b. Dem entsprechend ist es hier am Antragsteller als Grundsicherungsbehörde, alles Erforderliche und Mögliche zu tun, um weitere Gesundheitsgefährdungen der An-tragsgegnerin zu minimieren. Dazu hätte es dem Antragsteller im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung von Amts wegen (§ 20 SGB X) oblegen, entweder zunächst nähere Auskünfte bei der Internistin K. (Befunde, Namen und Anschrift des oder der mit behandelnden Psychiaters/in etc.) einzuholen und/oder die Antragsgegnerin bei sich zuhause durch einen Psychiater ambulant untersuchen zu lassen. Erst wenn sich die Antragsgegnerin weigert, ihre behandelnden Ärzte gegenüber dem Antragsteller von der Schweigepflicht zu entbinden, oder sie einen Psychiater auch nach Terminankündigung nicht in ihre Wohnung lässt, wäre eine Leistungsversagung wegen verweigerter zumutbarer Mitwirkungshandlung nach § 66 SGB I in Erwägung zu ziehen. All dies wird der Antragsteller jetzt unverzüglich nachzuholen haben.
c. Das umgekehrte Vorgehen des Antragstellers, der Antragsgegnerin zunächst mit Bescheid vom 30. Januar 2012 ab dem 1. Februar 2012 jedwede Arbeitslosengeld-II-Leistung zu versagen und erst im Nachhinein - am 7. Februar 2012 - nach § 86b Abs. 1 S. 4 SGG zu beantragen, den rechtkräftigen Beschluss des Gerichts über die einstweilige Anordnung vom 29. November 2011 abzuändern, entbehrt jeder Grundlage. Der Antragsteller als Behörde ist nämlich nur befugt, eine Abänderung bei Gericht zu beantragen, da ihm selbst die Befugnis zur Entscheidung fehlt (vgl. nur Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O.; § 86b Rn. 20a). Bis das Gericht über den Abänderungsantrag entscheidet, bleibt es bei der Wirksamkeit der rechtskräftig gewordenen einstweiligen Anordnung, hier bei derjenigen vom 29. November 2011. Der Antragsteller kann zwar einen neuen Verwaltungsakt mit demselben Inhalt erlassen. Es ist ihm aber untersagt, diesen zu vollziehen, weil dies auf eine rechtsmissbräuchliche Umgehung des § 86b Abs. 1 S. 4 SGG (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 86b Rn. 19a m. N. der Rspr.), und damit auch auf eine Missachtung des Gerichts, hinausliefe. Der Antragsteller ist deshalb zur Vermeidung vollstreckungsrechtlicher Folgen gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG dringend gehalten, die Zahlung des Arbeitslosengeld II zugunsten der Antragsgegnerin entsprechend den Maßgaben im Beschluss des Gerichts vom 29. November 2011 umgehend wieder aufzunehmen und außerdem für den Monat Februar 2012 das Arbeitslosengeld II nachzuzahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Aus den oben genannten Gründen ist der nach den glaubhaften Angaben in ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27. Februar 2012 mittellosen Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu gewähren und Rechtsanwältin G. beizuordnen gewesen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt mit Antrag vom 7. Februar 2012, den Beschlusses des Ge-richts vom 29. November 2011 im Verfahren S 4 AS 4751/11 ER mit Wirkung zum 1. Februar 2012 abzuändern. Mit diesem Beschluss hatte das Sozialgericht Karlsruhe den Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragsgegnerin vorläufig Arbeitslosengeld II (Regelleistung und Krankenversicherungsschutz) nach Maßgabe des SGB II in gesetzlicher Höhe vom 22. November 2011 bis zum Ablauf dem 31. Mai 2012 zu gewähren.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Die 1969 geborene Antragsgegnerin leidet an einer schweren Zwangserkrankung. Deswegen bezog sie nach Aktenlage zunächst ab April 2007 befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. Mit Bescheid vom 15. Juli 2010 lehnte die Deutsche Rentenversicherung es ab, die Rente weiterzugewähren, nachdem die Antragsgenerin wiederholt Vorladungen zur medizinischen Untersuchung nicht gefolgt war.
Auf Antrag der Antragsgegnerin vom 14. April 2010 gewährte der Antragsteller ihr mit Bescheid vom 10. August 2010 für den Monat August 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in monatlicher Höhe von 364 EUR (Regelleistung) zuzüglich Zahlung der Krankenversicherungsbeiträge. Mit Ladung ebenfalls vom 10. August 2010 forderte er die Antragsgegnerin unter Belehrung über die Rechtsfolgen des Fernbleibens auf, am 22. August 2010, 8:30 Uhr, in der Brauerstr. 10 in Karlsruhe einen Termin zur ambulanten arbeitsamtsärztlichen Untersuchung wahrzunehmen.
Die Antragstellerin erschien zur Untersuchung am 22. August 2010 ohne Angaben von Gründen nicht.
Auf den vorläufigen Rechtsschutzantrag der heutigen Antragsgegnerin und damaligen Antragstellerin vom 22. November 2011 gewährte ihr das Gericht mit Beschluss vom 29. November 2011 ab Antragstellung bis zum 31. Mai 2012 laufende Grundsi-cherungsleistungen nach dem SGB II mit folgender Begründung:
"Der Antragstellerin sind für die Zeit ab dem 22. November 2011 für die Dauer von sechs Monaten von der Antragsgegnerin Arbeitslosengeld II und die Beiträge für den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz in gesetzlicher Höhe nach Maßgabe des SGB II zu gewähren. Die Antragsgegnerin könnte sich in der Sache unter Umständen zwar zu Recht auf eine fehlende Mitwirkung bei der Antragstellerin bei der Sachverhaltsaufklärung - Klärung der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - berufen. Ungeachtet des Problems, ob der zwangserkrankten Antragstellerin die Wahrnehmung eines ambulanten Untersuchungstermins außerhalb ihrer Wohnung materiell-rechtlich zumutbar ist, scheitert die konkludente Leistungsversagung der Antragsgegnerin indes bereits aus formell rechtlichen Gründen. Denn die Antragsgegnerin hat es versäumt, den von ihr zunächst zutreffend eingeschlagenen Weg der Mitwirkungsaufforderung - Ladung der Antragstellerin zur arbeitsamtsärztlichen Untersuchung am 10. August für den 22. August 2010 unter zutreffender Belehrung über die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens - weiter zu verfolgen. Nach dem nicht entschuldigten Fernbleiben der Antragstellerin am 22. August 2010 wäre es nämlich an der Antragsgegnerin gewesen, daraus die Konsequenzen zu ziehen, und weitere Grundsicherungsleistungen mangels zumutbarer Mitwirkung gemäß § 66 SGB I durch rechtsförmlichen Bescheid zu versagen. Daran fehlt es. Der Antrag der Antragstellerin vom April 2010 auf Gewährung von Arbeitslosengeld II ist zu diesem Zeitpunkt in der Sache auch nur teilweise - nämlich für den Monat August 2010 - beschieden gewesen, harrt aber im Übrigen bis heute einer rechtsförmlichen Entscheidung durch die Antragsgegnerin. Bei lebensnaher Auslegung hat die Antragstellerin im April 2010 nämlich nicht nur für einen Monat, sondern für die Dauer eines gesetzlichen Bewilligungszeitraums - sechs Monate - laufende Leistungen der Antragsgegnerin beantragt."
Der Beschluss des Gerichts vom 29. November 2011 wurde rechtskräftig und der Antragsteller nahm die Leistungen auf.
2. Mit erneuter Ladung zur amtsärztlichen Untersuchung vom 13. Dezember 2011 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin abermals auf, sich am 3. Januar 2012 zur ambulanten gutachtlichen Untersuchung bei der Agentur für Arbeit in Karlsruhe vorzustellen. Die Antragsgegnerin erschien nicht; vielmehr legte sie dem Antragsteller am 4. Januar 2012 ein auf den 30. Dezember 2011 datierendes ärztliches Attest der Internistin K. vor. Darin hieß es, die Antragsgegnerin befinde sich in ihrer hausärztlichen Behandlung. Wegen Ängsten und Phobien könne die Antragsgegnerin derzeit weder öffentliche Gebäude betreten noch öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Eine psychiatrische Mitbehandlung sei eingeleitet. Die Antragsgegnerin könne sich bei öffentlichen Institutionen derzeit nicht vorstellen.
Mit Verfügung vom 30. Januar 2012 versagte der Antragsteller der Antragsgegnerin Arbeitslosengeld II mit Wirkung ab dem 1. Februar 2012 mangels Mitwirkung.
Am 7. Februar 2012 beantragt der Antragsteller (S 4 AS 491/12 ER) mit der Begrün-dung, die Sachlage habe sich infolge des erneuten unentschuldigten Fernbleibens der Antragsgegnerin zur am 3. Januar 2012 terminierten ambulanten arbeitsamtsärztlichen Untersuchung geändert,
den Beschluss des Gerichts vom 29. November 2011 mit Wirkung zum 1. Feb-ruar 2012 abzuändern und den Antrag der Antragsgegnerin auf laufende SGB II-Leistungen abzulehnen.
Die Antragsgegnerin beantragt am 14. Februar 2012 (S 4 AS 596/12 ER) unter Hinweis auf ein krankheitsbedingt entschuldigtes Fernbleiben zur arbeitsamtsärztlichen Untersuchung am 3. Januar 2012 der Sache nach,
den Abänderungsantrag abzulehnen und ihr weiter Arbeitslosengeld II zu ge-währen.
Die Behördenakte (2 Bände) liegt dem Gericht vor. Auf deren Inhalt und den Inhalt der Prozessakten (S 4 AS 491/12 ER und S 4 AS 4751/11 ER) wird Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Antragstellers ist nach § 86b Abs. 1 S. 4 SGG statthaft. Danach kann das angerufene Gericht der Hauptsache in einem neuen, selbständigen Verfahren (vgl. Keller, in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b, Rn. 20a) auf Antrag eines Beteiligten die von ihm am 29. November 2011 erlassene einstweilige Anordnung - eine Maßnahme im Sinn der Norm - jederzeit ändern oder aufheben.
1. Zu beachten ist indes, dass der Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG kein zusätz-liches Rechtsmittel darstellt; das Verfahren dient nicht in der Art eines Rechtsmittel-verfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung - hier der Beschluss des Sozialgerichts vom 29. November 2011 - formell und materiell rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2008, 2 VR 1/08, JURIS; ferner BVerwGE 80, 16; BFH, Beschluss vom 17. März 1999 X S 13/98, JURIS; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. Oktober 2007, L 4 B 583/07 KA ER, JURIS; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 2009, L 7 SO 5021/09 ER, JURIS). Im Rahmen des Abänderungsverfahrens kann mithin die Rechtskraft der zuvor ergangenen Entscheidung nicht außer Acht gelassen werden. Eine Abänderung nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG ist deshalb, obgleich sie "jederzeit", d.h. ohne Bindung an Fristen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 1999 - 11 B 74/99 - NVwZ 1999, 894; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage, § 80 Rn. 184; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn. 384), möglich ist, nicht völlig in das Belieben des Gerichts gestellt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 12. Juni 1996 - 10 Q 1293/95 - NVwZ-RR 1997, 446; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 1999 a.a.O.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. November 2004 - 1 M 287/04 - NVwZ-RR 2006, 365; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage, Rn. 1179). Eine Abänderungsbefugnis nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG besteht deshalb zunächst regelmäßig nur dann, wenn eine geänderte Sach- und Rechtslage eingetreten ist oder wenn der Beteiligte sich auf ohne Verschulden nicht früher geltend gemachte Gründe berufen kann (vgl. BFH, Beschluss vom 17. März 1999 a.a.O.). Darüber hinaus soll eine Änderung durch Anpassung an die Entwicklung der Hauptsache erfolgen können, wenn auf der Grundlage besserer Rechtserkenntnis und der darauf folgenden neuen Prozesslage ein Bedürfnis besteht (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 45; BVerwGE 80, 16; ferner Bundesver-fassungsgericht, Kammerbeschluss vom 19. April 1994 - 1 BvR 87/94 - (JURIS)). Ein bloßer Wandel in der Meinungsbildung - etwa infolge eines Wechsels in der Besetzung des Spruchkörpers oder in der Zuständigkeit des Gerichts - rechtfertigt für sich allein allerdings noch nicht eine Änderung der bisher getroffenen Entscheidung (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 45; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 1999 a.a.O.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O.); dem stünde schon der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit entgegen. Erschöpft sich ein Antrag im Wesentlichen in der Wiederholung früheren Vorbringens, so wird einem derartigen Antrag regelmäßig die Rechtskraft der früheren Entscheidung entgegenstehen (BVerwG Buchholz a.a.O.).
2. An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, sieht das Gericht keinen Anlass für eine Abänderung des Beschlusses vom 29. November 2011. Soweit sich der Antragsteller auf eine zu seinen Gunsten geänderte Sach- und Rechtslage infolge einer verweigerten zumutbaren Mitwirkungshandlung der Antragsgegnerin - betr. die Wahrnehmung eines Termins beim arbeitsamtsärztlichen Dienst am 3. Januar 2012 - bezieht, vermag das Gericht eine solche nicht zu erkennen. Denn die Antragsgegnerin hat ihr Fernbleiben zu diesem Termin durch am 4. Januar 2012 vorgelegtes und bereits am 30. Dezember 2011 ausgestelltes ärztliches Attest der Internistin K. hinreichend entschuldigt. Danach leidet die Antragsgegnerin an Ängsten und Phobien, die die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und das Betreten öffentlicher Gebäude gegenwärtig ausschließen; eine psychiatrische Mitbehandlung ist eingeleitet. Das Attest hat sich die Antragsgegnerin wohl infolge der Ladung des Antragstellers vom 13. Dezember 2011 ausstellen lassen. Aufgrund dieser neuen Sachlage, die im Übrigen an eine ältere Sachlage - den ab April 2007 dreijährigen Rentenbezug der Antragsgegnerin infolge Zwangserkrankung - nachvollziehbar anknüpft, hätte der Antragsteller aus dem Fernbleiben der Antragsgegnerin zum ambulanten Untersuchungstermin bei seinem arbeitsärztlichen Dienst am 3. Januar 2012 keine für sie negativen Schlüsse ziehen dürfen.
a. Soweit der Antragsteller meint, die Aussagen der Internisten K. im Attest vom 30. Dezember 2011 seien am 3. Januar 2012 bereits zeitlich überholt gewesen und ließen es nicht zu, daraus herzuleiten, es sei der Antragsgegnerin unzumutbar gewesen, den arbeitsärztlichen Termin wahrzunehmen, überspannt sie offensichtlich die Anforderungen an eine zumutbare Mitwirkung. Der Antragsteller ist insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den grundrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) - Leben und körperliche Unversehrtheit - bei anstehenden Vollstreckungsmaßnahmen, wie etwa einer Zwangsräumung der Wohnung (vgl. nur BVerfGE 52, 214, 220 und BVerfG-K 6, 5-13, Beschluss vom 27. Juni 2005, 1 BvR 224/05, JURIS Rn. 15), hinzuweisen, die das Gericht hier für analog anwendbar hält. Danach verpflichtet das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sämtliche staatliche Gewalt, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Die unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen ist. Vor allem haben die Vollstreckungsgerichte in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst ausgeschlossen werden. Dies kann es erfordern, dass Beweisangeboten des Schuldners hinsichtlich seines Vorbringens, ihm drohten bei einer Wohnungsräumung schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen, besonders sorgfältig nachgegangen wird. Es ist Aufgabe der staatlichen Organe, Grundrechtsverletzungen nach Möglichkeit auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist so durchzuführen, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird.
b. Dem entsprechend ist es hier am Antragsteller als Grundsicherungsbehörde, alles Erforderliche und Mögliche zu tun, um weitere Gesundheitsgefährdungen der An-tragsgegnerin zu minimieren. Dazu hätte es dem Antragsteller im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung von Amts wegen (§ 20 SGB X) oblegen, entweder zunächst nähere Auskünfte bei der Internistin K. (Befunde, Namen und Anschrift des oder der mit behandelnden Psychiaters/in etc.) einzuholen und/oder die Antragsgegnerin bei sich zuhause durch einen Psychiater ambulant untersuchen zu lassen. Erst wenn sich die Antragsgegnerin weigert, ihre behandelnden Ärzte gegenüber dem Antragsteller von der Schweigepflicht zu entbinden, oder sie einen Psychiater auch nach Terminankündigung nicht in ihre Wohnung lässt, wäre eine Leistungsversagung wegen verweigerter zumutbarer Mitwirkungshandlung nach § 66 SGB I in Erwägung zu ziehen. All dies wird der Antragsteller jetzt unverzüglich nachzuholen haben.
c. Das umgekehrte Vorgehen des Antragstellers, der Antragsgegnerin zunächst mit Bescheid vom 30. Januar 2012 ab dem 1. Februar 2012 jedwede Arbeitslosengeld-II-Leistung zu versagen und erst im Nachhinein - am 7. Februar 2012 - nach § 86b Abs. 1 S. 4 SGG zu beantragen, den rechtkräftigen Beschluss des Gerichts über die einstweilige Anordnung vom 29. November 2011 abzuändern, entbehrt jeder Grundlage. Der Antragsteller als Behörde ist nämlich nur befugt, eine Abänderung bei Gericht zu beantragen, da ihm selbst die Befugnis zur Entscheidung fehlt (vgl. nur Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O.; § 86b Rn. 20a). Bis das Gericht über den Abänderungsantrag entscheidet, bleibt es bei der Wirksamkeit der rechtskräftig gewordenen einstweiligen Anordnung, hier bei derjenigen vom 29. November 2011. Der Antragsteller kann zwar einen neuen Verwaltungsakt mit demselben Inhalt erlassen. Es ist ihm aber untersagt, diesen zu vollziehen, weil dies auf eine rechtsmissbräuchliche Umgehung des § 86b Abs. 1 S. 4 SGG (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 86b Rn. 19a m. N. der Rspr.), und damit auch auf eine Missachtung des Gerichts, hinausliefe. Der Antragsteller ist deshalb zur Vermeidung vollstreckungsrechtlicher Folgen gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG dringend gehalten, die Zahlung des Arbeitslosengeld II zugunsten der Antragsgegnerin entsprechend den Maßgaben im Beschluss des Gerichts vom 29. November 2011 umgehend wieder aufzunehmen und außerdem für den Monat Februar 2012 das Arbeitslosengeld II nachzuzahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Aus den oben genannten Gründen ist der nach den glaubhaften Angaben in ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27. Februar 2012 mittellosen Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu gewähren und Rechtsanwältin G. beizuordnen gewesen.
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