L 3 AS 828/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 6038/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 828/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2008 abgeändert.
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 15. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. September 2005 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 13. Juli 2005 bis zum 30. September 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von EUR 556,90 (Euro fünfhundertsechsundfünfzig 90/100) zu zahlen.

Die Berufung der Klägerin wird im Übrigen, die Berufung des Klägers im Ganzen zurückgewiesen.

Der Beklagte erstattet der Klägerin 1/10 (ein Zehntel) ihrer außergerichtlichen Kosten beider Instanzen. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Sie streiten vor allem darum, ob von der Verletztenrente, die der Kläger bezieht, ein Teil anrechnungsfrei bleiben muss, unter andrerem der Teil, der einer Grundrente nach dem Versorgungsrecht entspricht.

Der am 13.09.1940 geborene Kläger und die am 14.08.1948 geborene Klägerin sind miteinander verheiratet.

Der Kläger wurde am 30.07.1996 im Rahmen seiner Berufstätigkeit Opfer eines Gewaltverbrechens. Er wurde niedergeschossen und lag längere Zeit im Koma. Er hat erhebliche dauerhafte Verletzungen davongetragen.

1. Der Träger der Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) und dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), der Freistaat Sachsen, erkannte erstmals mit Vorbehalts-Bescheid vom 26.11.1997 des Versorgungsamts Chemnitz das Attentat als Gewalttat nach dem OEG und mehrere Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers als Folgen dieser Tat an. Ferner stellte er eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE, heute: Grad der Schädigungsfolgen, GdS) von 100 v.H. fest und gewährte ab dem 01.07.1996 Grundrente nach einer MdE von 100, Pflegezulage, Schwerstbeschädigtenzulage und Ausgleichsrente in Höhe der Hälfte einer vollen Rente. Mit Bescheid vom 27.11.1998 wurden unter Aufhebung des Vorbehalts-Bescheids die bisherigen und weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge des Attentats anerkannt und die bisherigen Leistungen sowie ab Juli 1997 zusätzlich Kinderzuschlag und Ehegattenzuschlag gewährt. In der Folgezeit ergingen weitere Bescheide des Versorgungsamts. Einige Leistungen des Versorgungsamts wurden später angehoben, unter anderem - auf Grund eines Urteils des 8. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 18.05.2005 (L 8 VG 1018/04) - die Pflegezulage. Die Entscheidung des Versorgungsamts über die Bewilligung von Berufsschadensausgleich verzögerte sich.

Im Jahre 2000 erkannte die zuständige Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, die damalige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (im Folgenden: BG), das Attentat vom 30.07.1996 als Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) an. Sie gewährte mit Bescheid vom 01.12.2000 zunächst Pflegegeld rückwirkend ab dem 14.03.1997. Mit Bescheid vom 03.04.2001 gewährte die BG - auch - eine Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. ab dem 27.01.1998, wobei der monatliche Zahlbetrag ab Juli 2000 DM 2.037,36 betrug.

Bereits nach der Bewilligung des Pflegegeldes und erneut nach der Bewilligung der Verletztenrente machte das Versorgungsamt Erstattungsansprüche gegen die BG geltend, die auch befriedigt wurden. Mit entsprechenden Bescheiden - zunächst vom 17.01.2001 und sodann vom 12.04.2001 - teilte das Versorgungsamt dem Kläger mit dass die Leistungen der BG nach § 65 BVG auf die Leistungen nach dem Versorgungsrecht angerechnet würden. Die Verletztenrente werde konkret auf die Grundrente, die Schwerstbeschädigtenzulage, die Ausgleichsrente und den Ehegattenzuschlag angerechnet. Nachdem diese Leistungen nach dem BVG bei zusammen DM 2.543,00 lägen und hierauf die Verletztenrente mit DM 2.037,00 anzurechnen sei, ergebe sich nur noch ein Anspruch von DM 506,00 monatlich.

Der Kläger erhob Widerspruch gegen die beiden Bescheide des Versorgungsamts über die Anrechnung der Verletztenrente auf die Leistungen nach dem BVG, den das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2001 zurückwies. Klage wurde zunächst nicht erhoben. Jedoch beantragte der Kläger wegen der Anrechnung unter dem 25.10.2001 Überprüfung. Er trug vor, die Grundrente nach dem BVG sei unantastbar und dürfe nicht entzogen werden, weil sie für ein Sonderopfer gewährt werde und auch eine immaterielle Komponente enthalte. Die Anrechnungsvorschrift des § 65 BVG sei insoweit verfassungswidrig. Dieser Überprüfungsantrag wurde abgelehnt, ebenso wie ein weiterer entsprechender Überprüfungsantrag vom 10.09.2008 (Bescheid vom 17.04.2009). Wegen der Anrechnung der Verletztenrente nach dem SGB VII auf die Leistungen nach dem OEG/BVG und wegen weiterer Ansprüche schweben zwischen dem Kläger und dem Freistaat Sachsen mehrere gerichtliche Verfahren, darunter zurzeit drei Berufungsverfahren vor dem 6. Senat des LSG.

Mit Bescheid vom 30.09.2005 entschied das Versorgungsamt Chemnitz über die Ansprüche des Klägers nach dem BVG bis 31.12.2001. Für den letzten Teil dieses Zeitraums - ab Juli 2001 - bewilligte es dem Kläger neben der Grundrente die Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V, eine Pflegezulage nach Stufe II, eine volle Ausgleichsrente, einen Ehegattenzuschlag in voller Höhe und einen Berufsschadensausgleich von zuletzt DM 3.580,00 (EUR 1.830,45). Kinderzuschläge wurden nicht mehr bewilligt. Für den Zeitraum ab Juli 2001 ergab sich ein Auszahlungsbetrag von DM 991,00, nachdem die Ansprüche nach dem OEG in Höhe der Leistungen der BG von zusammen DM 6.512,00 ruhten.

2. Am 13.07.2005 beantragten beide Kläger bei dem Beklagten, dem für ihren damaligen Wohnort zuständigen Jobcenter, Leistungen nach dem SGB II. Zu diesem Zeitpunkt bezog der Kläger von der BG Verletztenrente von EUR 3.014,98 und Pflegegeld von EUR 818,38 monatlich. Er gab an, keine weiteren Einkünfte zu haben. Er teilte ferner mit, er sei nicht in der Lage, wenigstens drei Stunden arbeitstäglich erwerbstätig zu sein. Für seine private Krankenversicherung bezahlte der Kläger monatlich EUR 587,27. Die Klägerin war zu Lasten des Freistaats Sachsen nach den Regelungen des BVG als Betreute Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung. Daneben bestand eine private Krankenzusatzversicherung für EUR 213,48 monatlich. Einkommen bezog die Klägerin nicht. Die Kläger bewohnten im Wesentlichen eine Eigentumswohnung, nutzten aber eine weitere eigene Wohnung in demselben Haus mit, wobei ein Zimmer jener Wohnung als Archiv genutzt wurde. Für die Wohnungen mussten sie monatlich Schuldzinsen von EUR 386,80 an die Kreissparkasse und EUR 740,00 an eine Bausparkasse zahlen. Die Grundsteuer für die überwiegend bewohnte Wohnung betrug jährlich EUR 175,23 bzw. monatlich EUR 14,60. Die Vorauszahlungen auf die Nebenkosten inklusive Heizung und Warmwasser betrugen EUR 160,00 monatlich.

Mit einem an beiden Kläger gerichteten Bescheid vom 15.07.2005 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Einem monatlichen Bedarf von EUR 2.482,27 (Regelbedarf zusammen EUR 622,00; Krankenversicherung des Klägers EUR 587,27; Unterkunft EUR 1.126,00, Nebenkosten EUR 147,00 [EUR 160,00 abzüglich der Wassererhitzungspauschale]) stehe ein Einkommen von EUR 2.984,98 gegenüber, nämlich die Verletztenrente von EUR 3.014,98 abzüglich der Versicherungspauschale von EUR 30,00).

Die Kläger erhoben am 25.07.2005 Widerspruch und trugen vor, in der Verletztenrente seien - auch nach Auskünften des Versorgungsamts Chemnitz - sämtliche Leistungen nach dem OEG enthalten. Diese dürften nicht als Einkommen auf andere Sozialleistungen angerechnet werden. Sie müssten daher von der Verletztenrente abgesetzt werden.

Der Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 02.09.2005. Die Verletztenrente sei vollen Umfangs anrechenbares Einkommen. Sie sei keine anrechnungsfreie Grundrente nach dem BVG und auch keine zweckbestimmte Einnahme.

3. Mit Bescheid vom 28.12.2005 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Kläger ab dem 01.10.2005 Regelaltersrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von EUR 520,96. Daraufhin senkte die BG die Verletztenrente ab Oktober 2005 auf EUR 2.740,89 monatlich ab. Das Pflegegeld blieb unverändert. Die Altersrente wurde ab dem 01.07.2007 auf monatlich EUR 546,79 angehoben, die Verletztenrente ebenfalls ab Juli 2007 auf EUR 2.755,89 erhöht. Die Pflegezulage stieg ab Juli 2007 auf monatlich EUR 822,80.

Mit Bescheid vom 09.08.2006 entschied das Versorgungsamt über die Ansprüche des Klägers nach dem BVG und ihr Ruhen für die Zeit ab dem 01.01.2002. Für den in diesem Prozess streitigen Zeitraum ab Juli 2005 ergaben sich für Juli und August 2005 Nachzahlungen von EUR 510,00, für September eine Nachzahlung von EUR 547,00 und ab Oktober keine Nachzahlungen mehr. Die Nachzahlungen wurden "wegen eventueller Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger und auf Grund der von Ihnen (dem Kläger) am 08.08.2005 erklärten Abtretung zur Tilgung eines Darlehens" zunächst einbehalten. Hintergrund war ein im Sommer 2005 gewährtes Darlehen des Freistaats Sachsen an den Kläger zur Tilgung aufgelaufener Schulden im Hinblick auf die Finanzierung der Eigentumswohnungen.

4. Am 21.09.2005 haben die Kläger gegen das beklagte Jobcenter Klage zum SG erhoben. Sie haben geltend gemacht, die Verletztenrente sei insgesamt oder zumindest teilweise, nämlich zumindest in Höhe der einkommensunabhängigen Leistungen nach dem BVG, mindestens aber in Höhe der Grundrente, nicht als anrechenbares Einkommen einzustufen. In dem Erörterungstermin am 20.11.2007 haben die Kläger mitgeteilt, die eine ihrer Eigentumswohnungen sei bereits zwangsversteigert, bei der anderen stehe die Zwangsversteigerung unmittelbar bevor.

Mit Beschluss vom 21.11.2007 hat das SG den örtlichen Träger der Sozialhilfe zum Rechtsstreit beigeladen. Einem Antrag der Kläger, den Freistaat Sachsen beizuladen, kam das SG nicht nach.

Spätestens Ende 2007 zogen die Kläger aus dem Bezirk des Beklagten in einen anderen Landkreis. Bei jenem Landkreis, der sowohl örtlicher Sozialhilfeträger als auch zugelassener kommunaler Träger nach dem SGB II war, beantragten sie keine Leistungen.

3. Mit Urteil vom 16.01.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt:

a) Der Kläger habe schon aus persönlichen Gründen keine Ansprüche nach dem SGB II. Ab dem 13.09.2005 habe er die Altersgrenze von 65 Jahren überschritten. Schon zuvor sei er nach seinen eigenen, unstreitigen Angaben voll erwerbsgemindert gewesen. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestehe daher nicht. Ein Anspruch auf Sozialgeld scheitere daran, dass der Kläger wegen der Dauerhaftigkeit seiner vollen Erwerbsminderung bzw. wegen seines Alters einen vorrangigen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gegen den zuständigen Sozialhilfeträger habe.

b) Die Klägerin sei deshalb nicht nach dem SGB II anspruchsbefugt, weil sie nicht bedürftig sei. Das Einkommen des Klägers reiche aus, seinen und ihren Bedarf zu decken.

Die Verletztenrente sei vollen Umfangs anrechenbares Einkommen. Sie sei im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (a.F.). Weder selbst eine Grundrente nach dem BVG noch ordne das SGB VII eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BVG an. Mit jener Regelung, die nahezu wortgleich dem § 82 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) entspreche und auch schon im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) enthalten gewesen sei, habe der Gesetzgeber bewusst und gezielt nur die Grundrenten nach dem BVG und die vergleichbaren Renten nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) in Höhe der Grundrente von der Einkommensanrechnung ausgenommen. Dies schließe auch eine analoge Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II auf die Verletztenrente aus. Ferner sei die Verletztenrente keine zweckbestimmte Einnahme nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a SGB II (a.F.). Auch diese Regelung knüpfe nach dem gesetzgeberischen Willen an das bisherige Sozialhilferecht an. Sie solle zum einen die Vereitelung einer besondere Zweckbestimmung anderer Leistungen verhindern, zum anderen aber auch verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen gewährt würden. Eine Zweckbestimmung müsse sich daher eindeutig aus der jeweiligen gesetzlichen Vorschrift ergeben. Dies sei bei der Verletztenrente gerade nicht der Fall. Sie habe verschiedene Funktionen wie Einkommensersatz, Kompensation immaterieller Schäden und Mehrbedarfsausgleich. Trotzdem solle sie als Lohnersatz der Sicherstellung des Lebensunterhalts dienen. Damit bestehe eine Zweckidentität mit den Leistungen nach dem SGB II (und dem SGB XII).

Die Regelungen des § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB II und auch ihre Anwendung auf den konkreten Fall verletzten auch nicht das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot. Der Gesetzgeber habe bei der Gewährung von Sozialleistungen grundsätzlich einen weiten Spielraum. Klägerseits bestehe zwar eine Ungleichbehandlung, weil die Gewährung einer Verletztenrente zum Ruhen der Ansprüche nach dem OEG führe, andererseits die Verletztenrente jedoch - im Gegensatz zu den Leistungen nach dem OEG bzw. BVG - in voller Höhe nach dem SGB II bzw. dem SGB XII angerechnet werde. Hierfür bestehe jedoch ein sachlicher Rechtfertigungsgrund. Dieser liege in der Zweckrichtung der tatsächlich gewährten Leistung. Hierin unterscheide sich die Verletztenrente nach dem SGB VII erheblich und maßgeblich von den Leistungen nach dem OEG oder BVG. Es werde auch keine OEG-Leistung auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet, denn eine OEG-Leistung werde nicht gewährt. Das (verfassungsrechtliche) Problem liege allein in dem Verhältnis von SGB VII und OEG/BVG. Da die gesetzliche Regelung jedoch nicht zu beanstanden sei, liege im Verhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten und dem beigeladenen Sozialhilfeträger kein verfassungswidriges Ergebnis vor.

Die hiernach anzurechnende Verletztenrente des Klägers decke (auch) den Bedarf der Klägerin. Der Bedarf der Klägerin betrage EUR 961,90. Von der Verletztenrente des Klägers von EUR 3.014,98 seien die Kosten der Krankenversicherung von EUR 587,27 und die Versicherungspauschale von EUR 30,00 abzusetzen, mithin verblieben EUR 2.397,66. Hiervon sei zunächst der Bedarf des Klägers zu decken. Dieser umfasse EUR 311,00 Regelbedarf, EUR 650,90 für Unterkunft und Heizung sowie EUR 52,87 Mehrbedarf für gehbehinderte Menschen nach § 30 Abs. 1 SGB XII (zusammen EUR 1.014,77). Ein weiterer Mehrbedarf sei nicht vorgetragen und im Hinblick auf das zusätzlich gewährte Pflegegeld auch nicht ersichtlich. Es verbleibe somit ein den Bedarf des Klägers übersteigendes Einkommen von EUR 1.382,89. Hiervon könne der Bedarf der Klägerin bestritten werden; es verbleibe dann ein (weiterer) Einkommensüberhang von EUR 420,99.

c) Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung gegen den beigeladenen Sozialhilfeträger. Nach § 82 Abs. 1 SGB XII sei auch im Rahmen der Sozialhilfe die Verletztenrente in voller Höhe zu berücksichtigen.

6. Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 21.01.2008 zugestellte Urteil haben die Kläger am 20.02.2008 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Sie tragen vor, zwar treffe es zu, dass die Verletztenrente keine zweckbestimmte Einnahme nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a SGB II sei. Jedoch sei der Kläger auch anspruchsberechtigt nach dem OEG. Wäre er nur entschädigungsberechtigt nach dem OEG, würde die Grundrente nicht angerechnet. Weil er außerdem anspruchsberechtigt nach dem SGB VII sei, werde ihm dieser Freibetrag nicht zuerkannt. § 65 BVG sei eine reine Freizeichnungsklausel, der Staat stelle seine Leistungen zurück. Dies könne aber nicht dazu führen, dass ein Betroffener einen zweifachen Nachteil habe: die OEG-Entschädigung werde ihm vorenthalten und die Anrechnungsfreiheit der Grundrente werde ihm gleichfalls entzogen. Die besondere, ideelle Funktion der Grundrente nach dem BVG habe auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 14.03.2000 (1 BvR 284/96 und 1659/96) bestätigt. Diese Ungleichbehandlung könne nicht mit dem bloßen Hinweis auf einen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gerechtfertigt werden.

Auf Nachfrage des Senats nach der Höhe des aus ihrer Sicht anrechnungsfrei zu stellenden Einkommens tragen die Kläger vor, in der Verletztenrente seien (zurzeit) nach dem OEG eine Grundrente von EUR 624,00, ein Alterszuschlag für Über-65-Jährige von EUR 37,00, eine Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V von EUR 369,00 und eine halbe Ausgleichsrente von EUR 315,00, mithin zusammen EUR 1.315,00, enthalten. Diese Summe sei von der Verletztenrente abzusetzen.

Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens haben die Kläger auch darauf hingewiesen, dass nach anderen Regelungen des Sozialrechts wie § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV - Anrechnung der Verletztenrente auf Hinterbliebenenrenten) und § 93 Abs. 2 Nr. 2 lit. a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI - Anrechnung auf eigene Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung) bei der Anrechnung einer Verletztenrente nach dem SGB VII auf andere Sozialleistungen ein der Grundrente nach dem BVG entsprechender Anteil abzusetzen sei. Dies müsse auch bei der Anrechnung auf Leistungen nach dem SGB II gelten.

Zuletzt - mit Schriftsatz vom 19.04.2012 - haben die Kläger umfangreich zu den von ihnen angenommenen Zweckbestimmungen der einzelnen Leistungen nach dem OEG vorgetragen und ausgeführt, allein der Berufsschadensausgleich sei eine reine Einkommensersatzleistung, während insbesondere die Schwerstbeschädigtenzulage, aber auch die Pflegezulage, zumindest teilweise auch immaterielle Einbußen abgelten sollten und daher bei der Berechnung des anrechenbaren Einkommens nach dem SGB II nicht berücksichtigt werden dürften.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. September 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen ab dem 13. Juli 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen (SGB II und SGB XII) zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er führt aus, die Kläger könnten auch keine Leistungen nach dem SGB XII beanspruchen. Der Kläger sei nicht bedürftig, die Klägerin sei allenfalls - dem Grunde nach - anspruchsbefugt nach dem SGB II.

Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) Ravensburg - Insolvenzgericht - vom 23.03.2009 wurde über das Vermögen des Klägers ab jenem Tage, 14.00 Uhr, das Insolvenzverfahren eröffnet (5 IN 179/09). Mit Schriftsatz vom 29.05.2009 hat der Verwalter mit Zustimmung der Gläubigerversammlung die etwaigen Forderungen des Klägers, die Gegenstand dieses Rechtsstreits sind, freigegeben.

Der Berichterstatter des Senats hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Auf die Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung am 21.11.2011 wird verwiesen.

Die Beteiligten haben sich unter dem 11.01.2012 (Beklagter), 12.01.2012 (Beigeladener) und 21.01.2012 (beide Kläger) mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufungen beider Kläger, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit allen Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, sind zulässig. Insbesondere waren sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, nachdem die Kläger von dem Beklagten laufende Leistungen nach dem SGB II für mehr als ein Jahr verlangen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung des Klägers ist jedoch in vollem Umfang unbegründet (2), während auf die Berufung der Klägerin hin das angefochtene Urteil abzuändern und der Beklagte zu einer Leistungsgewährung in Höhe von EUR 556,90 zu verurteilen war (3).

2. Die Klage des Klägers hat das SG bereits unabhängig von der Frage, ob und in welcher Höhe seine Verletztenrente anrechenbares Einkommen darstellt, zu Recht abgewiesen:

Zwar ist die Klage zulässig und der Kläger konnte auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die Klage fortführen, nachdem der Verwalter die streitgegenständlichen Ansprüche gegen den Beklagten aus der Masse freigegeben hat (§ 85 Abs. 2 Insolvenzordnung [InsO]). Jedoch ist seine Klage nicht begründet.

Beide Kläger begehren in diesem Verfahren Leistungen allein von dem Beklagten. Sie haben zwar sowohl in der Klageschrift vom 20.09.2005 als auch in der Berufungsschrift vom 20.02.2008 eine Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von "Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII" beantragt. Aber sie haben diesen Antrag durchgängig allein gegen die Beklagte, nicht gegen den Beigeladenen, gerichtet. Der Antrag ist auch nicht so auszulegen, dass er hilfsweise auch gegen den Beigeladenen gerichtet wäre. Sowohl die Klageschrift als auch die Berufung hat ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter formuliert. Außerdem hat der Bevollmächtigte in der Berufungsschrift an seinem erstinstanzlichen Antrag festgehalten, obwohl aus dem Urteil des SG deutlich hervorging, dass Ansprüche nach dem SGB XII nur gegen den Beigeladenen bestehen können. Ansprüche gegen den Beigeladenen sind daher nicht Gegenstand des Rechtsstreits, sodass eine Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG ausscheidet.

Ansprüche nach dem SGB XII kann der Kläger gegen den Beklagten schon deswegen nicht haben, weil nicht dieser, sondern der Beigeladene Träger der Leistungen nach dem SGB XII, insbesondere der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, ist. Es fehlt an der Passivlegitimation des Beklagten.

Ansprüche nach dem SGB II gegen den Beklagten standen dem Kläger im Streitzeitraum bereits aus persönlichen Gründen nicht zu. Ab dem 13.09.2005 war der Kläger 65 Jahre alt und überschritt damit die damals maßgebliche Altersgrenze nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. In der Zeit zuvor zwischen der Antragstellung am 13.07.2005 und dem Geburtstag - und auch weiterhin - stand einem Anspruch entgegen, dass der Kläger dauerhaft voll erwerbsgemindert war und deshalb von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen war. Arbeitslosengeld II konnte der Kläger nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB II schon deshalb nicht verlangen, weil er voll erwerbsgemindert war. Und ein Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. stand ihm deshalb nicht zu, weil seine volle Erwerbsminderung dauerhaft war und er daher - allein - Ansprüche auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII innehaben konnte. Auf eine dauerhafte volle Erwerbsminderung hat sich der Kläger sowohl in diesem Verfahren gegenüber dem Beklagten als auch regelmäßig gegenüber der sächsischen Versorgungsverwaltung sowie der BG berufen. Die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, die versorgungs- und unfallversicherungsrechtlich einen GdS bzw. eine MdE von 100 v.H. bedingen, ergeben auch deutlich, dass der Kläger tatsächlich bereits 2005 dauerhaft voll erwerbsgemindert war.

Ab seinem Wegzug aus dem Bezirk des Beklagten Ende 2007 konnte der Kläger ferner wegen der Zuständigkeitsregelung in § 36 Sätze 1 und 2 SGB II keine Ansprüche gegen den Beklagten (oder den Beigeladenen) mehr geltend machen. Etwaige Ansprüche gegen den zuständigen Träger der Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII an dem neuen Wohnort sind nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

3. Dagegen ist die Klage der Klägerin zu einem geringen Teil begründet.

a) Bei ihr fehlte es nicht an den persönlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II. Sie war unter 65 Jahre alt und erwerbsfähig. Erst ab ihrem Wegzug aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten Ende 2007 stand ihren etwaigen Ansprüchen ebenfalls § 36 SGB II entgegen.

b) Für die Zeit von der Antragstellung am 13.07.2005 (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F.) bis zum 30.09.2005 war die Klägerin außerdem hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 und 3 SGB II a.F.

aa) Von der Verletztenrente des Klägers, die ggfs. nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ein Teil auf den Bedarf der Klägerin überhing, war unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Erwägungen ein Teil anrechnungsfrei, nämlich der Teil, der einer Grundrente nach § 31 BVG bei entsprechendem GdS entspricht, also zunächst EUR 621,00 und ab September 2005 EUR 658,00 monatlich:

(1) Diese anteilige Anrechnungsfreiheit ergibt sich allerdings nicht aus § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II a.F. Die genannte Norm privilegiert ausdrücklich nur die Grundrente nach dem BVG selbst und nach Gesetzen, die das BVG für anwendbar erklären. Zu diesen gehört auch das OEG, das im Falle des Klägers Grundlage seiner Ansprüche auf Grundrente war. Ebenso privilegiert sind die Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Zu diesen Leistungen gehört die Verletztenrente nach den §§ 56 ff. SGB VII nicht. Dass der Gesetzgeber des SGB II diese Regelung bewusst aus dem früheren BSHG übernommen hatte und bereits dort die Rechtsprechung entschieden hatte, dass die Verletztenrente (nach der damals geltenden Reichsversicherungsordnung [RVO]) nicht privilegiert sei, hat das SG ebenfalls zutreffend ausgeführt. Zu ergänzen ist, dass inzwischen auch das BSG entschieden hat, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II auf die Verletztenrente weder direkt noch analog angewendet werden kann (Urt. v. 06.12.2007, B 14/7b AS 62/06 R, Juris Rn. 20).

(2) Auch eine analoge Anwendung der Norm ist nicht zulässig. Es würde zwar nicht den Wortlaut der Norm überspannen, wenn man statt der Grundrente selbst einen der Grundrente entsprechenden Teil einer anderen Leistung, die statt der Grundrente gewährt wird, anrechnungsfrei stellte. Auch die Interessenlage ist vergleichbar. Aber es besteht keine unbewusste Regelungslücke. Dem Gesetzgeber ist das Problem, dass eine Verletztenrente nach § 65 BVG eine Grundrente verdrängen kann, bekannt. In § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB IV und in § 93 Abs. 2 Nr. 2 lit. a SGB VI hat er ausdrücklich angeordnet, dass jener Teil der Verletztenrente, der einer bei entsprechender MdE (entsprechendem GdS) gewährten Grundrente entspricht, anrechnungsfrei bleibt. Entsprechendes war in § 2 Satz 1 Nr. 2 der bis 2004 geltenden AlhiV für die frühere Arbeitslosenhilfe vorgesehen. Wenn der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des SGB II bewusst den Regelungen des früheren BSHG gefolgt ist, die - wie ausgeführt - eine solche Anrechnungsfreiheit nicht kannten, liegt in der Neuregelung ein beredtes Schweigen.

(3) Auch die genannten Normen aus dem SGB IV und dem SGB VI können auf das SGB II nicht analog angewandt werden. Bei ihnen fehlt es schon der an sozialethischen Vergleichbarkeit der geregelten Sachverhalte. Nach jenen Normen wird nämlich ein Teil der Verletztenrente in Höhe der Grundrente immer anrechnungsfrei gestellt, auch dann, wenn der betroffene Rentner überhaupt keine Schädigung nach dem BVG erlitten und daher tatsächlich auch keine Ansprüche auf Grundrente hat. Der Kläger hingegen hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Grundrente, fiele also an sich direkt unter § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II; dieser Anspruch ruht nur nach § 65 BVG wegen des gleichzeitigen Bezugs der Verletztenrente. Hinzu kommt, dass im SGB IV und im SGB VI die Anrechnung der Verletztenrente auf beitragsfinanzierte andere Leistungen, nämlich Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und ggfs. (bei Hinterbliebenenrenten) auf Renten der gesetzlichen Unfallversicherung eingeschränkt wird. Die Leistungen des SGB II sind dagegen steuerfinanziert, für sie hat der Leistungsberechtigte keine Vorleistungen erbracht. Auf steuerfinanzierte Leistungen können Regelungen, die sich zunächst auf beitragsfinanzierte Leistungen richten, nicht ohne Weiteres übertragen werden.

(4) Dagegen war im Wege einer verfassungskonformen Auslegung ein Teil der Verletztenrente als zweckbestimmte Einnahme nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a SGB II a.F. abzusetzen. Dies war aus verfassungsrechtlichen Gründen jedoch nur wegen eines Betrags in Höhe der Grundrente nach dem BVG geboten (dazu sogleich unter aa). Weitere Beträge, etwa in Höhe der Ausgleichsrente, des Berufsschadensausgleichs, der Schwerstbeschädigtenzulage oder der Kinder- oder Ehegattenzulagen, mussten dagegen nicht von der Verletztenrente abgesetzt werden (bb). Eine solche verfassungskonforme Auslegung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a SGB II a.F. ist, ohne dass der Wortlaut der Norm überspannt wird, möglich, sodass ein verfassungswidriges Ergebnis vermieden werden kann, ohne dass eine Vorlage an das BVerfG nötig wäre (cc).

(aa) Es ist mit dem Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, bei dem Kläger die Verletztenrente vollständig anzurechnen, während die durch sie verdrängte Grundrente wegen der Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II a.F. anrechnungsfrei geblieben wäre:

In diesem Falle besteht eine Ungleichbehandlung zwischen Geschädigten wie dem Kläger, deren Ansprüche nach dem BVG wegen des Vorrangs der Verletztenrente ruhen, und anderen Geschädigten, die tatsächlich die Leistungen nach dem BVG einschließlich der Grundrente erhalten, weil nämlich die Schädigung bei ihnen nicht zugleich ein Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII war. Bei den erstgenannten Geschädigten wird das Einkommen vollen Umfangs auf die Ansprüche nach dem SGB II angerechnet, bei der Vergleichsgruppe bleibt die Grundrente dagegen anrechnungsfrei.

Diese Ungleichbehandlung stellt auch - zumindest im Falle der Kläger - eine Benachteiligung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG dar. Eine Benachteiligung könnte nur dann ausgeschlossen sein, wenn die Verletztenrente insgesamt um mindestens den Betrag, der der Grundrente entspricht, höher ausfällt als die verdrängte Versorgung nach dem BVG und des außerdem dazu führt, dass der gesamte Bedarf des Geschädigten gedeckt ist, sodass sich keine Ansprüche nach dem SGB II ergeben. In einem solchen Fall steht der Bezieher einer Verletztenrente nicht schlechter als ein Grundrentenbezieher. Der Betroffene könnte dann Ungleichbehandlung nicht mehr als Benachteiligung rügen. Eine Benachteiligung ergibt sich immer nur aus einer Gesamtbetrachtung, wenn eine Grundrechtsbeeinträchtigung aus dem Zusammenspiel mehrerer Regelungen hergeleitet werden soll. Ein betroffener Grundrechtsträger kann sich nicht isoliert auf eine Benachteiligung berufen, die in einem Bereich der einschlägigen Regelungen entstehen mag, wenn in einem anderen Bereich dadurch zugleich eine Begünstigung eintritt. Bei den Klägern jedoch war die Verletztenrente im noch betroffenen Zeitraum Juli bis September 2005 nicht um mindestens EUR 621,00 bzw. EUR 658,00 höher als die verdrängte Gesamtversorgung nach dem BVG. Ausweislich des Bescheids vom 09.08.2006 blieb die Verletztenrente in den Monaten Juli bis September 2005 sogar noch hinter der Versorgung nach dem BVG zurück, sodass sich ein restlicher Zahlungsanspruch gegen das Versorgungsamt von monatlich EUR 510,00 bzw. EUR 547,00 ergab.

Diese Ungleichbehandlung knüpft zwar nicht an unmittelbar personenbezogene Merkmale an. Sie betrifft jedoch ein Merkmal, das der Betroffene nicht aus eigener Kraft verändern kann. Ob eine Gewalttat, die Ansprüche nach dem OEG und dem BVG bedingt, zugleich ein Arbeitsunfall ist und daher - auch - Ansprüche nach dem SGB VII bestehen, die nach § 65 BVG den Leistungen des Versorgungsrechts vorgehen, kann das betroffene Gewaltopfer nicht beeinflussen. Es ist ihm z. B. auch nicht möglich, auf die Verletztenrente zu verzichten, um wieder in den Genuss der BVG-Leistungen zu kommen (§ 46 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]). Aus diesen Gründen muss sich die benachteiligte Personengruppe durch solche Umstände von der Vergleichsgruppe unterscheiden, die nach Art und Gewicht vor dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Der Gesetzgeber muss mit der Benachteiligung ein legitimes Ziel erreichen wollen und die Ungleichbehandlung muss zur Zielerreichung geeignet und erforderlich und außerdem in ihren Auswirkungen dem Einzelnen zumutbar sein.

Eine solche Rechtfertigung ist nicht ersichtlich:

Zwar ist die Ruhensvorschrift des § 65 BVG selbst verfassungsgemäß (BSG, Urt. v. 12.06.2003, B 9 VG 4/02 R, Juris Rn. 11 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 13.05.2005, L 8 VG 1018/04, Juris Rn. 43). Ihr Zweck liegt aber nur darin, dass Doppelleistungen ausgeschlossen werden. Die Vorschrift beschränkt - nur - die Folgen des "Meistbegünstigungsprinzips", das sich aus dem Zusammenspiel von § 3 Abs. 4 OEG und § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII ergibt. Nach jener Vorschrift soll Gewaltopfern eine daneben bestehende Verletztenrente nicht vorenthalten werden, weil diese ggfs. höher ist als die Versorgung nach dem BVG (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). § 65 verhindert dann nur, dass sich insgesamt eine noch höhere Versorgung ergibt. Die Vorschrift hat nicht den Zweck, jenen Personen, die nach beiden Leistungssystemen abgesichert sind, insgesamt weniger Leistungen zu gewähren als wenn nur ein Leistungssystem eingriffe. Dieser Zweck und die gesetzgeberischen Wertungen würden konterkariert, wenn in anderen Sozialrechtsbereichen Nachteile daran geknüpft würden, dass nicht nur Ansprüche nach dem OEG/BVG, sondern auch nach dem SGB VII bestehen.

Es ist auch nicht festzustellen, dass die Absicherung nach dem SGB VII zumindest in den Grenzen zulässiger Typisierung und Pauschalierung besser wäre als die Versorgung nach dem BVG, sodass ggfs. entstehende Nachteile bei einer Gesamtbetrachtung kompensiert werden. Dies hatte das Bundesverfassungsrecht in seinen Beschlüssen vom 07.11.1972 (1 BvL 4/71, Juris) und 08.02.1995 (1 BvR 753/94, Juris) unter anderem als Rechtfertigung für die Verdrängung zivilrechtlicher Schmerzensgeldansprüche durch eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung angenommen (vgl. heute §§ 104 ff. SGB VII). § 65 BVG führt ohnehin nur zu einem Ruhen der BVG-Versorgung in Höhe der Verletztenrente. Darüber hinaus gehende Ansprüche nach dem BVG werden dagegen weiter erfüllt. Und selbst wenn die Verletztenrente typischerweise insgesamt besser wäre als die Gesamtversorgung nach dem BVG, ist es kein untypischer Fall, dass daneben bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen bezogen werden, weil die einkommensunabhängigen Leistungen nach dem BVG nicht so hoch sind, dass mit ihnen unter jeden Umständen das Existenzminimum gesichert werden kann. Wenn aber im Rahmen eines solche bedürftigkeitsabhängigen Sozialsystems - wie hier des SGB II - die Verletztenrente vollen Umfangs als Einkommen angerechnet würde, obwohl die Grundrente anrechnungsfrei bliebe, würde der Vorteil der zusätzlichen Absicherung im Einzelfall konterkariert. Dieser Nachteil im Einzelfall kann aber ohne Weiteres durch Regelungen wie § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB IV oder § 93 Abs. 2 Nr. 2 lit. a SGB VI verhindert werden. Eine verfassungsrechtlich zulässige Typisierung bzw. Pauschalierung liegt daher nicht vor.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Grundrente besondere Zwecke verfolgt. Ähnlich wie das zivilrechtliche Schmerzensgeld (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 11.07.2006, a.a.O., Juris Rn. 40 ff.) hat die Grundrente, zumindest die Beschädigtengrundrente, - anders als die sonstigen Leistungen nach dem BVG - neben einer materiellen eine besondere immaterielle Komponente und ist deshalb eine Leistung eigener Art. Sie stellt die Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität dar (vgl. BT-Drucks 1/1333, S. 43, 45; BT-Drucks 3/1239, S. 21). Demgemäß werden bei der Bestimmung des Grades der Schädigungsfolgen nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG auch seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen in ihrer Auswirkung berücksichtigt. Diese ideelle Funktion der Beschädigtengrundrente zeigt sich auch in ihrer näheren rechtlichen Ausgestaltung. Sie wird unabhängig von den persönlichen Lebensverhältnissen des einzelnen Beschädigten, seinen Einkünften und seinem Vermögen gewährt. Anders als bei den einkommensabhängigen Leistungen bleibt sie bei der Bemessung anderer staatlicher Leistungen grundsätzlich unberücksichtigt (vgl. BTDrucks 4/1831, S. 13). Auch decken die weiteren, ggfs. einkommensabhängigen Leistungen des BVG weitestgehend alle denkbaren materiellen Bedarfe eines Geschädigten ab, sodass für die Grundrente nur ein immaterieller Zweck verbleiben kann (vgl. im Einzelnen BVerfG, Urt. v. 14.03.2000, 1 BvR 284/96 u. a., Juris Rn. 55 ff.). Diese ideelle Funktion der Grundrente, die von hoher grundrechtlicher Wertigkeit ist (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), würde vereitelt; nicht schon bei ihrer Verdrängung durch eine Verletztenrente in gleicher Höhe, wohl aber dann, wenn weitere Sozialleistungen im Hinblick auf ein Einkommen in Höhe der Grundrente versagt würden.

Auch nach dem Beschluss des BVerfG vom 16.03.2011 (1 BvR 591/08 u. a., Juris) ist eine Rechtfertigung für die hier vorliegende Ungleichbehandlung nicht zu erkennen. Jene Entscheidung betraf die die parallel liegende Frage, ob von einer gewährten Verletztenrente ein Betrag in Höhe des entsprechenden zivilrechtlichen Schmerzensgeldes abgesetzt werden müsse, das seinerseits anrechnungsfrei wäre, aber nach § 104 ff. SGB VII durch die Verletztenrente verdrängt wird. Das BVerfG hat hier zwar die volle Anrechnung der Verletztenrente grundsätzlich gebilligt. Es hat aber ausdrücklich eine Entscheidung für die Fälle offen gelassen (a.a.O., Rn. 53 f.), in denen die Betroffenen ohne die Verdrängungsvorschrift tatsächlich Ansprüche (dort auf Schmerzensgeld) gehabt hätten. In jenem Verfassungsbeschwerdeverfahren hatten die dortigen Beschwerdeführer zu diesem individuellen Punkt nichts ausgeführt. Hierbei hat das BVerfG auf die Frage hingewiesen, ob die volle Anrechnung der Verletztenrente in diesen Fällen zu verfassungswidrigen Ergebnissen führe oder ob im Einzelfall entstehenden Härten für Bezieher einer Verletztenrente wegen der Befugnis des Gesetzgebers, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, verfassungsrechtlich hinzunehmen seien. Bei dem Kläger nun ist offensichtlich, dass er ohne die Anrechnungsvorschrift, die den Vorrang der Verletztenrente statuiert (§ 65 BVG), Ansprüche nach dem BVG hätte, denn diese waren ihm bereits bewilligt gewesen, als die Verletztenrente einsetzte.

Es ist abschließend kein legitimer Grund erkennbar, der dem Gesetzgeber erlaubt hätte, im Rahmen des SGB II jene Berechtigten schlechter zu stellen, bei denen die Gewalttat zugleich einen Arbeitsunfall darstellte und die daher - auch - nach dem vorrangigen Leistungssystem des SGB VII entschädigt werden. Dass die unfallversicherungsrechtlichen Leistungen beitragsfinanziert sind, der Betroffene also Vorleistungen erbracht hat, spräche eher dafür, dass diese Leistungen weitergehend anrechnungsfrei bleiben müssten als die steuerfinanzierten Leistungen nach dem BVG. Warum die immaterielle Einbuße eines Geschädigten nicht mehr ausgeglichen werden soll, wenn - auch - Ansprüche nach dem SGB VII bestehen, ist nicht ersichtlich. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der immaterielle Bedarf eines Geschädigten verfassungsrechtlich hohen Rang hat und der Gesetzgeber wenn nicht schon verpflichtet ist, diesen Bedarf ggfs. selbst zu decken, er jedenfalls Leistungen, die der Geschädigte zur Deckung dieses Bedarfs aus anderen Quellen erhält, zu verschonen (BVerfG, Beschl. v. 11.07.2006, 1 BvR 293/05, Juris Rn. 39; vgl. O’Sullivan, Zur Berücksichtigung der Verletztenrente als anrechenbares Einkommen nach dem SGB II, SGb 2011, 691, 694).

(bb) Dagegen bestehen vor Art. 3 Abs. 1 GG keine Bedenken, wenn die Verletztenrente auf die Ansprüche nach dem SGB II angerechnet wird, soweit sie andere Ansprüche als die Grundrente nach dem BVG verdrängt. Die Ausgleichsrente, der Berufsschadensausgleich, die Schwerstbeschädigtenzulage und die Zulagen für Kinder und Ehegatten sind auch dann, wenn sie tatsächlich gezahlt werden, anrechenbares Einkommen. Den Klägern ist zwar darin Recht zu geben, dass zumindest die Schwerstbeschädigtenzulage als "verlängerte" Grundrente ebenfalls eine immaterielle Komponente haben mag. Aber der Staat ist nicht verpflichtet, im SGB II jegliche Leistung mit immaterieller Komponente anrechnungsfrei zu stellen. Anders als bei der Grundrente fehlt bei der Schwerstbeschädigtenzulage und auch bei den weiteren Leistungen nach dem BVG eine gesetzgeberische Freistellung. Außerdem verfolgen diese weiteren Leistungen andere Zwecke als die Grundrente und die Schwerstbeschädigtenzulage. Sie dienen überwiegend der Sicherung des Lebensunterhalts des Geschädigten und dem Ausgleich zusätzlicher, durch die Schädigung entstandener Bedürfnisse, allerdings nur materieller Bedürfnisse wie Pflegebedarf und entgangene Erwerbseinkünfte. Dass diese weiteren Leistungen nach dem BVG - sogar einschließlich der Pflegezulage, die der Beklagte im Falle der Kläger anrechnungsfrei gelassen hat - keine besondere Zweckbestimmung haben und daher nicht mit der Grundrente vergleichbar sind, hat auch das BVerfG ausgeführt (Urt. v. 14.03.2000, a.a.O., Rn. 58).

(cc) Angesichts der beschriebenen immateriellen Zweckkomponente der Grundrente ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a SGB II a.F., der selbst von zweckbestimmten Einnahmen spricht, möglich, ohne dass die Grenzen einer zulässigen Auslegung überschritten würden. Den Berechnungsweg in diesen Fällen hat der Gesetzgeber in § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB IV und § 93 Abs. 2 Nr. 2 lit. a SGB VI vorgezeichnet. Dass das BVerfG bereits entschieden hat, es verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot, wenn die Sozialgerichte der Verletztenrente eine besondere Zweckbestimmung absprächen (Beschl. v. 16.03.2011, a.a.O., Rn. 32 ff.), bedeutet nicht, dass diese Auslegung verfassungsrechtlich geboten wäre. Dass der Gesetzgeber der Verletztenrente eine besondere Zweckbestimmung bislang nicht beigemessen hat, auch nicht teilweise, hindert eine verfassungskonforme Auslegung in die andere Richtung ebenfalls nicht, nachdem es sich hierbei nur um ein - historisches - Auslegungselement unter anderen handelt.

bb) Setzt man nach diesen Kriterien von der Verletztenrente des Klägers einen Betrag in Höhe der Grundrente ab, ergibt sich - für die Klägerin - für die Zeit von Juli bis September 2005 folgende Berechnung:

(1) Den Bedarf der Klägerin im Streitzeitraum hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend mit EUR 961,90 monatlich beziffert. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf jene Ausführungen verwiesen. Insbesondere umfasste der Bedarf der Klägerin auch die (Hälfte der) tatsächlichen Kosten der Eigentumswohnungen von insgesamt EUR 1.301,80, unabhängig von ihrer Angemessenheit. Dies galt nach § 22 Abs. 1 Satz 2 für die ersten sechs Monate des Streitzeitraums ohne Weiteres. Im Übrigen hat der Beklagte die Kläger nicht zu einer Senkung der Unterkunfts¬kosten aufgefordert und ihnen auch nicht mitgeteilt, in welcher Höhe seiner Ansicht nach Unterkunftskosten in seinem Bezirk angemessen waren, sodass auch nach Ablauf der sechs Monate ggfs. die tatsächlichen Wohnkosten zu berücksichtigen gewesen wären. Es lässt sich auch nicht sagen, dass nur eine der Wohnungen zu berücksichtigen wäre. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II benutzt nicht den Begriff der Wohnung, sondern den seinem Wortsinn nach tendenziell weiteren Begriff der Unterkunft. Nicht berücksichtigungsfähig sind daher - nur - die Kosten für Geschäftsräume, die nicht der Verwirklichung privater Wohnbedürfnisse dienen (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.2008, B 4 AS 1/08 R, Juris Rn. 13 m.w.N.). Einen derartigen geschäftlichen Zweck hatten die Räume der zweiten Wohnung der Kläger jedoch nicht, auch wenn dort ein - privates - Archiv unterhalten wurde.

(2) Ebenso hat das SG den inzident zu prüfenden Bedarf des Klägers richtig mit EUR 1.602,04 monatlich angesetzt. Insbesondere hat es hierbei den Mehrbedarf für gehbehinderte Menschen nach § 30 Abs. 1 SGB XII berücksichtigt, der dem Kläger zustand, weil sich sein Bedarf nach dem SGB XII und nicht dem SGB II bestimmte. Die Kosten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung von EUR 587,27 hat das SG ebenfalls zutreffend vollen Umfangs berücksichtigt. Der Kläger, der - wie ausgeführt - allenfalls Ansprüche nach dem 4. Kapitel des SGB XII innehaben konnte, war unter keinem Gesichtspunkt gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Auch eine freiwillige Krankenversicherung, für die nach § 32 Abs. 2 SGB XII die Beiträge zu berücksichtigen wären, war ihm nicht möglich. Es waren daher die Kosten der privaten Krankenversicherung zu übernehmen, die nicht als unangemessen eingestuft werden konnten, zumal damals eine Verringerung auf den Basistarif (§ 12 Abs. 1c Sätze 4 bis 6 Versicherungsaufsichtsgesetz [VAG] n.F.) noch nicht möglich war.

(3) Das Einkommen des Klägers bis einschließlich September 2005 betrug EUR 3.014,98. Es handelte sich nur um die Verletztenrente der BG. Eine Altersrente bezog der Kläger hier noch nicht. Die Pflegezulage der BG war anrechnungsfrei. Bei einem GdS von 100 v.H. betrug die Grundrente nach § 31 BVG im Juli und August 2005 noch monatlich EUR 621,00 und im September 2005 EUR 658,00. Zieht man diese Beträge - neben der Pauschale für angemessene private Versicherungen von EUR 30,00 - von der Verletztenrente des Klägers ab, betrug das bei ihm anrechenbare Einkommen nur EUR 2.363,98 bzw. EUR 2.326,98. Abzüglich seines Bedarfs von EUR 1602,04 (einschließlich der Krankenversicherung) hingen auf die Klägerin nur EUR 761,94 im (ganzen) Juli und August sowie EUR 724,94 (im September) über. Es verblieben dann bei ihr ungedeckte monatliche Bedarfe von EUR 199,96 im Juli und August und EUR 236,96 im September, in der gesamten Zeit vom 13.07.2005 bis 30.09.2005 daher, im Juli auf Tage umgerechnet, zusammen EUR 556,90.

cc) Eine nur darlehensweise Gewährung von Leistungen nach dem SGB II in der Zeit bis September 2005 scheidet aus.

Zwar hat das Versorgungsamt Chemnitz dem Kläger später - mit Bescheid vom 09.08.2006 - für diese drei Monate weitere Leistungen bewilligt, die nicht von der Ruhensvorschrift des § 65 BVG erfasst waren, weil sie über die Verletztenrente hinausgingen. Es handelte sich um je EUR 510,00 im Juli und August und EUR 547,00 im September 2005. Mit diesen Beträgen wäre auch der ungedeckte Restbedarf der Klägerin auf Grund höheren überhängenden Einkommens des Klägers gesichert gewesen.

Nach § 23 Abs. 4 SGB II a.F. konnten Leistungen nach dem SGB II jedoch nur dann als Darlehen gewährt werden, wenn in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Diese Vorschrift ist eng auszulegen, sie bezieht sich ausdrücklich nur auf den (ersten) Monat bei Antragstellung oder Leistungsberechtigung. Sie greift z. B. ein, wenn ein Leistungsberechtigter bereits eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hat und konkret die erste Gehaltszahlung zu erwarten ist. Wenn lediglich in späteren Zeiträumen Einkünfte zu erwarten sind, muss der Leistungsträger Zuschüsse bewilligen und ist ggfs. auf die Ersatzansprüche nach §§ 34, 35 SGB II a.F. verwiesen. Außerdem kann er, wenn die erwarteten Einkünfte Leistungen anderer Sozialleistungsträger sind, die später für den Bewilligungszeitraum gewährt werden, gegen diesen anderen Sozialleistungsträger einen Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend machen.

Bei Antragstellung im Juli 2005 war nicht zu erwarten, dass das Versorgungsamt Chemnitz zeitnah über die noch offenen Ansprüche nach dem BVG entscheiden würde.

dd) Dem Leistungsanspruch der Klägerin stand auch anrechenbares Vermögen der Kläger nicht entgegen. Im Streitzeitraum haben die Kläger beide Wohnungen selbst genutzt. Geht man von dem Wohnflächenanteil von 85 qm aus, den sie angegeben haben, waren auch die beiden Wohnungen zusammen nicht unangemessen groß im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II.

c) Dagegen stand auch der Klägerin ab Oktober 2005 kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II mehr zu, und zwar auch dann, wenn weiterhin der Teil der Verletztenrente des Klägers, der einer entsprechenden Grundrente entspricht, anrechnungsfrei stellte:

Das Einkommen des Klägers ab Oktober 2005 EUR 3.261,85 (EUR 520,96 Altersrente und EUR 2.740,89 Verletztenrente). Das Pflegegeld hat schon das SG zutreffend nicht berücksichtigt, nachdem es eine zweckgebundene Leistung im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a SGB II a.F. war. Selbst wenn man von diesen EUR 3.261,85 neben der Versicherungspauschale von EUR 30,00 nach den obigen Ausführungen zur Anrechnungsfreiheit den ab September 2005 geltenden Grundrentenbetrag von EUR 658,00 abzieht, betrug das anrechenbare Einkommen des Klägers EUR 2.573,94. Abzüglich seines eigenen Bedarfs von unverändert EUR 1.602,04 ergibt sich daher ab Oktober 2005 selbst nach dieser Berechnung zugunsten der Klägerin ein Einkommensüberhang von EUR 971,90, der über ihrem Bedarf von EUR 960,91 lag.

Soweit die Altersrente des Klägers im Oktober und ggfs. im November 2005 noch nicht ausgezahlt worden sein sollte - der Rentenbewilligungsbescheid datiert vom 28.12.2005 - bestand für diese beiden Monate für die Klägerin allenfalls der genannte Darlehensanspruch nach § 23 Abs. 4 SGB II a.F. Es war bereits ab Anfang Oktober 2005 zu erwarten, dass diese zusätzlichen Einkünfte eingehen würden. Die Altersrente des Klägers hatte keine weiteren Voraussetzungen als das Erreichen des 65. Lebensjahrs. Es stand daher fest, dass er Altersrente erhalten würde. Einen Darlehensanspruch gegen den Beklagten, sollte ein solcher bestanden haben, kann die Klägerin aber heute im Rahmen einer Leistungsklage nicht mehr durchsetzen. Hätte der Beklagte damals ein Darlehen gewährt, so wäre es spätestens mit Eingang der Nachzahlung des Rentenversicherungsträgers Ende 2005 rückzahlungspflichtig gewesen. In einem solchen Fall steht der Geltendmachung eines Darlehensanspruchs die aus § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abzuleitende dolo-agit-Einrede entgegen.

4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

5. Der Senat lässt nach § 160 Abs. 2 Satz 1 SGG die Revision zu. Die Entscheidung beantwortet die grundsätzlichen rechtlichen Fragen, ob ein der Grundrente nach dem BVG entsprechender Anteil der Verletztenrente anrechnungsfrei bleiben muss, wenn ein Leistungsberechtigter einen zuerkannten Anspruch auf die Grundrente innehat, diese aber nach § 65 BVG wegen gleichzeitiger Gewährung einer Verletztenrente nicht gewährt wird, und ob ggfs. noch weitere Teile der Verletztenrente, etwa in Höhe der Schwerstbeschädigtenzulage nach dem BVG, anrechnungsfrei bleiben müssen.
Rechtskraft
Aus
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