Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 97 R 3510/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 1010/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Oktober 2010 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Rechtsfolgen der Wiederverheiratung des Klägers für eine Witwenrente. Der Kläger war mit der im Oktober 1942 geborenen und 2003 verstorbenen R K, geborene H, (im folgenden: Versicherte) im Zeitpunkt ihres Todes verheiratet. Aufgrund seines im April 2003 gestellten Antrags bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 4. Juni 2003 ab 1. April 2003 große Witwerrente (monatlicher Zahlbetrag ab dem 1. Juli 2003 485,94 EUR). Der Bescheid enthielt unter der Überschrift "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" auf Seite 4 unter anderem die Ausführung, dass die Rente mit dem Ablauf des Monats der Wiederheirat wegfalle. Daher bestehe die gesetzliche Verpflichtung, der Beklagten die Wiederheirat mitzuteilen. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2008, bei der Beklagten eingegangen am 9. Oktober 2008, teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er am 29. September 2007 wieder geheiratet habe. Es gelte ein Ehevertrag mit Gütertrennung, Ausschluss des Versorgungsausgleichs, Unterhaltsverzicht sowie Erb- und Pflichtteilsverzicht. Durch Bescheid vom 4. Dezember 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Anspruch auf Witwerrente mit Ablauf des Monats September 2007 weggefallen sei, erkannte einen Anspruch auf Rentenabfindung an, und berechnete den Abfindungsbetrag mit 12.666,24 EUR. Von diesem Betrag setzte sie die Summe der im Zeitraum Oktober 2007 bis Oktober 2008 ausgezahlten Rentenleistungen ab und setzte den Zahlbetrag auf 6.413,10 EUR fest. Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid machte der Kläger geltend, dass der Anspruch auf die Witwerrente nicht weggefallen sein könne. Auch nach seiner Wiederverheiratung bleibe er Witwer der Versicherten. Es habe sich weder an seinem Beitrag zur Sicherung der Rentenanwartschaft noch an dem von der Beklagten seinerzeit anerkannten Recht auf eine Witwerrente etwas geändert. Aufgrund seines Ehevertrages sei auch seine Versorgungssituation unangetastet. Durch Widerspruchsbescheid vom 18. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Anspruch auf Witwerrente hänge davon ab, dass die Hinterbliebenen nicht wieder geheiratet oder eine eingetragene Lebensgemeinschaft begründet hätten. Die Wiederheirat sei ein Wegfallgrund für die Rente, der hier eingetreten sei. Mit der Wiederheirat entstehe ein Anspruch auf eine Rentenabfindung. Mit seiner vor dem Sozialgericht München erhobenen, von dort an das Sozialgericht Berlin verwiesenen Klage hat der Kläger sein Anliegen mit der Begründung aus dem Widerspruchsverfahren weiterverfolgt. Durch Urteil vom 1. Oktober 2010 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid aufgehoben, "als darin der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2003 aufgehoben wird". Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Bescheid nicht hinreichend bestimmt und deshalb rechtswidrig sei. Die Aufhebung des Bescheides vom 4. Juni 2003 sei nicht dadurch entbehrlich geworden, dass durch die Wiederverheiratung die Voraussetzungen für die Gewährung der Witwerrente weggefallen seien. In der Wiederverheiratung liege eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, welche die Beklagte lediglich zur Aufhebung der Rentenbewilligung berechtige. Nichts anderes ergebe sich aus den Vorschriften, die den Wegfall der Witwerrente in Verbindung mit der Entstehung eines Abfindungsanspruchs regelten. In dem angefochtenen Bescheid einschließlich des Widerspruchsbescheids erkläre die Beklagte nicht hinreichend bestimmt, dass sie die Wiederverheiratung des Klägers zum Anlass nehmen wolle, die Leistungsbewilligung aufzuheben. Sie habe wenigstens deutlich machen müssen, dass der Bescheid vom 4. Juni 2003 durch die Wiederverheiratung rechtswidrig geworden sei. Der Formulierung in dem Bescheid habe ein objektiver Erklärungsempfänger aber ebenso gut die Aussage entnehmen können, dass der Rentenanspruch kraft Gesetzes weggefallen sei. Ob der Mangel hinreichender Bestimmtheit durch einen klarstellenden Verwaltungsakt, gegebenenfalls den Widerspruchsbescheid, beseitigt werden könne, könne dahingestellt bleiben, weil ein solcher Verwaltungsakt nicht ergangen sei. Die Berechnung der Abfindung und die Verrechnung der Leistungen habe der Kläger zwar nicht angegriffen. Die Beklagte werde aber in eigener Zuständigkeit zu entscheiden haben, ob der verrechnete Teil auszukehren sei. Mit ihrer Berufung macht die Beklagte zum einen geltend, dass das Urteil des Sozialgerichts widersprüchlich sei. Es tenoriere die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, soweit diese den Bescheid vom 4. Juni 2003 aufhöben, führe dann aber aus, dass dieser Bescheid durch die angefochtenen Bescheide nicht aufgehoben worden sei. Zum anderen sei der Bescheid auch nicht unbestimmt. Aus ihm ergebe sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), dass die Bewilligung der Witwerrente mit Ablauf des Monats September 2007 aufgehoben worden sei. Der Kläger habe dies auch so verstanden, wie sich aus seiner Widerspruchsbegründung ergebe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen. Er vertritt weiter die Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Witwerrente auch für die Zeit nach September 2007 zustehe. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der Beratung. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2009 ist rechtmäßig. Die Klage des Klägers gegen diesen Bescheid ist deshalb abzuweisen. Ob das Urteil anderenfalls auch deshalb zu ändern gewesen sein könnte, weil der tenorierte Urteilsausspruch möglicherweise im Widerspruch zu den hierfür gegebenen Gründen steht, kann dahingestellt bleiben. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der angefochtene Bescheid (auch) insoweit hinreichend bestimmt und genügt den Anforderungen des § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), als er einen Verfügungssatz enthält, durch den der Bescheid vom 4. Juni 2003 ab dem 1. Oktober 2007 aufgehoben und ein Erstattungsbetrag für die danach gezahlten Leistungen festgesetzt wird. Ein Verwaltungsakt und die darin enthaltenen Verfügungssätze müssen keine ausdrückliche Erklärung enthalten, dass eine bestimmte Rechtsfolge eintreten soll. Es reicht aus, dass ein verständiger objektiver Erklärungsempfänger die aus der behördlichen Verlautbarung hervorgehende Aussage so versteht, selbst wenn sie darin nur konkludent enthalten ist (s. etwa das von der Beklagten zitierte Urteil des BSG vom 13. Dezember 2000 - B 5 RJ 42/99 R -). So liegt es hier. Der Bescheid vom 4. Dezember 2008 nennt den Monat, für den dem Kläger aus Sicht der Beklagten zuletzt eine Rentenzahlung zusteht, berechnet die "anerkannte" Abfindung aus den Rentenleistungen (nur) bis eben zu diesem Monat (September 2007), erläutert dazu, dass sich der für die Abfindung maßgebliche Monatsbetrag regelmäßig aus dem Durchschnitt der für die letzten zwölf Kalendermonate geleisteten Witwerrente errechne, und rechnet schließlich den Abfindungsbetrag mit den Rentenleistungen auf, die nach dem Monat liegen, der in dem Bescheid als der letzte Monat bezeichnet worden war, für den eine Rentenzahlung zustehe. Das bringt ausreichend deutlich die Ausgangsposition der Beklagten zum Ausdruck, dass ein Anspruch auf Witwerrente für die Zeit nach dem 30. September 2007 nicht mehr besteht und damit auch, dass ein entgegenstehender Verwaltungsakt keine Wirkung mehr haben soll - was hier nur der vom 4. Juni 2003 sein kann. Die Beklagte war berechtigt, den Bescheid vom 4. Juni 2003 mit Ablauf des Monats September 2007 aufzuheben. Rechtsgrundlage war, soweit dieser Bescheid durch den Bescheid vom 4. Dezember 2008 zukunftsgerichtet - also mit Wirkung erstmals für den am 31. Dezember 2008 zahlbaren (§ 118 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]) Einzelanspruch für Dezember 2008 - aufgehoben worden ist, § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung (zwingend) für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorlagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen war - anders als der Kläger offenbar meint - aufgrund der Heirat am 29. September 2007 eingetreten (s. dazu auch bereits BSG, Urteil vom 11. Juli 1985 - 5b/1 RJ 82/84 in Entscheidungssammlung Sozialrecht [SozR] 2200 § 1291 Nr. 29); der Rentenanspruch endete deshalb mit Ablauf des Monats, in dem der Kläger wieder geheiratet hatte (§ 100 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Denn der Anspruch auf eine Witwerrente setzt voraus, dass der Witwer nicht wieder geheiratet hat (§ 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Wie der Kläger und seine jetzige Ehefrau ihre Güterrechts- und Unterhaltsverhältnisse ausgestaltet haben, hat keine Bedeutung. Die Witwerrente stand bereits bei ihrer Bewilligung unter dieser Voraussetzung, wie der Kläger dem Bescheid vom 4. Juni 2003 deutlich entnehmen konnte. Die ihm durch diesen Bescheid zuerkannte Rechtsposition ist somit nicht nachträglich zu seinen Lasten geändert worden. Der Gesetzgeber war auch nicht verpflichtet, den Anspruch auf Witwerrente davon abhängig zu machen, wie der Rentenberechtigte im Fall einer Wiederheirat seine Rechtsverhältnisse mit der neuen Ehefrau ausgestaltet (s. in diesem Zusammenhang etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. Februar 1998 - 1 BvR 1318/86 u.a. - in Amtliche Entscheidungssammlung [BVerfGE] 97, 271). Soweit der Bescheid vom 4. Juni 2003 auch mit Wirkung für die Zeit bis zum Zugang des angefochtenen Bescheides vom 4. Dezember 2008 aufgehoben worden ist, ergibt sich eine Rechtsgrundlage für das Handeln der Beklagten jedenfalls aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Die Pflicht des Klägers, der Beklagten seine Wiederheirat sofort mitzuteilen, ergab sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Er verpflichtet unter anderem diejenigen, die Sozialleistungen erhalten, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Diese Pflicht hat der Kläger auch grob fahrlässig, dass heißt aufgrund einer Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maß, verletzt. Dass er sich bewusst war, die Beklagte von seiner Heirat in Kenntnis setzen zu müssen, ergibt sich daraus, dass er dies überhaupt getan hat. Dem Bescheid vom 4. Juni 2003 konnte er außerdem unzweideutig entnehmen, dass die Witwerrente schon mit der Wiederheirat wegfällt und dies (deshalb) unverzüglich mitzuteilen ist. Unabhängig davon, ob er diese Rechtsfolge für sich akzeptiert, konnte er deshalb durch einfachste Überlegungen erkennen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Rentenanspruch und einer Wiederheirat gibt und er sie deshalb sofort und nicht "irgendwann" zu einem späteren Zeitpunkt mitteilen muss. Von ihm wurde nur diese Überlegung erwartet, dagegen keine rechtliche Prüfung. Liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vor, ist ein Bescheid im Regelfall ("soll") mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Ermessen ist von der Behörde nur dann auszuüben, wenn (ausnahmsweise) ein Geschehensablauf vorliegt, der signifikant vom gesetzlichen Regelfall abweicht, in dem die Rechtswidrigkeit eines ursprünglich richtigen Verwaltungsakts durch nachträgliche Veränderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist (s. zusammenfassend BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 77/09 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 18). Für einen solch atypischen Fall ist hier nichts ersichtlich. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung hat zur Folge, dass die bereits überzahlten Leistungen zu erstatten sind (§ 50 Abs. 1 SGB X). Der Erstattungsbetrag entspricht dem, der in dem angefochtenen Bescheid als "über den Monat der Wiederheirat hinaus gezahlte Witwer- bzw. Witwenrente" bezeichnet worden ist und ist nach eigener Prüfung durch den Senat rechnerisch richtig. Das Recht der Beklagten, den Erstattungsbetrag mit dem dem Kläger unstreitig (aber nur aufgrund des Wegfalls der Witwerrente zustehenden) Anspruch auf Rentenabfindung (§ 107 SGB VI) aufzurechnen - wie der Sache nach ebenfalls durch den angefochtenen Bescheid geschehen -, beruht auf § 51 Abs. 1 SGB I. Der Anspruch auf die Abfindung wäre insoweit gemäß § 54 Abs. 2 SGG jedenfalls deshalb pfändbar gewesen, weil der Kläger nur den Betrag nicht ausgezahlt erhält, den er ohnehin laufend durch die rechtswidrige Leistungsgewährung zur Verfügung hatte und für seinen Lebensunterhalt einsetzen konnte.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Rechtsfolgen der Wiederverheiratung des Klägers für eine Witwenrente. Der Kläger war mit der im Oktober 1942 geborenen und 2003 verstorbenen R K, geborene H, (im folgenden: Versicherte) im Zeitpunkt ihres Todes verheiratet. Aufgrund seines im April 2003 gestellten Antrags bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 4. Juni 2003 ab 1. April 2003 große Witwerrente (monatlicher Zahlbetrag ab dem 1. Juli 2003 485,94 EUR). Der Bescheid enthielt unter der Überschrift "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" auf Seite 4 unter anderem die Ausführung, dass die Rente mit dem Ablauf des Monats der Wiederheirat wegfalle. Daher bestehe die gesetzliche Verpflichtung, der Beklagten die Wiederheirat mitzuteilen. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2008, bei der Beklagten eingegangen am 9. Oktober 2008, teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er am 29. September 2007 wieder geheiratet habe. Es gelte ein Ehevertrag mit Gütertrennung, Ausschluss des Versorgungsausgleichs, Unterhaltsverzicht sowie Erb- und Pflichtteilsverzicht. Durch Bescheid vom 4. Dezember 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Anspruch auf Witwerrente mit Ablauf des Monats September 2007 weggefallen sei, erkannte einen Anspruch auf Rentenabfindung an, und berechnete den Abfindungsbetrag mit 12.666,24 EUR. Von diesem Betrag setzte sie die Summe der im Zeitraum Oktober 2007 bis Oktober 2008 ausgezahlten Rentenleistungen ab und setzte den Zahlbetrag auf 6.413,10 EUR fest. Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid machte der Kläger geltend, dass der Anspruch auf die Witwerrente nicht weggefallen sein könne. Auch nach seiner Wiederverheiratung bleibe er Witwer der Versicherten. Es habe sich weder an seinem Beitrag zur Sicherung der Rentenanwartschaft noch an dem von der Beklagten seinerzeit anerkannten Recht auf eine Witwerrente etwas geändert. Aufgrund seines Ehevertrages sei auch seine Versorgungssituation unangetastet. Durch Widerspruchsbescheid vom 18. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Anspruch auf Witwerrente hänge davon ab, dass die Hinterbliebenen nicht wieder geheiratet oder eine eingetragene Lebensgemeinschaft begründet hätten. Die Wiederheirat sei ein Wegfallgrund für die Rente, der hier eingetreten sei. Mit der Wiederheirat entstehe ein Anspruch auf eine Rentenabfindung. Mit seiner vor dem Sozialgericht München erhobenen, von dort an das Sozialgericht Berlin verwiesenen Klage hat der Kläger sein Anliegen mit der Begründung aus dem Widerspruchsverfahren weiterverfolgt. Durch Urteil vom 1. Oktober 2010 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid aufgehoben, "als darin der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2003 aufgehoben wird". Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Bescheid nicht hinreichend bestimmt und deshalb rechtswidrig sei. Die Aufhebung des Bescheides vom 4. Juni 2003 sei nicht dadurch entbehrlich geworden, dass durch die Wiederverheiratung die Voraussetzungen für die Gewährung der Witwerrente weggefallen seien. In der Wiederverheiratung liege eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, welche die Beklagte lediglich zur Aufhebung der Rentenbewilligung berechtige. Nichts anderes ergebe sich aus den Vorschriften, die den Wegfall der Witwerrente in Verbindung mit der Entstehung eines Abfindungsanspruchs regelten. In dem angefochtenen Bescheid einschließlich des Widerspruchsbescheids erkläre die Beklagte nicht hinreichend bestimmt, dass sie die Wiederverheiratung des Klägers zum Anlass nehmen wolle, die Leistungsbewilligung aufzuheben. Sie habe wenigstens deutlich machen müssen, dass der Bescheid vom 4. Juni 2003 durch die Wiederverheiratung rechtswidrig geworden sei. Der Formulierung in dem Bescheid habe ein objektiver Erklärungsempfänger aber ebenso gut die Aussage entnehmen können, dass der Rentenanspruch kraft Gesetzes weggefallen sei. Ob der Mangel hinreichender Bestimmtheit durch einen klarstellenden Verwaltungsakt, gegebenenfalls den Widerspruchsbescheid, beseitigt werden könne, könne dahingestellt bleiben, weil ein solcher Verwaltungsakt nicht ergangen sei. Die Berechnung der Abfindung und die Verrechnung der Leistungen habe der Kläger zwar nicht angegriffen. Die Beklagte werde aber in eigener Zuständigkeit zu entscheiden haben, ob der verrechnete Teil auszukehren sei. Mit ihrer Berufung macht die Beklagte zum einen geltend, dass das Urteil des Sozialgerichts widersprüchlich sei. Es tenoriere die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, soweit diese den Bescheid vom 4. Juni 2003 aufhöben, führe dann aber aus, dass dieser Bescheid durch die angefochtenen Bescheide nicht aufgehoben worden sei. Zum anderen sei der Bescheid auch nicht unbestimmt. Aus ihm ergebe sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), dass die Bewilligung der Witwerrente mit Ablauf des Monats September 2007 aufgehoben worden sei. Der Kläger habe dies auch so verstanden, wie sich aus seiner Widerspruchsbegründung ergebe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen. Er vertritt weiter die Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Witwerrente auch für die Zeit nach September 2007 zustehe. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der Beratung. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2009 ist rechtmäßig. Die Klage des Klägers gegen diesen Bescheid ist deshalb abzuweisen. Ob das Urteil anderenfalls auch deshalb zu ändern gewesen sein könnte, weil der tenorierte Urteilsausspruch möglicherweise im Widerspruch zu den hierfür gegebenen Gründen steht, kann dahingestellt bleiben. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der angefochtene Bescheid (auch) insoweit hinreichend bestimmt und genügt den Anforderungen des § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), als er einen Verfügungssatz enthält, durch den der Bescheid vom 4. Juni 2003 ab dem 1. Oktober 2007 aufgehoben und ein Erstattungsbetrag für die danach gezahlten Leistungen festgesetzt wird. Ein Verwaltungsakt und die darin enthaltenen Verfügungssätze müssen keine ausdrückliche Erklärung enthalten, dass eine bestimmte Rechtsfolge eintreten soll. Es reicht aus, dass ein verständiger objektiver Erklärungsempfänger die aus der behördlichen Verlautbarung hervorgehende Aussage so versteht, selbst wenn sie darin nur konkludent enthalten ist (s. etwa das von der Beklagten zitierte Urteil des BSG vom 13. Dezember 2000 - B 5 RJ 42/99 R -). So liegt es hier. Der Bescheid vom 4. Dezember 2008 nennt den Monat, für den dem Kläger aus Sicht der Beklagten zuletzt eine Rentenzahlung zusteht, berechnet die "anerkannte" Abfindung aus den Rentenleistungen (nur) bis eben zu diesem Monat (September 2007), erläutert dazu, dass sich der für die Abfindung maßgebliche Monatsbetrag regelmäßig aus dem Durchschnitt der für die letzten zwölf Kalendermonate geleisteten Witwerrente errechne, und rechnet schließlich den Abfindungsbetrag mit den Rentenleistungen auf, die nach dem Monat liegen, der in dem Bescheid als der letzte Monat bezeichnet worden war, für den eine Rentenzahlung zustehe. Das bringt ausreichend deutlich die Ausgangsposition der Beklagten zum Ausdruck, dass ein Anspruch auf Witwerrente für die Zeit nach dem 30. September 2007 nicht mehr besteht und damit auch, dass ein entgegenstehender Verwaltungsakt keine Wirkung mehr haben soll - was hier nur der vom 4. Juni 2003 sein kann. Die Beklagte war berechtigt, den Bescheid vom 4. Juni 2003 mit Ablauf des Monats September 2007 aufzuheben. Rechtsgrundlage war, soweit dieser Bescheid durch den Bescheid vom 4. Dezember 2008 zukunftsgerichtet - also mit Wirkung erstmals für den am 31. Dezember 2008 zahlbaren (§ 118 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]) Einzelanspruch für Dezember 2008 - aufgehoben worden ist, § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung (zwingend) für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorlagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen war - anders als der Kläger offenbar meint - aufgrund der Heirat am 29. September 2007 eingetreten (s. dazu auch bereits BSG, Urteil vom 11. Juli 1985 - 5b/1 RJ 82/84 in Entscheidungssammlung Sozialrecht [SozR] 2200 § 1291 Nr. 29); der Rentenanspruch endete deshalb mit Ablauf des Monats, in dem der Kläger wieder geheiratet hatte (§ 100 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Denn der Anspruch auf eine Witwerrente setzt voraus, dass der Witwer nicht wieder geheiratet hat (§ 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Wie der Kläger und seine jetzige Ehefrau ihre Güterrechts- und Unterhaltsverhältnisse ausgestaltet haben, hat keine Bedeutung. Die Witwerrente stand bereits bei ihrer Bewilligung unter dieser Voraussetzung, wie der Kläger dem Bescheid vom 4. Juni 2003 deutlich entnehmen konnte. Die ihm durch diesen Bescheid zuerkannte Rechtsposition ist somit nicht nachträglich zu seinen Lasten geändert worden. Der Gesetzgeber war auch nicht verpflichtet, den Anspruch auf Witwerrente davon abhängig zu machen, wie der Rentenberechtigte im Fall einer Wiederheirat seine Rechtsverhältnisse mit der neuen Ehefrau ausgestaltet (s. in diesem Zusammenhang etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. Februar 1998 - 1 BvR 1318/86 u.a. - in Amtliche Entscheidungssammlung [BVerfGE] 97, 271). Soweit der Bescheid vom 4. Juni 2003 auch mit Wirkung für die Zeit bis zum Zugang des angefochtenen Bescheides vom 4. Dezember 2008 aufgehoben worden ist, ergibt sich eine Rechtsgrundlage für das Handeln der Beklagten jedenfalls aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Die Pflicht des Klägers, der Beklagten seine Wiederheirat sofort mitzuteilen, ergab sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Er verpflichtet unter anderem diejenigen, die Sozialleistungen erhalten, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Diese Pflicht hat der Kläger auch grob fahrlässig, dass heißt aufgrund einer Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maß, verletzt. Dass er sich bewusst war, die Beklagte von seiner Heirat in Kenntnis setzen zu müssen, ergibt sich daraus, dass er dies überhaupt getan hat. Dem Bescheid vom 4. Juni 2003 konnte er außerdem unzweideutig entnehmen, dass die Witwerrente schon mit der Wiederheirat wegfällt und dies (deshalb) unverzüglich mitzuteilen ist. Unabhängig davon, ob er diese Rechtsfolge für sich akzeptiert, konnte er deshalb durch einfachste Überlegungen erkennen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Rentenanspruch und einer Wiederheirat gibt und er sie deshalb sofort und nicht "irgendwann" zu einem späteren Zeitpunkt mitteilen muss. Von ihm wurde nur diese Überlegung erwartet, dagegen keine rechtliche Prüfung. Liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vor, ist ein Bescheid im Regelfall ("soll") mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Ermessen ist von der Behörde nur dann auszuüben, wenn (ausnahmsweise) ein Geschehensablauf vorliegt, der signifikant vom gesetzlichen Regelfall abweicht, in dem die Rechtswidrigkeit eines ursprünglich richtigen Verwaltungsakts durch nachträgliche Veränderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist (s. zusammenfassend BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 77/09 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 18). Für einen solch atypischen Fall ist hier nichts ersichtlich. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung hat zur Folge, dass die bereits überzahlten Leistungen zu erstatten sind (§ 50 Abs. 1 SGB X). Der Erstattungsbetrag entspricht dem, der in dem angefochtenen Bescheid als "über den Monat der Wiederheirat hinaus gezahlte Witwer- bzw. Witwenrente" bezeichnet worden ist und ist nach eigener Prüfung durch den Senat rechnerisch richtig. Das Recht der Beklagten, den Erstattungsbetrag mit dem dem Kläger unstreitig (aber nur aufgrund des Wegfalls der Witwerrente zustehenden) Anspruch auf Rentenabfindung (§ 107 SGB VI) aufzurechnen - wie der Sache nach ebenfalls durch den angefochtenen Bescheid geschehen -, beruht auf § 51 Abs. 1 SGB I. Der Anspruch auf die Abfindung wäre insoweit gemäß § 54 Abs. 2 SGG jedenfalls deshalb pfändbar gewesen, weil der Kläger nur den Betrag nicht ausgezahlt erhält, den er ohnehin laufend durch die rechtswidrige Leistungsgewährung zur Verfügung hatte und für seinen Lebensunterhalt einsetzen konnte.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
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