Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 5 KR 125/08
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 39/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die erforderliche Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung kann nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden, wenn sich die Krankenkasse durch sogenannte Verträge zur Komplettversorgung ihrer Pflicht zur leistungsrechtlichen Verantwortung nahezu vollständig entzieht und die Beratung über das Erfordernis der Einhaltung des Beschaffungsweges dem Hörgeräteakustiker überlässt.
2. Der in § 13 Abs. 3 SGB V geregelte Anspruch auf Kostenerstattung stellt sich in Fällen, in denen der Beratungsfehler nicht zugleich mit der Leistungsablehnung verbunden, aber kausal dafür ist, dass der Beschaffungsweg nicht eingehalten wird, nicht als abschließende gesetzliche Regelung der auf dem Herstellungsgedanken beruhenden Kostenerstattungsansprüche im Krankenversicherungsrecht dar (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2001 - B 3 KR 27/01 R -; abweichend BSG, Urteil vom 2. November 2007 - B 1 KR 14/07 R -).
3. Beratungsfehler des Hörgeräteakustikers können der Krankenkasse zugerechnet werden.
2. Der in § 13 Abs. 3 SGB V geregelte Anspruch auf Kostenerstattung stellt sich in Fällen, in denen der Beratungsfehler nicht zugleich mit der Leistungsablehnung verbunden, aber kausal dafür ist, dass der Beschaffungsweg nicht eingehalten wird, nicht als abschließende gesetzliche Regelung der auf dem Herstellungsgedanken beruhenden Kostenerstattungsansprüche im Krankenversicherungsrecht dar (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2001 - B 3 KR 27/01 R -; abweichend BSG, Urteil vom 2. November 2007 - B 1 KR 14/07 R -).
3. Beratungsfehler des Hörgeräteakustikers können der Krankenkasse zugerechnet werden.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. März 2012 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die den Festbetrag übersteigenden Mehrkosten der Hörgeräteversorgung links mit dem Gerät Phonak eXtra 411 AZ Power in Höhe von 930,00 EUR zu erstatten. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen. &8195;
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Beklagten in Höhe von 930,00 EUR.
Der 1961 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet an einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits und war seit langer Zeit mit Hörgeräten versorgt, als der Zeuge B (angestellter Hörgeräte-Akustiker-Meister der KIND Hörgeräte GmbH & Co. KG) am 18. Januar 2007 durch die HNO-Klinik des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Kiel, telefonisch gebeten wurde, vor einer endgültigen Entscheidung über ein Choch¬lear-Implant zu versuchen, die Einstellung der vom Kläger genutzten Hörgeräte zu optimieren bzw. ihm probatorisch andere Geräte anzupassen.
Der sich daran anschließende Ablauf der Versorgung gestaltete sich wie folgt: Der Kläger litt an immer wieder aufflackernden Gehörgangentzündungen vor allem im linken Ohr. Wegen der Gehörgangschwellung war es im Januar 2007 nicht möglich, die vormals passgenau gefertigte Otoplastik in das linke Ohr einzusetzen. Erst nach der Fertigung neuer Otoplastiken konnte geprüft werden, ob die vorhandenen Hörgeräte ausreichende Leistungsreserven hatten, um in möglichst allen Frequenzbereichen mehr Verstärkung gegenüber leiseren Geräuschen zu aktivieren. Der Kläger nutzte seit 2001 zwei Geräte der Marke Phonak SonoForte2 P3 AZ. Dabei handelte es sich um digital programmierbare Drei-Kanal-Geräte, deren Verstärkungsreserven wegen auftretender Rückkopplungen jedoch nicht ausreichten, um den Hörverlust besser auszugleichen. Auch andere Geräte, die von der KIND Hörgeräte GmbH & Co. KG zum Festpreis abgegeben worden wären (Kind Assista HP, Kind Tempra HP), schieden aufgrund mangelnder Regeltiefen und einer Rückkopplungsneigung für die Versorgung aus. Die vom Zeugen B herangezogenen Geräte Widex B 32 und Siemens S 3 wurden wegen der Aussichtslosigkeit, das Hörvermögen des Klägers zu verbessern, ebenfalls verworfen. Da mit diesen Geräten keine Einstellungen fertig programmiert wurden, erfolgte auch keine Speicherung im PC-System des Hörgeräte-Akustikers. Letztlich erwiesen sich zwei Hörgerätetypen zur Versorgung ähnlich gut geeignet, das Gerät Phonak eXtra 411 AZ Power mit einem Wert pro Gerät von 1.350,00 EUR und Phonak Savia Art 411 mit einem Wert pro Gerät von 2.350,00 EUR. Weil der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit – je nach Standort im Betrieb – auf die Verwendung mehrerer Telefongeräte angewiesen war, entschied er sich für das kostengünstigere Gerät, weil sich bei diesem die Induktionsspule manuell aktivieren ließ. Im Juli 2007 erstellte der Zeuge B den Anpassbericht über die beidohrige Hörgeräte-Versorgung und bat den Kläger, sich nun alsbald in der HNO-Klinik des UKSH zur Kontrolluntersuchung und der Erstellung der in Aussicht gestellten schriftlichen Verordnung vorzustellen. Dort konnte anlässlich des Untersuchungstermins am 11. Juli 2007 eine Messung für das linke Ohr aufgrund der wieder aufgeflammten Gehörgangsentzündung nicht erfolgen. Dennoch erhielt der Kläger eine ärztliche Verordnung für eine entsprechende beidseitige Hörgeräteversorgung. Auf dieser fehlte jedoch die Unterschrift. Deshalb wurde der Kläger vom Zeugen B gebeten, die fehlende Unterschrift einzuholen. Aus terminlichen Gründen war dies erst Ende August 2007 möglich. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die Versorgung mit dem Cochlear-Implant rechts geplant und der Operationstermin auf den 22. Ok¬tober 2007 festgelegt worden. Deshalb wurden am 28. August 2007 sämtliche Formulare (Anpassbericht, Kostenvoranschlag, Kundeninformation, Patientenbogen, Mehrkostenerklärung, Abschlussbericht und Empfangsbestätigung) entsprechend der nunmehr nur noch erforderlichen einohrigen Versorgung neu erstellt. Dem Kläger wurde bis zur Durchführung der CI-Operation das Hörgerät für die rechte Seite vom Hörgeräte-Akustiker zur Nutzung überlassen.
Der Kläger bestätigte den Empfang des Hilfsmittels und sein Einverständnis mit der Zahlung der Mehrkosten für das von ihm ausgewählte Hörsystem am 28. August 2007. Handschriftlich ergänzte er, dass die Erklärung zu Mehrkosten nur gegenüber der Firma Kind gelte und insbesondere keine Forderungen ausschließe, die er gegenüber der Beklagten geltend machen möchte.
Mit Bescheid vom 8. Oktober 2007 (Widerspruchsbescheid vom 4. September 2008) übernahm die Beklagte Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe einer Pauschale von 638,40 EUR (Hörgerät einschließlich Ohrpassstück 453,50 EUR, Servicepauschale 194,90 EUR, gesetzliche Zuzahlung 10,00 EUR). Die Übernahme der Mehrkosten lehnte sie mit der Begründung ab, dass für Hörgeräte Festbeträge bzw. hierauf basierende Vertragspreise gelten würden, die die Höhe der übernahmefähigen Kosten verbindlich festsetzten. Der bewilligte Betrag ergebe sich aus dem zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. geschlossenen Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen. Danach erhalte der Versicherte mindestens zwei eigenanteilsfreie Versorgungsangebote, durch die eine zweckmäßige, ausreichende und wirtschaftliche Versorgung gewährleistet werde. Entscheide sich der Versicherte nicht für ein eigenanteilsfreies Versorgungsangebot, habe er eine Erklärung abzugeben, dass er mit der Zahlung der Mehrkosten einverstanden sei. Diese seien vom Kläger zu tragen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) sei um eine sozialmedizinische Beurteilung gebeten worden und habe in seiner Stellungnahme vom 16. Mai 2008 die Kostenübernahme des Mehrpreises durch die Beklagte nicht empfohlen. Es liege keine medizinische Ausnahmesituation vor. Bei der beantragten Ausstattung handele es sich um eine Optimalversorgung, die zwar wünschenswert jedoch keine Kassenleistung sei.
Der Kläger hat am 10. Oktober 2008 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe Anspruch auf Versorgung mit geeigneten Hörgeräten. Die bei ihm vorliegende Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr, die an Taubheit grenze, könne nur mit dem streitigen Hörgerät ausgeglichen werden. Insoweit hat sich der Kläger auf die schriftliche Stellungnahme des Zeugen B für die Firma KIND Hörgeräte vom 2. Mai 2008 bezogen. Die ausprobierten Hörgeräte zum Festpreis hätten die entstehenden Pfeifgeräusche nicht in adäquater Weise unterdrücken können. Er sei als technischer Verwaltungsangestellter beschäftigt und im Bereich Öffentlichkeitsarbeit für die Pflege der Internet-Seite seines Unternehmens befasst. Außerdem sei er im Bereich Technik und EDV-Anwendungen u.a. mit der Organisation und Administration der EDV und der bürotechnischen Anlagen betraut. Hierbei sei es notwendig, dass er an Besprechungen teilnehme, Besucher empfange und berate sowie seine Kollegin in ihrer Arbeit unterstütze. Außerdem habe er Schulungen durchzuführen, wobei seine telefonische Erreichbarkeit gewährleistet werden müsse. Insoweit hat sich der Kläger auf die Bescheinigung seines Arbeitgebers, dem Förderzentrum MOBILE, vom 9. April 2009 gestützt. Die Beklagte habe den beruflichen Aspekt ohne Weiteres erkennen können und hätte den Antrag auf Kostenübernahme über den Festbetrag hinaus an den zuständigen Rentenversicherungsträger weiterleiten müssen. Dies habe sie unterlassen und sei deshalb als erstangegangener Kostenträger auch insoweit zuständig. Außerdem sei höchstrichterlich mittlerweile entschieden, dass die Krankenkassen zum Ausgleich der bei ihren Versicherten vorliegenden Hörbehinderungen unter Berücksichtigung der nach dem Stand der Medizintechnik bestmöglichen Versorgung verpflichtet seien. Eine Beschränkung lediglich auf den Festbetrag sei unzulässig. Insoweit hat sich der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R – bezogen. Der Kläger hat die Rechnung der Firma KIND Hörgeräte vom 27. Dezember 2007 übersandt, aus der ein Restbetrag von 930,00 EUR hervorgeht.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 zu verurteilen, ihm die Kosten der Hörgeräteversorgung links mit dem Gerät Phonak eXtra 411 AZ Power über den geleisteten Betrag hinaus zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert, der Kläger sei in Abgrenzung zu dem von ihm zitierten Urteil des BSG nicht nahezu taub gewesen. Er sei im Rahmen der stationären Behandlung im Oktober 2007 zu ihren Lasten mit einem Cochlear Implantat rechts versorgt worden. Die Kosten hierfür hätten sich auf 24.705,48 EUR belaufen. Außerdem habe sich der vor dem BSG verhandelte Rechtsstreit auf einen Sachverhalt bezogen, bei dem die für das Land Baden-Württemberg im Jahre 2004 geltenden Festbeträge maßgebend gewesen seien. Demgegenüber sei hier auf den zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V geschlossenen Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen abzustellen, der ab 1. Februar 2007 gegolten habe. Nach § 3 Abs. 1 des Vertrages erhalte der Versicherte mindestens zwei eigenanteilsfreie Versorgungsangebote mit analogen, digital programmierbaren oder volldigitalen Hörsystemen entsprechend dem festgestellten Hörverlust. Nach § 5 Abs. 1 würden grundsätzlich Hörsysteme abgegeben, die über eine DHI-Nummer verfügten und in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V aufgenommen worden seien. In § 6 Abs. 1 des Vertrages sei geregelt, dass die Versorgung des Versicherten (Auswahl und Lieferung des Hilfsmittels) zweckmäßig und wirtschaftlich zu erfolgen habe. Qualität und Wirksamkeit hätten dem allgemeinen Stand der medizinischen Kenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Die Bundesinnung für Hörgeräteakustiker habe ihre Mitglieder in zwei Rundschreiben auf ihre Verpflichtung zur eigenanteilsfreien Versorgung hingewiesen. Wenn die Firma KIND Hörgeräte dem Kläger nur solche Hörgeräte eigenanteilsfrei angeboten habe, mit denen er weder Kauen noch Lächeln konnte, ohne ein unerträgliches Rückkopplungspfeifen zu provozieren, sei sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Besondere berufliche Anforderungen an die Hörgeräteversorgung, die über die Anforderungen des Alltags hinausgingen, seien nicht erkennbar.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der Klinik für Hals-, Nasen-Ohrenheilheilkunde des UKSH, Campus Kiel vom 29. November 2007, 28. Oktober 2007, 28. August 2007, 11. Juli 2007 und 30. Oktober 2006 beigezogen und den Befundbericht des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. L vom 9. Februar 2011 sowie die schriftliche Stellungnahme des Zeugen B vom 9. Juni 2011 eingeholt.
Daraufhin hat die Beklagte vorgebracht, der vom Zeugen B erwähnte telefonische fachärztliche Auftrag vom 18. Juli 2007 (richtig: 18. Januar 2007), den er selbst als ärztliche Verordnung betrachtet habe, sei für die Anwendbarkeit des Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen nicht maßgeblich, denn insoweit sei auf den Versorgungsbeginn abzustellen. Der Versorgungsantrag sei bei ihr erst am 8. Oktober 2007 eingegangen. Im Übrigen habe auch der bis zum 31. Januar 2007 geltende Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen eine Verpflichtung des Leistungserbringers zur eigenanteilsfreien Versorgung mit den im jeweiligen Einzelfall notwendigen Hörgeräten beinhaltet. Die Firma KIND Hörgeräte sei seit dem 1. Januar 2004 über den vdek-BIHA-Vertrag Vertragspartner der Beklagten. Es sei darauf hinzuweisen, dass es so genannte Festbetragshörgeräte nicht gebe. Vielmehr sei es jedem Hörgeräteakustiker selbst überlassen, welche Hörgeräte er im Rahmen der Versorgungspauschale abgebe. Die betriebswirtschaftliche Kalkulation sei dabei hinsichtlich der Verpflichtung des Leistungserbringers zur Durchführung einer im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausreichenden Versorgung unbeachtlich.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe den Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erfüllt. Danach sei ein Anspruch auf Kostenerstattung nur gegeben, wenn entweder eine unaufschiebbare Leistung erbracht worden sei oder die Krankenkasse Leistungen zu Unrecht abgelehnt habe und dem Versicherten dadurch für eine selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Von einer unaufschiebbaren Leistung könne nicht ausgegangen werden, wenn sich – wie hier – der gesamte Anpassungs- und Entscheidungsprozess ohnehin längere Zeit hingezogen habe. Hinsichtlich der zweiten Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V fehle es an der Kausalität zwischen der Ablehnungsentscheidung und der Kostenlast. Der Kläger sei bereits vor Erlass des angefochtenen Bescheides eine zivilrechtlich bindende Verpflichtung zur Abnahme und Bezahlung des streitigen Hörgerätes gegenüber der Firma KIND Hörgeräte eingegangen. Er habe am 28. August 2007 durch seine Unterschrift bestätigt, das Hörgerät erhalten zu haben. Dass es sich dabei lediglich um eine probeweise Überlassung gehandelt habe, lasse sich den Unterlagen nicht entnehmen. Der Kläger habe durch seine Unterschrift auf einem weiteren Formular zudem bestätigt, dass er sich für eine Versorgung mit Eigenanteil entschieden habe und habe sich mit der Zahlung der Mehrkosten für das von ihm ausgewählte Hörsystem und der damit verbundenen Folgekosten einverstanden erklärt. Er habe dieser Erklärung zwar eine handschriftliche Ergänzung bezüglich eines Vorbehaltes gegenüber der Beklagten angefügt, die aber keinen Einfluss auf die gegenüber der Firma KIND eingegangenen Verpflichtung habe. Das Gericht gehe auch davon aus, dass der Versorgungsantrag erst am 8. Oktober 2007 bei der Beklagten eingegangen sei. Die Behauptung des Zeugen B , der Kläger habe bereits mit Schreiben vom 26. Januar 2007 sein Versorgungsbegehren gegenüber der Beklagten geltend gemacht, finde in den Akten keine Stütze. Dies ändere auch nichts an der rechtlichen Bewertung, denn jedenfalls sei die Selbstbeschaffung des streitigen Hörgerätes vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 8. Oktober 2007 erfolgt. Soweit der Kläger seinen Erstattungsanspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben stütze, habe er ebenfalls den Beschaffungsweg nicht eingehalten. Die Erstattung selbstbeschaffter Rehabilitationsleistungen setze unabhängig davon, ob die Beklagte wegen Nichtweiterleitung des Antrages gemäß § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) an den zuständigen Rentenversicherungsträger selbst zuständig geworden ist, nach § 15 Abs. 1 SGB IX voraus, dass zuvor ein Antrag beim Leistungsträger gestellt werde und die Leistungsberechtigten gegenüber dem Leistungsträger nach ausbleibender Entscheidung eine angemessene Frist zur Entscheidung gesetzt und dabei erklärt haben, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen.
Gegen das seinem früheren Prozessbevollmächtigten am 16. April 2012 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die am 15. Mai 2012 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung trägt er vor, das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beschaffungsweg von ihm nicht eingehalten worden sei. Er habe bereits im Januar 2007 gegenüber der Beklagten angezeigt, dass eine Neuversorgung mit Hörhilfen geplant sei und um Übernahme von eventuellen Mehrkosten gebeten, die die Festbeträge übersteigen. Aufgrund der Verordnung vom 18. Januar 2007 und der üblichen Vorgehensweise der Hörgeräteakustiker, die eine Versorgungsanzeige gegenüber der Krankenkasse abgeben, sei der Beklagten bekannt gewesen, dass eine Neuversorgung mit Hörhilfen geplant sei. Dennoch habe sie es versäumt, ihn über den Verfahrensablauf, insbesondere eines möglichen Kostenerstattungsanspruchs zu beraten. Die Beklagte hätte ihn darüber aufklären müssen, dass er – bevor er sich zum Erwerb des streitgegenständlichen Hörgerätes entscheide – bei ihr einen entsprechenden Antrag stellen müsse. Andere Krankenkassen informierten ihre Versicherten entsprechend. Aufgrund dieser Beratungspflichtverletzung bestehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch dergestalt, dass davon ausgegangen werden müsse, die formalen Voraussetzungen des § 13 SGB V seien eingehalten worden. Somit bestehe in Höhe der von ihm erbrachten Aufwendungen ein Schadenersatzanspruch gegenüber der Beklagten. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte aufgrund des geschlossenen Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen der Hörgeräteakustiker als Leistungserbringer bediene. Diese handelten im Namen und in Vollmacht der Beklagten. Deshalb habe die Aufklärung über den Beschaffungsweg auch durch den Hörgeräteakustiker zu erfolgen. Deren Fehlverhalten sei der Beklagten zuzurechnen. Sowohl aus § 4 als auch aus § 5 des Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen ergebe sich, dass der Kontakt zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse lediglich über den Leistungserbringer erfolge. Dieser habe eine Versorgungsanzeige gegenüber der Krankenkasse zu erstatten. Er erhalte nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Bewilligungsschreiben der Krankenkasse. Die Versorgung könne abgerechnet werden, wenn die Hörgeräte nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert seien und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt habe. Im Rahmen dieser Vorgehensweise obliege es den Krankenkassen mit Hilfe des Leistungserbringers den Versicherten über seine möglichen Rechte und Pflichten hinsichtlich des Beschaffungsweges aufzuklären. Insoweit liege ein Systemversagen vor, das der Beklagten zuzurechnen sei. Der Umstand, dass er – der Kläger – mit seiner Unterschrift erklärt habe, dass er sich nach Information über das Angebot einer eigenanteilsfreien Versorgung für eine Versorgung mit einem privaten Eigenanteil entschieden habe, stehe dem Anspruch auf Erstattung nicht entgegen, denn die Information sei unvollständig gewesen und könne den Anspruch nicht ausschließen. Schließlich sei er nicht darüber aufgeklärt worden, dass er einen Anspruch gehabt habe, genau die von ihm begehrten Hörgeräte, die die besten Messergebnisse erzielt hätten, eigenanteilsfrei zu erhalten. Er sei lediglich dahingehend beraten worden, dass er die schlechteren Geräte eigenanteilsfrei erhalten könne. Diese Beratung sei fehlerhaft. Sie entspreche nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach der Versicherte Anspruch auf Versorgung mit den Geräten habe, die eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder gewährleiste. Das Fehlverhalten des Hörgeräteakustikers, der als Hilfsmittellieferant im Lager der Krankenkasse stehe, müsse sich diese grundsätzlich zurechnen lassen. Insoweit stützt sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts Oldenburg im Urteil vom 4. Juli 2012 – S 81 R 84/11 –. Seine Rechtsauffassung werde zudem durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – bestätigt, nach der sich die Krankenkasse nicht darauf berufen könne, dass bei ihr kein Antrag gestellt worden sei, wenn sie sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme durch Outsourcing der Hilfsmittelversorgung entziehe. Das ausgewählte Hörgerät sei auch zur Versorgung notwendig gewesen. Insoweit verweist der Kläger auf sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. März 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 8. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 zu verurteilen, ihm die den Festbetrag übersteigenden Mehrkosten der Hörgeräteversorgung links mit dem Gerät Phonak eXtra 411 AZ Power in Höhe von 930,00 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – finde hier keine Anwendung, da ausweislich der Einlassung des Zeugen B die HNO-Klinik des UKSH im Januar 2007 lediglich telefonisch an den Hörgeräteakustiker herangetreten sei mit der Bitte, die vorhandene "Altversorgung" entsprechend der eingetretenen Hörverschlechterung neu einzustellen. Dies könne nicht mit einem Antrag auf Neuversorgung verglichen werden. Eine persönliche Anzeige des Klägers liege bei ihr nicht vor.
Daraufhin hat der Kläger das Schreiben vom 26. Januar 2007 übersandt.
Der Senat hat den Zeugen B zu den näheren Umständen der streitigen Hörgeräteversorgung im Jahr 2007 vernommen und den Kläger persönlich gehört.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 EUR ist überschritten. Der Kläger begehrt die Erstattung von 930,00 EUR.
Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Das Sozialgericht hätte die Klage nicht wegen der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges abweisen dürfen. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung des von ihm geltend gemachten Eigenanteils für die durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung mit dem Gerät Phonak eXtra 411 AZ Power in Höhe von 930,00 EUR. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. März 2012 war daher aufzuheben und der Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 abzuändern.
Rechtsgrundlage des hier geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V. Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entsprechenden Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender – pri¬märer – Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, die die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –, veröffentlicht in juris). Der Anspruch ist daher gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbstbeschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts scheitert der Kostenerstattungsanspruch insbesondere nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung. Ansprüche nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V sind zwar nur gegeben, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und den Versicherten "dadurch" Kosten für die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen. Hieran fehlt es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, a. a. O. m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall.
Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IV –). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs. 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist (BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 3 KR 20/06 R –, veröffentlicht in juris). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (im Folgenden: BIHA) und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. (im Folgenden: VdAK/AEV) für die Zeit ab 1. Februar 2007 geschlossene Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr. 1 Satz 1 des Vertrags). Unter der Überschrift (Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung) ist u. a. Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Sowohl das Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung als auch das Verfahren bei Bewilligungsschreiben ohne vorherige ärztliche Verordnung sieht eine Versorgungsanzeige des Leistungserbringers an die Ersatzkasse, die die leistungsrechtlichen Voraussetzungen prüft, vor. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat."
Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger tatsächlich – wie von ihm behauptet – mit dem von ihm erstmals im Berufungsverfahren vorgelegten Schreiben vom 26. Januar 2007 bereits selbst bei der Beklagten den Antrag gestellt hat, die Kosten der den Festbetrag übersteigenden Hörgeräteversorgung zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dieses Schreiben bei der Beklagten eingegangen ist, sind der Verwaltungsakte nicht zu entnehmen. Dies wirkt sich jedoch nicht zu Lasten des Klägers aus, denn der Umstand, dass es der Hörgeräteakustiker unterlassen hat, rechtzeitig eine Versorgungsanzeige des Klägers bei der Beklagten zu erstatten, fällt in die Sphäre der Beklagten, die sich ihrer leistungsrechtlichen Verantwortung durch so genannte Verträge zur Komplettversorgung nahezu vollständig entzogen und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlassen hat, ob dem Versicherten eine Leistung zu Teil wird. Damit hat die Beklagte ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V nicht erfüllt und auch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 12 Abs. 1 und § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V) nicht befolgt. Sie verweigert sich letztendlich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I –), wenn sie den Vorgang komplett in die Hände des Leistungserbringers gibt. Wenn der Leistungserbringer in diesem Fall seinen sich aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrag ergebenden Pflichten nicht nachkommt, kann die Beklagte dem Leistungserbringer gegenüber vorgehen, sie kann sich jedoch nicht dem Versicherten gegenüber darauf berufen, es sei bei ihr kein Antrag gestellt worden (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R –; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2013 – L 4 KR 85/12 -, beide veröffentlicht in juris).
Hier war der Kläger zwar vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 8. Oktober 2007 bereits am 28. August 2007 endgültig mit dem Hörgerät versorgt worden. Er hatte sich das Hörgerät selbst beschafft, indem er gegenüber der Firma KIND Hörgeräte durch sein schriftliches Einverständnis mit der Zahlung der Mehrkosten ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft eingegangen war. Dies schließt jedoch entgegen der Auffassung des Sozialgerichts den Kostenerstattungsanspruch nicht aus, denn die erforderliche Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung ist nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren. Der Kläger wendet zu Recht ein, dass er auf das Erfordernis der Einhaltung des Beschaffungsweges durch den Hilfsmittelerbringer nicht hingewiesen worden ist. Dieser Beratungsfehler des Hörgeräteakustikers ist der Beklagten auch zuzurechnen.
Der in § 13 Abs. 3 SGB V geregelte Anspruch auf Kostenerstattung stellt sich insbesondere bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht als abschließende gesetzliche Regelung der auf dem Herstellungsgedanken beruhenden Kostenerstattungsansprüche im Krankenversicherungsrecht dar (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2001 – B 3 KR 27/01 R -, veröffentlicht in juris). Denn die Vorschrift trifft keine Regelung für den Fall, dass eine gebotene, aber unterbliebene oder eine unzutreffende Beratung Ursache für eine kostenauslösende andersartige Leistungsbeschaffung durch den Versicherten ist. Nur wenn der Beratungsfehler zugleich mit einer Leistungsablehnung verbunden ist, werden diese Fälle über die zweite Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V erfasst. Ansonsten steht weiterhin trotz der Regelung des § 13 Abs. 3 SGB V der sozialrechtliche Herstellungsanspruch offen. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 2. November 2007 – B 1 KR 14/07 R – vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Zwar führt der 1. Senat in seiner Entscheidung aus, er habe sich mit dem 3. Senat des BSG abgestimmt, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V eine abschließende Kostenerstattungsregelung über die Ersetzung von Naturalleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle. Soweit sich der 3. Senat in dem zitierten Urteil vom 30. Oktober 2001 darauf berufen habe, dass der Herstellungsanspruch auch auf Kostenerstattung gerichtet sein könne, bestehe keine Divergenz, weil er auf die BSG-Rechtsprechung zur Zeit der Geltung der Reichsversicherungsordnung verwiesen habe. Der Gesetzgeber habe den seinerzeit durch die Rechtsprechung konzipierten Kostenerstattungsanspruch indessen nunmehr selbst in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V abschließend normiert. Die Ausführungen zur fehlenden Divergenz sind vor dem Hintergrund der vom 3. Senat im Urteil vom 30. Oktober 2001 gegebenen Begründung allerdings nicht nachvollziehbar. Schließlich führt dieser wörtlich aus: " Die Kostenerstattung nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist nicht durch die gesetzliche Kostenerstattungsregelung des § 13 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung galt bis zum 31. Dezember 1988, also in der Zeit vor dem Inkrafttreten des SGB V, nach gefestigter Rechtsprechung der Grundsatz, dass die prinzipiell nur zu Sachleistungen verpflichteten Krankenkassen den Versicherten Aufwendungen zu erstatten haben, wenn dies ausdrücklich krankenversicherungsrechtlich so geregelt war (vgl. § 185 Abs. 3 RVO: Selbstbeschaffte Krankenpflegeperson; § 185b Abs. 2 RVO: Selbstbeschaffte Ersatzkraft; § 368d Abs. 1 Satz 2 RVO: Notfallbehandlung) oder wenn die Kassen nach den durch § 131 Abs. 1 Satz 1 SGG anerkannten Grundsätzen zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes oder zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustands verpflichtet waren (BSGE 53, 273 = SozR 2200 § 182 Nr. 82 m. w. N.; BSG SozR 2200 § 182 Nr. 86). Dies war grundsätzlich der Fall, wenn eine Kasse sich zu Unrecht geweigert hatte, die begehrte Sachleistung zu erbringen (BSGE 35, 10, 14) oder wenn sie den Versicherten nicht so aufgeklärt und beraten hatte, dass er mit einem sachgerechten Verhalten die angemessene Sachleistung ausgelöst hat (BSG SozR 2200 § 182 Nr. 57). Diese Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des SGB V durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (Bundesgesetzblatt I Seite 2477) in Gesetzesform übernehmen, was ihm mit § 13 Abs. 3 SGB V zwar weitgehend aber nicht vollständig gelungen ist. Die Vorschrift regelt – insoweit auch abschließend (BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11) – die Kostenerstattung bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Leistungen (Eil- und Notfälle) sowie im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung, trifft aber keine Regelung für den Fall, dass eine gebotene, aber unterbliebene oder eine unzutreffende Beratung Ursache für eine kostenauslösende andersartige Leistungsbeschaffung durch den Versicherten ist. Nur wenn der Beratungsfehler zugleich mit einer Leistungsablehnung verbunden ist, werden diese Fälle über die zweite Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V erfasst. Ansonsten steht weiterhin, trotz der Regelung des § 13 Abs. 3 SGB V, der sozialrechtliche Herstellungsanspruch offen (so auch Höfler in Kassler Komm, sozialversicherungsrecht, Stand: August 2001, § 13 SGB V Rdnr 6, 8, 11; Abgrenzung zu BSGE 79, 125 – SozR 3-2500 § 13 Nr. 11). Es gibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Gesetzgeber habe die Kostenerstattungsansprüche bei Beratungsmängeln im Bereich der Krankenversicherung entweder ganz ausschließen wollen, soweit sie nicht von § 13 Abs. 3 SGB V erfasst werden, oder aber die Versicherten insoweit auf vor den Zivilgerichten geltend zu machende Amtshaftungsansprüche (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) verweisen wollen. Der Gesetzgeber hat lediglich die gesamte Bandbreite sozialrechtlicher Herstellungsansprüche im Bereich der Krankenversicherung nicht vollständig erfasst und gesetzestechnisch umgesetzt."
Daraus folgt, dass der Verweis des 3. Senats auf die BSG-Rechtsprechung zur Zeit der Geltung der Reichsversicherungsordnung nur dazu diente, die lückenhafte gesetzestechnische Umsetzung von Kostenerstattungsansprüchen bei Beratungsmängeln durch das SGB V darzustellen und das Bedürfnis nach der Anwendbarkeit des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Fallgestaltungen der hier vorliegenden Art zu unterstreichen. Dieser Rechtsauffassung ist auch zu folgen. Andernfalls käme es in Fällen, in denen der Beratungsfehler nicht zugleich mit der Leistungsablehnung verbunden, aber kausal dafür ist, dass der Beschaffungsweg nicht eingehalten wird, zu unannehmbaren Wertungswidersprüchen. Schließlich kann die fehlende Kausalität zwischen Kostenbelastung des Versicherten und Leistungsversagung der Krankenkasse nur nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs überwunden werden.
Hier hätte es dem versorgenden Hörgeräteakustiker als Hilfsmittellieferant oblegen, den Kläger über die Notwendigkeit der Einhaltung des Beschaffungsweges umfassend aufzuklären. Das hat der Zeuge B unterlassen, weil ihm nach seiner glaubhaften Einlassung in der mündlichen Verhandlung die Problematik der erforderlichen Kausalität zwischen Kostenbelastung des Versicherten und Leistungsversagung überhaupt nicht bewusst war, zumal sich die Krankenkassen – wie auch hier zunächst die Beklagte – in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen darauf nicht berufen hatten. Er hat zwar gemeinsam mit dem Kläger überlegt, wie die Versorgung unter Verwendung der vorgegebenen Formulare zum Abschluss gebracht und von der Firma KIND Hörgeräte mit der Beklagten abgerechnet werden kann, ohne den Anspruch des Klägers auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung zu gefährden. Diese Überlegungen richteten sich jedoch allein darauf, den Eindruck einer Verzichtserklärung des Klägers gegenüber der Beklagten zu vermeiden und führten deshalb zu dessen handschriftlichen Zusatz, dass die Erklärung zu Mehrkosten nur gegenüber der Firma KIND gelte und insbesondere keine Forderungen ausschließe, die er gegenüber der Beklagten geltend machen möchte.
Der Beratungsfehler des Hörgeräteakustikers ist der Beklagten auch zuzurechnen. Wer sich seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch den Abschluss eines Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer vom Beginn bis zum Abschluss der Versorgung die gesamte Betreuung des Versicherten überlässt, erfüllt weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch seine Aufklärungs- und Beratungspflichten nach §§ 13 ff. SGB I. Wer sich bereits der Pflicht zur Antragsentgegennahme verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es habe sich kein konkreter Anlass zur Beratung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ergeben. Hierauf hat sich die Beklagte zunächst auch selbst nicht gestützt. Denn dann wäre es konsequent gewesen, die Hilfsmittelbewilligung insgesamt wegen einer Vertragsverletzung des Hörgeräteakustikers und Nichteinhaltung des Beschaffungsweges abzulehnen. Schließlich hat die Firma KIND Hörgeräte die Versorgung des Klägers erstmals mit dem Abschlussbericht angezeigt und somit das im BIHA-Vertrag vorgesehene Procedere nicht eingehalten. Stattdessen hat die Beklagte aber die Pauschale von 638,40 EUR übernommen und sich hinsichtlich der Mehrkosten auf eine von ihr nicht zu leistende Optimalversorgung berufen.
Insoweit wendet der Kläger aber zu Recht ein, dass ihm geeignete eigenanteilsfreie Versorgungsvorschläge entgegen der von ihm unterzeichneten Mehrkostenerklärung und der Erklärung des Hörgeräteakustikers im Abschlussbericht zur Hörsystemversorgung vom 28. August 2007 nicht unterbreitet worden sind. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sämtliche Geräte, die die Firma KIND Hörgeräte zum Festpreis abgegeben hätte, das von der HNO-Klinik des UKSH vorgegebene Versorgungsziel, eine Verbesserung des Hörvermögens gegenüber der bisherigen Versorgung zu erreichen und somit ein CI-Implantat zu vermeiden, bereits aufgrund der mangelnden Regeltiefen und der auftretenden Rückkopplungsgeräusche nicht gewährleisten konnten. Der Senat hat keinen Anlass, den Wahrheitsgehalt der insoweit übereinstimmenden Aussagen des Klägers und des Zeugen B zu bezweifeln. Entsprechende Einwände sind auch von der Beklagten nicht vorgebracht worden. Sie stützt ihre Argumentation im Wesentlichen darauf, dass es sogenannte "Festbetragshörgeräte" nicht gebe, sondern es dem jeweiligen Hörgeräteakustiker obliege zu entscheiden, welche Hörgeräte er zu den vereinbarten Festbeträgen abgebe. Letztlich sei es sein wirtschaftliches Risiko, wenn er Versicherte mit starkem Hörverlust zu versorgen habe und günstigere Geräte für einen angemessenen Ausgleich des Hörverlusts nicht geeignet seien. Dabei verkennt die Beklagte jedoch, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –, veröffentlicht in juris –, der sich der erkennende Senat uneingeschränkt anschließt, auch GKV-Versicherte Anspruch auf die Hörgeräteversorgung haben, die eine nach dem Stand der Medizintechnik bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt, soweit dies im Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil bietet. Die Festbetragsregelung ermächtigt als Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu Leistungsbegrenzungen nur im Hinblick auf die Kostengünstigkeit der Versorgung, nicht aber zu Einschränkungen des GKV-Leistungskatalogs; kann mit einem Festbetrag die nach dem GKV-Leistungsstandard gebotene Versorgung durch Festbeträge nicht zumutbar gewährleistet werden, bleibt die Krankenkasse weiterhin zur Sachleistung verpflichtet.
Im Falle des Klägers konnten - auch im Alltagsleben - unzumutbare Rückkopplungsgeräusche beim Lächeln und Kauen durch kostengünstigere Hörgeräte als das von ihm gewählte nach der glaubhaften Aussage des Zeugen B nicht vermieden werden. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die erfolgte Versorgung zugleich einen beruflichen Gebrauchsvorteil bot. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Sachverständigenbeweis ist dem Senat verwehrt, weil die Messergebnisse der ausprobierten günstigeren Geräte nicht gespeichert wurden und somit ein Vergleich der Hörkurven ausscheidet, weil diese im Nachhinein nicht mehr reproduzierbar sind. Die Beweislast für eine kostengünstigere Versorgungsmöglichkeit gleicher Qualität trägt die Beklagte. Der Kläger hatte mithin, wovon auch das Sozialgericht zutreffend ausgeht, einen Sachanspruch auf das streitgegenständliche Hörgerät.
Der Kläger hat auch durch Vorlage der Rechnung der Firma KIND Hörgeräte vom 27. Dezember 2007 belegt, dass ihm eine Kostenbelastung von 930,00 EUR entstanden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat im Hinblick darauf, dass er von einer Divergenz des 1. und des 3. Senats des BSG im Hinblick auf die Anwendbarkeit des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs im Rahmen der gesetzlichen Kostenerstattungsregelung des § 13 Abs. 3 SGB V ausgeht, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen. Außerdem wird der Rechtssache im Hinblick auf die hier entscheidende Rechtsfrage, ob ein Beratungsfehler des Leistungserbringers über den einzuhaltenden Beschaffungsweg der Krankenkasse zuzurechnen ist, grundsätzliche Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugemessen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Beklagten in Höhe von 930,00 EUR.
Der 1961 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet an einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits und war seit langer Zeit mit Hörgeräten versorgt, als der Zeuge B (angestellter Hörgeräte-Akustiker-Meister der KIND Hörgeräte GmbH & Co. KG) am 18. Januar 2007 durch die HNO-Klinik des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Kiel, telefonisch gebeten wurde, vor einer endgültigen Entscheidung über ein Choch¬lear-Implant zu versuchen, die Einstellung der vom Kläger genutzten Hörgeräte zu optimieren bzw. ihm probatorisch andere Geräte anzupassen.
Der sich daran anschließende Ablauf der Versorgung gestaltete sich wie folgt: Der Kläger litt an immer wieder aufflackernden Gehörgangentzündungen vor allem im linken Ohr. Wegen der Gehörgangschwellung war es im Januar 2007 nicht möglich, die vormals passgenau gefertigte Otoplastik in das linke Ohr einzusetzen. Erst nach der Fertigung neuer Otoplastiken konnte geprüft werden, ob die vorhandenen Hörgeräte ausreichende Leistungsreserven hatten, um in möglichst allen Frequenzbereichen mehr Verstärkung gegenüber leiseren Geräuschen zu aktivieren. Der Kläger nutzte seit 2001 zwei Geräte der Marke Phonak SonoForte2 P3 AZ. Dabei handelte es sich um digital programmierbare Drei-Kanal-Geräte, deren Verstärkungsreserven wegen auftretender Rückkopplungen jedoch nicht ausreichten, um den Hörverlust besser auszugleichen. Auch andere Geräte, die von der KIND Hörgeräte GmbH & Co. KG zum Festpreis abgegeben worden wären (Kind Assista HP, Kind Tempra HP), schieden aufgrund mangelnder Regeltiefen und einer Rückkopplungsneigung für die Versorgung aus. Die vom Zeugen B herangezogenen Geräte Widex B 32 und Siemens S 3 wurden wegen der Aussichtslosigkeit, das Hörvermögen des Klägers zu verbessern, ebenfalls verworfen. Da mit diesen Geräten keine Einstellungen fertig programmiert wurden, erfolgte auch keine Speicherung im PC-System des Hörgeräte-Akustikers. Letztlich erwiesen sich zwei Hörgerätetypen zur Versorgung ähnlich gut geeignet, das Gerät Phonak eXtra 411 AZ Power mit einem Wert pro Gerät von 1.350,00 EUR und Phonak Savia Art 411 mit einem Wert pro Gerät von 2.350,00 EUR. Weil der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit – je nach Standort im Betrieb – auf die Verwendung mehrerer Telefongeräte angewiesen war, entschied er sich für das kostengünstigere Gerät, weil sich bei diesem die Induktionsspule manuell aktivieren ließ. Im Juli 2007 erstellte der Zeuge B den Anpassbericht über die beidohrige Hörgeräte-Versorgung und bat den Kläger, sich nun alsbald in der HNO-Klinik des UKSH zur Kontrolluntersuchung und der Erstellung der in Aussicht gestellten schriftlichen Verordnung vorzustellen. Dort konnte anlässlich des Untersuchungstermins am 11. Juli 2007 eine Messung für das linke Ohr aufgrund der wieder aufgeflammten Gehörgangsentzündung nicht erfolgen. Dennoch erhielt der Kläger eine ärztliche Verordnung für eine entsprechende beidseitige Hörgeräteversorgung. Auf dieser fehlte jedoch die Unterschrift. Deshalb wurde der Kläger vom Zeugen B gebeten, die fehlende Unterschrift einzuholen. Aus terminlichen Gründen war dies erst Ende August 2007 möglich. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die Versorgung mit dem Cochlear-Implant rechts geplant und der Operationstermin auf den 22. Ok¬tober 2007 festgelegt worden. Deshalb wurden am 28. August 2007 sämtliche Formulare (Anpassbericht, Kostenvoranschlag, Kundeninformation, Patientenbogen, Mehrkostenerklärung, Abschlussbericht und Empfangsbestätigung) entsprechend der nunmehr nur noch erforderlichen einohrigen Versorgung neu erstellt. Dem Kläger wurde bis zur Durchführung der CI-Operation das Hörgerät für die rechte Seite vom Hörgeräte-Akustiker zur Nutzung überlassen.
Der Kläger bestätigte den Empfang des Hilfsmittels und sein Einverständnis mit der Zahlung der Mehrkosten für das von ihm ausgewählte Hörsystem am 28. August 2007. Handschriftlich ergänzte er, dass die Erklärung zu Mehrkosten nur gegenüber der Firma Kind gelte und insbesondere keine Forderungen ausschließe, die er gegenüber der Beklagten geltend machen möchte.
Mit Bescheid vom 8. Oktober 2007 (Widerspruchsbescheid vom 4. September 2008) übernahm die Beklagte Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe einer Pauschale von 638,40 EUR (Hörgerät einschließlich Ohrpassstück 453,50 EUR, Servicepauschale 194,90 EUR, gesetzliche Zuzahlung 10,00 EUR). Die Übernahme der Mehrkosten lehnte sie mit der Begründung ab, dass für Hörgeräte Festbeträge bzw. hierauf basierende Vertragspreise gelten würden, die die Höhe der übernahmefähigen Kosten verbindlich festsetzten. Der bewilligte Betrag ergebe sich aus dem zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. geschlossenen Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen. Danach erhalte der Versicherte mindestens zwei eigenanteilsfreie Versorgungsangebote, durch die eine zweckmäßige, ausreichende und wirtschaftliche Versorgung gewährleistet werde. Entscheide sich der Versicherte nicht für ein eigenanteilsfreies Versorgungsangebot, habe er eine Erklärung abzugeben, dass er mit der Zahlung der Mehrkosten einverstanden sei. Diese seien vom Kläger zu tragen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) sei um eine sozialmedizinische Beurteilung gebeten worden und habe in seiner Stellungnahme vom 16. Mai 2008 die Kostenübernahme des Mehrpreises durch die Beklagte nicht empfohlen. Es liege keine medizinische Ausnahmesituation vor. Bei der beantragten Ausstattung handele es sich um eine Optimalversorgung, die zwar wünschenswert jedoch keine Kassenleistung sei.
Der Kläger hat am 10. Oktober 2008 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe Anspruch auf Versorgung mit geeigneten Hörgeräten. Die bei ihm vorliegende Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr, die an Taubheit grenze, könne nur mit dem streitigen Hörgerät ausgeglichen werden. Insoweit hat sich der Kläger auf die schriftliche Stellungnahme des Zeugen B für die Firma KIND Hörgeräte vom 2. Mai 2008 bezogen. Die ausprobierten Hörgeräte zum Festpreis hätten die entstehenden Pfeifgeräusche nicht in adäquater Weise unterdrücken können. Er sei als technischer Verwaltungsangestellter beschäftigt und im Bereich Öffentlichkeitsarbeit für die Pflege der Internet-Seite seines Unternehmens befasst. Außerdem sei er im Bereich Technik und EDV-Anwendungen u.a. mit der Organisation und Administration der EDV und der bürotechnischen Anlagen betraut. Hierbei sei es notwendig, dass er an Besprechungen teilnehme, Besucher empfange und berate sowie seine Kollegin in ihrer Arbeit unterstütze. Außerdem habe er Schulungen durchzuführen, wobei seine telefonische Erreichbarkeit gewährleistet werden müsse. Insoweit hat sich der Kläger auf die Bescheinigung seines Arbeitgebers, dem Förderzentrum MOBILE, vom 9. April 2009 gestützt. Die Beklagte habe den beruflichen Aspekt ohne Weiteres erkennen können und hätte den Antrag auf Kostenübernahme über den Festbetrag hinaus an den zuständigen Rentenversicherungsträger weiterleiten müssen. Dies habe sie unterlassen und sei deshalb als erstangegangener Kostenträger auch insoweit zuständig. Außerdem sei höchstrichterlich mittlerweile entschieden, dass die Krankenkassen zum Ausgleich der bei ihren Versicherten vorliegenden Hörbehinderungen unter Berücksichtigung der nach dem Stand der Medizintechnik bestmöglichen Versorgung verpflichtet seien. Eine Beschränkung lediglich auf den Festbetrag sei unzulässig. Insoweit hat sich der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R – bezogen. Der Kläger hat die Rechnung der Firma KIND Hörgeräte vom 27. Dezember 2007 übersandt, aus der ein Restbetrag von 930,00 EUR hervorgeht.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 zu verurteilen, ihm die Kosten der Hörgeräteversorgung links mit dem Gerät Phonak eXtra 411 AZ Power über den geleisteten Betrag hinaus zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert, der Kläger sei in Abgrenzung zu dem von ihm zitierten Urteil des BSG nicht nahezu taub gewesen. Er sei im Rahmen der stationären Behandlung im Oktober 2007 zu ihren Lasten mit einem Cochlear Implantat rechts versorgt worden. Die Kosten hierfür hätten sich auf 24.705,48 EUR belaufen. Außerdem habe sich der vor dem BSG verhandelte Rechtsstreit auf einen Sachverhalt bezogen, bei dem die für das Land Baden-Württemberg im Jahre 2004 geltenden Festbeträge maßgebend gewesen seien. Demgegenüber sei hier auf den zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V geschlossenen Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen abzustellen, der ab 1. Februar 2007 gegolten habe. Nach § 3 Abs. 1 des Vertrages erhalte der Versicherte mindestens zwei eigenanteilsfreie Versorgungsangebote mit analogen, digital programmierbaren oder volldigitalen Hörsystemen entsprechend dem festgestellten Hörverlust. Nach § 5 Abs. 1 würden grundsätzlich Hörsysteme abgegeben, die über eine DHI-Nummer verfügten und in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V aufgenommen worden seien. In § 6 Abs. 1 des Vertrages sei geregelt, dass die Versorgung des Versicherten (Auswahl und Lieferung des Hilfsmittels) zweckmäßig und wirtschaftlich zu erfolgen habe. Qualität und Wirksamkeit hätten dem allgemeinen Stand der medizinischen Kenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Die Bundesinnung für Hörgeräteakustiker habe ihre Mitglieder in zwei Rundschreiben auf ihre Verpflichtung zur eigenanteilsfreien Versorgung hingewiesen. Wenn die Firma KIND Hörgeräte dem Kläger nur solche Hörgeräte eigenanteilsfrei angeboten habe, mit denen er weder Kauen noch Lächeln konnte, ohne ein unerträgliches Rückkopplungspfeifen zu provozieren, sei sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Besondere berufliche Anforderungen an die Hörgeräteversorgung, die über die Anforderungen des Alltags hinausgingen, seien nicht erkennbar.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der Klinik für Hals-, Nasen-Ohrenheilheilkunde des UKSH, Campus Kiel vom 29. November 2007, 28. Oktober 2007, 28. August 2007, 11. Juli 2007 und 30. Oktober 2006 beigezogen und den Befundbericht des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. L vom 9. Februar 2011 sowie die schriftliche Stellungnahme des Zeugen B vom 9. Juni 2011 eingeholt.
Daraufhin hat die Beklagte vorgebracht, der vom Zeugen B erwähnte telefonische fachärztliche Auftrag vom 18. Juli 2007 (richtig: 18. Januar 2007), den er selbst als ärztliche Verordnung betrachtet habe, sei für die Anwendbarkeit des Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen nicht maßgeblich, denn insoweit sei auf den Versorgungsbeginn abzustellen. Der Versorgungsantrag sei bei ihr erst am 8. Oktober 2007 eingegangen. Im Übrigen habe auch der bis zum 31. Januar 2007 geltende Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen eine Verpflichtung des Leistungserbringers zur eigenanteilsfreien Versorgung mit den im jeweiligen Einzelfall notwendigen Hörgeräten beinhaltet. Die Firma KIND Hörgeräte sei seit dem 1. Januar 2004 über den vdek-BIHA-Vertrag Vertragspartner der Beklagten. Es sei darauf hinzuweisen, dass es so genannte Festbetragshörgeräte nicht gebe. Vielmehr sei es jedem Hörgeräteakustiker selbst überlassen, welche Hörgeräte er im Rahmen der Versorgungspauschale abgebe. Die betriebswirtschaftliche Kalkulation sei dabei hinsichtlich der Verpflichtung des Leistungserbringers zur Durchführung einer im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausreichenden Versorgung unbeachtlich.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe den Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erfüllt. Danach sei ein Anspruch auf Kostenerstattung nur gegeben, wenn entweder eine unaufschiebbare Leistung erbracht worden sei oder die Krankenkasse Leistungen zu Unrecht abgelehnt habe und dem Versicherten dadurch für eine selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Von einer unaufschiebbaren Leistung könne nicht ausgegangen werden, wenn sich – wie hier – der gesamte Anpassungs- und Entscheidungsprozess ohnehin längere Zeit hingezogen habe. Hinsichtlich der zweiten Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V fehle es an der Kausalität zwischen der Ablehnungsentscheidung und der Kostenlast. Der Kläger sei bereits vor Erlass des angefochtenen Bescheides eine zivilrechtlich bindende Verpflichtung zur Abnahme und Bezahlung des streitigen Hörgerätes gegenüber der Firma KIND Hörgeräte eingegangen. Er habe am 28. August 2007 durch seine Unterschrift bestätigt, das Hörgerät erhalten zu haben. Dass es sich dabei lediglich um eine probeweise Überlassung gehandelt habe, lasse sich den Unterlagen nicht entnehmen. Der Kläger habe durch seine Unterschrift auf einem weiteren Formular zudem bestätigt, dass er sich für eine Versorgung mit Eigenanteil entschieden habe und habe sich mit der Zahlung der Mehrkosten für das von ihm ausgewählte Hörsystem und der damit verbundenen Folgekosten einverstanden erklärt. Er habe dieser Erklärung zwar eine handschriftliche Ergänzung bezüglich eines Vorbehaltes gegenüber der Beklagten angefügt, die aber keinen Einfluss auf die gegenüber der Firma KIND eingegangenen Verpflichtung habe. Das Gericht gehe auch davon aus, dass der Versorgungsantrag erst am 8. Oktober 2007 bei der Beklagten eingegangen sei. Die Behauptung des Zeugen B , der Kläger habe bereits mit Schreiben vom 26. Januar 2007 sein Versorgungsbegehren gegenüber der Beklagten geltend gemacht, finde in den Akten keine Stütze. Dies ändere auch nichts an der rechtlichen Bewertung, denn jedenfalls sei die Selbstbeschaffung des streitigen Hörgerätes vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 8. Oktober 2007 erfolgt. Soweit der Kläger seinen Erstattungsanspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben stütze, habe er ebenfalls den Beschaffungsweg nicht eingehalten. Die Erstattung selbstbeschaffter Rehabilitationsleistungen setze unabhängig davon, ob die Beklagte wegen Nichtweiterleitung des Antrages gemäß § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) an den zuständigen Rentenversicherungsträger selbst zuständig geworden ist, nach § 15 Abs. 1 SGB IX voraus, dass zuvor ein Antrag beim Leistungsträger gestellt werde und die Leistungsberechtigten gegenüber dem Leistungsträger nach ausbleibender Entscheidung eine angemessene Frist zur Entscheidung gesetzt und dabei erklärt haben, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen.
Gegen das seinem früheren Prozessbevollmächtigten am 16. April 2012 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die am 15. Mai 2012 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung trägt er vor, das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beschaffungsweg von ihm nicht eingehalten worden sei. Er habe bereits im Januar 2007 gegenüber der Beklagten angezeigt, dass eine Neuversorgung mit Hörhilfen geplant sei und um Übernahme von eventuellen Mehrkosten gebeten, die die Festbeträge übersteigen. Aufgrund der Verordnung vom 18. Januar 2007 und der üblichen Vorgehensweise der Hörgeräteakustiker, die eine Versorgungsanzeige gegenüber der Krankenkasse abgeben, sei der Beklagten bekannt gewesen, dass eine Neuversorgung mit Hörhilfen geplant sei. Dennoch habe sie es versäumt, ihn über den Verfahrensablauf, insbesondere eines möglichen Kostenerstattungsanspruchs zu beraten. Die Beklagte hätte ihn darüber aufklären müssen, dass er – bevor er sich zum Erwerb des streitgegenständlichen Hörgerätes entscheide – bei ihr einen entsprechenden Antrag stellen müsse. Andere Krankenkassen informierten ihre Versicherten entsprechend. Aufgrund dieser Beratungspflichtverletzung bestehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch dergestalt, dass davon ausgegangen werden müsse, die formalen Voraussetzungen des § 13 SGB V seien eingehalten worden. Somit bestehe in Höhe der von ihm erbrachten Aufwendungen ein Schadenersatzanspruch gegenüber der Beklagten. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte aufgrund des geschlossenen Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen der Hörgeräteakustiker als Leistungserbringer bediene. Diese handelten im Namen und in Vollmacht der Beklagten. Deshalb habe die Aufklärung über den Beschaffungsweg auch durch den Hörgeräteakustiker zu erfolgen. Deren Fehlverhalten sei der Beklagten zuzurechnen. Sowohl aus § 4 als auch aus § 5 des Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen ergebe sich, dass der Kontakt zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse lediglich über den Leistungserbringer erfolge. Dieser habe eine Versorgungsanzeige gegenüber der Krankenkasse zu erstatten. Er erhalte nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Bewilligungsschreiben der Krankenkasse. Die Versorgung könne abgerechnet werden, wenn die Hörgeräte nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert seien und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt habe. Im Rahmen dieser Vorgehensweise obliege es den Krankenkassen mit Hilfe des Leistungserbringers den Versicherten über seine möglichen Rechte und Pflichten hinsichtlich des Beschaffungsweges aufzuklären. Insoweit liege ein Systemversagen vor, das der Beklagten zuzurechnen sei. Der Umstand, dass er – der Kläger – mit seiner Unterschrift erklärt habe, dass er sich nach Information über das Angebot einer eigenanteilsfreien Versorgung für eine Versorgung mit einem privaten Eigenanteil entschieden habe, stehe dem Anspruch auf Erstattung nicht entgegen, denn die Information sei unvollständig gewesen und könne den Anspruch nicht ausschließen. Schließlich sei er nicht darüber aufgeklärt worden, dass er einen Anspruch gehabt habe, genau die von ihm begehrten Hörgeräte, die die besten Messergebnisse erzielt hätten, eigenanteilsfrei zu erhalten. Er sei lediglich dahingehend beraten worden, dass er die schlechteren Geräte eigenanteilsfrei erhalten könne. Diese Beratung sei fehlerhaft. Sie entspreche nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach der Versicherte Anspruch auf Versorgung mit den Geräten habe, die eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder gewährleiste. Das Fehlverhalten des Hörgeräteakustikers, der als Hilfsmittellieferant im Lager der Krankenkasse stehe, müsse sich diese grundsätzlich zurechnen lassen. Insoweit stützt sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts Oldenburg im Urteil vom 4. Juli 2012 – S 81 R 84/11 –. Seine Rechtsauffassung werde zudem durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – bestätigt, nach der sich die Krankenkasse nicht darauf berufen könne, dass bei ihr kein Antrag gestellt worden sei, wenn sie sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme durch Outsourcing der Hilfsmittelversorgung entziehe. Das ausgewählte Hörgerät sei auch zur Versorgung notwendig gewesen. Insoweit verweist der Kläger auf sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. März 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 8. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 zu verurteilen, ihm die den Festbetrag übersteigenden Mehrkosten der Hörgeräteversorgung links mit dem Gerät Phonak eXtra 411 AZ Power in Höhe von 930,00 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – finde hier keine Anwendung, da ausweislich der Einlassung des Zeugen B die HNO-Klinik des UKSH im Januar 2007 lediglich telefonisch an den Hörgeräteakustiker herangetreten sei mit der Bitte, die vorhandene "Altversorgung" entsprechend der eingetretenen Hörverschlechterung neu einzustellen. Dies könne nicht mit einem Antrag auf Neuversorgung verglichen werden. Eine persönliche Anzeige des Klägers liege bei ihr nicht vor.
Daraufhin hat der Kläger das Schreiben vom 26. Januar 2007 übersandt.
Der Senat hat den Zeugen B zu den näheren Umständen der streitigen Hörgeräteversorgung im Jahr 2007 vernommen und den Kläger persönlich gehört.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 EUR ist überschritten. Der Kläger begehrt die Erstattung von 930,00 EUR.
Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Das Sozialgericht hätte die Klage nicht wegen der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges abweisen dürfen. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung des von ihm geltend gemachten Eigenanteils für die durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung mit dem Gerät Phonak eXtra 411 AZ Power in Höhe von 930,00 EUR. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. März 2012 war daher aufzuheben und der Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 abzuändern.
Rechtsgrundlage des hier geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V. Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entsprechenden Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender – pri¬märer – Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, die die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –, veröffentlicht in juris). Der Anspruch ist daher gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbstbeschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts scheitert der Kostenerstattungsanspruch insbesondere nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung. Ansprüche nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V sind zwar nur gegeben, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und den Versicherten "dadurch" Kosten für die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen. Hieran fehlt es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, a. a. O. m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall.
Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IV –). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs. 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist (BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 3 KR 20/06 R –, veröffentlicht in juris). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (im Folgenden: BIHA) und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. (im Folgenden: VdAK/AEV) für die Zeit ab 1. Februar 2007 geschlossene Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr. 1 Satz 1 des Vertrags). Unter der Überschrift (Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung) ist u. a. Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Sowohl das Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung als auch das Verfahren bei Bewilligungsschreiben ohne vorherige ärztliche Verordnung sieht eine Versorgungsanzeige des Leistungserbringers an die Ersatzkasse, die die leistungsrechtlichen Voraussetzungen prüft, vor. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat."
Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger tatsächlich – wie von ihm behauptet – mit dem von ihm erstmals im Berufungsverfahren vorgelegten Schreiben vom 26. Januar 2007 bereits selbst bei der Beklagten den Antrag gestellt hat, die Kosten der den Festbetrag übersteigenden Hörgeräteversorgung zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dieses Schreiben bei der Beklagten eingegangen ist, sind der Verwaltungsakte nicht zu entnehmen. Dies wirkt sich jedoch nicht zu Lasten des Klägers aus, denn der Umstand, dass es der Hörgeräteakustiker unterlassen hat, rechtzeitig eine Versorgungsanzeige des Klägers bei der Beklagten zu erstatten, fällt in die Sphäre der Beklagten, die sich ihrer leistungsrechtlichen Verantwortung durch so genannte Verträge zur Komplettversorgung nahezu vollständig entzogen und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlassen hat, ob dem Versicherten eine Leistung zu Teil wird. Damit hat die Beklagte ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V nicht erfüllt und auch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 12 Abs. 1 und § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V) nicht befolgt. Sie verweigert sich letztendlich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I –), wenn sie den Vorgang komplett in die Hände des Leistungserbringers gibt. Wenn der Leistungserbringer in diesem Fall seinen sich aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrag ergebenden Pflichten nicht nachkommt, kann die Beklagte dem Leistungserbringer gegenüber vorgehen, sie kann sich jedoch nicht dem Versicherten gegenüber darauf berufen, es sei bei ihr kein Antrag gestellt worden (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R –; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2013 – L 4 KR 85/12 -, beide veröffentlicht in juris).
Hier war der Kläger zwar vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 8. Oktober 2007 bereits am 28. August 2007 endgültig mit dem Hörgerät versorgt worden. Er hatte sich das Hörgerät selbst beschafft, indem er gegenüber der Firma KIND Hörgeräte durch sein schriftliches Einverständnis mit der Zahlung der Mehrkosten ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft eingegangen war. Dies schließt jedoch entgegen der Auffassung des Sozialgerichts den Kostenerstattungsanspruch nicht aus, denn die erforderliche Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung ist nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren. Der Kläger wendet zu Recht ein, dass er auf das Erfordernis der Einhaltung des Beschaffungsweges durch den Hilfsmittelerbringer nicht hingewiesen worden ist. Dieser Beratungsfehler des Hörgeräteakustikers ist der Beklagten auch zuzurechnen.
Der in § 13 Abs. 3 SGB V geregelte Anspruch auf Kostenerstattung stellt sich insbesondere bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht als abschließende gesetzliche Regelung der auf dem Herstellungsgedanken beruhenden Kostenerstattungsansprüche im Krankenversicherungsrecht dar (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2001 – B 3 KR 27/01 R -, veröffentlicht in juris). Denn die Vorschrift trifft keine Regelung für den Fall, dass eine gebotene, aber unterbliebene oder eine unzutreffende Beratung Ursache für eine kostenauslösende andersartige Leistungsbeschaffung durch den Versicherten ist. Nur wenn der Beratungsfehler zugleich mit einer Leistungsablehnung verbunden ist, werden diese Fälle über die zweite Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V erfasst. Ansonsten steht weiterhin trotz der Regelung des § 13 Abs. 3 SGB V der sozialrechtliche Herstellungsanspruch offen. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 2. November 2007 – B 1 KR 14/07 R – vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Zwar führt der 1. Senat in seiner Entscheidung aus, er habe sich mit dem 3. Senat des BSG abgestimmt, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V eine abschließende Kostenerstattungsregelung über die Ersetzung von Naturalleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle. Soweit sich der 3. Senat in dem zitierten Urteil vom 30. Oktober 2001 darauf berufen habe, dass der Herstellungsanspruch auch auf Kostenerstattung gerichtet sein könne, bestehe keine Divergenz, weil er auf die BSG-Rechtsprechung zur Zeit der Geltung der Reichsversicherungsordnung verwiesen habe. Der Gesetzgeber habe den seinerzeit durch die Rechtsprechung konzipierten Kostenerstattungsanspruch indessen nunmehr selbst in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V abschließend normiert. Die Ausführungen zur fehlenden Divergenz sind vor dem Hintergrund der vom 3. Senat im Urteil vom 30. Oktober 2001 gegebenen Begründung allerdings nicht nachvollziehbar. Schließlich führt dieser wörtlich aus: " Die Kostenerstattung nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist nicht durch die gesetzliche Kostenerstattungsregelung des § 13 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung galt bis zum 31. Dezember 1988, also in der Zeit vor dem Inkrafttreten des SGB V, nach gefestigter Rechtsprechung der Grundsatz, dass die prinzipiell nur zu Sachleistungen verpflichteten Krankenkassen den Versicherten Aufwendungen zu erstatten haben, wenn dies ausdrücklich krankenversicherungsrechtlich so geregelt war (vgl. § 185 Abs. 3 RVO: Selbstbeschaffte Krankenpflegeperson; § 185b Abs. 2 RVO: Selbstbeschaffte Ersatzkraft; § 368d Abs. 1 Satz 2 RVO: Notfallbehandlung) oder wenn die Kassen nach den durch § 131 Abs. 1 Satz 1 SGG anerkannten Grundsätzen zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes oder zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustands verpflichtet waren (BSGE 53, 273 = SozR 2200 § 182 Nr. 82 m. w. N.; BSG SozR 2200 § 182 Nr. 86). Dies war grundsätzlich der Fall, wenn eine Kasse sich zu Unrecht geweigert hatte, die begehrte Sachleistung zu erbringen (BSGE 35, 10, 14) oder wenn sie den Versicherten nicht so aufgeklärt und beraten hatte, dass er mit einem sachgerechten Verhalten die angemessene Sachleistung ausgelöst hat (BSG SozR 2200 § 182 Nr. 57). Diese Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des SGB V durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (Bundesgesetzblatt I Seite 2477) in Gesetzesform übernehmen, was ihm mit § 13 Abs. 3 SGB V zwar weitgehend aber nicht vollständig gelungen ist. Die Vorschrift regelt – insoweit auch abschließend (BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11) – die Kostenerstattung bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Leistungen (Eil- und Notfälle) sowie im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung, trifft aber keine Regelung für den Fall, dass eine gebotene, aber unterbliebene oder eine unzutreffende Beratung Ursache für eine kostenauslösende andersartige Leistungsbeschaffung durch den Versicherten ist. Nur wenn der Beratungsfehler zugleich mit einer Leistungsablehnung verbunden ist, werden diese Fälle über die zweite Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V erfasst. Ansonsten steht weiterhin, trotz der Regelung des § 13 Abs. 3 SGB V, der sozialrechtliche Herstellungsanspruch offen (so auch Höfler in Kassler Komm, sozialversicherungsrecht, Stand: August 2001, § 13 SGB V Rdnr 6, 8, 11; Abgrenzung zu BSGE 79, 125 – SozR 3-2500 § 13 Nr. 11). Es gibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Gesetzgeber habe die Kostenerstattungsansprüche bei Beratungsmängeln im Bereich der Krankenversicherung entweder ganz ausschließen wollen, soweit sie nicht von § 13 Abs. 3 SGB V erfasst werden, oder aber die Versicherten insoweit auf vor den Zivilgerichten geltend zu machende Amtshaftungsansprüche (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) verweisen wollen. Der Gesetzgeber hat lediglich die gesamte Bandbreite sozialrechtlicher Herstellungsansprüche im Bereich der Krankenversicherung nicht vollständig erfasst und gesetzestechnisch umgesetzt."
Daraus folgt, dass der Verweis des 3. Senats auf die BSG-Rechtsprechung zur Zeit der Geltung der Reichsversicherungsordnung nur dazu diente, die lückenhafte gesetzestechnische Umsetzung von Kostenerstattungsansprüchen bei Beratungsmängeln durch das SGB V darzustellen und das Bedürfnis nach der Anwendbarkeit des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Fallgestaltungen der hier vorliegenden Art zu unterstreichen. Dieser Rechtsauffassung ist auch zu folgen. Andernfalls käme es in Fällen, in denen der Beratungsfehler nicht zugleich mit der Leistungsablehnung verbunden, aber kausal dafür ist, dass der Beschaffungsweg nicht eingehalten wird, zu unannehmbaren Wertungswidersprüchen. Schließlich kann die fehlende Kausalität zwischen Kostenbelastung des Versicherten und Leistungsversagung der Krankenkasse nur nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs überwunden werden.
Hier hätte es dem versorgenden Hörgeräteakustiker als Hilfsmittellieferant oblegen, den Kläger über die Notwendigkeit der Einhaltung des Beschaffungsweges umfassend aufzuklären. Das hat der Zeuge B unterlassen, weil ihm nach seiner glaubhaften Einlassung in der mündlichen Verhandlung die Problematik der erforderlichen Kausalität zwischen Kostenbelastung des Versicherten und Leistungsversagung überhaupt nicht bewusst war, zumal sich die Krankenkassen – wie auch hier zunächst die Beklagte – in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen darauf nicht berufen hatten. Er hat zwar gemeinsam mit dem Kläger überlegt, wie die Versorgung unter Verwendung der vorgegebenen Formulare zum Abschluss gebracht und von der Firma KIND Hörgeräte mit der Beklagten abgerechnet werden kann, ohne den Anspruch des Klägers auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung zu gefährden. Diese Überlegungen richteten sich jedoch allein darauf, den Eindruck einer Verzichtserklärung des Klägers gegenüber der Beklagten zu vermeiden und führten deshalb zu dessen handschriftlichen Zusatz, dass die Erklärung zu Mehrkosten nur gegenüber der Firma KIND gelte und insbesondere keine Forderungen ausschließe, die er gegenüber der Beklagten geltend machen möchte.
Der Beratungsfehler des Hörgeräteakustikers ist der Beklagten auch zuzurechnen. Wer sich seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch den Abschluss eines Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer vom Beginn bis zum Abschluss der Versorgung die gesamte Betreuung des Versicherten überlässt, erfüllt weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch seine Aufklärungs- und Beratungspflichten nach §§ 13 ff. SGB I. Wer sich bereits der Pflicht zur Antragsentgegennahme verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es habe sich kein konkreter Anlass zur Beratung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ergeben. Hierauf hat sich die Beklagte zunächst auch selbst nicht gestützt. Denn dann wäre es konsequent gewesen, die Hilfsmittelbewilligung insgesamt wegen einer Vertragsverletzung des Hörgeräteakustikers und Nichteinhaltung des Beschaffungsweges abzulehnen. Schließlich hat die Firma KIND Hörgeräte die Versorgung des Klägers erstmals mit dem Abschlussbericht angezeigt und somit das im BIHA-Vertrag vorgesehene Procedere nicht eingehalten. Stattdessen hat die Beklagte aber die Pauschale von 638,40 EUR übernommen und sich hinsichtlich der Mehrkosten auf eine von ihr nicht zu leistende Optimalversorgung berufen.
Insoweit wendet der Kläger aber zu Recht ein, dass ihm geeignete eigenanteilsfreie Versorgungsvorschläge entgegen der von ihm unterzeichneten Mehrkostenerklärung und der Erklärung des Hörgeräteakustikers im Abschlussbericht zur Hörsystemversorgung vom 28. August 2007 nicht unterbreitet worden sind. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sämtliche Geräte, die die Firma KIND Hörgeräte zum Festpreis abgegeben hätte, das von der HNO-Klinik des UKSH vorgegebene Versorgungsziel, eine Verbesserung des Hörvermögens gegenüber der bisherigen Versorgung zu erreichen und somit ein CI-Implantat zu vermeiden, bereits aufgrund der mangelnden Regeltiefen und der auftretenden Rückkopplungsgeräusche nicht gewährleisten konnten. Der Senat hat keinen Anlass, den Wahrheitsgehalt der insoweit übereinstimmenden Aussagen des Klägers und des Zeugen B zu bezweifeln. Entsprechende Einwände sind auch von der Beklagten nicht vorgebracht worden. Sie stützt ihre Argumentation im Wesentlichen darauf, dass es sogenannte "Festbetragshörgeräte" nicht gebe, sondern es dem jeweiligen Hörgeräteakustiker obliege zu entscheiden, welche Hörgeräte er zu den vereinbarten Festbeträgen abgebe. Letztlich sei es sein wirtschaftliches Risiko, wenn er Versicherte mit starkem Hörverlust zu versorgen habe und günstigere Geräte für einen angemessenen Ausgleich des Hörverlusts nicht geeignet seien. Dabei verkennt die Beklagte jedoch, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –, veröffentlicht in juris –, der sich der erkennende Senat uneingeschränkt anschließt, auch GKV-Versicherte Anspruch auf die Hörgeräteversorgung haben, die eine nach dem Stand der Medizintechnik bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt, soweit dies im Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil bietet. Die Festbetragsregelung ermächtigt als Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu Leistungsbegrenzungen nur im Hinblick auf die Kostengünstigkeit der Versorgung, nicht aber zu Einschränkungen des GKV-Leistungskatalogs; kann mit einem Festbetrag die nach dem GKV-Leistungsstandard gebotene Versorgung durch Festbeträge nicht zumutbar gewährleistet werden, bleibt die Krankenkasse weiterhin zur Sachleistung verpflichtet.
Im Falle des Klägers konnten - auch im Alltagsleben - unzumutbare Rückkopplungsgeräusche beim Lächeln und Kauen durch kostengünstigere Hörgeräte als das von ihm gewählte nach der glaubhaften Aussage des Zeugen B nicht vermieden werden. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die erfolgte Versorgung zugleich einen beruflichen Gebrauchsvorteil bot. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Sachverständigenbeweis ist dem Senat verwehrt, weil die Messergebnisse der ausprobierten günstigeren Geräte nicht gespeichert wurden und somit ein Vergleich der Hörkurven ausscheidet, weil diese im Nachhinein nicht mehr reproduzierbar sind. Die Beweislast für eine kostengünstigere Versorgungsmöglichkeit gleicher Qualität trägt die Beklagte. Der Kläger hatte mithin, wovon auch das Sozialgericht zutreffend ausgeht, einen Sachanspruch auf das streitgegenständliche Hörgerät.
Der Kläger hat auch durch Vorlage der Rechnung der Firma KIND Hörgeräte vom 27. Dezember 2007 belegt, dass ihm eine Kostenbelastung von 930,00 EUR entstanden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat im Hinblick darauf, dass er von einer Divergenz des 1. und des 3. Senats des BSG im Hinblick auf die Anwendbarkeit des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs im Rahmen der gesetzlichen Kostenerstattungsregelung des § 13 Abs. 3 SGB V ausgeht, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen. Außerdem wird der Rechtssache im Hinblick auf die hier entscheidende Rechtsfrage, ob ein Beratungsfehler des Leistungserbringers über den einzuhaltenden Beschaffungsweg der Krankenkasse zuzurechnen ist, grundsätzliche Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugemessen.
Rechtskraft
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