L 10 U 5430/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 15/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5430/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.10.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen einer als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannten Lärmschwerhörigkeit.

Der am 1947 geborene Kläger stammt aus J. und kam im Jahre 1970 nach Deutschland. Hier war er in verschiedenen Firmen beschäftigt, u. a. von 1983 bis 1988 bei der Firma Gebrüder A. als Maschinenbediener an Druckgießmaschinen und von 1989 bis zum Ausscheiden im November 2004 bei der Firma H. & P. Metallgießerei GmbH als Gussputzer. In beiden Tätigkeiten war er lärmexponiert. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes Bl. 47 ff. VA Bezug genommen. Schon während der lärmbelastenden beruflichen Tätigkeit stellte sich beim Kläger im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen eine leichte Hochtonschwerhörigkeit heraus; das letzte Tonaudiogramm vor Aufgabe der Tätigkeit datiert vom Februar 2003 (Bl. 164 VA). Auch gab der Kläger zu verschiedenen Gelegenheiten an, an einem Ohrgeräusch zu leiden, so gegenüber der Hausärztin Dr. K. (Bericht vom April 1998, "manchmal Tinnitus", Bl. 36 VA), gegenüber dem HNO-Arzt Dr. P. anlässlich einer von der Beklagten im Januar 1999 veranlassten Begutachtung ("Tinnitus, nicht sehr belastend im linken Ohr", Bl. 65 Rs. VA) und anlässlich einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung unklaren Datums ("ab und zu Ohrgeräusche beidseits", Bl. 162 VA). Bei seinem ihn seit September 1989 behandelnden Ohrenarzt Dr. G. wurde ein (seit Jahren bestehender, so die damaligen Angaben des Klägers) Tinnitus einmalig im Juli 2009 aktenkundig. Eine Behandlung erfolgte nicht (Auskunft der in der Gemeinschaftspraxis mit Dr. G. tätigen Dr. H. , Bl. 40 LSG-Akte). Anerkannt ist beim Kläger auch eine Haut-erkrankung als BK Nr. 5101 (Bescheid vom 23.01.1992, Bl. 97 VA), wobei die daraus resultierende Verletztenrente - so die Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht - nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. mit Bescheid vom 12.05.2010 auf Lebenszeit abgefunden wurde (Bl. 134 SG-Akte).

Nachdem zunächst die Anerkennung der Schwerhörigkeit als BK Nr. 2301 mit Bescheid vom 22.11.1999 abgelehnt worden war, stellte die Beklagte im Zusammenhang mit einem vom Kläger im November 2009 gestellten Antrag auf Rente wegen berufsbedingter Schwerhörigkeit und nach Beiziehung eines erstmalig nach Ausscheiden aus dem Erwerbsleben im Juli 2009 erstellten Tonaudiogramms (Bl. 174 VA) das Vorliegen einer BK Nr. 2301 fest, lehnte die Gewährung von Rente jedoch ab (Bescheid vom 17.08.2010). Den Widerspruch, den der Kläger damit begründete, er leide an einer erheblichen Schwerhörigkeit, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2010 zurück.

Das hiergegen am 30.12.2010 angerufene Sozialgericht Heilbronn hat von Amts wegen ein Gutachten beim HNO-Arzt Dr. R. eingeholt. Er hat trotz Verständigungsschwierigkeiten mit dem Kläger - dieser sei der deutschen Sprache nur lückenhaft mächtig - hinsichtlich des Tinnitus die Angabe wechselnder Symptome dokumentiert, zum Untersuchungszeitpunkt (Juli 2011) habe "Stille" geherrscht, sodass eine Definierung des Tinnitus nicht möglich gewesen sei. Der Sachverständige hat in Auswertung der vorliegenden Audiogramme, insbesondere auf Grund eines Vergleiches des zuletzt vor dem Ausscheiden des Klägers aus der lärmbelastenden Tätigkeit angefertigten Audiogramms vom Februar 2003 mit dem erstmals nach dem Ausscheiden aus dieser Tätigkeit im Juli 2009 erstellten Tonaudiogramm dargelegt, dass bei knapp fünf Jahren ohne Lärmbelastung eine ganz erhebliche Zunahme der Hörstörung im Hochtonbereich festzustellen sei, was - da eine Lärmschwerhörigkeit ohne Lärmbelastung nicht zunehme - schädigungsunabhängig sei. In dem letzten lärmbezogenen Tonaudiogramm vom Februar 2003 sei ein annähernd normales Hörvermögen dokumentiert, der Hörverlust betrage rechts 10 %, links 15 %, die MdE 0 v.H. AnamnesT. bestehe ein Tinnitus in wechselnder Ausprägung und Lokalisation, dessen nähere Einordnung oder Bestätigung wegen fehlender Manifestationen am Untersuchungstag nicht möglich gewesen sei. Insgesamt hat er die MdE mit 0 v.H. bewertet. Hiergegen hat der Kläger allein eingewandt, die Beklagte habe die Hochtonschwerhörigkeit beidseits in den Gründen des Bescheides angeführt, weshalb keine Abgrenzung zwischen berufsbedingter und nicht berufsbedingter Hochtonschwerhörigkeit vorzunehmen und ausschließlich für die Bemessung der MdE auf die aktuelle Hochtonschwerhörigkeit abzustellen sei. Dies hat Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme abgelehnt und darauf hingewiesen (Bl. 44 SG-Akte), dass der übliche, typische Entwicklungsgang einer Lärmschwerhörigkeit nach 15 bis 18 Jahren Lärmexposition seine Sättigung erreiche und bei weiterer Lärmeinwirkung nur noch sehr langsam fortschreite. Keinesfalls könne innerhalb eine Zeitraumes von nur eineinhalb Jahren (zwischen dem letzten Tonaudiogramm vor dem Ausscheiden und dem Ausscheiden selbst) eine derart rasante Zunahme des Hörverlustes eintreten, wie dies die beiden Audiogramme darstellten. Im aktuell von ihm vorgenommenen Tonaudiogramm sei - so die Ausführungen im Gutachten - die Tendenz zur Hörverluststeigerung in tiefen Frequenzbereich bestätigt (Bl. 36 SG-Akte).

Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten beim HNO-Arzt Prof. Dr. T. eingeholt, der im Rahmen seiner Untersuchung im Februar 2012 auf Grund von Angaben des Klägers in einem Tinnitus-Fragebogen von einem dekompensierten Tinnitus Stadium IV, nicht klassifizierbar (Bl. 88 SG-Akte), ausgegangen ist. Wie Dr. R. ist er - allerdings auf Grund des aktuellen Tonaudiogramms - von einem nur geringen prozentualen Hörverlust 15 % rechts, 20 % links (Bl. 105 SG-Akte) ausgegangen, hat aber unter Berücksichtigung des Tinnitus die MdE "mit 10 v. H. (aber auch nicht mehr)" eingeschätzt. In der Folge hat der Kläger seinen Rentenanspruch vor allem mit dem Tinnitus begründet und in Bezug auf Einwände der Beklagten wegen der Angaben gegenüber Dr. R. auf seine Sprachschwierigkeiten hingewiesen. Im Rahmen einer nochmaligen Begutachtung nach § 109 SGG hat Prof. Dr. T. dargelegt, dass mit Kopfhörer kein Tinnitus hat gemessen werden können. Bei Verdeckung über Freifeld habe sich der Tinnitus bei 4 kHz mit 45dB verdecken lassen, er projeziere sich somit in das Punctum maximum der Hörminderung, es sei von einem lärmbedingten Tinnitus auszugehen und die MdE werde unter Berücksichtigung des Tinnitus mit 10 v. H. eingeschätzt.

Mit Urteil vom 28.10.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach Darstellung der Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Rente (§ 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII - ) und der Darstellung eines sogenannten Stützrententatbestandes in Form der hier abgefundenen Verletztenrente wegen der BK Nr. 5101 sowie der Grundsätze für die Bemessung der MdE hat es auf der Grundlage der zur BK Nr. 2301 herausgegebenen Begutachtungsempfehlungen ("Königsteiner Empfehlung") dargelegt, dass das maßgebliche Audiogramm jenes vom Februar 2003 sei und sich hieraus eine MdE von weniger als 10 v. H. ergebe. Zu diesem Ergebnis sei auch Prof. Dr. T. gelangt. Auch unter Berücksichtigung eines Tinnitus ergebe sich keine MdE um wenigstens 10 v. H. Nach der Königsteiner Empfehlung könne nur bei einem dauerhaften Ohrgeräusch ein lärmbedingter Begleit-Tinnitus bei der Bewertung des Gesamtschadens mit einer MdE bis zu 10 v. H. berücksichtigt werden. Ohrgeräusche, die nicht permanent vorhanden seien, würden dagegen als nicht erheblich eingestuft. Da bei der Untersuchung durch Dr. R. im Juli 2011 hinsichtlich des Tinnitus "Stille" geherrscht habe, sich der Tinnitus nicht manifestiert habe, könne er auch nicht berücksichtigt werden. Da sich der Kläger auch nicht in psychiatrischer oder psychologischer Behandlung befinde, bestünden Zweifel hinsichtlich des im Tinnitus-Fragenbogen geschilderten Leidensdrucks bzw. der dort vorgetragenen Beeinträchtigungen.

Gegen das ihm am 02.12.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.12.2013 Berufung eingelegt. Er beharrt darauf, dass sein Tinnitus rentenbegründend zu berücksichtigen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.10.2013 aufzuheben und den Bescheid vom 17.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2010 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 10 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist u. a. darauf, dass vor dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben vom Kläger zu keinem Zeitpunkt ein permanent bestehender Tinnitus angegeben worden und ein chronischer Tinnitus nach Aktenlage erstmals im Jahre 2009 aktenkundig geworden sei. Damals sei der Kläger schon knapp fünf Jahre keiner beruflichen Lärmbelästigung mehr ausgesetzt gewesen, sodass ein solcher Tinnitus nicht mehr Begleiterscheinung einer Lärmschädigung des Innenohres sein könne.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier begehrte Verletztenrente wegen einer BK Nr. 2301, die Grundsätze über die Bemessung der MdE, insbesondere nach den Empfehlungen für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit - Königsteiner Empfehlung - dargelegt und es ist auf dieser Grundlage überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen der beim Kläger als lärmbedingt anzusehenden Hochtonschwerhörigkeit keine MdE von wenigstens 10 v. H. anzunehmen ist. Es hat sich dabei zu Recht in Übereinstimmung mit Dr. R. auf das zuletzt vor dem Ende der berufsbedingten Lärmexposition erstellte Tonaudiogramm vom Februar 2003 berufen, weil nach dem auch von Dr. R. dargestellten medizinischen Erkenntnisstand eine Lärmschwerhörigkeit nur langsam fortschreitet und nach dem Ende der Exposition nicht zunimmt. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Dass Verschlechterungen des Hörvermögens nach dem Ende der Lärmbelastung nicht mehr als lärmbedingt anzusehen sind, hat im Übrigen Prof. Dr. T. in seinem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG erstellten Gutachten bestätigt. Darüber hinaus hat keiner der Sachverständigen auf Grund der lärmbedingten Hörminderung als solcher eine MdE um wenigstens 10 v. H. angenommen.

Im Hinblick auf das Ausmaß der bei der MdE-Bemessung zu berücksichtigenden Hörstörung kann sich der Kläger - entgegen seiner Argumentation gegenüber dem Sozialgericht - nicht auf den Bescheid der Beklagten berufen. Dort anerkannte die Beklagte zwar das Vorliegen einer BK Nr. 2301, so dass bestandskräftig feststeht, dass diese BK vorliegt. Indessen ist damit über das Ausmaß der berufsbedingten Hörstörung, also die ggf. zu entschädigenden BK-Folgen, keine Entscheidung durch die Beklagte getroffen. Insbesondere anerkannte die Beklagte in diesem Bescheid gerade keine konkreten Folgen dieser BK, sondern führte lediglich im Rahmen der Begründung der Ablehnung des Rentenanspruchs aus, eine beginnende Hochtonschwerhörigkeit, links etwas stärker ausgeprägt als rechts, berücksichtigt zu haben. Vor diesem Hintergrund hat Dr. R. zutreffend darauf hingewiesen, dass im Rahmen der MdE-Bemessung wiederum zu klären ist, in welchem Ausmaß die Hörstörung auf die berufsbedingten Einwirkungen zurückzuführen ist. Im Übrigen hat Prof. Dr. T. seiner Beurteilung der MdE die aktuell vorhandene Hörstörung zu Grunde gelegt, hieraus - für sich genommen - aber gerade keine MdE um wenigstens 10 v.H. abgeleitet.

Zutreffend hat das Sozialgericht auch die Grundsätze über die Bewertung eines Tinnitus nach der Königsteiner Empfehlung dargelegt und es ist zu Recht davon ausgegangen, dass beim Kläger nicht von einem permanenten Hörgeräusch als lärmbedingt ausgegangen werden kann. Dabei kann allerdings offen bleiben, ob der Königsteiner Empfehlung, ein nur zeitweise vorhandenes Ohrgeräusch sei unerheblich, für jeden Fall gefolgt werden kann; immerhin kommt es bei der Bemessung der MdE auf die im Einzelfall vorhandenen funktionellen Auswirkungen der Störungen auf die Leistungsfähigkeit im allgemeinen Arbeitsleben an.

In Bezug auf die Schwere der vom Kläger angegebenen Ohrgeräusche hat die Beklagte im Berufungsverfahren - bezogen auf deren Manifestation - allerdings zutreffend darauf hingewiesen, dass vor dem Ende der berufsbedingten Lärmbelastung ein permanent vorhandenes Ohrgeräusch gerade nicht dokumentiert ist. Vielmehr gab der Kläger immer nur gelegentliche Hörgeräusche an, eine hieraus resultierende besondere Belastung ist vor der Untersuchung durch Prof. Dr. T. nirgends dokumentiert. So findet sich im Bericht der Hausärztin Dr. K. vom April 1998 der Vermerk "manchmal Tinnitus", im Januar 1999 gab der Kläger gegenüber Dr. P. an, im linken Ohr einen Tinnitus, nicht sehr belastend, zu haben und anlässlich einer arbeitsmedizinischen Untersuchung während der beruflichen Lärmbelastung gab er an, ab und zu Ohrgeräusche beidseits zu haben (Bl. 162 VA). Noch gegenüber Dr. R. hat der Kläger keinen permanenten Tinnitus behauptet und auch keine Angaben über eine besondere Belastung hierdurch gemacht.

Soweit der Kläger die anamnesT. e Dokumentation von Dr. R. unter Hinweis auf seine Sprachschwierigkeiten in Zweifel zieht, folgt ihm der Senat nicht. Zwar hat Dr. R. in seinem Gutachten dokumentiert, dass die Verständigung wegen Sprachschwierigkeiten nicht immer einwandfrei gelungen sei. Dass die anamnesT. e Erhebung hiervon in wesentlicher Weise beeinträchtigt gewesen ist, ergibt sich hieraus aber nicht. Immerhin ist es möglich gewesen, im Rahmen der Anamnese u.a. die wesentlichen Aspekte der beruflichen Tätigkeit zu erheben (seit 1989 Tätigkeit als Gussputzer, Ende der Tätigkeit im November 2004) und den Verlauf der Schwerhörigkeit zu klären (allmähliches Nachlassen des Gehörs seit 1997, links schlechter als rechts, seit zwei Jahren würden Hörgeräte getragen, das Gehör verschlechtere sich weiter). Darüber hinaus hat Dr. R. eindeutig und unmissverständlich dargestellt, dass der Kläger hinsichtlich des Tinnitus wechselnde Symptome genannt habe (Bl. 29 SG-Akte) bzw. ein Tinnitus in wechselnder Ausprägung und Lokalisation vorhanden sei (Bl. 38 SG-Akte), was eine hinreichende Verständigung voraussetzt. Die Feststellung, dass im Zeitpunkt der Untersuchung "Stille" geherrscht habe, ist eindeutig und kann auch unter Hinweis auf Sprachschwierigkeiten nicht in Zweifel gezogen werden. Bestätigt wird diese Beurteilung durch das Gutachten von Prof. Dr. T. , der noch nicht einmal sprachliche Schwierigkeiten im Rahmen der Anamnese (sondern nur im Rahmen des Sprachaudiogramms) beschrieben hat. Selbst das Ausfüllen des in deutscher Sprache gehaltenen Tinnitus-Fragebogens ist dem Kläger ohne erkennbare Schwierigkeiten möglich gewesen.

Dem entsprechend ist ein permanent vorhandenes Ohrgeräusch jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. T. nicht nachzuweisen. Die Angaben des Klägers gegenüber Dr. G. (s. Arztbericht der Dr. H. vom Dezember 2009, Bl. 172 VA "chronischer Tinnitus" und Auskunft gegenüber dem Senat, Bl. 40 LSG-Akte: "erstmals und einmalig am 16.07.2009 aktenkundig, Angabe über ein seit Jahren bestehendes Ohrgeräusch") lassen keine Rückschlüsse darauf zu, ob die Ohrgeräusche zum damaligen Zeitpunkt immer vorhanden waren oder nur zeitweise. Selbst wenn mit den Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. T. angenommen würde, dass jedenfalls seit diesem Zeitpunkt (Untersuchung im Februar 2012) ein permanenter Tinnitus vorliegt, ändert sich nichts an der Beurteilung. Insoweit teilt der Senat angesichts des langen Zeitraum seit dem Ende der beruflichen Lärmexposition (November 2004) die Zweifel der Beklagten an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem nunmehr vom Kläger behaupteten permanenten Tinnitus quälenden Charakters und der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit. Hinzu kommt, dass nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. R. sich die Hochtonschwerhörigkeit nach dem Ende der Lärmexpositionen verschlechterte. Dr. R. hat auf der Grundlage des zeitnächsten Audiogramms vor dem Ausscheiden - jenes vom Februar 2003 - und dem zeitnächsten Audiogramm nach dem Ende der Lärmexpositionen - jenem vom Juli 2009 - dargelegt, dass insbesondere auch im Hochtonbereich eine deutliche Zunahme der Hörminderung festzustellen ist, die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht als lärmbedingt angesehen werden kann. Wenn aber die Zunahme der Hörstörung gerade im Hochtonbereich nicht mehr lärmbedingt ist, wäre auch eine Verschlechterung des Tinnitus, der sich nach der Darstellung von Prof. Dr. T. gerade im Bereich der Hochtonstörung, nämlich im Bereich von 4 kHz im Punctum maximum manifestiert, nicht mehr im Sinne eines Begleit-Tinnitus zur lärmbedingten geringen Hochtonstörung anzusehen.

Darüber hinaus teilt der Senat die vom Sozialgericht geäußerten Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers über das Ausmaß seines Tinnitus und seine Beeinträchtigung durch diesen.

Nach den Angaben des Klägers in dem von Prof. Dr. T. verwendeten Tinnitus-Fragebogen würde es sich - so die Auswertung durch den Sachverständigen - um einen dekompensierten Tinnitus Grad IV und damit um eine erhebliche Beeinträchtigung handeln. Gleichwohl hat Prof. Dr. T. sowohl in seinem ursprünglichen Gutachten, als auch in seinem speziell zur Klärung des Tinnitus erstatteten erneuten Gutachten die MdE unter Berücksichtigung des Tinnitus lediglich mit 10 v. H. "(aber auch nicht mehr)" - so die klare Bewertung im ersten Gutachten - bewertet, obwohl er zwischen beiden Untersuchungen angesichts der Angaben des Klägers sogar eine MdE bis zu 30 v.H. in die Diskussion gebracht hat. Insoweit hat er im Ergebnis der Darstellung des Klägers über das Ausmaß seiner Beeinträchtigungen durch den Tinnitus nicht die behauptete Bedeutung für die MdE beigemessen, was angesichts der von Prof. Dr. T. erkannten "Leidensbetonungstendenz" des Klägers (Bl. 105 und Bl. 107 LSG-Akte) und damit einer unzutreffenden Leidensschilderung nachvollziehbar ist. Dabei hat Prof. Dr. T. den Tinnitus auch nicht durch die übliche Methodik verifiziert. So hat er im (zweiten) Gutachten dargelegt, dass mit Kopfhörer kein Tinnitus hat gemessen werden können, sodass eine Verdeckung des Tinnitus nur "über Freifeld" möglich gewesen ist. Schon die Ausführungen von Prof. Dr. T. wecken somit Zweifel an der Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben.

Hinzu kommt, dass der Kläger trotz der behaupteten erheblichen Beeinträchtigungen keinerlei ärztliche Hilfe in Bezug auf die behaupteten Ohrgeräusche in Anspruch genommen hat, obwohl - so seine Angaben im Tinnitus-Fragebogen - der quälende Charakter seit 2004 bestehen soll (Bl. 90 SG-Akte). Weder ist eine hno-ärztliche Behandlung erfolgt (siehe die Auskunft von Dr. H. gegenüber dem Senat) noch hat der Kläger nervenärztliche oder die Hilfe eines Psychologen in Anspruch genommen (so seine Angaben in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Sozialgericht). Angesichts des vom Kläger behaupteten Ausmaßes seiner Belastung durch den Tinnitus (quälend seit 2004, nach Auswertung von Prof. Dr. T. Schweregrad IV) wäre aber ein hoher Leidensdruck und damit die Nachfrage nach Hilfe zu erwarten. Stattdessen gab der Kläger gegenüber seinem ihn seit 1989 behandelnden HNO-Arzt Dr. G. nur einmalig, im Juli 2009 Ohrgeräusche an, ohne dass Angaben über eine besondere Belastung dokumentiert wären oder eine Behandlung für erforderlich gehalten oder gar durchgeführt worden wäre. Selbst noch bei der Begutachtung durch Dr. R. (Juli 2011) hat der Kläger eine Belastung durch den Tinnitus gerade nicht erwähnt, was angesichts der sonstigen von Dr. R. dokumentierten Angaben und der Verständigungsfähigkeit des Klägers im Übrigen - wie bereits ausgeführt - entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht mit Verständigungsschwierigkeiten erklärt werden kann.

Schließlich hat der Kläger bis zur Begutachtung durch Prof. Dr. T. seinen Rentenanspruch zu keinem Zeitpunkt mit Beeinträchtigungen durch Ohrgeräusche begründet, solche noch nicht einmal angeführt. So begründete er seinen Widerspruch gegen die Rentenablehnung allein mit seinem Leiden an der "erheblichen" Schwerhörigkeit. Selbst nach Vorlage des Gutachtens von Dr. R. , in dem die Frage nach einem Tinnitus ausdrücklich aufgeworfen worden ist, hat er nur mit dem zu berücksichtigenden Ausmaß der Hochtonschwerhörigkeit und gerade nicht mit Einschränkungen durch Ohrgeräusche argumentiert. Bis zur Verwendung des Tinnitus-Fragebogens durch Prof. Dr. T. und seiner Begründung einer rentenberechtigenden MdE mit der Einbeziehung eines Tinnitus ist somit eine Beeinträchtigung durch Ohrgeräusche vom Kläger nie thematisiert worden.

Vor diesem Hintergrund vermag der Senat die Angaben des Klägers über das Ausmaß der Ohrgeräusche und deren beeinträchtigende Wirkung, wie sie im Tinnitus-Fragebogen angegeben worden sind, der Bemessung der MdE nicht zu Grunde zu legen. Dementsprechend erübrigt sich auch die Einholung eines weiteren Gutachtens zur insbesondere nervenärztlichen Einordnung der Beschwerden des Klägers im Rahmen der MdE. Denn auch ein nervenärztlicher Sachverständiger könnte die Angaben des Klägers über das Ausmaß seiner Beeinträchtigungen mangels Glaubhaftigkeit nicht zu Grunde legen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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