S 13 KR 308/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 308/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (KV) und sozialen Pflegeversicherung (PV) ab 01.08.2014 aufgrund der freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist seit 1995 freiwilliges Mitglied der Beklagten ohne Anspruch auf Krankengeld. Die Beklagte setzte die Beiträge des Klägers zu KV und PV jeweils aufgrund der eingereichten Einkommensteuer-(ESt-)Bescheide fest. Der ESt-Bescheid für 2010 wies Brutto-Einkünfte aus Kapitalvermögen (3.848,00 EUR) sowie aus Vermietung und Verpachtung (3.460,00 EUR) in Höhe von insgesamt 7.308,00 EUR aus. Daher wurden die Beiträge – wie bis dahin auch – nach der Mindestbemessungsgrundlage des § 240 Abs. 4 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) festgesetzt.

Am 31.07.2014 erhielt die Beklagte den ESt-Bescheid vom 29.04.2014 für das Jahr 2011. Dieser wies Brutto-Einkünfte aus Kapitalvermögen (3.622,00 EUR) sowie aus Vermietung und Verpachtung (20.096,00 EUR) in Höhe von 23.718,00 EUR aus. Die Beklagte legte der Neuberechnung der Beiträge daraufhin nach Abzug der Werbungskostenpauschale von 51,00 EUR Einkünfte von (jährlich) 23.667,00 EUR, auf den Monat umgerechnet in Höhe von 1.972,25 EUR zugrunde. Sie setzte durch Bescheid vom 13.08.2014 – zugleich im Namen der Pflegekasse – für die Zeit ab 01.08.2014 den monatlichen Beitrag zur KV auf 293,87 EUR, zur PV auf 45,36 EUR fest, sodass sich ein monatlicher Gesamtbeitrag von 339,23 EUR ergab.

Dagegen erhob der Kläger am 11.09.2014 Widerspruch. Er meinte, die Regelung des § 240 SGB V bezüglich der Bemessungsgrundlage zur Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahmen bei freiwillig Versicherten verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Grundgesetz (GG), da bei diesen – anders als bei Pflichtversicherten – die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit herangezogen werde. Diese Vorgehensweise widerspreche eklatant dem Selbstverständnis der Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als Solidargemeinschaft. Der Begriff der Solidarität ziehe zwingend die Konsequenz nach sich, dass alle an der Solidargemeinschaft Beteiligten gemäß ihrer tatsächlichen ökonomischen Leistungsfähigkeit behandelt werden.

Am 10.09.2014 erhielt die Beklagte den ESt-Bescheid vom 28.08.2014 für das Jahr 2012. Daraus ergaben sich Brutto-Einkünfte aus Kapitalvermögen (7.273,00 EUR) sowie Vermietung und Verpachtung (23.238,00 EUR), insgesamt 30.511,00 EUR. Nach Abzug der Werbungskostenpauschale für Kapitalerträge von 51,00 EUR legte die Beklagte die verbliebenen Brutto-Einkünfte von 30.460,00 EUR (pro Jahr) bzw. 2.538,33 EUR (pro Monat) der weiteren Bemessung der Beiträge zugrunde. Durch Bescheid vom 11.09.2014 setzte sie – zugleich im Namen der Pflegekasse – für die Zeit ab 01.09.2014 den Beitrag zur KV auf 378,21 EUR, zur PV auf 58,38 EUR fest, woraus sich ein monatlicher Gesamtbeitrag von 436,59 EUR ergab.

Dagegen erhob der Kläger am 25.09.2014 Widerspruch.

Die Beklagte wies die Widersprüche durch Widerspruchsbescheid vom 27.10.2014 – zugleich im Namen der Pflegekasse – zurück.

Dagegen hat der Kläger am 25.11.2014 Klage erhoben. Er hat seine Rechtsauffassung in Schriftsätzen vom 24.11.2014, 14.01.2015 und zuletzt 10.02.2015 wiederholt, ergänzt und vertieft.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 13.08. und 11.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von ihm zu entrichtenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auch über den 31.07.2014 hinaus nach der Mindestbemessungsgrundlage festzusetzen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob § 240 SGB V mit Artikel 3 des Grundgegesetzes vereinbar ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Beitragsberechnung aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage korrekt vorgenommen worden ist. Ob die Feststellung der für die Beitragsberechnung zugrunde gelegten Einkünfte des Klägers einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundrechte darstelle, könne seitens der beklagten Krankenkasse nicht beurteilt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat die Mitgliedsbeiträge des Klägers für die Zeit ab 01.08.2014 rechnerisch richtig und rechtlich zutreffend festgesetzt. Dies gilt sowohl für die Beiträge zur KV als auch für die Beiträge zur PV. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder die – wie der Kläger – ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festzusetzen. Das Mitglied ist darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Die Beklagte hat in den Beitragsbescheiden nicht nur die KV-, sondern auch die PV-Beiträge festgesetzt und den Kläger darauf hingewiesen, dass die Bescheide zugleich im Namen der Pflegekasse ergehen.

Grundlage der Bemessung der Beiträge in der KV und PV ist die Vorschrift des § 240 SGB V, auf die § 57 Abs. 1 SGB XI für die PV verweist. Nach § 240 Abs. 1 SGB V wird die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt (Satz 1). Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (Satz 2). In Ausführung von § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V hat der GKV-Spitzenverband die "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von den Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträgen" (Beitragsverfahrensgrundsätze-Selbstzahler/BVSzGs) erlassen. Diese sind als untergesetzliche Normen für sich genommen eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten (BSG, Urteil vom 19.12.2012 – B 12 KR 20/11 R). Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BVSzGs). Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Einnahmen aus Kapitalvermögen sind den beitragspflichtigen Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten zuzurechnen. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Als Werbungskosten ist bei Einnahmen aus Kapitalvermögen ein Betrag von 51,00 EUR pro Kalenderjahr zu berücksichtigen, sofern keine höheren tatsächlichen Aufwendungen nachgewiesen werden (§ 3 Abs. 1b BVSzGs). Die Einnahmen des Klägers sind solche aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung. Diese hat die Beklagte zutreffend nach Abzug der Werbungskostenpauschale der Bemessung der Beiträge zugrundegelegt; auf der Basis der durch die ESt-Bescheide belegten Einnahmen beträgt die monatliche Beitragsbemessungsgrundlage ab 01.08.2014 1.972,25 EUR, ab 01.09.2014 2.538,33 EUR. Der für den Kläger maßgebliche ermäßigte Beitragssatz zur KV beträgt 14,9 % (vgl. § 243 Satz 3 SGB V). In der PV beträgt der Beitragssatz 2,3 % (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB XI). Daraus ergeben sich die in den angefochtenen Bescheiden zutreffend festgesetzten Mitgliedsbeiträge zur KV und PV ab 01.08. bzw. 01.09.2014.

Die vom Kläger ausführlich dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beitragsberechnungsgrundlagen teilt die Kammer nicht. Dem Kläger ist zuzugeben, dass die Beitragsbemessung bei pflichtversicherten und freiwilligen Mitgliedern der GKV unterschiedlich erfolgt und durchaus auch als ungleich bezeichnet werden kann. Die ungleiche Beitragsbemessung war in der Vergangenheit bereits mehrfach Gegenstand auch verfassungsgerichtlicher Entscheidungen. Speziell zu der Problematik, dass Einkommen aus Vermietung und Verpachtung bei freiwilligen, nicht aber bei Pflichtmitgliedern zur Beitragsbemessung herangezogen wird, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits am 03.02.1993 (1 BvR 1920/92) entschieden: "Dass bei den freiwillig Versicherten nicht nur Versorgungsbezüge, also Einnahmen, die unmittelbar auf ein früheres Beschäftigungsverhältnis oder auf frühere Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind, sowie Arbeitseinkommen bei der Beitragsberechnung die allein maßgebende Grundlage ist, sondern bei der betragsmäßigen Leistungsfähigkeit nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch Einnahmen aufgrund betriebsfremder privater Eigenvorsorge, wie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen, berücksichtigt werden, entspricht dem die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip, die Versicherten nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen heranziehen. Dies ist von Verfassung wegen nicht zu beanstanden." Noch im Beschluss vom 22.05.2001 (1 BvL 4/96) hat das BVerfG erneut festgestellt, dass auch die unterschiedliche beitragsrechtliche Behandlung der Selbstständigen und der Pflichtversicherten gerechtfertigt ist. Das oberste Verfassungsgericht hat diese Feststellungen auch ausführlich begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird beispielhaft auf die Ausführungen in den genannten Entscheidungen und die dortigen weiteren Nachweise Bezug genommen. Auch die Sozialgerichte aller Instanzen haben wiederholt entschieden, dass die unterschiedliche Bemessung der Beiträge von Pflichtmitgliedern und freiwillig Versicherten zur KV und PV in Einklang mit der Verfassung steht (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 07.11.1991 – 12 RK 18/91; Urteil vom 18.02.1997 – 1 RR 1/94; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2012 – L 1 KR 188/10; SG Münster, Urteil vom 10.01.2002 – S 8 [3] KR 114/01).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved