Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 R 1568/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 737/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 108/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein besonderer, gegen eine Versorgungsehe sprechender Umstand kann nicht schon in einer langjährigen und von Liebe geprägten Beziehung gesehen werden.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2011aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 17.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Witwenrente hat.
Die 1957 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 15.02.2010 eine Witwenrente aus der Versicherung des R. A ... Sie gab hierbei an, dass sie den am 16.09.1951 geborenen Versicherten am 04.04.2008 geheiratet habe und dieser am 19.04.2008 verstorben sei. Weiter erläuterte sie, dass sie den Versicherten 1997 kennengelernt habe und mit ihm seit 1998 in einer gemeinsamen Wohnung gelebt habe. Im Urlaub in der Türkei habe im Juli 2003 die Verlobung stattgefunden. Schon bei der Verlobung seien Eheringe gekauft worden, was die Klägerin mit Bestätigungen eines Juweliers aus Antalya über mehrere dort gekaufte Schmuckstücke belegen wollte. Die Eheschließung sei für 2004 geplant gewesen. Wegen des Todes des Vaters des Versicherten und des Todes der Mutter der Klägerin im Jahr 2004 sei der Termin nicht eingehalten worden. In der Folgezeit sei die Eheschließung wegen Bandscheibenbeschwerden und verschiedenen Operationen hinausgeschoben worden. Im November 2007 sei beim Versicherten Lungenkrebs festgestellt worden, wobei ab Januar 2008 mit einer Strahlenbehandlung begonnen worden sei. Nach dem vorläufigen Abschluss der Behandlung und der Entlassung am 29.03.2008 sei mit einem schnellen Tod des Versicherten nicht zu rechnen gewesen. Nachdem der Versicherte sich am 31.03.2008 wegen eines Oberschenkelhalsbruches wieder in die Klinik habe begeben müssen sei man übereingekommen, die Eheschließung nicht weiter hinauszuschieben und habe am 04.04.2008 geheiratet. Nach einer weiteren Operation am 14.04.2008 sei eine zukünftige Behandlung mit einem künstlichen Hüftgelenk geplant worden. Das Versterben des Versicherten am 19.04.2008 sei plötzlich aufgrund von multiplem Organversagen erfolgt.
Der Beklagten lagen verschiedene ärztliche Unterlagen über den verstorbenen Versicherten vor. Unter anderem erfolgte im Juli/August 2006 eine medizinische Rehabilitation in der A. Klinik in S ... Dabei wurde neben orthopädischen Diagnosen ein Zustand nach Blasenkarzinom 2004 festgehalten. In einem Arztbrief des Bezirksklinikums O. (K-Stadt) vom 07.12.2007 wurde über die Behandlungen des Versicherten vom 21.11.2007 bis 29.11.2007 und vom 03.12.2007 bis 07.12.2007 berichtet. Dabei war ein bronchogenes Adenokarzinom des rechten Lungenoberlappens mit mediastinalen Lymphknotenmetastasen festgestellt worden. Es sei die Durchführung einer neoadjuvanten Chemotherapie indiziert. Danach käme hier jedenfalls eine operative Therapie in Betracht. Über den Verlauf der Strahlentherapie wird berichtet, dass eine anfänglich vorhandene Atelektase im rechten Oberlappen im Verlauf der Therapie verschwunden sei. Bei einer Schmerzsymptomatik in der linken Hüfte sei die histologische Sicherung einer hypodensen Raumforderung erfolgt, wobei am ehesten von einer Knochenmarksmetastase auszugehen sei. Für den 30.04.2008 sei eine Verlaufscomputertomographie zur Kontrolle des Oberlappenherdes vorgesehen und danach werde über die stereotaktische Radiotherapie des verbleibenden Primärtumors entschieden.
Am 10.05.2010 ging die Medizinaloberrätin Dr. R. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten davon aus, dass nach den vorgelegten Unterlagen zum Zeitpunkt der Eheschließung eine palliative Einschätzung der Lage nicht ersichtlich gewesen sei. Nach Beiziehung weiterer Unterlagen nahm am 06.08.2010 die Medizinaloberrätin Dr. P. dahingehend Stellung, dass die Prognose für den Versicherten seit längerem infaust gewesen sei und mit einem baldigen Ableben, d.h. innerhalb der nächsten 12 Monate, spätestens bei der Eheschließung zu rechnen gewesen sei. So war in einem Arztbrief der Universitätsklinik E-Stadt vom 30.04.2008 über den gesundheitlichen Zustand des zwischenzeitlich verstorbenen Versicherten Folgendes ausgeführt: Der Versicherte sei aus der medizinischen Klinik zuverlegt worden. Es sei eine operative Therapie bei einem bereits weit fortgeschrittenen Adenokarzinom mit multiplen Metastasen erfolgt. Nach Nekrosektomie und programmierter erneuter Revision mit Nekrosektomie sei eine antibiotische Therapie durchgeführt worden, die aber nicht habe verhindern können, dass der Versicherte an einem Multiorganversagen verstorben sei.
Die Klägerin legte ein Attest vor, wonach sie sich nach dem Tod ihres Ehemannes, der bei ihr eine schwere depressive Episode ausgelöst gehabt habe, seit Mai 2008 in psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung befunden habe.
Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin außerdem Bescheinigungen über Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie eine Bescheinigung über die Höhe ihres Bruttoarbeitsentgeltes in Höhe von monatlich 1.783,92 Euro vor.
Mit Bescheid vom 17.08.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente ab. Es sei nach der gesetzlichen Vermutung von einer Versorgungsehe auszugehen. Im vorliegenden Fall sei sowohl nach objektiver ärztlicher Einschätzung als auch nach umfassender Würdigung der geschilderten Umstände davon auszugehen, dass die tödlichen Folgen der Erkrankung bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung absehbar gewesen seien. Eine Witwenrentengewährung sei deshalb ausgeschlossen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 23.08.2010 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass der Versicherte kurz vor der Heirat nicht wegen der Krebserkrankung, sondern wegen Hüftbeschwerden in der Klinik gewesen sei; zumindest seien sie davon ausgegangen. Sie wollten den Hochzeitstermin einfach nicht mehr verschieben, so wie es bisher so oft schon geschehen gewesen sei. Wenn es ihr um eine Versorgung gegangen wäre, dann wäre die Eheschließung möglichst schnell nach der Erstdiagnose angezeigt gewesen. Hier hätten sie aber erst nach der Klinikbehandlung heiraten wollen und hätten dann den Hochzeitstermin nur nicht mehr weiter verschieben wollen. Die Heirat sei aus Liebe erfolgt und es habe die Absicht bestanden, noch lange Zeit miteinander zu verbringen. Von den Ärzten sei kein Hinweis darauf erfolgt, dass mit einem schnellen Ableben des Versicherten zu rechnen sei. Wenn ein Paar schon so lange zusammen lebe, wie sie es getan hätten, dann sei es auch nicht als falsch anzusehen, wenn der erkrankte Partner seine Lebensverhältnisse auf die Reihe bringen möchte. Das sei wohl auch ein Grund gewesen, warum ihr Mann die Heirat nicht mehr habe verschieben wollen. Die Absicht nach der Verlobung heiraten zu wollen, könne durch mehrere Zeugen bestätigt werden.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 den Widerspruch zurück. Besondere Umstände, die trotz einer Ehedauer von weniger als einem Jahr zu einer Ablehnung einer Versorgungsehe führen könnten, seien nicht zu bejahen. Auch nach Einbeziehung der ergänzend vorgelegten ärztlichen Unterlagen sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung der Tod des Versicherten objektiv zu erwarten gewesen sei. Der Umstand des langen Zusammenlebens reiche nicht als besonderer Umstand für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung aus.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2010 am 23.12.2010 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Die Klägerin hat erneut geltend gemacht, dass für sie das schnelle Ableben ihres Mannes total unerwartet gekommen sei und sie seinen Tod bis heute nicht habe verwinden können, weshalb sie sich in psychotherapeutische Behandlung habe begeben müssen. Sie hätten eine besondere Feier geplant gehabt, nachdem sie seit 12 Jahren glücklich zusammen gewesen seien und davon fünf Jahre verlobt gewesen seien und sie schon so oft ihre Hochzeitstermine hätten verschieben müssen. Dass der Versicherte wieder wegen des Oberschenkelhalsbruches in die Klinik gemusst habe, sei nicht vorhersehbar gewesen. Sie hätten den Hochzeitstermin dann nicht noch weiter verschieben wollen.
Auf Nachfrage des SG hat die Klägerin den Ablauf der Vorgänge schriftlich geschildert. Danach sei sie, weil selbst gerade erst rekonvaleszent, bei den Untersuchungen in K-Stadt nicht dabei gewesen. Die stationäre Behandlung in der Strahlenklinik E-Stadt sei vom 21.01. bis 29.03.2008 erfolgt. Hier hätten sie meist gemeinsam bei den Visiten mit den Ärzten gesprochen und es sei auch hier keine Bemerkung über ein frühes Sterben aufgrund des Lungenkarzinoms erfolgt. Nachdem der Versicherte wegen eines Oberschenkelhalsbruches in die Klinik gemusst habe, habe er die Klägerin gebeten, alles in die Wege zu leiten, dass sie heiraten könnten. Es sei eine Standesbeamtin in die Klinik gekommen und es sei standesamtlich geheiratet worden und am nächsten Tag sei eine kirchliche Trauungszeremonie erfolgt. Ihr Mann habe sich an sich eine Trauung auf einem Schiff gewünscht, da er während seiner Bundeswehrzeit vier Jahre bei der Marine gewesen sei. Aber in den letzten Jahren sei immer wieder unverhofft etwas dazwischen gekommen: Krankheit, viele Todesfälle im engsten Familienkreis. Nach der ersten Operation sei ihr von den Ärzten in der Klinik gesagt worden, der Bruch habe nicht gerichtet werden können, aber der Versicherte bekäme ein neues Hüftgelenk. Das sei am 07.04.2008 gewesen. Am 18.04.2008 sei sie vom Oberarzt der Klinik angerufen worden, ob sie aus der Verwaltung der Klinik, in der sie arbeite, herüberkommen könne. Ihrem Mann ginge es nicht gut. Sie hätten im Jahr 2008 ein gemeinschaftliches Testament gemacht. Sie hätten sich für dieses Jahr vorgenommen, endlich ein Haus zu kaufen. Vier Tage vor dem Tod des Versicherten habe er zu ihr noch gesagt, sie solle sich ein Haus ansehen; ein Kollege habe ihm einen Tipp gegeben. Sie habe jedoch darauf verwiesen, dass sie gemeinsam dorthin gehen wollten. In all den Monaten sei von keinem einzigen Arzt gesagt worden, dass der Versicherte in kurzer Zeit an dieser Krankheit sterben werde.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 05.10.2011 sind R. D. und R. K. als Zeugen einvernommen worden. Die Zeugin D. hat angegeben, dass sie sich zunächst keine größeren Gedanken über die Gesundheit des Versicherten gemacht habe. Bei ihrem Besuch während der Strahlentherapie sei sie aber zunächst sehr erschrocken gewesen; über das Thema Sterben sei jedoch nicht gesprochen worden. Die Zeugin K. hat angegeben, dass der Versicherte noch im Januar 2008 relativ optimistisch gewesen sei und nicht mit seinem Ableben gerechnet habe. Ihr Mann habe den Versicherten darauf angesprochen, wann er endlich heiraten wolle, nachdem bereits seit 2003 Eheringe getragen worden seien. Daraufhin habe dieser die Äußerung gemacht, dass noch im Jahr 2008 geheiratet werde.
Die Klägerin hat angegeben, sie hätte mit dem Versicherten bereits im Jahr 2004 ein gemeinschaftliches Testament gemacht und dann noch einmal im Jahr 2008 in Form eines Berliner Testaments. Die Eheschließung habe ihrem Mann wieder erkennbar neuen Antrieb gegeben. Ein erster Heiratsantrag sei bereits im Jahr 1998 erfolgt gewesen, den sie jedoch wegen ihrer vorigen Beziehung nicht zeitnah habe annehmen wollen. Die Verlobung sei dann im Jahr 2003 erfolgt und die Hochzeit sei für das Jahr 2004 geplant gewesen. Im Jahr 2006 sei dann angedacht gewesen, auf einem Schiff zu heiraten. Beide hätten von vornherein geplant miteinander alt zu werden. Nachdem bekannt geworden sei, dass der Versicherte einen doppelten Oberschenkelhalsbruch habe, welcher operiert werden müsse, habe er die Klägerin gebeten, die Hochzeit schnell zu organisieren. Er habe endlich seine Angelegenheiten regeln wollen, nachdem die Hochzeit bereits so oft verschoben worden sei. Insbesondere habe er vor der Operation heiraten wollen, weil er gewusst habe, dass die Heilung eines doppelten Bruchs langwierig sein könne.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 10.05.2011 die Beklagte zur Gewährung einer Witwenrente verurteilt. Es lägen besondere Umstände vor, die die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe entkräften würden. Als äußere Umstände ließen sich schon anführen, dass die Hochzeit der Klägerin bereits lange geplant gewesen sei und nur durch unglückliche Umstände ständig verschoben worden sei. Das Vorliegen einer konkreten Heiratsabsicht bereits vor Auftreten der tödlichen Erkrankung spreche grundsätzlich gegen die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe. Im Fall des Versicherten sei keine rein palliative Behandlung erfolgt. Die Klägerin selbst sei glaubhaft nicht von einem baldigen Ableben des Versicherten ausgegangen, zumindest sei diese Möglichkeit erfolgreich verdrängt worden. Es seien Weiterbehandlungstermine geplant gewesen und es seien Zukunftspläne gemacht worden. Daraus ergebe sich, dass beide, zumindest aber die Klägerin nicht ernsthaft mit einem baldigen Versterben des Versicherten gerechnet hätten. Als weiteres Indiz gegen eine Versorgungsehe spreche die Tatsache, dass die Klägerin nicht unmittelbar nach dem Ableben einen Antrag auf Hinterbliebenenrente gestellt habe, sondern erst zwei Jahre später. Damit scheide als Motiv für die Ehe der Bezug einer Witwenrente aus. Am Wichtigsten erscheine der Kammer jedoch, dass die Klägerin wie der Versicherte das Thema Versorgung weder vor der Ehe noch in der Ehe thematisiert hätten. Überwiegendes Leitmotiv für die Hochzeit seien Liebe und Zuneigung gewesen wie auch der Beweis eines Zusammengehörigkeitsgefühls über den Tod hinaus, welches durch die Eheschließung und auch die Annahme des Nachnamens des Versicherten als gemeinsamen Namen nach außen hin demonstriert worden sei.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 09.08.2011 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass die beim Versicherten damals vorliegende Erkrankung mit einem N3-Lymphknotenstatus ein fortgeschrittenes Stadium des Lungenkrebses dargestellt habe. Insbesondere vor dem Hintergrund des 2004 operierten Blasenkarzinoms sei die Schwere der Erkrankung zu sehen. Die Metastasierung eines Blasenkarzinoms erfolge frühzeitig über das Lymphsystem. Erst später erfolge die Metastasierung über das Blutsystem beispielsweise in Leber, Lunge und Knochen. Die Hochzeit sei zu einer Zeit erfolgt, in der der Verstorbene zunächst noch in Behandlung wegen des Krebsleidens gewesen sei und anschließend wegen eines Oberschenkelhalsbruches habe operiert werden sollen. Die Hochzeit selbst habe im engsten Familienkreis im Krankenhaus stattgefunden. Eine Standesbeamtin sei in die Klinik gekommen. Selbst der engste Freundeskreis sei nicht informiert gewesen. Auch die Freundinnen der Klägerin, die als Zeuginnen ausgesagt hätten, seien von der plötzlichen Hochzeit überrascht gewesen. Insbesondere unter Beachtung des Vortrags der Klägerin, man habe die Hochzeit verschieben müssen, da es eine besondere Hochzeit habe werden sollen und dann den überraschenden Termin am 04.04.2008 dränge sich der Schluss auf, man habe geheiratet, um angesichts der Schwere der Erkrankung das Erforderliche zu regeln. Wenn beide Partner von einer langen Lebenserwartung ausgegangen wären, hätte kein Anlass dafür bestanden, von heute auf morgen in der Klinik zu heiraten. Auch spreche das im Jahr 2008 errichtete Berliner Testament dafür, dass über ein Ableben nachgedacht worden sei, denn sonst hätte es zu diesem Zeitpunkt keiner Regelung bedurft, zumal bereits seit 2004 ein gemeinschaftliches Testament bestanden habe. Das Erstgericht habe verkannt, dass nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast die vorliegende Situation zu Lasten der Klägerin hätte gehen müssen, weil die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe gerade nicht durch Beweis widerlegt sei. Das Ersturteil sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es der Beklagten nicht gelungen sei, das Vorliegen einer Versorgungsehe zu belegen: Dies werde vom Gesetz gerade nicht gefordert. Auch den vorliegenden wirtschaftlichen Verhältnissen könne eine gewisse Indizwirkung zugunsten der Annahme einer Versorgungsehe nach Auffassung der Beklagten nicht abgesprochen werden.
Auf Antrag der Beklagten ist durch Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 05.01.2012 im Verfahren L 19 R 123/11 ER die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2011 vorläufig ausgesetzt worden.
Die Klägerin hat ausgeführt, dass es für sie unerträglich sei, dass ihr Mann so früh unerwartet und plötzlich habe sterben müssen und er fehle ihr so sehr. Sie seien in den 12 Jahren, die durch schwere Schicksalsschläge gezeichnet gewesen seien, immer füreinander dagewesen, hätten alles geteilt, hätten zusammen alt werden wollen und hätten so viele Pläne gehabt. Maßgeblich für die schon lange vorher geplante Heirat seien allein immaterielle Gründe, nämlich die bestehende unerschütterliche Liebesbeziehung und enge partnerschaftliche Verbundenheit gewesen und es sei der Klägerin eine Herzensangelegenheit gewesen, den psychischen Beistand für den Lebenspartner durch Vollzug des 2003 einander gegebenen Eheversprechens zu maximieren und somit zur Überwindung der schweren Erkrankung und zur alsbaldigen Genesung beizutragen. Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie unter dem Ableben des Versicherten nach wie vor psychisch leide. Nach erfolgloser hausärztlicher Betreuung durch Dr. S. habe sie im Mai 2008 nervenärztliche Behandlung bei Frau Dr. K. aufsuchen müssen und werde psychotherapeutisch von Frau Dr. W. betreut. Eine medizinische Rehabilitation habe im Januar/Februar 2009 in der K-Klinik in Bad D. stattgefunden und in der Zeit Oktober/November 2011 sei eine stationäre Behandlung in der S-Klinik in B. erforderlich gewesen. Zum Beleg ihrer psychischen Betroffenheit hat die Klägerin Unterlagen übermittelt, wonach bei ihr wegen seelischer Störungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 zuerkannt worden sei und dieser wegen der Verstärkung psychovegetativer Störungen und Migräne ab Juni 2011 auf 40 erhöht worden sei.
Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass auch bei einer Liebesheirat Versorgungsgesichtspunkte im Vordergrund stehen könnten, wenn nach langjährigem Zusammenleben in eheähnlicher Gemeinschaft im Hinblick auf das in Kürze zu erwartende Ableben eines der Partner noch die Ehe geschlossen werde. Auch sei nicht nachvollziehbar, wieso die nach dem Ableben des Versicherten eingetretene psychische Erkrankung der Klägerin geeignet sein solle, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen.
In der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2014 hat die Klägerin dem Senat den maßgeblichen Geschehensablauf nochmals aus ihrer Sicht geschildert: Sie habe bereits seit 1996 mit dem Versicherten gemeinsam in einem Haushalt gelebt. Aufgrund des Todes des Schwiegervaters im Januar 2004, des Unfalltods ihrer Mutter im August 2004 und des Todes einer Tante im November 2004 habe man im Jahr 2004 nicht heiraten können. Insbesondere der Tod der Mutter hätte sie beide schwer getroffen. Im Mai 2005 habe die Klägerin dann eine Radio-Jod-Therapie durchgeführt, in deren Gefolge sie sich auf ärztlichen Rat für eine gewisse Zeit von Kleinkindern und Schwangeren fern zu halten gehabt habe, was eine Hochzeitsfeier ausgeschlossen habe. Etwa 2006 sei dem Versicherten eine Halsprothese eingesetzt worden, was sogar dazu geführt habe, dass dem Versicherten der bis dahin zuerkannte GdB herabgesetzt worden sei. Etwa 2006/2007 sei bei ihr selbst eine Tumorerkrankung festgestellt worden. Ab November 2007 seien dann die Behandlungen zur Krebserkrankung des Versicherten erfolgt. Anfang Januar 2008 sei der Versicherte beim Standesamt U. gewesen und habe sich dort eine Liste mit den für eine Trauung notwendigen Dokumenten besorgt und diese ihr, der Klägerin, noch am gleichen Tag präsentiert. Sie habe in diesem Augenblick nicht heiraten wollen und auch nicht können, weil sie im Dienst eine Urlaubssperre gehabt habe; sie habe ja auch nicht gewusst, dass ihr Ehemann bald sterben würde. Später dann habe der Versicherte ihr gesagt, dass er heiraten wolle, weil er befürchte, aufgrund der Oberschenkelhals-Operation für Wochen im Krankenhaus zu liegen. Bei der standesamtlichen Trauung und auch bei der kirchlichen Zeremonie im Krankenhaus seien die 3 Kinder und 4 der engsten Freunde anwesend gewesen. Die Hochzeit habe die Gemütsverfassung des Versicherten deutlich verbessert. Man habe geglaubt, dass es wieder gut gehen werde. Sie, die Klägerin, habe mit dem Versicherten nie über den Tod gesprochen. Die Schiffstrauung habe man nachholen wollen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2011 zurückzuweisen,
hilfsweise die Befund- und Behandlungsberichte der im Schriftsatz vom 15.05.2012 angegebenen Ärzte und Kliniken sowie die Schwerbehindertenakten des ZBFS Nürnberg zum Verfahren beizuziehen und ein Gutachten auf psychiatrischem Gebiet nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass der Tod des Versicherten und der damit einhergehende Verlust des Ehe- und Lebenspartners bei der Klägerin zu einer nicht nur vorübergehenden schweren seelischen Störung geführt hat, so dass Ausmaß und Ursache dieser Störung darauf schließen lassen, dass für die Klägerin in erster Linie emotionale Beweggründe bei bestehender enger partnerschaftlicher Liebesbeziehung ausschlaggebendes Motiv für die Eheschließung am 04.04.2008 gewesen sind,
hilfsweise eine Auskunft der Thorax-und-Gefäßchirurgie des Bezirksklinikums O. K-Stadt, ferner der Strahlenklinik der Universitätsklinik E-Stadt, außerdem eine Auskunft der Unfallchirurgie der Universitätsklinik E-Stadt einzuholen zur Frage, von welcher weiteren Lebensdauer des an Lungenkrebs erkrankten Versicherten den Versicherten in den genannten Kliniken jeweils behandelnden Ärzte ausgegangen sind, insbesondere ob aus ihrer Sicht mit einer weiteren Lebensdauer von weniger als 1 Jahr bzw. von einem zeitnahen Ableben des Versicherten aus ärztlicher Sicht zu rechnen war.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2011 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 17.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Akte aus dem Verfahren L 19 R 923/11 ER und der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente gemäß § 46 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI); der Anspruch ist vielmehr gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen. Das Sozialgericht Nürnberg hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung einer derartigen Rente verurteilt und dieses Urteil ist aufzuheben.
Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI haben Hinterbliebene keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen (BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R m.w.N. - nach juris).
Die Annahme eines anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles zu bewerten (BSG, Urteil vom 06.05.2010, B 13 R 134/08 R; BSG, Urt. vom 05.05.2009 a.a.O. - nach juris).
Die Umstände sind nachzuweisen; die Beweislast trägt, wer die Hinterbliebenenrente beantragt - hier also die Klägerin. Im Rahmen der Gewichtung ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI nicht erfüllt. Doch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet - überwiegend oder zumindest gleichwertig - aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei abschließender Gesamtbewertung diejenigen besonderen - inneren und äußeren - Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Demgemäß steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme (Vermutung) einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG, Urt. vom 05.05.2009 und vom 06.05.2010, a.a.O.).
Das Sozialgericht Nürnberg hat zwar zunächst dargelegt, dass die Klägerin für das Vorliegen besonderer Umstände, die gegen die Vermutung einer Versorgungsehe sprechen, beweispflichtig ist und dass dies bedeute, dass zumindest ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit gegeben sei, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifele. Im Gegensatz dazu hat es dann aber von glaubhaften Beweggründen gesprochen und darauf abgestellt, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann sich nicht explizit über eine Versorgung Gedanken gemacht hätten. Letzteres ist aber eben gerade kein vom Versorgungsgedanken verschiedener besonderer Beweggrund, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat.
Für den Senat ergibt sich nach den vorliegenden Unterlagen deutlich, dass der Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat, die im November 2007 festgestellt worden ist. Dass es sich um eine Karzinomerkrankung der Lunge mit Metastasen gehandelt hat, dass diese Tatsache der Klägerin und dem Versicherten bekannt war und dass eine derartige Erkrankung zum Tode führen kann - also lebensbedrohlich ist -, wird von der Klägerseite nicht in Abrede gestellt. An der objektiven Schwere der Erkrankung ändert auch nichts, dass ärztlicherseits noch kurative und nicht nur palliative Behandlungsansätze erwogen und durchgeführt worden sind. Zur Frage der Überlebenschancen bzw. der Prognose der Lebensdauer sind in den vorliegenden Unterlagen ärztliche Aussagen, die vor dem Ableben des Versicherten gemacht worden wären, nicht dokumentiert. Nachträglich ist seitens des ärztlichen Dienstes der Beklagten ausgeführt worden, dass objektiv für den Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung eine sehr ungünstige Prognose für die weitere Lebenserwartung bestanden habe, nachdem bei ihm eine Karzinomerkrankung in Form eines Rezidivs mit Lymphknoten- und Knochenmetastasen vorgelegen habe. Die Klägerseite gibt dagegen an, dass die Klägerin bei der Eheschließung nicht ernsthaft mit einem baldigen Ableben des Versicherten gerechnet hätte. Für die Richtigkeit dieser Angabe könnte sprechen, dass eine konkrete Mitteilung der beschränkten Lebenserwartung durch die Ärzte nicht dokumentiert ist und die Klägerin möglicherweise den Zusammenhang der Oberschenkelhalsbrüche mit der Karzinomerkrankung nicht gesehen haben könnte. Zu Gunsten der Klägerin ist also davon auszugehen, dass es für die Abwägung bei einer Situation mit dem Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung zu verbleiben hat und nicht eine bereits infauste Krankheitsprognose und die Kenntnis von einem bevorstehenden baldigen Ableben des Versicherten zu Grunde gelegt werden darf.
Für den Senat lässt sich aus den Umständen und Angaben jedoch ersehen, dass für die Eheleute die lebensbedrohliche Situation für den Versicherten handlungsleitend und damit die Gefahr des baldigen Ablebens des Versicherten zumindest vage bewusst war: Die Hochzeit wurde unter Weglassen aller früheren besonderen Erwartungen und unter eher weniger ansprechenden Umständen - nahezu ohne Freunde, ohne Feier, im Krankenhaus - vollzogen, wobei als Grund hierfür nur darauf verwiesen worden ist, dass bei einer Oberschenkelhalsoperation eine längere Rekonvaleszenzzeit zu erwarten gewesen sei. Die üblicherweise damit verbundene Heilungsdauer von mehreren Wochen bis zu einem Vierteljahr wäre aber angesichts der vielen Jahre, die seit dem angegebenen Heiratsentschluss bereits vergangen waren, eine nur geringe Hürde gewesen, die den Verzicht auf ein weiteres Zuwarten auf eine Durchführung der Hochzeit im gewünschten Rahmen nicht verständlich erscheinen lassen. Auch die Hinweise darauf, dass der Versicherte (noch) für geregelte Umstände sorgen wollte, und die Abfassung eines neuen gemeinschaftlichen Testamentes sprechen für das Erkennen oder zumindest Vermuten der akuten Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung. Daran ändert auch nichts, wenn die Testamentsänderung, wie es das Sozialgericht Nürnberg meint, nur aus Gründen der Erbschaftssteuervermeidung vorgenommen worden wäre. Auch der in der Berufungsverhandlung neu erfolgte Vortrag, wonach die Klägerin noch im Januar 2008 einen konkreten Plan des Versicherten zur unmittelbaren Eheschließung abgelehnt hatte, passt dazu. Dabei ist als äußeres Hindernis lediglich auf eine Urlaubssperre hingewiesen worden, was ein relativ leicht überwindbares Hindernis darstellen dürfte, da eine Eheschließung normalerweise auch ohne Urlaubsgewährung umsetzbar gewesen sein sollte. Die Klägerin wollte zu diesem Zeitpunkt nach ihren Angaben in der Verhandlung - noch - nicht heiraten und sah auch offensichtlich noch keinen Anlass, dem Versicherten durch Eingehen auf seinen Wunsch der umgehenden Eheschließung einen zusätzlichen Schub zur Genesung zu verschaffen. Anders dann die Situation im April 2008. Auch wenn die Klägerin und der Versicherte nicht offen über die Gefahr eines baldigen Versterbens des Versicherten mit einander gesprochen haben und die Klägerin möglicherweise auch Anzeichen und ärztliche Hinweise darauf aus ihrem Bewusstsein verdrängt haben könnte, so lässt sich doch aus der Verhaltensänderung ersehen, dass nun eine schnelle Eheschließung unter völliger Aufgabe der ursprünglichen und langjährigen Überlegungen der Hochzeitsgestaltung von beiden Partnern als geboten eingeschätzt wurde. Der Versicherte hat auf eine schnelle Eheschließung gedrängt; die Klägerin ist dem nachgekommen, da sie nun - wenn auch vielleicht nicht in rationalem Sinn - die positiven psychischen Wirkungen eines derartigen in die Zukunft gerichteten Signals als erforderlich angesehen hat. Sie gibt selbst an, den Zeitpunkt der Eheschließung nunmehr deshalb forciert zu haben, um ihrem Ehemann einen Schub zu einer möglichen Genesung hin zu verschaffen. Warum man die rechtlichen und kirchlichen Modalitäten der Verehelichung von einer auf später verschobenen Hochzeitszeremonie im Sinne der ursprünglichen Trennungen abgespalten hat, lässt sich allenfalls mit der Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen erklären, wenn es nicht unmittelbar um einen rechtlichen Status für die Hinterbliebene gegangen ist.
Ein Abstellen der Beurteilung auf einen früheren Zeitpunkt als den der Eheschließung ergibt sich nicht daraus, dass die Eheschließung schon vor Jahren angedacht worden war und durch eine Verlobung rechtlich vorbereitet worden war. Dass die Klägerin und der verstorbene Versicherte bereits Hochzeitsringe angeschafft und als Verlobungsringe getragen haben, ist zwar nicht durch Unterlagen eindeutig erkennbar, aber durch die vorliegenden Aussagen nachzuvollziehen. Gleichwohl gab es vor dem Auftreten der Erkrankung des Versicherten keine konkreten Hochzeitspläne, so dass die erfolgte Eheschließung nicht die Umsetzung eines bereits zuvor vorbereiteten und auch nach außen hin kundgemachten Geschehensplanes gewesen ist. Zwar mögen einzelne Schicksalsschläge einen früheren Hochzeitstermin immer wieder einmal verhindert haben; gleichwohl ist der Ablauf von vielen Jahren seit der Verlobung ein Hinweis darauf, dass es zunächst nur vage Hochzeitspläne gegeben haben mag. In diese Richtung weist auch die Schilderung der Klägerin, wonach nach den Todesfällen im Jahr 2004 noch eine längere Zeit mit Nachwirkungen vorgelegen hätte, dann aber der Alltag weitergegangen sei und die Zeit dahingegangen sei. Auch aus der Erkundigung des Versicherten beim Standesamt im Januar 2008 ist zu ersehen, dass es vor diesem Zeitpunkt anscheinend noch keine genaue Kenntnis von den Anforderungen bei einer Eheschließung gegeben hatte und die Hochzeitspläne daher noch nicht ausreichend konkret gewesen sein konnten. Zudem hat die Klägerin angegeben, dass sie im Januar 2008 die Ehe auch (noch) nicht eingehen wollte. Ein durchgängiges Geschehen, das in der Umsetzung der schon seit langem festgelegten Heiratsabsicht gemündet ist, war für den Senat nicht zu erkennen.
Dass zwischen der Klägerin und dem Versicherten eine langjährige Lebensbeziehung bestanden hat und diese von Liebe geprägt war, wird dabei nicht in Abrede gestellt. Gleichwohl hatte diese Beziehung auch ohne den rechtlichen Rahmen einer Ehe bestanden. Mit der Verlobung mag zum Ausdruck gekommen sein, dass im zukünftigen Eingehen einer Ehe durchaus noch eine weitere Verfestigung der Beziehung erwartet worden ist. Die von der Klägerin geltend gemachten psychischen Folgen im Anschluss an das Versterben des Versicherten werden vom Senat als zutreffend unterstellt; sie können auch ein Indiz für eine besondere emotionale und von Liebe geprägte Beziehung sein. Auch eine solche stellt der Senat nicht in Abrede. Zu bedenken ist jedoch, dass die Beziehung ja fast vollständig, bis auf die rund zwei Wochen Ehezeit, ohne den Rahmen einer Ehe geführt worden war und die besondere Bindung offensichtlich - nach den Angaben der Klägerin und den Aussagen Dritter - schon bei der langjährigen Beziehung ohne Trauschein entstanden war. Für den Senat lässt sich somit aus der Tatsache der psychischen Erkrankung der Klägerin wegen des Verlustes ihres (Ehe-)Partners für die Frage der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der Versorgungsehe nichts ableiten.
Angesichts der bestehenden Situation mit je eigenem gesicherten Lebensunterhalt mag der Versorgungsgedanke zwischen der Klägerin und dem Versicherten kein besonderes - oder zumindest nicht mehr als bei Eheschließung generell - Thema gewesen sein. Gleichwohl hat der Senat die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe bei einer tatsächlichen Ehedauer von wenigen Wochen in der Abwägung zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite sind für den Senat bei Abstellen auf die konkreten Verhältnisse zum Zeitpunkt der Eheschließung kaum bedeutsame Gründe für das Eingehen der Ehe zu diesem Zeitpunkt zu erkennen, die dem Versorgungsgedanken gegenüberzustellen wären.
Einzig die Angabe, mit der Eheschließung noch einen Genesungsschub für den Versicherten herbeiführen zu wollen, könnte zur Abwägung mit herangezogen werden. Der Senat sieht darin jedoch keinen so bedeutsamen Beweggrund, der die vom BSG bei der bestehenden lebensbedrohlichen Erkrankung kaum widerlegbare Vermutung einer Versorgungsehe hätte überwinden können, weil ansonsten nur Fälle, in denen die Beteiligten jegliche Hoffnung auf ein Überleben des Erkrankten aufgegeben gehabt hätten, noch erfasst werden würden, was der vom Gesetzgeber geschaffenen Regelvermutung zuwiderlaufen würde.
Der Senat sah sich auch nicht gehalten, entsprechend dem Hilfsantrag der Klägerin weitere Ermittlungen zur psychischen Situation der Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes durchzuführen. Er hat es als zutreffend unterstellt, dass der Tod des Versicherten und der damit einhergehende Verlust des Ehe- und Lebenspartners bei der Klägerin zu einer nicht nur vorübergehenden schweren seelischen Störung geführt hat, deren Ausmaß und Ursache darauf schließen ließen, dass die Klägerin in enger partnerschaftlicher Liebesbeziehung gelebt hat und hiervon emotional stark betroffen war. So erschien auch das angeregte psychiatrische Gutachten entbehrlich. Auch dem weiteren Hilfsantrag der Klägerin auf Einholung von Auskünften der Thorax-und-Gefäßchirurgie des Bezirksklinikums O. K-Stadt, der Strahlenklinik und der Unfallchirurgie der Universitätsklinik E-Stadt zur damaligen Prognose der Lebensdauer des Versicherten musste der Senat nicht nachkommen, da er es als zutreffend unterstellt hat, dass der Klägerin von diesen Ärzten weder ein zeitnahes Ableben des Versicherten, noch eine weitere Lebensdauer des Versicherten von weniger als einem Jahr konkret mitgeteilt worden wäre. Der Senat hat für seine Entscheidung vielmehr darauf abgestellt, dass grundsätzlich eine lebensbedrohliche Erkrankung vorlag und die Indizien zusätzlich dafür sprechen, dass die Klägerin und der Versicherte vor der Einleitung der Eheschließung subjektiv - und somit unabhängig von den objektiven Feststellungen - von einer verschlechterten gesundheitlichen Situation des Versicherten ausgegangen sind.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts Nürnberg hat die Klägerin keine besonderen Gründe belegen können, die ausgereicht hätten, um die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe zu überwinden. Eine Gleichwertigkeit oder überwiegende Bedeutung solcher Gründe ist nicht zu erkennen gewesen. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2011 ist somit begründet; dieses ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Witwenrente hat.
Die 1957 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 15.02.2010 eine Witwenrente aus der Versicherung des R. A ... Sie gab hierbei an, dass sie den am 16.09.1951 geborenen Versicherten am 04.04.2008 geheiratet habe und dieser am 19.04.2008 verstorben sei. Weiter erläuterte sie, dass sie den Versicherten 1997 kennengelernt habe und mit ihm seit 1998 in einer gemeinsamen Wohnung gelebt habe. Im Urlaub in der Türkei habe im Juli 2003 die Verlobung stattgefunden. Schon bei der Verlobung seien Eheringe gekauft worden, was die Klägerin mit Bestätigungen eines Juweliers aus Antalya über mehrere dort gekaufte Schmuckstücke belegen wollte. Die Eheschließung sei für 2004 geplant gewesen. Wegen des Todes des Vaters des Versicherten und des Todes der Mutter der Klägerin im Jahr 2004 sei der Termin nicht eingehalten worden. In der Folgezeit sei die Eheschließung wegen Bandscheibenbeschwerden und verschiedenen Operationen hinausgeschoben worden. Im November 2007 sei beim Versicherten Lungenkrebs festgestellt worden, wobei ab Januar 2008 mit einer Strahlenbehandlung begonnen worden sei. Nach dem vorläufigen Abschluss der Behandlung und der Entlassung am 29.03.2008 sei mit einem schnellen Tod des Versicherten nicht zu rechnen gewesen. Nachdem der Versicherte sich am 31.03.2008 wegen eines Oberschenkelhalsbruches wieder in die Klinik habe begeben müssen sei man übereingekommen, die Eheschließung nicht weiter hinauszuschieben und habe am 04.04.2008 geheiratet. Nach einer weiteren Operation am 14.04.2008 sei eine zukünftige Behandlung mit einem künstlichen Hüftgelenk geplant worden. Das Versterben des Versicherten am 19.04.2008 sei plötzlich aufgrund von multiplem Organversagen erfolgt.
Der Beklagten lagen verschiedene ärztliche Unterlagen über den verstorbenen Versicherten vor. Unter anderem erfolgte im Juli/August 2006 eine medizinische Rehabilitation in der A. Klinik in S ... Dabei wurde neben orthopädischen Diagnosen ein Zustand nach Blasenkarzinom 2004 festgehalten. In einem Arztbrief des Bezirksklinikums O. (K-Stadt) vom 07.12.2007 wurde über die Behandlungen des Versicherten vom 21.11.2007 bis 29.11.2007 und vom 03.12.2007 bis 07.12.2007 berichtet. Dabei war ein bronchogenes Adenokarzinom des rechten Lungenoberlappens mit mediastinalen Lymphknotenmetastasen festgestellt worden. Es sei die Durchführung einer neoadjuvanten Chemotherapie indiziert. Danach käme hier jedenfalls eine operative Therapie in Betracht. Über den Verlauf der Strahlentherapie wird berichtet, dass eine anfänglich vorhandene Atelektase im rechten Oberlappen im Verlauf der Therapie verschwunden sei. Bei einer Schmerzsymptomatik in der linken Hüfte sei die histologische Sicherung einer hypodensen Raumforderung erfolgt, wobei am ehesten von einer Knochenmarksmetastase auszugehen sei. Für den 30.04.2008 sei eine Verlaufscomputertomographie zur Kontrolle des Oberlappenherdes vorgesehen und danach werde über die stereotaktische Radiotherapie des verbleibenden Primärtumors entschieden.
Am 10.05.2010 ging die Medizinaloberrätin Dr. R. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten davon aus, dass nach den vorgelegten Unterlagen zum Zeitpunkt der Eheschließung eine palliative Einschätzung der Lage nicht ersichtlich gewesen sei. Nach Beiziehung weiterer Unterlagen nahm am 06.08.2010 die Medizinaloberrätin Dr. P. dahingehend Stellung, dass die Prognose für den Versicherten seit längerem infaust gewesen sei und mit einem baldigen Ableben, d.h. innerhalb der nächsten 12 Monate, spätestens bei der Eheschließung zu rechnen gewesen sei. So war in einem Arztbrief der Universitätsklinik E-Stadt vom 30.04.2008 über den gesundheitlichen Zustand des zwischenzeitlich verstorbenen Versicherten Folgendes ausgeführt: Der Versicherte sei aus der medizinischen Klinik zuverlegt worden. Es sei eine operative Therapie bei einem bereits weit fortgeschrittenen Adenokarzinom mit multiplen Metastasen erfolgt. Nach Nekrosektomie und programmierter erneuter Revision mit Nekrosektomie sei eine antibiotische Therapie durchgeführt worden, die aber nicht habe verhindern können, dass der Versicherte an einem Multiorganversagen verstorben sei.
Die Klägerin legte ein Attest vor, wonach sie sich nach dem Tod ihres Ehemannes, der bei ihr eine schwere depressive Episode ausgelöst gehabt habe, seit Mai 2008 in psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung befunden habe.
Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin außerdem Bescheinigungen über Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie eine Bescheinigung über die Höhe ihres Bruttoarbeitsentgeltes in Höhe von monatlich 1.783,92 Euro vor.
Mit Bescheid vom 17.08.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente ab. Es sei nach der gesetzlichen Vermutung von einer Versorgungsehe auszugehen. Im vorliegenden Fall sei sowohl nach objektiver ärztlicher Einschätzung als auch nach umfassender Würdigung der geschilderten Umstände davon auszugehen, dass die tödlichen Folgen der Erkrankung bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung absehbar gewesen seien. Eine Witwenrentengewährung sei deshalb ausgeschlossen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 23.08.2010 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass der Versicherte kurz vor der Heirat nicht wegen der Krebserkrankung, sondern wegen Hüftbeschwerden in der Klinik gewesen sei; zumindest seien sie davon ausgegangen. Sie wollten den Hochzeitstermin einfach nicht mehr verschieben, so wie es bisher so oft schon geschehen gewesen sei. Wenn es ihr um eine Versorgung gegangen wäre, dann wäre die Eheschließung möglichst schnell nach der Erstdiagnose angezeigt gewesen. Hier hätten sie aber erst nach der Klinikbehandlung heiraten wollen und hätten dann den Hochzeitstermin nur nicht mehr weiter verschieben wollen. Die Heirat sei aus Liebe erfolgt und es habe die Absicht bestanden, noch lange Zeit miteinander zu verbringen. Von den Ärzten sei kein Hinweis darauf erfolgt, dass mit einem schnellen Ableben des Versicherten zu rechnen sei. Wenn ein Paar schon so lange zusammen lebe, wie sie es getan hätten, dann sei es auch nicht als falsch anzusehen, wenn der erkrankte Partner seine Lebensverhältnisse auf die Reihe bringen möchte. Das sei wohl auch ein Grund gewesen, warum ihr Mann die Heirat nicht mehr habe verschieben wollen. Die Absicht nach der Verlobung heiraten zu wollen, könne durch mehrere Zeugen bestätigt werden.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 den Widerspruch zurück. Besondere Umstände, die trotz einer Ehedauer von weniger als einem Jahr zu einer Ablehnung einer Versorgungsehe führen könnten, seien nicht zu bejahen. Auch nach Einbeziehung der ergänzend vorgelegten ärztlichen Unterlagen sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung der Tod des Versicherten objektiv zu erwarten gewesen sei. Der Umstand des langen Zusammenlebens reiche nicht als besonderer Umstand für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung aus.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2010 am 23.12.2010 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Die Klägerin hat erneut geltend gemacht, dass für sie das schnelle Ableben ihres Mannes total unerwartet gekommen sei und sie seinen Tod bis heute nicht habe verwinden können, weshalb sie sich in psychotherapeutische Behandlung habe begeben müssen. Sie hätten eine besondere Feier geplant gehabt, nachdem sie seit 12 Jahren glücklich zusammen gewesen seien und davon fünf Jahre verlobt gewesen seien und sie schon so oft ihre Hochzeitstermine hätten verschieben müssen. Dass der Versicherte wieder wegen des Oberschenkelhalsbruches in die Klinik gemusst habe, sei nicht vorhersehbar gewesen. Sie hätten den Hochzeitstermin dann nicht noch weiter verschieben wollen.
Auf Nachfrage des SG hat die Klägerin den Ablauf der Vorgänge schriftlich geschildert. Danach sei sie, weil selbst gerade erst rekonvaleszent, bei den Untersuchungen in K-Stadt nicht dabei gewesen. Die stationäre Behandlung in der Strahlenklinik E-Stadt sei vom 21.01. bis 29.03.2008 erfolgt. Hier hätten sie meist gemeinsam bei den Visiten mit den Ärzten gesprochen und es sei auch hier keine Bemerkung über ein frühes Sterben aufgrund des Lungenkarzinoms erfolgt. Nachdem der Versicherte wegen eines Oberschenkelhalsbruches in die Klinik gemusst habe, habe er die Klägerin gebeten, alles in die Wege zu leiten, dass sie heiraten könnten. Es sei eine Standesbeamtin in die Klinik gekommen und es sei standesamtlich geheiratet worden und am nächsten Tag sei eine kirchliche Trauungszeremonie erfolgt. Ihr Mann habe sich an sich eine Trauung auf einem Schiff gewünscht, da er während seiner Bundeswehrzeit vier Jahre bei der Marine gewesen sei. Aber in den letzten Jahren sei immer wieder unverhofft etwas dazwischen gekommen: Krankheit, viele Todesfälle im engsten Familienkreis. Nach der ersten Operation sei ihr von den Ärzten in der Klinik gesagt worden, der Bruch habe nicht gerichtet werden können, aber der Versicherte bekäme ein neues Hüftgelenk. Das sei am 07.04.2008 gewesen. Am 18.04.2008 sei sie vom Oberarzt der Klinik angerufen worden, ob sie aus der Verwaltung der Klinik, in der sie arbeite, herüberkommen könne. Ihrem Mann ginge es nicht gut. Sie hätten im Jahr 2008 ein gemeinschaftliches Testament gemacht. Sie hätten sich für dieses Jahr vorgenommen, endlich ein Haus zu kaufen. Vier Tage vor dem Tod des Versicherten habe er zu ihr noch gesagt, sie solle sich ein Haus ansehen; ein Kollege habe ihm einen Tipp gegeben. Sie habe jedoch darauf verwiesen, dass sie gemeinsam dorthin gehen wollten. In all den Monaten sei von keinem einzigen Arzt gesagt worden, dass der Versicherte in kurzer Zeit an dieser Krankheit sterben werde.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 05.10.2011 sind R. D. und R. K. als Zeugen einvernommen worden. Die Zeugin D. hat angegeben, dass sie sich zunächst keine größeren Gedanken über die Gesundheit des Versicherten gemacht habe. Bei ihrem Besuch während der Strahlentherapie sei sie aber zunächst sehr erschrocken gewesen; über das Thema Sterben sei jedoch nicht gesprochen worden. Die Zeugin K. hat angegeben, dass der Versicherte noch im Januar 2008 relativ optimistisch gewesen sei und nicht mit seinem Ableben gerechnet habe. Ihr Mann habe den Versicherten darauf angesprochen, wann er endlich heiraten wolle, nachdem bereits seit 2003 Eheringe getragen worden seien. Daraufhin habe dieser die Äußerung gemacht, dass noch im Jahr 2008 geheiratet werde.
Die Klägerin hat angegeben, sie hätte mit dem Versicherten bereits im Jahr 2004 ein gemeinschaftliches Testament gemacht und dann noch einmal im Jahr 2008 in Form eines Berliner Testaments. Die Eheschließung habe ihrem Mann wieder erkennbar neuen Antrieb gegeben. Ein erster Heiratsantrag sei bereits im Jahr 1998 erfolgt gewesen, den sie jedoch wegen ihrer vorigen Beziehung nicht zeitnah habe annehmen wollen. Die Verlobung sei dann im Jahr 2003 erfolgt und die Hochzeit sei für das Jahr 2004 geplant gewesen. Im Jahr 2006 sei dann angedacht gewesen, auf einem Schiff zu heiraten. Beide hätten von vornherein geplant miteinander alt zu werden. Nachdem bekannt geworden sei, dass der Versicherte einen doppelten Oberschenkelhalsbruch habe, welcher operiert werden müsse, habe er die Klägerin gebeten, die Hochzeit schnell zu organisieren. Er habe endlich seine Angelegenheiten regeln wollen, nachdem die Hochzeit bereits so oft verschoben worden sei. Insbesondere habe er vor der Operation heiraten wollen, weil er gewusst habe, dass die Heilung eines doppelten Bruchs langwierig sein könne.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 10.05.2011 die Beklagte zur Gewährung einer Witwenrente verurteilt. Es lägen besondere Umstände vor, die die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe entkräften würden. Als äußere Umstände ließen sich schon anführen, dass die Hochzeit der Klägerin bereits lange geplant gewesen sei und nur durch unglückliche Umstände ständig verschoben worden sei. Das Vorliegen einer konkreten Heiratsabsicht bereits vor Auftreten der tödlichen Erkrankung spreche grundsätzlich gegen die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe. Im Fall des Versicherten sei keine rein palliative Behandlung erfolgt. Die Klägerin selbst sei glaubhaft nicht von einem baldigen Ableben des Versicherten ausgegangen, zumindest sei diese Möglichkeit erfolgreich verdrängt worden. Es seien Weiterbehandlungstermine geplant gewesen und es seien Zukunftspläne gemacht worden. Daraus ergebe sich, dass beide, zumindest aber die Klägerin nicht ernsthaft mit einem baldigen Versterben des Versicherten gerechnet hätten. Als weiteres Indiz gegen eine Versorgungsehe spreche die Tatsache, dass die Klägerin nicht unmittelbar nach dem Ableben einen Antrag auf Hinterbliebenenrente gestellt habe, sondern erst zwei Jahre später. Damit scheide als Motiv für die Ehe der Bezug einer Witwenrente aus. Am Wichtigsten erscheine der Kammer jedoch, dass die Klägerin wie der Versicherte das Thema Versorgung weder vor der Ehe noch in der Ehe thematisiert hätten. Überwiegendes Leitmotiv für die Hochzeit seien Liebe und Zuneigung gewesen wie auch der Beweis eines Zusammengehörigkeitsgefühls über den Tod hinaus, welches durch die Eheschließung und auch die Annahme des Nachnamens des Versicherten als gemeinsamen Namen nach außen hin demonstriert worden sei.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 09.08.2011 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass die beim Versicherten damals vorliegende Erkrankung mit einem N3-Lymphknotenstatus ein fortgeschrittenes Stadium des Lungenkrebses dargestellt habe. Insbesondere vor dem Hintergrund des 2004 operierten Blasenkarzinoms sei die Schwere der Erkrankung zu sehen. Die Metastasierung eines Blasenkarzinoms erfolge frühzeitig über das Lymphsystem. Erst später erfolge die Metastasierung über das Blutsystem beispielsweise in Leber, Lunge und Knochen. Die Hochzeit sei zu einer Zeit erfolgt, in der der Verstorbene zunächst noch in Behandlung wegen des Krebsleidens gewesen sei und anschließend wegen eines Oberschenkelhalsbruches habe operiert werden sollen. Die Hochzeit selbst habe im engsten Familienkreis im Krankenhaus stattgefunden. Eine Standesbeamtin sei in die Klinik gekommen. Selbst der engste Freundeskreis sei nicht informiert gewesen. Auch die Freundinnen der Klägerin, die als Zeuginnen ausgesagt hätten, seien von der plötzlichen Hochzeit überrascht gewesen. Insbesondere unter Beachtung des Vortrags der Klägerin, man habe die Hochzeit verschieben müssen, da es eine besondere Hochzeit habe werden sollen und dann den überraschenden Termin am 04.04.2008 dränge sich der Schluss auf, man habe geheiratet, um angesichts der Schwere der Erkrankung das Erforderliche zu regeln. Wenn beide Partner von einer langen Lebenserwartung ausgegangen wären, hätte kein Anlass dafür bestanden, von heute auf morgen in der Klinik zu heiraten. Auch spreche das im Jahr 2008 errichtete Berliner Testament dafür, dass über ein Ableben nachgedacht worden sei, denn sonst hätte es zu diesem Zeitpunkt keiner Regelung bedurft, zumal bereits seit 2004 ein gemeinschaftliches Testament bestanden habe. Das Erstgericht habe verkannt, dass nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast die vorliegende Situation zu Lasten der Klägerin hätte gehen müssen, weil die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe gerade nicht durch Beweis widerlegt sei. Das Ersturteil sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es der Beklagten nicht gelungen sei, das Vorliegen einer Versorgungsehe zu belegen: Dies werde vom Gesetz gerade nicht gefordert. Auch den vorliegenden wirtschaftlichen Verhältnissen könne eine gewisse Indizwirkung zugunsten der Annahme einer Versorgungsehe nach Auffassung der Beklagten nicht abgesprochen werden.
Auf Antrag der Beklagten ist durch Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 05.01.2012 im Verfahren L 19 R 123/11 ER die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2011 vorläufig ausgesetzt worden.
Die Klägerin hat ausgeführt, dass es für sie unerträglich sei, dass ihr Mann so früh unerwartet und plötzlich habe sterben müssen und er fehle ihr so sehr. Sie seien in den 12 Jahren, die durch schwere Schicksalsschläge gezeichnet gewesen seien, immer füreinander dagewesen, hätten alles geteilt, hätten zusammen alt werden wollen und hätten so viele Pläne gehabt. Maßgeblich für die schon lange vorher geplante Heirat seien allein immaterielle Gründe, nämlich die bestehende unerschütterliche Liebesbeziehung und enge partnerschaftliche Verbundenheit gewesen und es sei der Klägerin eine Herzensangelegenheit gewesen, den psychischen Beistand für den Lebenspartner durch Vollzug des 2003 einander gegebenen Eheversprechens zu maximieren und somit zur Überwindung der schweren Erkrankung und zur alsbaldigen Genesung beizutragen. Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie unter dem Ableben des Versicherten nach wie vor psychisch leide. Nach erfolgloser hausärztlicher Betreuung durch Dr. S. habe sie im Mai 2008 nervenärztliche Behandlung bei Frau Dr. K. aufsuchen müssen und werde psychotherapeutisch von Frau Dr. W. betreut. Eine medizinische Rehabilitation habe im Januar/Februar 2009 in der K-Klinik in Bad D. stattgefunden und in der Zeit Oktober/November 2011 sei eine stationäre Behandlung in der S-Klinik in B. erforderlich gewesen. Zum Beleg ihrer psychischen Betroffenheit hat die Klägerin Unterlagen übermittelt, wonach bei ihr wegen seelischer Störungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 zuerkannt worden sei und dieser wegen der Verstärkung psychovegetativer Störungen und Migräne ab Juni 2011 auf 40 erhöht worden sei.
Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass auch bei einer Liebesheirat Versorgungsgesichtspunkte im Vordergrund stehen könnten, wenn nach langjährigem Zusammenleben in eheähnlicher Gemeinschaft im Hinblick auf das in Kürze zu erwartende Ableben eines der Partner noch die Ehe geschlossen werde. Auch sei nicht nachvollziehbar, wieso die nach dem Ableben des Versicherten eingetretene psychische Erkrankung der Klägerin geeignet sein solle, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen.
In der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2014 hat die Klägerin dem Senat den maßgeblichen Geschehensablauf nochmals aus ihrer Sicht geschildert: Sie habe bereits seit 1996 mit dem Versicherten gemeinsam in einem Haushalt gelebt. Aufgrund des Todes des Schwiegervaters im Januar 2004, des Unfalltods ihrer Mutter im August 2004 und des Todes einer Tante im November 2004 habe man im Jahr 2004 nicht heiraten können. Insbesondere der Tod der Mutter hätte sie beide schwer getroffen. Im Mai 2005 habe die Klägerin dann eine Radio-Jod-Therapie durchgeführt, in deren Gefolge sie sich auf ärztlichen Rat für eine gewisse Zeit von Kleinkindern und Schwangeren fern zu halten gehabt habe, was eine Hochzeitsfeier ausgeschlossen habe. Etwa 2006 sei dem Versicherten eine Halsprothese eingesetzt worden, was sogar dazu geführt habe, dass dem Versicherten der bis dahin zuerkannte GdB herabgesetzt worden sei. Etwa 2006/2007 sei bei ihr selbst eine Tumorerkrankung festgestellt worden. Ab November 2007 seien dann die Behandlungen zur Krebserkrankung des Versicherten erfolgt. Anfang Januar 2008 sei der Versicherte beim Standesamt U. gewesen und habe sich dort eine Liste mit den für eine Trauung notwendigen Dokumenten besorgt und diese ihr, der Klägerin, noch am gleichen Tag präsentiert. Sie habe in diesem Augenblick nicht heiraten wollen und auch nicht können, weil sie im Dienst eine Urlaubssperre gehabt habe; sie habe ja auch nicht gewusst, dass ihr Ehemann bald sterben würde. Später dann habe der Versicherte ihr gesagt, dass er heiraten wolle, weil er befürchte, aufgrund der Oberschenkelhals-Operation für Wochen im Krankenhaus zu liegen. Bei der standesamtlichen Trauung und auch bei der kirchlichen Zeremonie im Krankenhaus seien die 3 Kinder und 4 der engsten Freunde anwesend gewesen. Die Hochzeit habe die Gemütsverfassung des Versicherten deutlich verbessert. Man habe geglaubt, dass es wieder gut gehen werde. Sie, die Klägerin, habe mit dem Versicherten nie über den Tod gesprochen. Die Schiffstrauung habe man nachholen wollen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2011 zurückzuweisen,
hilfsweise die Befund- und Behandlungsberichte der im Schriftsatz vom 15.05.2012 angegebenen Ärzte und Kliniken sowie die Schwerbehindertenakten des ZBFS Nürnberg zum Verfahren beizuziehen und ein Gutachten auf psychiatrischem Gebiet nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass der Tod des Versicherten und der damit einhergehende Verlust des Ehe- und Lebenspartners bei der Klägerin zu einer nicht nur vorübergehenden schweren seelischen Störung geführt hat, so dass Ausmaß und Ursache dieser Störung darauf schließen lassen, dass für die Klägerin in erster Linie emotionale Beweggründe bei bestehender enger partnerschaftlicher Liebesbeziehung ausschlaggebendes Motiv für die Eheschließung am 04.04.2008 gewesen sind,
hilfsweise eine Auskunft der Thorax-und-Gefäßchirurgie des Bezirksklinikums O. K-Stadt, ferner der Strahlenklinik der Universitätsklinik E-Stadt, außerdem eine Auskunft der Unfallchirurgie der Universitätsklinik E-Stadt einzuholen zur Frage, von welcher weiteren Lebensdauer des an Lungenkrebs erkrankten Versicherten den Versicherten in den genannten Kliniken jeweils behandelnden Ärzte ausgegangen sind, insbesondere ob aus ihrer Sicht mit einer weiteren Lebensdauer von weniger als 1 Jahr bzw. von einem zeitnahen Ableben des Versicherten aus ärztlicher Sicht zu rechnen war.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2011 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 17.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Akte aus dem Verfahren L 19 R 923/11 ER und der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente gemäß § 46 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI); der Anspruch ist vielmehr gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen. Das Sozialgericht Nürnberg hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung einer derartigen Rente verurteilt und dieses Urteil ist aufzuheben.
Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI haben Hinterbliebene keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen (BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R m.w.N. - nach juris).
Die Annahme eines anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles zu bewerten (BSG, Urteil vom 06.05.2010, B 13 R 134/08 R; BSG, Urt. vom 05.05.2009 a.a.O. - nach juris).
Die Umstände sind nachzuweisen; die Beweislast trägt, wer die Hinterbliebenenrente beantragt - hier also die Klägerin. Im Rahmen der Gewichtung ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI nicht erfüllt. Doch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet - überwiegend oder zumindest gleichwertig - aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei abschließender Gesamtbewertung diejenigen besonderen - inneren und äußeren - Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Demgemäß steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme (Vermutung) einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG, Urt. vom 05.05.2009 und vom 06.05.2010, a.a.O.).
Das Sozialgericht Nürnberg hat zwar zunächst dargelegt, dass die Klägerin für das Vorliegen besonderer Umstände, die gegen die Vermutung einer Versorgungsehe sprechen, beweispflichtig ist und dass dies bedeute, dass zumindest ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit gegeben sei, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifele. Im Gegensatz dazu hat es dann aber von glaubhaften Beweggründen gesprochen und darauf abgestellt, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann sich nicht explizit über eine Versorgung Gedanken gemacht hätten. Letzteres ist aber eben gerade kein vom Versorgungsgedanken verschiedener besonderer Beweggrund, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat.
Für den Senat ergibt sich nach den vorliegenden Unterlagen deutlich, dass der Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat, die im November 2007 festgestellt worden ist. Dass es sich um eine Karzinomerkrankung der Lunge mit Metastasen gehandelt hat, dass diese Tatsache der Klägerin und dem Versicherten bekannt war und dass eine derartige Erkrankung zum Tode führen kann - also lebensbedrohlich ist -, wird von der Klägerseite nicht in Abrede gestellt. An der objektiven Schwere der Erkrankung ändert auch nichts, dass ärztlicherseits noch kurative und nicht nur palliative Behandlungsansätze erwogen und durchgeführt worden sind. Zur Frage der Überlebenschancen bzw. der Prognose der Lebensdauer sind in den vorliegenden Unterlagen ärztliche Aussagen, die vor dem Ableben des Versicherten gemacht worden wären, nicht dokumentiert. Nachträglich ist seitens des ärztlichen Dienstes der Beklagten ausgeführt worden, dass objektiv für den Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung eine sehr ungünstige Prognose für die weitere Lebenserwartung bestanden habe, nachdem bei ihm eine Karzinomerkrankung in Form eines Rezidivs mit Lymphknoten- und Knochenmetastasen vorgelegen habe. Die Klägerseite gibt dagegen an, dass die Klägerin bei der Eheschließung nicht ernsthaft mit einem baldigen Ableben des Versicherten gerechnet hätte. Für die Richtigkeit dieser Angabe könnte sprechen, dass eine konkrete Mitteilung der beschränkten Lebenserwartung durch die Ärzte nicht dokumentiert ist und die Klägerin möglicherweise den Zusammenhang der Oberschenkelhalsbrüche mit der Karzinomerkrankung nicht gesehen haben könnte. Zu Gunsten der Klägerin ist also davon auszugehen, dass es für die Abwägung bei einer Situation mit dem Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung zu verbleiben hat und nicht eine bereits infauste Krankheitsprognose und die Kenntnis von einem bevorstehenden baldigen Ableben des Versicherten zu Grunde gelegt werden darf.
Für den Senat lässt sich aus den Umständen und Angaben jedoch ersehen, dass für die Eheleute die lebensbedrohliche Situation für den Versicherten handlungsleitend und damit die Gefahr des baldigen Ablebens des Versicherten zumindest vage bewusst war: Die Hochzeit wurde unter Weglassen aller früheren besonderen Erwartungen und unter eher weniger ansprechenden Umständen - nahezu ohne Freunde, ohne Feier, im Krankenhaus - vollzogen, wobei als Grund hierfür nur darauf verwiesen worden ist, dass bei einer Oberschenkelhalsoperation eine längere Rekonvaleszenzzeit zu erwarten gewesen sei. Die üblicherweise damit verbundene Heilungsdauer von mehreren Wochen bis zu einem Vierteljahr wäre aber angesichts der vielen Jahre, die seit dem angegebenen Heiratsentschluss bereits vergangen waren, eine nur geringe Hürde gewesen, die den Verzicht auf ein weiteres Zuwarten auf eine Durchführung der Hochzeit im gewünschten Rahmen nicht verständlich erscheinen lassen. Auch die Hinweise darauf, dass der Versicherte (noch) für geregelte Umstände sorgen wollte, und die Abfassung eines neuen gemeinschaftlichen Testamentes sprechen für das Erkennen oder zumindest Vermuten der akuten Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung. Daran ändert auch nichts, wenn die Testamentsänderung, wie es das Sozialgericht Nürnberg meint, nur aus Gründen der Erbschaftssteuervermeidung vorgenommen worden wäre. Auch der in der Berufungsverhandlung neu erfolgte Vortrag, wonach die Klägerin noch im Januar 2008 einen konkreten Plan des Versicherten zur unmittelbaren Eheschließung abgelehnt hatte, passt dazu. Dabei ist als äußeres Hindernis lediglich auf eine Urlaubssperre hingewiesen worden, was ein relativ leicht überwindbares Hindernis darstellen dürfte, da eine Eheschließung normalerweise auch ohne Urlaubsgewährung umsetzbar gewesen sein sollte. Die Klägerin wollte zu diesem Zeitpunkt nach ihren Angaben in der Verhandlung - noch - nicht heiraten und sah auch offensichtlich noch keinen Anlass, dem Versicherten durch Eingehen auf seinen Wunsch der umgehenden Eheschließung einen zusätzlichen Schub zur Genesung zu verschaffen. Anders dann die Situation im April 2008. Auch wenn die Klägerin und der Versicherte nicht offen über die Gefahr eines baldigen Versterbens des Versicherten mit einander gesprochen haben und die Klägerin möglicherweise auch Anzeichen und ärztliche Hinweise darauf aus ihrem Bewusstsein verdrängt haben könnte, so lässt sich doch aus der Verhaltensänderung ersehen, dass nun eine schnelle Eheschließung unter völliger Aufgabe der ursprünglichen und langjährigen Überlegungen der Hochzeitsgestaltung von beiden Partnern als geboten eingeschätzt wurde. Der Versicherte hat auf eine schnelle Eheschließung gedrängt; die Klägerin ist dem nachgekommen, da sie nun - wenn auch vielleicht nicht in rationalem Sinn - die positiven psychischen Wirkungen eines derartigen in die Zukunft gerichteten Signals als erforderlich angesehen hat. Sie gibt selbst an, den Zeitpunkt der Eheschließung nunmehr deshalb forciert zu haben, um ihrem Ehemann einen Schub zu einer möglichen Genesung hin zu verschaffen. Warum man die rechtlichen und kirchlichen Modalitäten der Verehelichung von einer auf später verschobenen Hochzeitszeremonie im Sinne der ursprünglichen Trennungen abgespalten hat, lässt sich allenfalls mit der Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen erklären, wenn es nicht unmittelbar um einen rechtlichen Status für die Hinterbliebene gegangen ist.
Ein Abstellen der Beurteilung auf einen früheren Zeitpunkt als den der Eheschließung ergibt sich nicht daraus, dass die Eheschließung schon vor Jahren angedacht worden war und durch eine Verlobung rechtlich vorbereitet worden war. Dass die Klägerin und der verstorbene Versicherte bereits Hochzeitsringe angeschafft und als Verlobungsringe getragen haben, ist zwar nicht durch Unterlagen eindeutig erkennbar, aber durch die vorliegenden Aussagen nachzuvollziehen. Gleichwohl gab es vor dem Auftreten der Erkrankung des Versicherten keine konkreten Hochzeitspläne, so dass die erfolgte Eheschließung nicht die Umsetzung eines bereits zuvor vorbereiteten und auch nach außen hin kundgemachten Geschehensplanes gewesen ist. Zwar mögen einzelne Schicksalsschläge einen früheren Hochzeitstermin immer wieder einmal verhindert haben; gleichwohl ist der Ablauf von vielen Jahren seit der Verlobung ein Hinweis darauf, dass es zunächst nur vage Hochzeitspläne gegeben haben mag. In diese Richtung weist auch die Schilderung der Klägerin, wonach nach den Todesfällen im Jahr 2004 noch eine längere Zeit mit Nachwirkungen vorgelegen hätte, dann aber der Alltag weitergegangen sei und die Zeit dahingegangen sei. Auch aus der Erkundigung des Versicherten beim Standesamt im Januar 2008 ist zu ersehen, dass es vor diesem Zeitpunkt anscheinend noch keine genaue Kenntnis von den Anforderungen bei einer Eheschließung gegeben hatte und die Hochzeitspläne daher noch nicht ausreichend konkret gewesen sein konnten. Zudem hat die Klägerin angegeben, dass sie im Januar 2008 die Ehe auch (noch) nicht eingehen wollte. Ein durchgängiges Geschehen, das in der Umsetzung der schon seit langem festgelegten Heiratsabsicht gemündet ist, war für den Senat nicht zu erkennen.
Dass zwischen der Klägerin und dem Versicherten eine langjährige Lebensbeziehung bestanden hat und diese von Liebe geprägt war, wird dabei nicht in Abrede gestellt. Gleichwohl hatte diese Beziehung auch ohne den rechtlichen Rahmen einer Ehe bestanden. Mit der Verlobung mag zum Ausdruck gekommen sein, dass im zukünftigen Eingehen einer Ehe durchaus noch eine weitere Verfestigung der Beziehung erwartet worden ist. Die von der Klägerin geltend gemachten psychischen Folgen im Anschluss an das Versterben des Versicherten werden vom Senat als zutreffend unterstellt; sie können auch ein Indiz für eine besondere emotionale und von Liebe geprägte Beziehung sein. Auch eine solche stellt der Senat nicht in Abrede. Zu bedenken ist jedoch, dass die Beziehung ja fast vollständig, bis auf die rund zwei Wochen Ehezeit, ohne den Rahmen einer Ehe geführt worden war und die besondere Bindung offensichtlich - nach den Angaben der Klägerin und den Aussagen Dritter - schon bei der langjährigen Beziehung ohne Trauschein entstanden war. Für den Senat lässt sich somit aus der Tatsache der psychischen Erkrankung der Klägerin wegen des Verlustes ihres (Ehe-)Partners für die Frage der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der Versorgungsehe nichts ableiten.
Angesichts der bestehenden Situation mit je eigenem gesicherten Lebensunterhalt mag der Versorgungsgedanke zwischen der Klägerin und dem Versicherten kein besonderes - oder zumindest nicht mehr als bei Eheschließung generell - Thema gewesen sein. Gleichwohl hat der Senat die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe bei einer tatsächlichen Ehedauer von wenigen Wochen in der Abwägung zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite sind für den Senat bei Abstellen auf die konkreten Verhältnisse zum Zeitpunkt der Eheschließung kaum bedeutsame Gründe für das Eingehen der Ehe zu diesem Zeitpunkt zu erkennen, die dem Versorgungsgedanken gegenüberzustellen wären.
Einzig die Angabe, mit der Eheschließung noch einen Genesungsschub für den Versicherten herbeiführen zu wollen, könnte zur Abwägung mit herangezogen werden. Der Senat sieht darin jedoch keinen so bedeutsamen Beweggrund, der die vom BSG bei der bestehenden lebensbedrohlichen Erkrankung kaum widerlegbare Vermutung einer Versorgungsehe hätte überwinden können, weil ansonsten nur Fälle, in denen die Beteiligten jegliche Hoffnung auf ein Überleben des Erkrankten aufgegeben gehabt hätten, noch erfasst werden würden, was der vom Gesetzgeber geschaffenen Regelvermutung zuwiderlaufen würde.
Der Senat sah sich auch nicht gehalten, entsprechend dem Hilfsantrag der Klägerin weitere Ermittlungen zur psychischen Situation der Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes durchzuführen. Er hat es als zutreffend unterstellt, dass der Tod des Versicherten und der damit einhergehende Verlust des Ehe- und Lebenspartners bei der Klägerin zu einer nicht nur vorübergehenden schweren seelischen Störung geführt hat, deren Ausmaß und Ursache darauf schließen ließen, dass die Klägerin in enger partnerschaftlicher Liebesbeziehung gelebt hat und hiervon emotional stark betroffen war. So erschien auch das angeregte psychiatrische Gutachten entbehrlich. Auch dem weiteren Hilfsantrag der Klägerin auf Einholung von Auskünften der Thorax-und-Gefäßchirurgie des Bezirksklinikums O. K-Stadt, der Strahlenklinik und der Unfallchirurgie der Universitätsklinik E-Stadt zur damaligen Prognose der Lebensdauer des Versicherten musste der Senat nicht nachkommen, da er es als zutreffend unterstellt hat, dass der Klägerin von diesen Ärzten weder ein zeitnahes Ableben des Versicherten, noch eine weitere Lebensdauer des Versicherten von weniger als einem Jahr konkret mitgeteilt worden wäre. Der Senat hat für seine Entscheidung vielmehr darauf abgestellt, dass grundsätzlich eine lebensbedrohliche Erkrankung vorlag und die Indizien zusätzlich dafür sprechen, dass die Klägerin und der Versicherte vor der Einleitung der Eheschließung subjektiv - und somit unabhängig von den objektiven Feststellungen - von einer verschlechterten gesundheitlichen Situation des Versicherten ausgegangen sind.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts Nürnberg hat die Klägerin keine besonderen Gründe belegen können, die ausgereicht hätten, um die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe zu überwinden. Eine Gleichwertigkeit oder überwiegende Bedeutung solcher Gründe ist nicht zu erkennen gewesen. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2011 ist somit begründet; dieses ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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