Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 7338/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2362/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. April 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 190.761,67 festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Stundung von Beitragsnachforderungen inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von EUR 360.572,34 und EUR 20.951,01 streitig.
Der 1962 geborene Kläger betrieb in S. vier Gaststätten, u.a. das G. Café P. (im Folgenden P.) und das Café G. E. (im Folgenden E.). Nach Durchführung von Betriebsprüfungen für den Prüfzeitraum vom 1. Februar 2003 bis 31. August 2007 stellte die Beigeladene zu 1) mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. Mai 2011 u.a. eine Beitragsnachforderung (Gesamtsozialversicherungsbeiträge inklusive Säumniszuschläge) für bei der Beklagten versicherte und in der Gaststätte E. beschäftigte Arbeitnehmer in Höhe von EUR 20.951,01 und mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Mai 2011 u.a. für bei der Beklagten versicherte und in der Gaststätte P. beschäftigte Arbeitnehmer in Höhe von EUR 360.572,34 fest. Auf Grund dieser Bescheide bestanden Nachforderungen in Höhe von insgesamt EUR 529.087,92 und EUR 1.018.766,88 einschließlich Säumniszuschlägen. Außerdem hatte der Kläger im Juli 2011 Verbindlichkeiten bei einer Bank in Höhe von ca. EUR 2.000.000,00 und gegenüber einem Lieferanten in Höhe von EUR 180.000,00. Bereits zuvor war der Kläger mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts S. vom 6. Mai 2010 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt unter Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden (104 Ls 186 Js 82568/07). Mit Bescheid vom 4. August 2011 untersagte ihm das Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt S. u.a. den Betrieb einer Gaststätte sowie jeglichen Gewerbes. Unter dem 11. Juli 2014 lud ein Gerichtsvollzieher den Kläger zur Abgabe eines Auskunftsverzeichnisses mit anschließender eidesstattlicher Versicherung hierüber wegen einer Gesamtforderung zugunsten der Beklagten in Höhe von EUR 104.508,38 hinsichtlich einer weiteren Beitragsnachforderung.
Am 14. Juli 2011 fand zwischen Vertretern der AOK Baden-Württemberg Regionaldirektion S., deren Forderungen 50,6 vom Hundert (v.H.) der Gesamtforderungen aller beteiligten Einzugsstellen betragen, der Beklagten und des Klägers ein erstes, am 14. September 2011 unter Einbeziehung eines Vertreters des Finanzamtes ein zweites Vergleichsgespräch mit Blick auf die Beitragsnachforderungen für P. und E. statt, die jeweils zunächst zu keinem Ergebnis führten. Man verblieb u.a. insoweit, dass vom Kläger ein schriftliches Vergleichsangebot abgewartet werden solle. Mit Schreiben vom 21. September 2011 führte der Kläger u.a. der Beklagten gegenüber aus, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart auf den Antrag bezüglich u.a. des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis der L. S. unter dem 16. September 2011 mitgeteilt habe, dass es, das Gericht, davon ausgehe, dass bis zur Entscheidung über den Eilantrag von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werde (4 K 3371/11). Zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten setze er monatlich einen Betrag von EUR 2.500,00 bzw. von EUR 30.000,00 pro Jahr aus Pachteinkünften aus der Verpachtung des E. ein. Des Weiteren könne infolge einer Tilgungsaussetzungsvereinbarung mit den Banken im Jahr 2012 ein Betrag in Höhe von EUR 80.000,00 zur Verfügung stehen. Durch Auslaufen von Leasingverträgen ergebe sich eine zusätzliche Liquidität von EUR 20.000,00, ab dem Jahr 2013 von EUR 40.000,00. Mit Verpachtung eines weiteren seiner Restaurants ab dem 1. Oktober 2011 entfielen für ihn die dadurch anfallenden betriebsbedingten Kosten. Der Kläger bot zur Rückführung der Verbindlichkeiten in diesem Schreiben an, unter Berücksichtigung eines Forderungsverzichts von mindestens 50 v.H. und unter Wegfall der Säumniszuschläge ab Januar 2012 einen monatlichen Betrag von mindestens EUR 9.000,00, ab 1. Juni 2012 von EUR 12.000,00, für das Jahr 2012 in Höhe von insgesamt EUR 130.000,00 auf ein Treuhandkonto einzuzahlen. Mit dem bis Ende 2015 aufgebrachten Gesamtbetrag von EUR 520.000,00 sollten alle im Zuge der Betriebsprüfung betroffenen Krankenkassen inklusive dem Finanzamt bedient werden. Diesen Vergleichsvorschlag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30. September 2011 ab. Aufgrund der in den Vergleichsgesprächen am 14. Juli und 14. September 2011 erläuterten finanziellen Situation des Klägers sehe sie, die Beklagte, den Beitragseinzug als gefährdet und die finanziellen Möglichkeiten des Klägers zur Einzahlung auf ein Treuhandkonto als nicht verlässlich an. Außerdem müsste einer derartigen Vereinbarung u.a. auch die Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) zustimmen. Mit deren Zustimmung sei bei den vorliegenden Unwägbarkeiten nicht zu rechnen.
Am 8./9. Februar 2012 schlossen der Kläger und die AOK Baden-Württemberg Regionaldirektion S. eine Vereinbarung im Zusammenhang mit der Rückführung von Verbindlichkeiten dahingehend, dass der Kläger im Jahr 2012 EUR 100.000,00, in den Jahren 2013 bis 2015 jeweils EUR 130.000,00 und im Jahr 2016 weitere EUR 30.000,00 auf ein Treuhandkonto überweist und aus diesen Beträgen jede Einzugsstelle einen entsprechenden Betrag im Verhältnis ihrer eigenen Forderung zur Gesamtforderung erhält. Im Dezember 2015 fänden erneut Gespräche zwischen den beteiligten Parteien statt, um eine Zahlungsvereinbarung über die dann noch vorhandene Restforderung herbeizuführen. Zur Sicherung der Forderungen gegenüber allen Einzugsstellen trat der Kläger Grundschulden in Höhe von EUR 83.387,56 und EUR 250.000,00 ab. Dieser Vereinbarung stimmte die B. GEK und die IKK classic am 14., die D. BKK am 15., die B. BKK, die DAK und die N. BKK am 16., die KKH A. am 29. Februar 2012 und die Deutsche BKK am 8. März 2012 zu. Nach den Ausführungen des Klägers in der nichtöffentlichen Sitzung des Senats am 20. November 2014 laufen aufgrund dieser Vereinbarung regelmäßige Zahlungen, mittlerweile in Höhe von ca. EUR 200.000,00.
Bereits mit Schreiben vom 18. Juli 2011 hatte der Kläger die Stundung der die Beklagte betreffenden Beitragsnachforderungen bis zum 30. September 2011 beantragt, worauf die Beklagte mit Schreiben vom 29. Juli 2011 bestätigte, dass sie Vollstreckungsmaßnahmen gegen die bestehenden Forderungen bis zum 30. September 2011 aussetze. Die Beklagte wies darauf hin, dass es sich bei dieser Vollstreckungsaussetzung nicht um eine Beitragsstundung nach § 76 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) handele.
Mit Schreiben vom 21. September 2011 beantragte der Kläger u.a. bei der Beklagten die Stundung längstens bis zum 31. Dezember 2011 zu prolongieren. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 30. September 2011 ab. Die Voraussetzungen für eine Beitragsstundung nach § 76 SGB IV seien nicht gegeben. Der Kläger habe nicht nur vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sei insgesamt gefährdet.
Hiergegen erhob der Kläger am 5. Oktober 2011 jeweils Widerspruch. Er wies darauf hin, dass die AOK Baden-Württemberg Regionaldirektion S. einer weiteren Aussetzung der Vollstreckung unter bestimmten Voraussetzungen zugestimmt habe.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 2011 betreffend E. und mit Bescheid vom 31. Oktober 2011 betreffend P. ergänzte die Beklagte ihre Bescheide vom 30. September 2011 - gleichlautend - dahingehend, dass Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben seien. Ansprüche auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag dürfe die Einzugsstelle nur stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Schuldner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet werde. Im Rahmen der Ermessensabwägung habe sie insbesondere berücksichtigt, dass die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers nicht nur vorübergehender Art seien, mit einer Besserung der Situation im Hinblick auf das laufende Gewerbeunter-sagungsverfahren nicht zu rechnen sei und darüber hinaus auch keine ausreichenden Sicherheitsleistungen gewährt werden könnten. Nach den Gesamtumständen sei erkennbar, dass der Anspruch auch nach Ablauf der Stundungsfrist nicht realisierbar wäre.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 30. November 2011 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss die Widersprüche jeweils zurück. Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV dürfe ein Versicherungsträger Ansprüche nur stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für die Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet werde. Sie, die Beklagte, habe insofern zwischen ihrer Verpflichtung, die Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben und den Individualinteressen des Klägers abgewogen. Im Rahmen der Ermessensabwägung sei insbesondere berücksichtigt, dass die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers nicht nur vorübergehender Art seien. Mit einer Besserung der Situation sei im Hinblick auf das laufende Gewerbeuntersagungsverfahren nicht zu rechnen. Darüber hinaus könnten auch keine ausreichenden Sicherheitsleistungen gewährt werden. Nach den Gesamtumständen sei insofern erkennbar, dass der Anspruch auch nach Ablauf der Stundungsfrist nicht realisierbar wäre. Auch die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorgebrachten Argumente könnten insoweit zu keiner anderen Entscheidung führen.
Hiergegen erhob der Kläger am 29. Dezember 2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Er verwies auf die Vereinbarung mit den Einzugsstellen und trug ergänzend vor, dass er infolge der Gewerbeuntersagung trotz eines gut laufenden und fest etablierten Cafés nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine Verbindlichkeiten zu bedienen. Als Folge seiner drohenden Zahlungsunfähigkeit wäre er verpflichtet gewesen, Antrag auf Eröffnung der Insolvenz zu stellen. Nachdem er sich seinen 60 Mitarbeitern und den langjährigen Lieferanten gegenüber immer verpflichtet gefühlt habe, sei er fest entschlossen gewesen, alles dafür zu tun, dass niemand einen wirtschaftlichen Schaden erleide. Einzig zielführende Lösung sei die Verpachtung seiner Betriebe gewesen, was er mit Blick auf E. bereits zum 1. Januar 2010 und auf P. sowie eine weitere Gaststätte mit Wirkung ab 1. Dezember 2011 bzw. 1. März 2012 auch habe realisieren können. Für das Jahr 2012 erziele er Pacht- und Mieteinnahmen in Höhe von EUR 350.000,00. Ab 2012 zahle er für eine Laufzeit von insgesamt vier Jahren den Betrag von EUR 520.000,00, EUR 130.000,00 pro Jahr, zur quotalen Verteilung an alle an der Vereinbarung beteiligten Krankenkassen zurück. Ab März 2012 seien seine Pachteinnahmen in Höhe von EUR 20.000,00 direkt auf ein Treuhandkonto überwiesen und von dort an die Gläubiger überwiesen worden. Seinen Kapitaldienst gegenüber den Banken bestreite er ebenfalls aus den Miet- und Pachteinnahmen. Ihm sei nicht verständlich, weshalb sich die Beklagte als einzige Krankenkasse der von allen anderen Krankenkassen akzeptierten Rückzahlungsvereinbarung und damit auch seinem Sanierungsplan verschließe und ihn dadurch möglicherweise in die Insolvenz treibe.
Die Beklagte trat den Klagen entgegen, erklärte sich jedoch zur Aussetzung der Pfändung bis zum Abschluss des Verfahrens bereit.
Mit Beschluss vom 8. Juni 2012 lud das SG die Deutsche Rentenversicherung Bund als Beigeladene zu 1) und die Bundesagentur für Arbeit als Beigeladene zu 2) zum Verfahren bei. Diese stellten keine Anträge und gaben keine Stellungnahme ab.
Mit Urteil vom 7. April 2014 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2011 in der Gestalt des Bescheides vom 31. Oktober 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2011 und den Bescheid vom 30. September 2011 in der Gestalt des Bescheids vom 27. Oktober 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2011 auf und verurteilte die Beklagte, über die Anträge auf Stundung der rückständigen Beitragsforderungen in Höhe von EUR 360.572,34 und in Höhe von EUR 20.951,01 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte habe bei der Entscheidung über die Anträge auf Stundung der rückständigen Beitragsforderungen das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Sie habe nicht in ihre Ermessensabwägung miteinbezogen, dass der Kläger bereits im Schreiben vom 21. September 2011 angekündigt habe, seine Betriebe verpachten zu wollen. Dies stelle insbesondere für die Prognose der Entwicklung der wirtschaftlichen Situation des Klägers einen bedeutsamen Gesichtspunkt dar, da dies trotz der erfolgten Gewerbeuntersagung die fortlaufende Erzielung von Einnahmen aus den Betrieben ermögliche. Insofern gehe die Beklagte von einem unvollständigen Sachverhalt aus, wenn sie bezüglich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers allein auf die durch Gewerbeuntersagung nicht mehr mögliche Fortführung der Betriebe als Betreiber abstelle. Auch sei die Erwägung, dass die Einzahlung auf ein Treuhandkonto nicht verlässlich sei, nicht sachlich begründet. Die Beklagte sei zudem nicht auf die vom Kläger angebotenen Zahlungen zur Reduzierung der Schuld mit der gebotenen Sachlichkeit und Genauigkeit eingegangen. Dies wäre umso mehr angebracht, als Sinn und Zweck der Stundung auch die Verhinderung der wirtschaftlichen Überforderung des Zahlungspflichtigen sei. Es sollten so möglichst höhere Einnahmen erzielt werden, als dies bei der sofortigen Einziehung der Forderung der Fall wäre. Gerade in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden, bei der eine Vielzahl an Gläubigern einem grundsätzlich zur schrittweisen Abtragung der Schulden bereiten Schuldner gegenüberstünden, müssten bei der Entscheidung über die Stundung die Folgen einer sofortigen Geltendmachung der Forderung eines Gläubigers bezogen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners berücksichtigt werden. Der Kläger sei offensichtlich bemüht, mit den ihm zur Verfügung stehenden Einnahmen die Nachforderungen der Krankenkassen insgesamt zu bedienen. Eine vollständige unmittelbare Durchsetzung der Forderungen der Beklagten wäre dagegen sehr wahrscheinlich mit der sofortigen Insolvenz des Klägers verbunden. Es sei sehr fraglich, ob die Beklagte auf diesem Weg ihre Ansprüche schneller und umfassender befriedigen könnte, da angesichts der Vielzahl der potentiellen Gläubiger die Insolvenzmasse möglicherweise nicht zur Befriedigung aller Forderungen zur gleichen Zeit ausreichen würde. Zudem habe die Beklagte auch ihre Verpflichtung zum rechtzeitigen und vollständigen Beitragseinzug fehlerhaft gewichtet. Es sei gerade angesichts dieser Verpflichtung darzulegen, weshalb die Zahlungsangebote des Klägers - auch wenn sie nicht auf eine vollständige Begleichung der Schuld abzielten - nicht ausreichend seien und eine unmittelbare Vollstreckung der Forderung der erfolgreichere Weg zur bestmöglichen Einziehung der rückständigen Beiträge sei.
Gegen das ihr am 28. April 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. Mai 2014 Berufung eingelegt. Sie habe ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Das Vorhaben des Klägers, eine Verpachtung seiner Betriebe, stelle keinen derart gewichtigen Grund für eine Ermessensausübung zugunsten des Klägers dar, da erhebliche Teile der zu erwartenden Pacht bereits belastet gewesen seien. Zudem sei mittlerweile bekannt, dass bereits ein Jahr später ein weiterer Betriebsprüfungsbescheid über weitere ca. EUR 100.000,00 allein bei ihr die Gaststätte P. betreffend, ergangen sei. Zu beachten sei außerdem, dass der Kläger selbst Angebote nur unter der Maßgabe gemacht habe, dass die Beklagte auf mindestens 50 v.H. der Forderung und sämtliche Säumniszuschläge verzichte, sodass sich der Anspruch offenbar auch aus Sicht des Klägers als nicht realisierbar darstelle, sodass bereits darin eine erhebliche Gefährdung des Anspruchs deutlich werde. Sie, die Beklagte, könne daher nicht erkennen, dass der Kläger "offensichtlich bemüht" wäre, die Nachforderungen insgesamt zu bedienen. Sie sei an die Vorgaben des § 76 SGB IV sowie die Beitragserhebungsgrundsätze gebunden. Diese forderten unmissverständlich, dass Einnahmen vollständig zu erheben seien. Eine Stundung stelle einen Ausnahmefall dar und sei nur möglich, wenn der Anspruch dadurch nicht gefährdet werde. Vorliegend sei eine ganz erhebliche Gefährdung zu beachten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. April 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf das Urteil des SG. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte nicht zu sehen verstehe, dass sie durch ihre Handhabung des Vorgangs ihren Beitragszahlern nicht helfe, sondern schade.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig. Sie ist insbesondere auch statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 SGG. Denn der Beschwerdewert von EUR 750,00 im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist überschritten. Zwar richtet sich bei einer Bescheidungsklage der Beschwerdewert nicht nach der Höhe der Forderungen, die im Streit sind. Das Gericht hat den Wert zu ermitteln (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014 § 144 Rdnr. 15b). Bei einer Neubescheidung nimmt der Senat die Hälfte der strittigen Forderung als Streitwert an (vgl. Urteil des Senats vom 25. Januar 2013 - L 4 P 3090/11 KL -, nicht veröffentlicht). Im Streit ist die Bescheidung zweier Anträge auf Stundung von Forderungen in Höhe von EUR 360.572,34 und EUR 20.951,01, mithin insgesamt von EUR 381.523,35, die Hälfte hiervon beträgt EUR 190.761,67. Diesen Betrag setzt der Senat als Beschwerdewert an.
2. Der Klage fehlte es mit Blick auf die Tatsache, dass nur eine Stundung bis 31. Dezember 2011 im Streit war und Klage erst am 29. Dezember 2011 erhoben wurde, auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Abgesehen davon, dass die Klage noch innerhalb des streitigen Stundungszeitraums erhoben wurde, hätte eine Stundung auch zur Folge, dass für diese Zeit keine Säumniszuschläge zu entrichten sind, da eine Stundung der Beiträge nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV den Fälligkeitszeitpunkt verschiebt (vgl. Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 24 SGB IV Rdnr. 29).
3. Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das SG hat der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu Recht stattgegeben. Die Bescheide der Beklagten vom 30. September 2011 in der Fassung vom 27. Oktober 2011 bzw. 31. Oktober 2011, jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 30. November 2011 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die Ablehnung der Anträge des Klägers auf Stundung durch die Beklagte war ermessensfehlerhaft, weshalb die Bescheide aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung zu verurteilen war.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachten Stundungen ist § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV. Danach darf der Versicherungsträger Ansprüche nur stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für die Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Eine erhebliche Härte ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schuldner aufgrund ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse (finanzielle Engpässe, längere Krankheit, Arbeitslosigkeit u.A.) vorübergehend ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten hat oder durch die sofortige Einziehung in solche geraten würde (von Boetticher in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 76 SGB IV Rdnr. 19). Nicht erforderlich ist eine Existenzgefährdung. Es soll vor allem, eine wirtschaftliche Überforderung des Zahlungspflichtigen verhindert werden, um so möglichst höhere Einnahmen zu erzielen, als dies bei der sofortigen Einziehung der Forderung der Fall wäre (von Bötticher in: juris-PK - SGB IV § 76 Rdnr. 21 m.w.N.). Die Einräumung einer Stundung muss wahrscheinlich machen, dass mehr Einnahmen erzielt werden können als ohne eine entsprechende Vereinbarung (Brandt in: Kreikebohm, SGB IV, § 76 Rdnr. 6). Zu den Einnahmearten, die von § 76 SGB IV erfasst werden, zählt auch der Gesamtsozialversicherungsbeitrag (vgl. § 76 Abs. 3 SGB IV). Im Hinblick auf die Stundung ist den Versicherungsträgern Ermessen eingeräumt. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 76 SGB IV, wonach der Versicherungsträger Ansprüche stunden "darf" (von Boetticher in: juris-PK-SGB IV § 76 Rdnr. 15f.). Die Entscheidung über die Stundung ist eine mit zwei unbestimmten Rechtsbegriffen (sofortige Einziehung mit erheblichen Härten und keine Gefährdung des Anspruchs durch die Stundung) gekoppelte Ermessensentscheidung. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe reichen in den Ermessensbereich hinein und bestimmen Inhalt und Grenzen des Ermessens (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 12. Februar 2014 - 8 K 1870/12 -, in juris; zum Erlass von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach der Vorgängervorschrift des § 227 Abgabenordnung, die § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV entspricht: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 19. Oktober 1971 - GmS-OGB 3/70 -, in juris). Die Stundung soll nach § 76 Abs. 2 SGB IV gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Zuständig ist mit Blick auf die Stundung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB IV die zuständige Einzugsstelle. Hat die Einzugsstelle einem Schuldner für länger als zwei Monate Beitragsansprüche gestundet, deren Höhe die Bezugsgröße übersteigt, ist sie verpflichtet, bei der nächsten Monatsabrechnung die zuständigen Träger der Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit über die Höhe der auf sie entfallenden Beitragsansprüche und über den Zeitraum, für den die Beitragsansprüche gestundet sind, zu unterrichten. Die Einzugsstelle darf eine weitere Stundung der Beitragsansprüche nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Agentur für Arbeit vornehmen (§ 76 Abs. 3 Satz 3 SGB VI).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Beklagte bei der Ablehnung der Stundung der Forderungen das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Soweit die Versicherungsträger ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)). Der Schuldner hat Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Möglich ist die Verpflichtung des Versicherungsträgers zum Erlass des beantragten Verwaltungsakts, wenn das Ermessen nur in einem bestimmten Sinne ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre (Reduzierung des Ermessens auf Null) (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014 § 54 Rdnr 29). Zur Sicherung der Funktionentrennung (Artikel 20 Abs. 2 Grundgesetz) und der Entscheidungsfreiheit des Versicherungsträgers über die Zweckmäßigkeit seines Handelns ist die Überprüfung seiner Ermessensentscheidung durch die Gerichte auf die Rechtmäßigkeitsprüfung begrenzt. Die Begründung des Bescheides und/oder des Widerspruchsbescheides (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 SGB X) muss nicht nur erkennen lassen, dass der Sozialleistungsträger eine Ermessensentscheidung treffen wollte und getroffen hat, sondern auch diejenigen Gesichtspunkte angeben, von denen er bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Oktober 1990 - 11 RAr 3/88 -, in juris). Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder ob er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 2 U 10/10 R -, in juris).
Dass die Beklagte Ermessen ausgeübt hat, ergibt sich jeweils aus den - ergänzenden - Bescheiden vom 27. und 31. Oktober 2011, in denen die Beklagte nicht nur auf das ihr eingeräumte Ermessen hingewiesen hat, sondern Ermessensgesichtspunkte genannt hat. Sie hat ausgeführt, dass sie im Rahmen der Interessensabwägung insbesondere berücksichtigt habe, dass die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers nicht nur vorübergehender Art seien, mit einer Besserung der Situation im Hinblick auf das laufende Gewerbeuntersagungsverfahren nicht zu rechnen sei und darüber hinaus auch keine ausreichenden Sicherheitsleistungen gewährt werden könnten, weshalb nach den Gesamtumständen erkennbar sei, dass der Anspruch auch nach Ablauf der Stundungsfrist nicht realisierbar wäre. In den Widerspruchsbescheiden vom 30. November 2011 hat die Beklagte die Ermessensabwägung mit den gleichen Worten wiederholt.
Auch ein Überschreiten der Grenzen des Ermessens ist zu verneinen. Nach § 76 SGB IV kann wofür sich die Beklagte entschieden hat - die Stundung auch verneint werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte objektive verfassungsrechtliche Schranken (Gleichheitsgebote, Übermaßverbot) verletzt hat, liegen ebenfalls nicht vor. Dies wird auch vom Kläger nicht vorgetragen.
Die Beklagte hat jedoch eine dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechende Ermessensausübung vorgenommen und deshalb das ihr zustehende Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt zum Einen vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt (Ermessensmissbrauch). Zum Anderen liegt der Fehlgebrauch als Abwägungsdefizit vor, wenn der Versicherungsträger nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat. Der Fehlgebrauch kann zudem als Abwägungs-disproportionalität vorliegen, wenn die Behörde die abzuwägenden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat. Des Weiteren kann ein Fehlgebrauch erfolgt sein, wenn die Behörde ihrer Ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat (BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 2 U 10/10 R -, a.a.O).
Ermessenszweck des § 76 SGB IV ist - wie bereits ausgeführt - eine wirtschaftliche Überforderung des Zahlungspflichtigen zu verhindern, um so möglichst höhere Einnahmen zu erzielen, als dies bei der sofortigen Einziehung der Forderung der Fall wäre. Diesen Aspekt hat die Beklagte nicht ausreichend berücksichtigt. Sie hat die Ablehnung der Stundungsanträge damit begründet, dass der Kläger unter nicht nur vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten leide und mit Blick auf die Gewerbeuntersagung mit einer Besserung nicht zu rechnen sei. Auf die Angaben des Klägers in seinem Schreiben vom 21. September 2011 ist sie nicht eingegangen. In diesem Schreiben hat der Kläger im Einzelnen dargelegt, welche Einnahmen er zukünftig infolge von Verpachtungen erzielen werde bzw. welche finanziellen Belastungen hierdurch wegfielen und welche Beträge er durch Auslaufen von Leasingverträgen und einer Tilgungsaussetzungsvereinbarung mit den Banken zur Rückführung der Verbindlichkeiten zur Verfügung stellen könne. Diese neuen Einkommensquellen des Klägers hat die Beklagte völlig außen vorgelassen. Sie hat nicht berücksichtigt, dass zukünftig die Möglichkeit bestand, die Beitragsforderung zumindest teilweise zu realisieren, während dies bei der sofortigen Einziehung, die aller Wahrscheinlichkeit nach zur Insolvenz geführt hätte, nicht der Fall gewesen wäre. Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV muss die Gefährdung des Anspruchs gerade als Folge der Stundung zu erwarten sein. Eine solche Konstellation lag hier nicht vor. Der Beklagten stand mit dem Kläger von vornherein ein Schuldner gegenüber, bei dem eine vollständige Erfüllung der gesamten Verbindlichkeiten gegenüber allen betroffenen Einzugsstellen aus den Bescheiden vom 25. und 27. Mai 2011 in absehbarer Zeit nicht zu erwarten war. Durch das vom Kläger vorgeschlagene Tilgungskonzept bestand aber die Chance, dass die Forderungen aus den Bescheiden vom 25. und 27. Mai 2011 zumindest teilweise erfüllt würden. Laut den Stundungsanträgen des Klägers sollten die Forderungen der Beklagten nur bis zum Abschluss der Verhandlungen mit der Beklagten und anderen Gläubigern gestundet werden. Der Stundungsantrag stand in engem Zusammenhang mit dem vom Kläger verfolgten Tilgungsplan. Dieser bot für die Beklagte auch deutlich bessere Befriedigungschancen, da eine sofortige Anspruchsdurchsetzung zur Insolvenz des Klägers hätte führen können, bei der die zu erwartende Quote nicht nur unter der Anspruchshöhe gelegen hätte, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch unterhalb dessen, was der Kläger der Beklagten auf Basis des unterbreiteten Vergleichsangebots hätte zahlen können. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Stundung die Ansprüche der Beklagten zusätzlich gefährdet hätte. Völlig außen vor gelassen hat die Beklagte auch, dass durch die Ablehnung des Stundungsantrags die Gefahr eines völligen Scheiterns der Vergleichsverhandlungen auch mit den weiteren Einzugsstellen, die genauso wie die Beklagte nach § 76 Abs. 1 SGB IV verpflichtet sind, ihre Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, bestand. Wenn wie hier eine sofortige Anspruchsdurchsetzung gerade nicht zur bestmöglichen Einziehung der rückständigen Beiträge führt, so kann ein Stundungsantrag, dessen Ablehnung für den Schuldner mit einer erheblichen Härte verbunden ist, weil die Gefahr der Insolvenz droht, nicht unter Verweis auf eine überwiegende Pflicht zur sofortigen Beitragserhebung zurückgewiesen werden. Angesichts der Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge von EUR 1,500.000,00 lag es auf der Hand, eine Vereinbarung zur Zahlung zu treffen, die alle Einzugsstellen gleichermaßen berücksichtigt und auch gleichermaßen mit einem Ausfall wegen teilweise fehlender Leistungsfähigkeit des Klägers belastet.
Hiervon ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil es für die Stundung des Einvernehmens mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Agentur für Arbeit bedurft hätte (§ 76 Abs. 3 Satz 3 SGB VI). Nachdem es sich um die erste Stundung handelte, war das Einvernehmen nicht erforderlich.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung. Dass Teile der zu erwartenden Pacht belastet waren, hat nicht zur Folge, dass auch der unbelastete Teil der Pacht außenvorgelassen werden kann. Im Übrigen hat der Kläger im Schreiben vom 21. September 2011 auch auf weitere frei werdende Geldmittel in Form von auslaufenden Leasingverträgen und Tilgungsaussetzungsvereinbarungen hingewiesen, die die Beklagte hätte berücksichtigen müssen. Ein ein Jahr später erlassener Betriebs-prüfungsbescheid war in die Abwägung nicht miteinzubeziehen, denn Maßstab für die Abwägung ist, ob der Versicherungsträger den bis zum Erlass der letzten Verwaltungs-entscheidung vorgebrachten Argumenten des Schuldners hinreichend Rechnung getragen hat (vgl. von Boetticher in: juris-PK-SGB IV § 76 Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 9. Februar 1995 - 7 RAr 78/93 -, in juris). Eine nach Erlass der Widerspruchsbescheide am 30. November 2011 eintretende Entwicklung ist deshalb ohne Belang.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da Kläger und Beklagte nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, finden nach § 197a SGG die VwGO und das Gerichtskostengesetz (GKG) Anwendung.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 190.761,67 festgesetzt. Bei einer Neubescheidung nimmt der Senat die Hälfte der strittigen Forderung als Streitwert an (vgl. Urteil des Senats vom 25. Januar 2013 - L 4 P 3090/11 KL -, nicht veröffentlicht). Im Streit ist die Bescheidung zweier Anträge auf Stundung von Forderungen in Höhe von EUR 360.572,34 und EUR 20.951,01, mithin insgesamt von EUR 381.523,35, die Hälfte hiervon beträgt EUR 190.761,67.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 190.761,67 festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Stundung von Beitragsnachforderungen inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von EUR 360.572,34 und EUR 20.951,01 streitig.
Der 1962 geborene Kläger betrieb in S. vier Gaststätten, u.a. das G. Café P. (im Folgenden P.) und das Café G. E. (im Folgenden E.). Nach Durchführung von Betriebsprüfungen für den Prüfzeitraum vom 1. Februar 2003 bis 31. August 2007 stellte die Beigeladene zu 1) mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. Mai 2011 u.a. eine Beitragsnachforderung (Gesamtsozialversicherungsbeiträge inklusive Säumniszuschläge) für bei der Beklagten versicherte und in der Gaststätte E. beschäftigte Arbeitnehmer in Höhe von EUR 20.951,01 und mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Mai 2011 u.a. für bei der Beklagten versicherte und in der Gaststätte P. beschäftigte Arbeitnehmer in Höhe von EUR 360.572,34 fest. Auf Grund dieser Bescheide bestanden Nachforderungen in Höhe von insgesamt EUR 529.087,92 und EUR 1.018.766,88 einschließlich Säumniszuschlägen. Außerdem hatte der Kläger im Juli 2011 Verbindlichkeiten bei einer Bank in Höhe von ca. EUR 2.000.000,00 und gegenüber einem Lieferanten in Höhe von EUR 180.000,00. Bereits zuvor war der Kläger mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts S. vom 6. Mai 2010 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt unter Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden (104 Ls 186 Js 82568/07). Mit Bescheid vom 4. August 2011 untersagte ihm das Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt S. u.a. den Betrieb einer Gaststätte sowie jeglichen Gewerbes. Unter dem 11. Juli 2014 lud ein Gerichtsvollzieher den Kläger zur Abgabe eines Auskunftsverzeichnisses mit anschließender eidesstattlicher Versicherung hierüber wegen einer Gesamtforderung zugunsten der Beklagten in Höhe von EUR 104.508,38 hinsichtlich einer weiteren Beitragsnachforderung.
Am 14. Juli 2011 fand zwischen Vertretern der AOK Baden-Württemberg Regionaldirektion S., deren Forderungen 50,6 vom Hundert (v.H.) der Gesamtforderungen aller beteiligten Einzugsstellen betragen, der Beklagten und des Klägers ein erstes, am 14. September 2011 unter Einbeziehung eines Vertreters des Finanzamtes ein zweites Vergleichsgespräch mit Blick auf die Beitragsnachforderungen für P. und E. statt, die jeweils zunächst zu keinem Ergebnis führten. Man verblieb u.a. insoweit, dass vom Kläger ein schriftliches Vergleichsangebot abgewartet werden solle. Mit Schreiben vom 21. September 2011 führte der Kläger u.a. der Beklagten gegenüber aus, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart auf den Antrag bezüglich u.a. des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis der L. S. unter dem 16. September 2011 mitgeteilt habe, dass es, das Gericht, davon ausgehe, dass bis zur Entscheidung über den Eilantrag von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werde (4 K 3371/11). Zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten setze er monatlich einen Betrag von EUR 2.500,00 bzw. von EUR 30.000,00 pro Jahr aus Pachteinkünften aus der Verpachtung des E. ein. Des Weiteren könne infolge einer Tilgungsaussetzungsvereinbarung mit den Banken im Jahr 2012 ein Betrag in Höhe von EUR 80.000,00 zur Verfügung stehen. Durch Auslaufen von Leasingverträgen ergebe sich eine zusätzliche Liquidität von EUR 20.000,00, ab dem Jahr 2013 von EUR 40.000,00. Mit Verpachtung eines weiteren seiner Restaurants ab dem 1. Oktober 2011 entfielen für ihn die dadurch anfallenden betriebsbedingten Kosten. Der Kläger bot zur Rückführung der Verbindlichkeiten in diesem Schreiben an, unter Berücksichtigung eines Forderungsverzichts von mindestens 50 v.H. und unter Wegfall der Säumniszuschläge ab Januar 2012 einen monatlichen Betrag von mindestens EUR 9.000,00, ab 1. Juni 2012 von EUR 12.000,00, für das Jahr 2012 in Höhe von insgesamt EUR 130.000,00 auf ein Treuhandkonto einzuzahlen. Mit dem bis Ende 2015 aufgebrachten Gesamtbetrag von EUR 520.000,00 sollten alle im Zuge der Betriebsprüfung betroffenen Krankenkassen inklusive dem Finanzamt bedient werden. Diesen Vergleichsvorschlag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30. September 2011 ab. Aufgrund der in den Vergleichsgesprächen am 14. Juli und 14. September 2011 erläuterten finanziellen Situation des Klägers sehe sie, die Beklagte, den Beitragseinzug als gefährdet und die finanziellen Möglichkeiten des Klägers zur Einzahlung auf ein Treuhandkonto als nicht verlässlich an. Außerdem müsste einer derartigen Vereinbarung u.a. auch die Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) zustimmen. Mit deren Zustimmung sei bei den vorliegenden Unwägbarkeiten nicht zu rechnen.
Am 8./9. Februar 2012 schlossen der Kläger und die AOK Baden-Württemberg Regionaldirektion S. eine Vereinbarung im Zusammenhang mit der Rückführung von Verbindlichkeiten dahingehend, dass der Kläger im Jahr 2012 EUR 100.000,00, in den Jahren 2013 bis 2015 jeweils EUR 130.000,00 und im Jahr 2016 weitere EUR 30.000,00 auf ein Treuhandkonto überweist und aus diesen Beträgen jede Einzugsstelle einen entsprechenden Betrag im Verhältnis ihrer eigenen Forderung zur Gesamtforderung erhält. Im Dezember 2015 fänden erneut Gespräche zwischen den beteiligten Parteien statt, um eine Zahlungsvereinbarung über die dann noch vorhandene Restforderung herbeizuführen. Zur Sicherung der Forderungen gegenüber allen Einzugsstellen trat der Kläger Grundschulden in Höhe von EUR 83.387,56 und EUR 250.000,00 ab. Dieser Vereinbarung stimmte die B. GEK und die IKK classic am 14., die D. BKK am 15., die B. BKK, die DAK und die N. BKK am 16., die KKH A. am 29. Februar 2012 und die Deutsche BKK am 8. März 2012 zu. Nach den Ausführungen des Klägers in der nichtöffentlichen Sitzung des Senats am 20. November 2014 laufen aufgrund dieser Vereinbarung regelmäßige Zahlungen, mittlerweile in Höhe von ca. EUR 200.000,00.
Bereits mit Schreiben vom 18. Juli 2011 hatte der Kläger die Stundung der die Beklagte betreffenden Beitragsnachforderungen bis zum 30. September 2011 beantragt, worauf die Beklagte mit Schreiben vom 29. Juli 2011 bestätigte, dass sie Vollstreckungsmaßnahmen gegen die bestehenden Forderungen bis zum 30. September 2011 aussetze. Die Beklagte wies darauf hin, dass es sich bei dieser Vollstreckungsaussetzung nicht um eine Beitragsstundung nach § 76 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) handele.
Mit Schreiben vom 21. September 2011 beantragte der Kläger u.a. bei der Beklagten die Stundung längstens bis zum 31. Dezember 2011 zu prolongieren. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 30. September 2011 ab. Die Voraussetzungen für eine Beitragsstundung nach § 76 SGB IV seien nicht gegeben. Der Kläger habe nicht nur vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sei insgesamt gefährdet.
Hiergegen erhob der Kläger am 5. Oktober 2011 jeweils Widerspruch. Er wies darauf hin, dass die AOK Baden-Württemberg Regionaldirektion S. einer weiteren Aussetzung der Vollstreckung unter bestimmten Voraussetzungen zugestimmt habe.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 2011 betreffend E. und mit Bescheid vom 31. Oktober 2011 betreffend P. ergänzte die Beklagte ihre Bescheide vom 30. September 2011 - gleichlautend - dahingehend, dass Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben seien. Ansprüche auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag dürfe die Einzugsstelle nur stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Schuldner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet werde. Im Rahmen der Ermessensabwägung habe sie insbesondere berücksichtigt, dass die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers nicht nur vorübergehender Art seien, mit einer Besserung der Situation im Hinblick auf das laufende Gewerbeunter-sagungsverfahren nicht zu rechnen sei und darüber hinaus auch keine ausreichenden Sicherheitsleistungen gewährt werden könnten. Nach den Gesamtumständen sei erkennbar, dass der Anspruch auch nach Ablauf der Stundungsfrist nicht realisierbar wäre.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 30. November 2011 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss die Widersprüche jeweils zurück. Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV dürfe ein Versicherungsträger Ansprüche nur stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für die Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet werde. Sie, die Beklagte, habe insofern zwischen ihrer Verpflichtung, die Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben und den Individualinteressen des Klägers abgewogen. Im Rahmen der Ermessensabwägung sei insbesondere berücksichtigt, dass die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers nicht nur vorübergehender Art seien. Mit einer Besserung der Situation sei im Hinblick auf das laufende Gewerbeuntersagungsverfahren nicht zu rechnen. Darüber hinaus könnten auch keine ausreichenden Sicherheitsleistungen gewährt werden. Nach den Gesamtumständen sei insofern erkennbar, dass der Anspruch auch nach Ablauf der Stundungsfrist nicht realisierbar wäre. Auch die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorgebrachten Argumente könnten insoweit zu keiner anderen Entscheidung führen.
Hiergegen erhob der Kläger am 29. Dezember 2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Er verwies auf die Vereinbarung mit den Einzugsstellen und trug ergänzend vor, dass er infolge der Gewerbeuntersagung trotz eines gut laufenden und fest etablierten Cafés nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine Verbindlichkeiten zu bedienen. Als Folge seiner drohenden Zahlungsunfähigkeit wäre er verpflichtet gewesen, Antrag auf Eröffnung der Insolvenz zu stellen. Nachdem er sich seinen 60 Mitarbeitern und den langjährigen Lieferanten gegenüber immer verpflichtet gefühlt habe, sei er fest entschlossen gewesen, alles dafür zu tun, dass niemand einen wirtschaftlichen Schaden erleide. Einzig zielführende Lösung sei die Verpachtung seiner Betriebe gewesen, was er mit Blick auf E. bereits zum 1. Januar 2010 und auf P. sowie eine weitere Gaststätte mit Wirkung ab 1. Dezember 2011 bzw. 1. März 2012 auch habe realisieren können. Für das Jahr 2012 erziele er Pacht- und Mieteinnahmen in Höhe von EUR 350.000,00. Ab 2012 zahle er für eine Laufzeit von insgesamt vier Jahren den Betrag von EUR 520.000,00, EUR 130.000,00 pro Jahr, zur quotalen Verteilung an alle an der Vereinbarung beteiligten Krankenkassen zurück. Ab März 2012 seien seine Pachteinnahmen in Höhe von EUR 20.000,00 direkt auf ein Treuhandkonto überwiesen und von dort an die Gläubiger überwiesen worden. Seinen Kapitaldienst gegenüber den Banken bestreite er ebenfalls aus den Miet- und Pachteinnahmen. Ihm sei nicht verständlich, weshalb sich die Beklagte als einzige Krankenkasse der von allen anderen Krankenkassen akzeptierten Rückzahlungsvereinbarung und damit auch seinem Sanierungsplan verschließe und ihn dadurch möglicherweise in die Insolvenz treibe.
Die Beklagte trat den Klagen entgegen, erklärte sich jedoch zur Aussetzung der Pfändung bis zum Abschluss des Verfahrens bereit.
Mit Beschluss vom 8. Juni 2012 lud das SG die Deutsche Rentenversicherung Bund als Beigeladene zu 1) und die Bundesagentur für Arbeit als Beigeladene zu 2) zum Verfahren bei. Diese stellten keine Anträge und gaben keine Stellungnahme ab.
Mit Urteil vom 7. April 2014 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2011 in der Gestalt des Bescheides vom 31. Oktober 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2011 und den Bescheid vom 30. September 2011 in der Gestalt des Bescheids vom 27. Oktober 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2011 auf und verurteilte die Beklagte, über die Anträge auf Stundung der rückständigen Beitragsforderungen in Höhe von EUR 360.572,34 und in Höhe von EUR 20.951,01 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte habe bei der Entscheidung über die Anträge auf Stundung der rückständigen Beitragsforderungen das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Sie habe nicht in ihre Ermessensabwägung miteinbezogen, dass der Kläger bereits im Schreiben vom 21. September 2011 angekündigt habe, seine Betriebe verpachten zu wollen. Dies stelle insbesondere für die Prognose der Entwicklung der wirtschaftlichen Situation des Klägers einen bedeutsamen Gesichtspunkt dar, da dies trotz der erfolgten Gewerbeuntersagung die fortlaufende Erzielung von Einnahmen aus den Betrieben ermögliche. Insofern gehe die Beklagte von einem unvollständigen Sachverhalt aus, wenn sie bezüglich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers allein auf die durch Gewerbeuntersagung nicht mehr mögliche Fortführung der Betriebe als Betreiber abstelle. Auch sei die Erwägung, dass die Einzahlung auf ein Treuhandkonto nicht verlässlich sei, nicht sachlich begründet. Die Beklagte sei zudem nicht auf die vom Kläger angebotenen Zahlungen zur Reduzierung der Schuld mit der gebotenen Sachlichkeit und Genauigkeit eingegangen. Dies wäre umso mehr angebracht, als Sinn und Zweck der Stundung auch die Verhinderung der wirtschaftlichen Überforderung des Zahlungspflichtigen sei. Es sollten so möglichst höhere Einnahmen erzielt werden, als dies bei der sofortigen Einziehung der Forderung der Fall wäre. Gerade in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden, bei der eine Vielzahl an Gläubigern einem grundsätzlich zur schrittweisen Abtragung der Schulden bereiten Schuldner gegenüberstünden, müssten bei der Entscheidung über die Stundung die Folgen einer sofortigen Geltendmachung der Forderung eines Gläubigers bezogen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners berücksichtigt werden. Der Kläger sei offensichtlich bemüht, mit den ihm zur Verfügung stehenden Einnahmen die Nachforderungen der Krankenkassen insgesamt zu bedienen. Eine vollständige unmittelbare Durchsetzung der Forderungen der Beklagten wäre dagegen sehr wahrscheinlich mit der sofortigen Insolvenz des Klägers verbunden. Es sei sehr fraglich, ob die Beklagte auf diesem Weg ihre Ansprüche schneller und umfassender befriedigen könnte, da angesichts der Vielzahl der potentiellen Gläubiger die Insolvenzmasse möglicherweise nicht zur Befriedigung aller Forderungen zur gleichen Zeit ausreichen würde. Zudem habe die Beklagte auch ihre Verpflichtung zum rechtzeitigen und vollständigen Beitragseinzug fehlerhaft gewichtet. Es sei gerade angesichts dieser Verpflichtung darzulegen, weshalb die Zahlungsangebote des Klägers - auch wenn sie nicht auf eine vollständige Begleichung der Schuld abzielten - nicht ausreichend seien und eine unmittelbare Vollstreckung der Forderung der erfolgreichere Weg zur bestmöglichen Einziehung der rückständigen Beiträge sei.
Gegen das ihr am 28. April 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. Mai 2014 Berufung eingelegt. Sie habe ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Das Vorhaben des Klägers, eine Verpachtung seiner Betriebe, stelle keinen derart gewichtigen Grund für eine Ermessensausübung zugunsten des Klägers dar, da erhebliche Teile der zu erwartenden Pacht bereits belastet gewesen seien. Zudem sei mittlerweile bekannt, dass bereits ein Jahr später ein weiterer Betriebsprüfungsbescheid über weitere ca. EUR 100.000,00 allein bei ihr die Gaststätte P. betreffend, ergangen sei. Zu beachten sei außerdem, dass der Kläger selbst Angebote nur unter der Maßgabe gemacht habe, dass die Beklagte auf mindestens 50 v.H. der Forderung und sämtliche Säumniszuschläge verzichte, sodass sich der Anspruch offenbar auch aus Sicht des Klägers als nicht realisierbar darstelle, sodass bereits darin eine erhebliche Gefährdung des Anspruchs deutlich werde. Sie, die Beklagte, könne daher nicht erkennen, dass der Kläger "offensichtlich bemüht" wäre, die Nachforderungen insgesamt zu bedienen. Sie sei an die Vorgaben des § 76 SGB IV sowie die Beitragserhebungsgrundsätze gebunden. Diese forderten unmissverständlich, dass Einnahmen vollständig zu erheben seien. Eine Stundung stelle einen Ausnahmefall dar und sei nur möglich, wenn der Anspruch dadurch nicht gefährdet werde. Vorliegend sei eine ganz erhebliche Gefährdung zu beachten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. April 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf das Urteil des SG. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte nicht zu sehen verstehe, dass sie durch ihre Handhabung des Vorgangs ihren Beitragszahlern nicht helfe, sondern schade.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig. Sie ist insbesondere auch statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 SGG. Denn der Beschwerdewert von EUR 750,00 im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist überschritten. Zwar richtet sich bei einer Bescheidungsklage der Beschwerdewert nicht nach der Höhe der Forderungen, die im Streit sind. Das Gericht hat den Wert zu ermitteln (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014 § 144 Rdnr. 15b). Bei einer Neubescheidung nimmt der Senat die Hälfte der strittigen Forderung als Streitwert an (vgl. Urteil des Senats vom 25. Januar 2013 - L 4 P 3090/11 KL -, nicht veröffentlicht). Im Streit ist die Bescheidung zweier Anträge auf Stundung von Forderungen in Höhe von EUR 360.572,34 und EUR 20.951,01, mithin insgesamt von EUR 381.523,35, die Hälfte hiervon beträgt EUR 190.761,67. Diesen Betrag setzt der Senat als Beschwerdewert an.
2. Der Klage fehlte es mit Blick auf die Tatsache, dass nur eine Stundung bis 31. Dezember 2011 im Streit war und Klage erst am 29. Dezember 2011 erhoben wurde, auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Abgesehen davon, dass die Klage noch innerhalb des streitigen Stundungszeitraums erhoben wurde, hätte eine Stundung auch zur Folge, dass für diese Zeit keine Säumniszuschläge zu entrichten sind, da eine Stundung der Beiträge nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV den Fälligkeitszeitpunkt verschiebt (vgl. Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 24 SGB IV Rdnr. 29).
3. Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das SG hat der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu Recht stattgegeben. Die Bescheide der Beklagten vom 30. September 2011 in der Fassung vom 27. Oktober 2011 bzw. 31. Oktober 2011, jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 30. November 2011 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die Ablehnung der Anträge des Klägers auf Stundung durch die Beklagte war ermessensfehlerhaft, weshalb die Bescheide aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung zu verurteilen war.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachten Stundungen ist § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV. Danach darf der Versicherungsträger Ansprüche nur stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für die Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Eine erhebliche Härte ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schuldner aufgrund ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse (finanzielle Engpässe, längere Krankheit, Arbeitslosigkeit u.A.) vorübergehend ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten hat oder durch die sofortige Einziehung in solche geraten würde (von Boetticher in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 76 SGB IV Rdnr. 19). Nicht erforderlich ist eine Existenzgefährdung. Es soll vor allem, eine wirtschaftliche Überforderung des Zahlungspflichtigen verhindert werden, um so möglichst höhere Einnahmen zu erzielen, als dies bei der sofortigen Einziehung der Forderung der Fall wäre (von Bötticher in: juris-PK - SGB IV § 76 Rdnr. 21 m.w.N.). Die Einräumung einer Stundung muss wahrscheinlich machen, dass mehr Einnahmen erzielt werden können als ohne eine entsprechende Vereinbarung (Brandt in: Kreikebohm, SGB IV, § 76 Rdnr. 6). Zu den Einnahmearten, die von § 76 SGB IV erfasst werden, zählt auch der Gesamtsozialversicherungsbeitrag (vgl. § 76 Abs. 3 SGB IV). Im Hinblick auf die Stundung ist den Versicherungsträgern Ermessen eingeräumt. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 76 SGB IV, wonach der Versicherungsträger Ansprüche stunden "darf" (von Boetticher in: juris-PK-SGB IV § 76 Rdnr. 15f.). Die Entscheidung über die Stundung ist eine mit zwei unbestimmten Rechtsbegriffen (sofortige Einziehung mit erheblichen Härten und keine Gefährdung des Anspruchs durch die Stundung) gekoppelte Ermessensentscheidung. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe reichen in den Ermessensbereich hinein und bestimmen Inhalt und Grenzen des Ermessens (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 12. Februar 2014 - 8 K 1870/12 -, in juris; zum Erlass von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach der Vorgängervorschrift des § 227 Abgabenordnung, die § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV entspricht: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 19. Oktober 1971 - GmS-OGB 3/70 -, in juris). Die Stundung soll nach § 76 Abs. 2 SGB IV gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Zuständig ist mit Blick auf die Stundung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB IV die zuständige Einzugsstelle. Hat die Einzugsstelle einem Schuldner für länger als zwei Monate Beitragsansprüche gestundet, deren Höhe die Bezugsgröße übersteigt, ist sie verpflichtet, bei der nächsten Monatsabrechnung die zuständigen Träger der Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit über die Höhe der auf sie entfallenden Beitragsansprüche und über den Zeitraum, für den die Beitragsansprüche gestundet sind, zu unterrichten. Die Einzugsstelle darf eine weitere Stundung der Beitragsansprüche nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Agentur für Arbeit vornehmen (§ 76 Abs. 3 Satz 3 SGB VI).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Beklagte bei der Ablehnung der Stundung der Forderungen das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Soweit die Versicherungsträger ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)). Der Schuldner hat Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Möglich ist die Verpflichtung des Versicherungsträgers zum Erlass des beantragten Verwaltungsakts, wenn das Ermessen nur in einem bestimmten Sinne ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre (Reduzierung des Ermessens auf Null) (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014 § 54 Rdnr 29). Zur Sicherung der Funktionentrennung (Artikel 20 Abs. 2 Grundgesetz) und der Entscheidungsfreiheit des Versicherungsträgers über die Zweckmäßigkeit seines Handelns ist die Überprüfung seiner Ermessensentscheidung durch die Gerichte auf die Rechtmäßigkeitsprüfung begrenzt. Die Begründung des Bescheides und/oder des Widerspruchsbescheides (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 SGB X) muss nicht nur erkennen lassen, dass der Sozialleistungsträger eine Ermessensentscheidung treffen wollte und getroffen hat, sondern auch diejenigen Gesichtspunkte angeben, von denen er bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Oktober 1990 - 11 RAr 3/88 -, in juris). Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder ob er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 2 U 10/10 R -, in juris).
Dass die Beklagte Ermessen ausgeübt hat, ergibt sich jeweils aus den - ergänzenden - Bescheiden vom 27. und 31. Oktober 2011, in denen die Beklagte nicht nur auf das ihr eingeräumte Ermessen hingewiesen hat, sondern Ermessensgesichtspunkte genannt hat. Sie hat ausgeführt, dass sie im Rahmen der Interessensabwägung insbesondere berücksichtigt habe, dass die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers nicht nur vorübergehender Art seien, mit einer Besserung der Situation im Hinblick auf das laufende Gewerbeuntersagungsverfahren nicht zu rechnen sei und darüber hinaus auch keine ausreichenden Sicherheitsleistungen gewährt werden könnten, weshalb nach den Gesamtumständen erkennbar sei, dass der Anspruch auch nach Ablauf der Stundungsfrist nicht realisierbar wäre. In den Widerspruchsbescheiden vom 30. November 2011 hat die Beklagte die Ermessensabwägung mit den gleichen Worten wiederholt.
Auch ein Überschreiten der Grenzen des Ermessens ist zu verneinen. Nach § 76 SGB IV kann wofür sich die Beklagte entschieden hat - die Stundung auch verneint werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte objektive verfassungsrechtliche Schranken (Gleichheitsgebote, Übermaßverbot) verletzt hat, liegen ebenfalls nicht vor. Dies wird auch vom Kläger nicht vorgetragen.
Die Beklagte hat jedoch eine dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechende Ermessensausübung vorgenommen und deshalb das ihr zustehende Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt zum Einen vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt (Ermessensmissbrauch). Zum Anderen liegt der Fehlgebrauch als Abwägungsdefizit vor, wenn der Versicherungsträger nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat. Der Fehlgebrauch kann zudem als Abwägungs-disproportionalität vorliegen, wenn die Behörde die abzuwägenden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat. Des Weiteren kann ein Fehlgebrauch erfolgt sein, wenn die Behörde ihrer Ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat (BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 2 U 10/10 R -, a.a.O).
Ermessenszweck des § 76 SGB IV ist - wie bereits ausgeführt - eine wirtschaftliche Überforderung des Zahlungspflichtigen zu verhindern, um so möglichst höhere Einnahmen zu erzielen, als dies bei der sofortigen Einziehung der Forderung der Fall wäre. Diesen Aspekt hat die Beklagte nicht ausreichend berücksichtigt. Sie hat die Ablehnung der Stundungsanträge damit begründet, dass der Kläger unter nicht nur vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten leide und mit Blick auf die Gewerbeuntersagung mit einer Besserung nicht zu rechnen sei. Auf die Angaben des Klägers in seinem Schreiben vom 21. September 2011 ist sie nicht eingegangen. In diesem Schreiben hat der Kläger im Einzelnen dargelegt, welche Einnahmen er zukünftig infolge von Verpachtungen erzielen werde bzw. welche finanziellen Belastungen hierdurch wegfielen und welche Beträge er durch Auslaufen von Leasingverträgen und einer Tilgungsaussetzungsvereinbarung mit den Banken zur Rückführung der Verbindlichkeiten zur Verfügung stellen könne. Diese neuen Einkommensquellen des Klägers hat die Beklagte völlig außen vorgelassen. Sie hat nicht berücksichtigt, dass zukünftig die Möglichkeit bestand, die Beitragsforderung zumindest teilweise zu realisieren, während dies bei der sofortigen Einziehung, die aller Wahrscheinlichkeit nach zur Insolvenz geführt hätte, nicht der Fall gewesen wäre. Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV muss die Gefährdung des Anspruchs gerade als Folge der Stundung zu erwarten sein. Eine solche Konstellation lag hier nicht vor. Der Beklagten stand mit dem Kläger von vornherein ein Schuldner gegenüber, bei dem eine vollständige Erfüllung der gesamten Verbindlichkeiten gegenüber allen betroffenen Einzugsstellen aus den Bescheiden vom 25. und 27. Mai 2011 in absehbarer Zeit nicht zu erwarten war. Durch das vom Kläger vorgeschlagene Tilgungskonzept bestand aber die Chance, dass die Forderungen aus den Bescheiden vom 25. und 27. Mai 2011 zumindest teilweise erfüllt würden. Laut den Stundungsanträgen des Klägers sollten die Forderungen der Beklagten nur bis zum Abschluss der Verhandlungen mit der Beklagten und anderen Gläubigern gestundet werden. Der Stundungsantrag stand in engem Zusammenhang mit dem vom Kläger verfolgten Tilgungsplan. Dieser bot für die Beklagte auch deutlich bessere Befriedigungschancen, da eine sofortige Anspruchsdurchsetzung zur Insolvenz des Klägers hätte führen können, bei der die zu erwartende Quote nicht nur unter der Anspruchshöhe gelegen hätte, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch unterhalb dessen, was der Kläger der Beklagten auf Basis des unterbreiteten Vergleichsangebots hätte zahlen können. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Stundung die Ansprüche der Beklagten zusätzlich gefährdet hätte. Völlig außen vor gelassen hat die Beklagte auch, dass durch die Ablehnung des Stundungsantrags die Gefahr eines völligen Scheiterns der Vergleichsverhandlungen auch mit den weiteren Einzugsstellen, die genauso wie die Beklagte nach § 76 Abs. 1 SGB IV verpflichtet sind, ihre Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, bestand. Wenn wie hier eine sofortige Anspruchsdurchsetzung gerade nicht zur bestmöglichen Einziehung der rückständigen Beiträge führt, so kann ein Stundungsantrag, dessen Ablehnung für den Schuldner mit einer erheblichen Härte verbunden ist, weil die Gefahr der Insolvenz droht, nicht unter Verweis auf eine überwiegende Pflicht zur sofortigen Beitragserhebung zurückgewiesen werden. Angesichts der Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge von EUR 1,500.000,00 lag es auf der Hand, eine Vereinbarung zur Zahlung zu treffen, die alle Einzugsstellen gleichermaßen berücksichtigt und auch gleichermaßen mit einem Ausfall wegen teilweise fehlender Leistungsfähigkeit des Klägers belastet.
Hiervon ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil es für die Stundung des Einvernehmens mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Agentur für Arbeit bedurft hätte (§ 76 Abs. 3 Satz 3 SGB VI). Nachdem es sich um die erste Stundung handelte, war das Einvernehmen nicht erforderlich.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung. Dass Teile der zu erwartenden Pacht belastet waren, hat nicht zur Folge, dass auch der unbelastete Teil der Pacht außenvorgelassen werden kann. Im Übrigen hat der Kläger im Schreiben vom 21. September 2011 auch auf weitere frei werdende Geldmittel in Form von auslaufenden Leasingverträgen und Tilgungsaussetzungsvereinbarungen hingewiesen, die die Beklagte hätte berücksichtigen müssen. Ein ein Jahr später erlassener Betriebs-prüfungsbescheid war in die Abwägung nicht miteinzubeziehen, denn Maßstab für die Abwägung ist, ob der Versicherungsträger den bis zum Erlass der letzten Verwaltungs-entscheidung vorgebrachten Argumenten des Schuldners hinreichend Rechnung getragen hat (vgl. von Boetticher in: juris-PK-SGB IV § 76 Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 9. Februar 1995 - 7 RAr 78/93 -, in juris). Eine nach Erlass der Widerspruchsbescheide am 30. November 2011 eintretende Entwicklung ist deshalb ohne Belang.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da Kläger und Beklagte nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, finden nach § 197a SGG die VwGO und das Gerichtskostengesetz (GKG) Anwendung.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 190.761,67 festgesetzt. Bei einer Neubescheidung nimmt der Senat die Hälfte der strittigen Forderung als Streitwert an (vgl. Urteil des Senats vom 25. Januar 2013 - L 4 P 3090/11 KL -, nicht veröffentlicht). Im Streit ist die Bescheidung zweier Anträge auf Stundung von Forderungen in Höhe von EUR 360.572,34 und EUR 20.951,01, mithin insgesamt von EUR 381.523,35, die Hälfte hiervon beträgt EUR 190.761,67.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved