S 11 BK 8/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 BK 8/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 07.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2014 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte Leistungen für den Monat März 2010 in Höhe von 520,00 EUR, für die Monate April und Juni 2010 in Höhe von jeweils mehr als 428,00 EUR, für den Monat Juli 2010 in Höhe von mehr als 287,00 EUR sowie für den Monat August 2010 in Höhe von mehr als 430,00 EUR aufgehoben hat und insgesamt Leistungen in Höhe von mehr als 2.613,00 EUR zurückfordert. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach zu ¼.

Tatbestand:

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist verheiratet mit dem am 00.00.0000 geborenen Herrn S. S. und Mutter des am 00.00.0000 geborenen Sohnes E., des am 00.00.0000 geborenen Sohnes S., des am 00.00.0000 geborenen Sohnes N., des am 00.00.0000 geborenen Sohnes N., des am 00.00.0000 geborenen Sohnes S., der am 00.00.0000 geborenen Tochter N. und des am 00.00.0000 geborenen Sohnes H ...

Die Klägerin und ihre Familie bewohnte eine in ihrem Eigentum stehende Immobilie. Die Schuldzinsen im Zeitraum ab Januar 2010 beliefen sich nach eigenen Angaben auf 412,00 EUR pro Monat, die monatlichen Heizkosten gaben sie mit ca. 120,00 EUR an. An Nebenkosten wiesen die Kläger monatliche Beiträge für eine Wohngebäudeversicherung in Höhe von 50,74 EUR, Schornsteinfegerkosten in Höhe von 61,13 EUR/Jahr (5,09 EUR pro Monat), Kosten für Wasser in Höhe von monatlich 68,00 EUR, kommunale Abgaben (ohne Hundesteuer) in Höhe von 903,48 EUR/Jahr zuzüglich Schmutzwasser in Höhe von 741,00 EUR/Jahr (137,04 EUR), mithin insgesamt 260,87 EUR pro Monat nach. Die Klägerin hat eine Kfz-Versicherung in Höhe von 27,67 EUR nachgewiesen. Daneben Riesterrenten für sich und ihren Ehemann, von welchen zusammen mit monatlich 20,00 EUR steuerlich anerkannt sind.

Im November 2009 erhielt der Ehemann der Klägerin ein 13. Monatsgehalt in Höhe von brutto 1.888,74 EUR, was die Klägerin dem Beklagten auch umgehend mitteilte.

Im Dezember 2009 beantragte die Klägerin eine Fortzahlung des Kinderzuschlags. Hierbei gab sie an, dass sie kein Einkommen erziele. Ihr Ehemann erziele Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit, ihr Sohn Daniel beziehe Arbeitslosengeld I in Höhe von kalendertäglich 15,34 vom 05.12.2009 bis zum 03.12.2010 und ihr Sohn S. gehe eine geringfügigen Beschäftigung nach, aus der er monatlich 73,71 EUR erziele.

Mit Bescheid vom 29.01.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Kinderzuschlag in Höhe von monatlich 520,00 EUR für die Kinder S., N., N., S., N. und H. für den Zeitraum von Januar 2010 bis einschließlich Dezember 2010.

In der Zeit ab dem 17.03.2010 erhielt der Ehemann der Klägerin Krankengeld in Höhe von täglich 60,67 EUR bis zum 29.07.2010. Dieses Krankengeld floss dem Ehemann erstmalig im Monat April 2010 zu. Ab 30.07.2010 erhielt der Kläger Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland in Höhe von kalendertäglich 59,27 EUR, insgesamt für die Zeit vom 30.07.2010 bis 26.08.2010 in Höhe von 1.629,00 EUR. Der Zufluss des Geldes erfolgte im September 2010.

Die Klägerin teilte die Arbeitsunfähigkeit und den Bezug von Kranken- bzw. Übergangsgeld der Beklagten unter dem 02.10.2010 mit und legte im Nachgang unter anderem die Verdienstabrechnungen ihres Ehemanns für den Zeitraum ab Dezember 2009 sowie Januar 2010 bis März 2010 und Mai 2010, den Bewilligungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung Rheinland betreffend die Bewilligung von Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 59,27 EUR ab 30.07.2010 bis 26.08.2010, in Höhe von insgesamt 1.629,00 EUR, einen Nachweis der Krankenversicherung über Krankengeld für den Zeitraum vom 17.03.2010 bis 29.7.2010 in Höhe von täglich 60,67 EUR sowie in gleicher Höhe ab dem 27.08.2010 vor.

Mit Schreiben vom 17.11.2010 hörte die Beklagte die Klägerin hinsichtlich einer Aufhebung der Bewilligung für den Zeitraum März 2010 bis September 2010 an. Hierbei errechnete die Beklagte eine Rückforderungssumme von insgesamt 3.273,00 EUR. Der Prozessbevollmächtigte der KIägerin nahm Akteneinsicht. Eine Stellungnahme der Klägerin erfolgte aber nicht.

Mit Bescheid vom 07.02.2011 hob die Beklagte den bewilligten Kinderzuschlag für den Zeitraum März 2010 bis September 2010 auf, und zwar in folgender Höhe:

Zeitraum Höhe in EUR März 2010 520,00 April 2010 428,00 Mai 2010 520,00 Juni 2010 428,00 Juli 2010 427,00 August 2010 430,00 September 2010 520,00

Die Beklagte stützte die Aufhebung dabei auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Sie forderte insgesamt eine Summe von 3.273,00 EUR, gestützt auf § 50 SGB X, zurück.

Hiergegen legte die Klägerin am 14.02.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, die Beklagte sei von einem unzutreffenden Einkommen ausgegangen. Mit Schreiben vom 15.02.2012 legte die Klägerin das ihr zugeflossene Einkommen im streitigen Zeitraum wie folgt dar:

März 2010: Am 11.03.2010 Arbeitslohn für Februar 2010 in Höhe von 2.002,74 EUR

April 2010: Am 12.04.2010 Arbeitslohn für Mai 2010 in Höhe von 1.464,42 EUR am 16.04.2010 Krankengeld in Höhe von 1.698,76 EUR für den Zeitraum vom 17.03. bis 13.04.2010

Mai 2010: Am 03.05.2010 Krankengeld in Höhe von 849,38 EUR für den Zeitraum vom 14.04. bis 27.04.2010 am 28.05.2010 Krankengeld in Höhe von 1.698,67 EUR für den Zeitraum vom 28.04. bis 25.05.2010

Juni 2010: Am 11.06.2010 Arbeitslohn (Urlaubsgeld) in Höhe von 440,61 EUR am 28.06.2010 Krankengeld in Höhe von 1.638,09 EUR für den Zeitraum 26.05. bis 22.06.2010

Juli 2010: Am 23.07.2010 Krankengeld in Höhe von 1.698,76 EUR für den Zeitraum 23.06. bis 20.07.2010

August 2010: Am 31.08.2010 Krankengeld in Höhe von 546,03 EUR für den Zeitraum 21.07. bis 29.07.2010

September 2010 Am 08.09.2010 Übergangsgeld Reha in Höhe von 1.629,00 EUR am 09.09.2010 Krankengeld in Höhe von 303,35 EUR für den Zeitraum 27.08. bis 01.09.2010 am 29.09.2010 Krankengeld in Höhe von 1.395,41 EUR für den Zeitraum vom 02.09. bis 24.09.2010

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2014 änderte die Beklagte die Aufhebung und Rückforderung teilweise ab. Sie hob nunmehr die Leistungen wie folgt auf und forderte die entsprechenden Beträge zurück:

Zeitraum Höhe in EUR März 2010 520,00 April 2010 520,00 Mai 2010 520,00 Juni 2010 520,00 Juli 2010 287,00 August 2010 520,00 September 2010 520,00

Die Klägerin hat am 10.03.2014 Klage erhoben. Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte sei zur Aufhebung der bewilligten Leistungen nach § 48 SGB X nicht berechtigt gewesen. Die Beklagte hat ausgeführt, sie bleibe bei ihrer Entscheidung. Es sei sogar zu prüfen, ob sich die Rückforderungssumme nicht sogar um 500,00 EUR erhöhen müsse, weil auch Schulstarterpakete bewilligt worden seien, auf die kein Anspruch bestanden habe. Die Klägerin wies darauf hin, dass sowohl die in Aussicht gestellte Nachforderung als auch die Verböserung im Widerspruchsbescheid rechtswidrig seien.

Die Beklagte hat daraufhin erklärt, die Auffassung der Klägerin hinsichtlich der Verböserung treffe zu. Vor diesem Hintergrund werde von der Rückforderung der im Widerspruchsbescheid geltend gemachten Summe von 3.407,00 EUR abgesehen. Es verbleibe bei der ursprünglich geltend gemachten Summe in Höhe von 3.237,00 EUR.

Die Klägerin beantragt,

den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 07.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt.

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als reine Anfechtungsklage zulässig, aber nur teilweise begründet.

Streitgegenständlich ist der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 07.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2014

Im vorliegenden Fall sind hinsichtlich der Aufhebung und Rückforderung zwei Zeiträume zu unterscheiden. Zum einen die Aufhebung für den Monat März und zum anderen die Aufhebung für den Zeitraum April bis einschließlich September 2010.

Für den Monat März ist nach Auffassung der Kammer eine Rechtsgrundlage für eine Aufhebung – und damit verbunden auch für eine Rückforderung – nicht gegeben.

Die Aufhebung oder Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten ist in § 45 bzw. § 48 SGB X geregelt.

Voraussetzung für die Aufhebung eines - ursprünglich rechtmäßigen - Verwaltungsaktes nach § 48 SGB X ist nach Abs. 1 Satz 1, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eingetreten ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen des Satz 1 ist - dies macht schon der Wortlaut der Norm deutlich - zwingende Voraussetzung für eine Anwendung des Satzes 2 (Aufhebung auch für die Vergangenheit). Demgegenüber darf ein – ursprünglich rechtswidriger - begünstigter Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Absatz 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 48 SGB ist damit eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Vergleich zur Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Bescheides. Im vorliegenden Fall – hierauf weist die Beklagte zu Recht hin – hatte sich im Vergleich zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheids am 29.01.2010 eine Änderung dahingehend ergeben, dass der Ehemann der Klägerin seit März 2010 arbeitsunfähig erkrankt ist und er daher einen Krankengeldanspruch statt des bisherigen Erwerbseinkommens hatte. Diese Änderung ist nach Auffassung der Kammer indes nicht wesentlich im Sinne des § 48 SGB X, da es bei der Bewilligung von Kinderzuschlag nicht abstrakt auf den arbeitsrechtlichen Status des Ehemanns der Klägerin ankommt, sondern vielmehr nur die Änderungen im Einkommen maßgeblich sind. Diese wirkten sich – es gilt auch im Bereich der §6a BKGG insoweit das Zuflussprinzip – im März 2010 noch nicht aus, da weder das Krankengeld für März 2010 im März zugeflossen ist noch sich etwa das zu berücksichtigende Einkommen auf dieser Grundlage geändert hat. Im März 2010 floss das Einkommen für Februar zu. Diesbezüglich wirkte sich die Arbeitsunfähigkeit nicht aus. Vor diesem Hintergrund scheidet eine Aufhebung der Bewilligung für den Monat März 2010 gestützt auf § 48 SGB X aus. Weitere Rechtsgrundlagen für eine Aufhebung oder Rückforderung sind nicht ersichtlich, so dass insoweit der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid aufzuheben ist.

Für den Zeitraum April bis September 2010 ist demgegenüber § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 bzw. Nr. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) tragfähige Rechtsgrundlage.

Wie bereits ausgeführt wirkte sich ab April 2010 die eingetretene Arbeitsunfähigkeit auch hinsichtlich der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens aus, so dass insoweit § 48 SGB X dem Grunde nach Anwendung findet. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 soll (sog. "intendiertes Ermessen") der Verwaltungsakt aufgehoben werden, wenn (1.) die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, (2.) der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, (3.) nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder (4.) der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Durch den Eintritt der Arbeitslosigkeit des Klägers und – damit verbunden – den Wegfall des Einkommens aus nichtselbständiger Tätigkeit bzw. des Bezugs von Krankengeld ab März 2010 ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 29.01.2010 zugrunde gelegen haben, eingetreten. Diese wesentliche Änderung bestand darin, dass nunmehr Einkommen in solcher Höhe zu berücksichtigen, war, das ein Anspruch des Klägers nach § 6a BKGG nicht mehr bestand.

Nach § 6a BKGG in der hier maßgeblichen Fassung erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn sie

1. für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben,

2. sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind,

3. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11 bis 12 SGB II verfügen, das höchstens dem nach Absatz 4 Satz 1 für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach Absatz 2 entspricht, und

4. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.

Sechs Kinder des Klägers lebten im streitgegenständlichen Zeitraum in dessen Haushalt, waren unverheiratet und hatten das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet. Der Kläger erhielt auch für alle Kinder Kindergeld.

Die Klägerin hatte vor Erlass des Bescheides vom 29.01.2010 angegeben, dass – was zu diesem Zeitpunkt auch zutraf – ihr Ehemann Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit erzielte, ihr Sohn Daniel Arbeitslosengeld I bezog und ihr Sohn Ralf Einnahmen aus geringfügiger Beschäftigung hatte. Sie hatte vor Erlass des Bescheides vom 29.01.2010 auch angegeben, dass ihr Ehemann im November 2009 ein 13. Monatsgehalt erhalten hatte. Diese Angaben waren der Beklagte bekannt, die auf dieser Grundlage den entsprechenden Bewilligungsbescheid erließ.

Im Februar 2010 wurde der Ehemann der Klägerin arbeitsunfähig, was diese der Beklagten Anfang Oktober 2010 mitteilte. Hierdurch änderten sich auch die maßgeblichen Einkünfte im Zeitraum von April bis September 2010.

Im April 2010 war das Gehalt für März in Höhe von 2.072,05 EUR brutto bzw. 1.504,12 EUR netto zuzüglich des Krankengeldes in Höhe von 1.698,76 EUR zugeflossen.

Dieses Einkommen war nach § 11 Abs. 2 SGB II in der damals geltenden Fassung zu bereinigen. Die maßgebliche Vorschrift lautete:

"Vom Einkommen sind abzusetzen 1.auf das Einkommen entrichtete Steuern, 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung, 3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind, b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden, 4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, 5.die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, 6. für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach § 30 SGB II, 7. Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag, 8. bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, deren Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder § 71 oder § 108 des Dritten Buches bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag.

Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist an Stelle der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 400 Euro, gilt Satz 2 nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100 Euro übersteigt.

Hiernach sind vom dem Einkommen zunächst 100,00 EUR in Ansatz zu bringen. Darüber hinaus sind nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II a.F. i.V.m. § 30 SGB II a.F. weitere Abzüge zu machen.

§ 30 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung lautete:

"Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich 1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 800 Euro beträgt, auf 20 vom Hundert und 2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 800 Euro übersteigt und nicht mehr als 1.200 Euro beträgt, auf 10 vom Hundert.

An Stelle des Betrages von 1.200 Euro tritt für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben, ein Betrag von 1.500 Euro."

Hiernach sind weitere 140,00 EUR (20%von 700,00 EUR) und sowie weitere 70,00 EUR (10% von 700,00 EUR) einkommensmindernd zu berücksichtigen. Soweit die Klägerin der Auffassung ist, vom Nettoeinkommen seien die vermögenswirksamen Leistungen abzuziehen steht dies nicht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 19.06.2012 – B 4 AS 163/11 R = juris Rn. 16), der sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt.

Demnach sind von dem Einkommen in Höhe von 3.202,88 EUR Abzüge in Höhe von 310,00 EUR vorzunehmen, so dass zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 2.892,88 EUR verbleibt.

Im Mai ist Krankengeld in Höhe von insgesamt 2.548,14 EUR (849,38 EUR + 1.698,76 EUR) zugeflossen. Hier handelte es sich nicht im Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Zum einen sind hier die geförderten Riesterbeiträge in Höhe von 20,00 EUR gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II in Ansatz zu bringen. An gesetzlich vorgeschriebenen privaten Versicherungen hat die Klägerin die Kfz-Haftpflichtversicherungsbeiträge in Höhe von 27,67 EUR gemäß § 11b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II nachgewiesen. Vor diesem Hintergrund ist die Pauschale nach § 6 der Alg-II VO a.F. in Höhe von 30,00 EUR zur Anwendung zu bringen. Das Einkommen ist danach um 50,00 EUR zu bereinigen. Soweit die Beklagte neben der Pauschale – zu Gunsten – der Klägerin noch die Kfz-Haftpflichtversicherungskosten in Ansatz bringt, ist dies nach Auffassung der Kammer nicht von den oben genannten gesetzlichen Regelungen gedeckt. Nach hiesiger Auffassung ist daher von einem Einkommen in Höhe von 2.498,14 EUR auszugehen.

Im Juni sind 552,30 EUR brutto bzw. 440,61 EUR netto an Urlaubsgeld sowie 1.638,09 EUR an Krankengeld zugeflossen. Das Urlaubsgeld ist gemäß § 11 SGB II a.F. i.V.m. § 30 SGB II a.F. um 190,46 EUR (100,00 EUR + 90,46 EUR) zu bereinigen, so dass die Beklagte zutreffend anrechenbares Einkommen in Höhe von 1.888,24 EUR (1.638,09 EUR + 440,61 EUR – 190,46 EUR) zu berücksichtigen hatte.

Im Juli ist Krankengeld in Höhe von 1.698,76 EUR zugeflossen, welches von der Beklagten um 50,00 EUR auf 1.648,76 EUR zu bereinigen war.

Im August ist Krankengeld in Höhe von 564,03 EUR zugeflossen, welches um 50,00 EUR auf 514,03 EUR vom Beklagten zu bereinigen war.

Im September sind sodann 303,35 EUR Krankengeld, 1.395,41 EUR weiteres Krankengeld und 1.629,00 EUR Überbrückungsgeld zugeflossen, insgesamt mithin 3.327,76 EUR. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten zutreffend vorgenommenen Bereinigung in Höhe von 50,00 EUR auf 3.277,76 EUR zu bereinigen war.

Nach eigener Prüfung steht damit für die Kammer fest, dass die Berechnungen des Beklagten hinsichtlich des zu berücksichtigenden Einkommens, wie sie auf Blatt 722-728 der Verwaltungsakte niedergelegt sind, zwar nicht vollumfänglich zutreffen, dies jedoch nur zu Gunsten der Klägerin.

Im Zeitraum März bis September erzielte der Sohn Ralf monatlich 73,71 EUR, welches unter Berücksichtigung von § 11 SGB II a.F. indes anrechnungsfrei bleibt.

Damit steht für die Kammer folgendes zu berücksichtigendes Einkommen im Überblick fest:

Monat Einkommen April 2010 2.892,88 EUR Mai 2010 2.498,14 EUR Juni 2010 1.888,24 EUR Juli 2010 1.648,76 EUR August 2010 514,03 EUR September 2010 3.277,76 EUR

Die Bemessungsgrenze ermittelt sich wie folgt: Im streitgegenständlichen Zeitraum von März bis September 2010 betrug der Regelbedarf der Klägerin und ihres Ehemanns jeweils 323,00 EUR. Der tatsächliche Bedarf an Kosten für Unterkunft und Heizung belief sich auf monatlich 420,00 EUR + 260,87 EUR + 120,00 EUR = 800,87 EUR. Hiervon waren unter Berücksichtigung des Berichts über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Einkommens von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2010 (Siebenter Existenzminimumbericht – BT-Drucks. 16/11065) und der Anzahl der in Betracht kommenden Kinder 45,05% zur berücksichtigen, mithin 360,79 EUR. Nach alledem belief sich die Bemessungsgrenze auf 1.006,79 EUR. Die Höchsteinkommensgrenze belief sich - bei einem maximal möglichen Kinderzuschlag von 840,00 EUR - auf 1.876,79 EUR. Damit lag das anrechenbare Einkommen mit Ausnahme der Monate Juli und August über der Höchsteinkommensgrenze, weswegen ein Anspruch auf Kinderzuschlag ausschied. Im Monat August lag das anrechenbare Einkommen lediglich bei brutto 564,03 EUR, so auf 468,36 EUR zu bereinigen war. Auch unter Berücksichtigung des Kindergeldes in Höhe von insgesamt 1.203,00 EUR reichte das gesamte zu berücksichtigende Einkommen nicht zur Vermeidung der Hilfebedürftigkeit in diesem Monat aus. Die gesamte Bedarfsgemeinschaft hat einen Regelbedarf von 2.260 EUR zuzüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 800,87 EUR, mithin von 3.060,87 EUR. Dieser Bedarf wurde im Monat August 2010 nicht ansatzweise vom vorhandenen Einkommen gedeckt. In diesem Fall kommt die Bewilligung von Kinderzuschlag ebenfalls nicht in Betracht.

Einzig im Monat Juli bestand dem Grunde nach ein Anspruch auf Kinderzuschlag. Nach Rechnung der Kammer, die von höheren nachgewiesenen Kosten für Unterkunft und Heizung als der Beklagte ausgeht, übersteigt das Einkommen im Monat Juli mit 1.648,76 EUR die Bemessungsgrenze von 1.006,79 EUR um 641,97 EUR. Da es sich hierbei aber nicht um Erwerbseinkommen handelt, findet insoweit die Regelung des § 6a Abs. 4 Satz 7 BKGG Anwendung. Es verbleibt nach hiesiger Rechnung ein zu zahlender Kinderzuschlag von 198,03 EUR (840,00 EUR – 641,97 EUR).

Danach hätte die Beklagte mithin die Leistungen für den Zeitraum April bis einschließlich Juni sowie von August bis September 2010 in voller Höhe und für den Monat Juli in Höhe von 320,00 EUR aufheben können. Die Kammer ist freilich hinsichtlich der Höhe der aufgehobenen Leistungen an die Entscheidungen des Beklagten gebunden. Eine Abänderung zu Lasten der Klägerin kommt vorliegend nicht in Betracht.

Maßgeblich ist dem Grunde nach insoweit der Ausgangsbescheid. Soweit der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid Änderungen zu Lasten der Klägerin vorgenommen hat, stellte dies – wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zutreffend herausgearbeitet hat – eine unzulässige reformatio in peius dar. Es ist der Beklagten zwar nicht grundsätzlich verwehrt, im Widerspruchsverfahren eine Entscheidung auch zu Lasten der Klägerin abzuändern, allerdings dann ebenfalls nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X. Vorliegend war aber die Frist des § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X abgelaufen, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte erklärt, die Höhe der im Widerspruchsbescheid geltend gemachten Forderungen sei nicht zutreffend. Maßgeblich seien die Feststellungen im Ausgangsbescheid. Nach Auffassung der Kammer hat sich die Beklagte indes insoweit an den Änderungen im Widerspruchsbescheid festhalten zu lassen, als diese für die Klägerin günstig sind. Die Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gilt gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 SGB X ausdrücklich nicht soweit eine Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt. Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung der Kammer für den Monat Juli 2010 eine Aufhebung in Höhe von mehr als 287,00 EUR nebst entsprechender Rückforderung nicht möglich.

Für den Monat August kommt nach Auffassung der Kammer eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X – anders als dem Grunde nach in den übrigen Monaten des Zeitraums April bis September – nicht in Betracht. Die Regelung greift nach ihrem Wortlaut nur ein, wenn und soweit Einkommen erzielt wurde, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Hierunter ist nach Auffassung der Kammer semantisch nur der Fall zu verstehen, dass ein Mehr an Einkommen dazu führt, dass ein Anspruch sich verringert oder wegfällt. Ist aber – wie vorliegend – im Bereich des §6a BKGG die Mindesteinkommensgrenze nicht erreicht, führt nicht das Erzielen von nicht bekanntem Einkommen, sondern gerade des Nichterzielen eines bestimmten Einkommens zum Wegfall des Anspruchs. Nach Auffassung der Kammer ist damit der vorliegende Fall vom Wortlaut der Norm nicht umfasst (in diesem Sinne auch SG Saarland, Urteil vom 12.05.2010 – S 21 KG 204/07 = juris).

Im Ergebnis ist dies freilich unschädlich, weil insoweit die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X dem Grunde nach Anwendung findet. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht jedenfalls zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, indem sie – entgegen den Hinweisen in den Leistungsanträgen und den Bewilligungsbescheiden – nicht alle Änderungen, insbesondere auch des Einkommens der Beklagten unaufgefordert und unverzüglich mitgeteilt hat.

Bedenken gegen die formelle Wirksamkeit des Aufhebungsbescheides bestehen nicht. Der Klägerin ist insbesondere auch Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Nach alledem waren die Leistungen wie tenoriert aufzuheben. Grundlage der Rückforderung ist § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, was hier der Fall ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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