L 3 U 4590/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 970/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 4590/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 09. August 2013 aufgehoben und die Klage vollumfänglich abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztengeld vom 21.06.2008 - 21.09.2008 wegen der Folgen eines am 14.06.2007 erlittenen Unfalls streitig.

Der am 14.04.1965 geborene Kläger, der als Betriebsschlosser für die Fa. A., B., tätig ist, verunfallte am 14.06.2007 auf dem Weg zur Arbeit, indem ein Kraftfahrzeug vorfahrtswidrig in einen Kreisverkehr einfuhr und auf das vom Kläger im Kreisverkehr gesteuerte Motorrad im Bereich des Hinterrades auffuhr, wodurch der Kläger zum Sturz kam. Seitens der erstversorgenden C.-Klinik, D., wurden noch am Unfalltag eine Distorsion der Halswirbelsäule, eine Prellung der Lendenwirbelsäule und des Abdomens diagnostiziert und der Verdacht auf eine Contusio spinalis (Rückenmarksprellung) geäußert. MRT- Untersuchungen der Wirbelsäule am Unfalltag waren unauffällig und ergaben keinen Anhalt für eine Fraktur.

Wegen Parästhesien in beiden Beinen (inkomplette Paraparese ab Th 11) wurde der Kläger noch am Unfalltag in die Orthopädische Klinik E. verlegt und dort bis zum 30.06.2007 stationär behandelt. Hierbei ist es nach Mitteilung von Dr. F. vom 10.07.2007 zu einer deutlichen Rückbildung der neurologischen Ausfälle nahezu bis zur Normalisierung gekommen. Ein Anhalt für eine neurogene Blasenstörung wurde nicht befundet. Vom 11.07. - 01.08.2007 durchlief der Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik Bad Saulgau. Im Entlassungsbericht vom 30.07.2007 ist hierzu ausgeführt, dass eine neurologische Konsiliaruntersuchung eine weitgehende Rückbildung der Ausfallsymptome ergeben habe. Auf die Sicht von wenigen Monaten sei aus neurologischer Sicht mit einer vollständigen Rückbildung zu rechnen.

In seinem neurologischen Befundbericht teilte PD Dr. G. unter dem 27.07.2007 mit, dass der Kläger anlässlich einer neurologischen Untersuchung am 26.07.2007 angegeben habe, 10 - 12 mal täglich Wasser lassen zu müssen und er derzeit noch Schmerzen im Bereich der Oberschenkelaußenseite links sowie zeitweise auch in der Region der LWS und BWS mit Ausstrahlung in das linke Bein bis hin zur Kleinzehe habe. PD Dr. G. führte hierzu aus, dass sich elektrophysiologisch nahezu ein Normalbefund ergeben habe. Die Pollakisurie sei möglicherweise noch Ausdruck einer leichten Restsymptomatik in Form einer Blasenentleerungsstörung.

Vom 22.08. - 13.09.2007 wurde der Kläger stationär in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik K. behandelt. Hierbei wurde die Diagnose einer residuellen sensomotorischen Parese am linken Bein nach Contusio spinalis gestellt. Im ärztlichen Befund- und Entlassungsbericht vom 18.09.2007 ist hierzu ausgeführt, dass der Befund betr. die LWS insgesamt unauffällig gewesen sei und sich beim Kläger eine leichtgradige Regredienz der Schmerzsymptomatik gezeigt habe.

Dr. H., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, diagnostizierte nach einer Untersuchung des Klägers am 14.01.2008 eine Contusio spinalis und eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Er führte ferner aus, der Kläger habe bei Abklingen der Blasenentleerungsstörung über eine sexuelle Dysfunktion geklagt.

Am 25.02.2008 wurde der Kläger in der Klinik für Psychosomatische und allgemeine klinische Medizin, Sektion Psychotraumatologie der Uniklinik I. vorstellig. Dort wurden die Diagnosen einer PTBS und einer mittelgradigen depressiven Episode gestellt und der Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung geäußert (Befundbericht vom 25.02.2008).

Vom 04.03. - 01.04.2008 durchlief der Kläger eine komplexe stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik K., während deren Verlaufs es nach den behandelnden Ärzten im Entlassbericht vom 17.04.2008 zu einer deutlichen Besserung der Beschwerdesymptomatik gekommen sei, weswegen die Behandlung zu Lasten der Berufsgenossenschaft auf unfallchirurgischem Fachgebiet abzuschließen sei.

Bei der Untersuchung des Klägers durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. L. und die Dipl. Psych. M. am 17.03.2008 gab der Kläger u.a. noch Gefühlsstörungen an der Außenseite des linken Beines an, die sich, so Prof. Dr. L., elektrophysiologisch nicht haben objektivieren lassen; ein Hinweis auf eine Schädigung des Rückenmarks liege nicht vor. Der Kläger sei unfallunabhängig durch familiäre Konflikte und die Unsicherheit bezüglich seines Arbeitsplatzes belastet. Bei der psychiatrischen und der psychologischen Untersuchung habe er teilweise diffuse Beschwerden geschildert, wobei eine massive Beschwerdeverdeutlichung zu erkennen gewesen sei, so dass der diesbezügliche Beschwerdevortrag nicht als realitätsentsprechend angesehen werden könne (neurologisch-psychiatrischer Befundbericht vom 25.03.2008).

Anlässlich einer Untersuchung des Klägers in der Klinik für Urologie am Uniklinikum K. am 01.04.2008 wurde die Diagnose einer hypersensitiven Harnblase (Urge-Blase) bei Zustand nach (Z.n.) Contusio spinalis gestellt. Hierbei wurde ein Einmalkatheterismus nach Miktion zur Restharnentleerung empfohlen (Ärztlicher Bericht vom 03.04.2008).

Dr. N., Facharzt für Urologie, diagnostizierte beim Kläger eine neurogene Blasenentleerungsstörung bei Z.n. Wirbelsäulenkontusion, eine initial hypersensitive Harnblase, bei zunehmender Restharnretention bei Verdacht auf Detrusorhypotonie und erektile Dysfunktion. Die Medikation sei auf eine intermittierende Selbstkatheterisierung umgestellt worden (Arztbrief vom 01.07.2008).

Während der stationären Behandlung des Klägers in der Klinik für Psychosomatische und allgemeine klinische Medizin des Uniklinikums I. vom 28.04. - 30.05.2008 wurde nach dem Entlassungsbericht vom 04.06.2008 beim Kläger eine mittelgradige depressive Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine PTBS diagnostiziert.

Nach Eingang der Entlassberichte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik K. und der Klinik für Psychosomatische Medizin des Uniklinikums I. unterrichtete die Beklagte den Kläger telefonisch davon, dass nach ihrem Dafürhalten die Behandlungsmaßnahmen ausgeschöpft seien und beabsichtigt sei, das Verletztengeld einzustellen. Selbiges war von der AOK Baden-Württemberg nach Vorlage von Auszahlscheinen ab dem 02.07.2007 auf Grund eines Generalauftrages der Beklagten an den Kläger ausgezahlt worden. Der Kläger teilte hierzu mit, die Verspannungen der Rückenmuskulatur seien, wie die Belastungsschmerzen (beim Rasenmähen) wieder aufgetreten. Mit Bescheid vom 18.06.2008, der dem Kläger am 20.06.2008 zugestellt wurde, entschied die Beklagte, die Zahlung des Verletztengeldes "mit dem Tag nach der Bekanntgabe" einzustellen. Anlässlich der stationären Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik und im Zentrum für Psychosoziale Medizin in I. seien keine objektiven Befunde erhoben worden, die eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigten.

Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs brachte der Kläger vor, dass bei ihm unfallbedingt eine mittelgradige depressive Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine PTBS vorlägen. Zudem leide er unfallbedingt an chronischen Dauerschmerzen im Bereich der LWS und der BWS und einer Blasenentleerungsstörung sowie einer sexuellen Funktionsstörung. Es bestehe weiterhin unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. Durch die AOK Baden-Württemberg wurden sodann Gutachten, die von Dr. Hampel vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg unter dem 04.08.2008 und dem 15.08.2008 erstellt wurden, vorgelegt. Dieser diagnostizierte beim Kläger einen Z.n. Motorradwegeunfall mit Contusio spinalis und passagerer Paraplegie mit einer aktuell resultierenden mittelgradigen depressiven Episode, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer PTBS, einer Störung der Sexualfunktion und einer Blasenentleerungsstörung. In Ansehung der körperlich anspruchsvollen Tätigkeit des Klägers als Schlosser bestehe aus seiner Sicht wegen der urologischen Diagnosen weiterhin Arbeitsunfähigkeit. Die belegte Urge-Inkontinenz mit Restharnbildung bei vermuteter Detrusorhypotonie, die anamnestisch vor dem Unfall nicht vorgelegen habe, sei, wie die Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet, Folge des Unfalls, weswegen die Zuständigkeit der Beklagten gegeben sei.

Auf Veranlassung der Beklagten erstatteten Prof. Dr. L. und Dipl. Psych. M. unter dem 10. und 14.10.2008 nach einer Untersuchung des Klägers am 09.10.2008 Befundberichte, in denen sie die Einschätzung vertraten, es bestehe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. Krankhafte Befunde auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet seien von ihnen nicht festgestellt worden. Für eine Contusio spinalis, d.h. eine substanzielle Rückenmarksschädigung, bestehe trotz vielfacher radiologischer Untersuchungen keinerlei Hinweis. Eine Lähmung beider Beine (Paraparese) habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, auch sei eine initiale Blasenfunktionsstörung nicht dokumentiert. Die durchgeführten urologischen Befunderhebungen seien stets regelrecht gewesen. Der inkonsistente Restharnbefund sei unerklärlich, bei einer neurogenen Blasenentleerungsstörung wäre nicht nur konstant Restharn nachzuweisen, sondern auch ein auffälliger Befund bei der Blasendruckmessung, was jedoch nicht der Fall sei. Weitere unfallbedingte Behandlungsmaßnahmen seien nicht erforderlich. Es bestehe eine Beschwerdeverdeutlichung.

Von seiner Krankenkasse bezog der Kläger bis zum 29.08.2008 Krankengeld. Ein gegen die Einstellung geführtes Widerspruchsverfahren ist ruhend gestellt. Ein gegen die Beklagte und die Krankenkasse angestrengtes Eilverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) verlief für den Kläger erfolglos (- S 5 U 3134/08 ER -, Beschluss vom 27.11.2008).

Am 01.12.2008 nahm der Kläger seine berufliche Tätigkeit in Vollzeit wieder auf.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 18.06.2008 zurück. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit liege nicht mehr vor.

Hiergegen hat der Kläger am 19.03.2009 Klage zum SG erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, die Folgen des erlittenen Unfalls seien am 18.06.2009 noch nicht ausgeheilt gewesen, er sei über den 20.06.2009 hinaus arbeitsunfähig. Er leide seit dem Unfall an erheblichen Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule, durch die die Beweglichkeit massiv eingeschränkt sei. Darüber hinaus habe sich unfallbedingt eine mittelgradige Depression, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine PTBS entwickelt. Die ferner bestehende Blasenentleerungsstörung sei durch eine Rückenmarksverletzung beim Unfall entstanden. Der Kläger hat hierzu von Dr. O. ausgestellte Auszahlscheine vom 07.07.2008, 21.07.2008, 08.09.2008, 22.09.2008, 03.11.2008 und 20.11.2008 vorgelegt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hierzu vorgetragen, aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen könne über den 18.06.2008 hinaus keine Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Die Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Dr. P. hat unter dem 07.05.2010 mitgeteilt, dass sie den Kläger vom 07.08.2008 - 30.03.2009 behandelt und eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert habe. Sie habe dem Kläger keine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Dr. S., Facharzt für Chirurgie, hat in seiner Stellungnahme vom 11.05.2010 ausgeführt, dass er den Kläger vom 03.08.2007 - 16.07.2008 wegen eines Z.n. passagerer Paraparese Th11 bei Contusio spinalis und einer Muskelatrophie im linken Oberschenkel behandelt habe. Er habe zuletzt wegen dieser Diagnosen am 25.04.2008 einen Auszahlschein erstellt. Im Falle des Klägers sei erschwerend zu berücksichtigen, dass zwischen den subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers und den objektiven Parametern keine Übereinstimmung habe erzielt werden können. Die Annahme einer PTBS sei allerdings insofern wahrscheinlich, als die Symptomatik (Flash-Backs und Intrusionen) hierauf hinweise. Ob beim Kläger tatsächlich eine PTBS vorliege oder ob es sich um eine psychische und vegetative Überlagerung des primären Beschwerdebildes handele, könne von Seiten des chirurgischen Fachgebietes nicht entschieden werden. Inwiefern ein Partnerschaftskonflikt während der Behandlungsdauer Einfluss auf das Krankheitsgeschehen gehabt habe, könne er gleichfalls nicht bewerten. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. O. hat mit Schreiben vom 23.05.2010, vom 30.08.2011 und vom 04.02.2013 mitgeteilt, dass sich der Kläger seit 19.04.2002 in seiner hausärztlichen Behandlung befinde und er den Kläger auch nach dem Unfall betreut habe. Er habe vom 28.06. - 11.07.2007 Arbeitsunfähigkeit wegen einer Contusio spinalis attestiert und wegen dieser Erkrankung am 21.07.2008 und am 08.09.2008 einen Auszahlschein ausgestellt. Dr. N., Facharzt für Urologie, hat unter dem 19.07.2010 mitgeteilt, dass sich der Kläger seit dem 10.07.2007 in seiner urologischen Behandlung befinde. Er habe eine neurogene Blasenentleerungsstörung bei Z.n. Wirbelsäulenkontusion und initial hypersensitiver Harnblase bei jetzt zunehmender Restharnretention und eine erektile Dysfunktion diagnostiziert. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe er nicht ausgestellt. Prof. Dr. Bardenheuer, Klinik für Anästhesiologie Sektion Überregionales Zentrum für Schmerztherapie des Uniklinikums I., hat unter dem 30.11.2011 ausgeführt, dass der Kläger am 08. und 28.05.2008, am 23.06.2008 und am 21.07.2008 behandelt worden sei. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien während der Behandlung im Schmerzzentrum nicht ausgestellt worden. Die Praxisnachfolgerin von Dipl. Psych. Q.-Q., Dipl. Psych. Cigoi, hat mit Schreiben vom 09.09.2011 ausgeführt, dass ihr der Kläger unbekannt sei, den Behandlungsaufzeichnungen von Dipl. Psych. Q.-Q. jedoch zu entnehmen sei, dass der Kläger vom 29.01.- 22.04.2008 behandelt worden sei. Hierbei seien die Diagnosen einer PTBS und einer depressiven Belastungsreaktion gestellt worden.

Auf Anforderung des SG hat die AOK das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers übersandt. Aus diesem ergibt sich, dass vor dem Unfall u.a. auch Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Wirbelsäulenerkrankungen vorlagen. Ferner hat sie eine Übersicht über die von ihr geleisteten Verletztengeld- und Krankengeldauszahlungen übersandt.

Das SG hat sodann Dr. R., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem fachpsychiatrisch-sozialmedizinischen Gutachten nach Aktenlage vom 30.12.2012 hat Dr. R. ausgeführt, dass die beim Kläger bestehende anhaltende somatoforme Schmerzstörung und die somatoformen autonomen Funktionsstörungen des urogenitalen Systems wesentlich auf den Unfall vom 14.06.2007 zurückzuführen seien. Aus dem bestehenden Akteninhalt ergebe sich das konsistente Bild, dass der Kläger ab dem 21.06.2008 wieder arbeitsfähig gewesen sei. Hierfür spreche die klägerische Äußerung vom 18.06.2008, die Verspannung der Rückenmuskulatur und die Belastungsschmerzen hätten sich zurückgemeldet, woraus geschlossen werden könne, dass der Kläger zuvor - nach stationärer Behandlung - beschwerdefrei gewesen sei. Auch der Hinweis, Rasenmäharbeiten durchführen zu können, weise auf ein gutes Funktionsniveau hin. Auch habe Prof. Dr. L. bei der Untersuchung im Oktober 2008, bei der sich klare Hinweise für ein nicht authentisches Beschwerdeverhalten gezeigt hätten, den Kläger in einem guten Trainingszustand ohne objektivierbare Einschränkung des Bewegungs- und Haltungsapparates beschrieben. Die unfallbedingte somatoforme autonome Funktionsstörung des urogenitalen Systems führe für sich allein, so Dr. R. weiter, zu keiner Arbeitsunfähigkeit. Dr. R. hat ferner ausgeführt, unfallbedingt sei es zu einer Commotio spinalis (Rückenmarkserschütterung) mit vorübergehenden Reiz- und Ausfallerscheinungen gekommen, die unmittelbar somatoform fehlverarbeitet worden seien und damit zu einer erheblichen Verlängerung des erwarteten Heilungsverlaufs geführt hätten. Ein organisches Korrelat für eine Contusio spinalis bestehe nicht. Hierzu würden die beschriebenen flüchtigen neurologischen Reiz- und Ausfallerscheinungen passen, die ein Zeitintervall von 48 Stunden nicht überschritten hätten. Beim Kläger bestehe ferner eine depressive Anpassungsstörung, die allerdings unfallunabhängig wesentlich durch eine im November 2007 erfolgte Trennung des Klägers von dessen Partnerin ausgelöst worden sei. Eine PTBS habe nicht vorgelegen.

Mit Urteil vom 09.08.2013 hat das SG den Beklagten verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 18.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009 Verletztengeld für die Zeit vom 21.06. - 21.09.2008 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei davon auszugehen, dass die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht mit dem 20.06.2008 geendet, sondern bis zum 21.09.2008 fortbestanden habe. Bis zu diesem Zeitpunkt sei von Dr. O. auf Grund der Unfallfolgen Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden. Auch Dr. Q. habe in seinem Bericht vom 17.07.2008 auf die somatoforme Schmerzstörung hingewiesen und sei hierbei offensichtlich davon ausgegangen, dass der Kläger auf Grund dieser noch arbeitsunfähig krank sei. Andernfalls hätte er dem Kläger nicht die Möglichkeit der beruflichen Wiedereingliederung erläutert und darauf verwiesen, dass die Arbeitsunfähigkeit bereits durch den Hausarzt attestiert worden sei. Der Einschätzung von Dr. R. könne, so das SG, nicht gefolgt werden, da sich der Gutachter bei seiner Einschätzung einzig auf eine vom Kläger telefonisch getätigte Aussage gestützt habe. Vielmehr spreche gerade der Umstand, dass der Kläger am 18.06.2008 gegenüber einem Bediensteten der Beklagte äußerte habe, dass sich die Verspannungen der Rückenmuskulatur und Belastungsschmerzen (beim Rasenmähen) zurück gemeldet hätten dafür, dass er zu diesem Zeitpunkt und damit auch ab dem 21.06.2008 arbeitsunfähig gewesen sei. Auch der Verweis auf die Untersuchungsergebnisse von Prof. Dr. L. vom Oktober 2008 sei nicht schlüssig, da diese keine Aussagekraft bezgl. des klägerischen Zustandes im zeitlichen Vorfeld zur Untersuchung zuließen. Für die Zeit ab dem 22.09.2008 sei eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit hingegen nicht nachzuweisen. Dr. O. habe bei der Untersuchung am 22.09.2008 und auch anlässlich der späteren Untersuchungen keine die Arbeitsunfähigkeit tragenden Befunde mitgeteilt. Allein die in den Auszahlscheinen vom 22.09.2008, 03.11. und 20.11.2008 genannte Diagnose "Zustand nach Motorradunfall" genüge nicht. Behandlungen oder Vorstellungen bei anderen Ärzten seien in dieser Zeit nicht erfolgt. Für die Zeit ab dem 22.09.2008 sei auch der von Prof. Dr. L. beschriebene gut trainierte körperliche Zustand von Bedeutung, da hieraus ersichtlich werde, dass keine schmerzbedingte körperliche Schonung vorgelegen habe. Das SG hat schließlich ausgeführt, dass es der Einschätzung des Gutachters, dass die Funktionsstörung des urogenitalen Bereichs nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit führe, teile. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen, dass er auch aktuell noch ca. 15 Mal pro Tag das WC aufsuchen müsse, dies stehe jedoch einer vollschichtigen Tätigkeit als Schlosser nicht entgegen.

Gegen das ihr am 24.09.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.10.2013 Berufung eingelegt. Sie trägt hierzu vor, dass SG habe fehlerhaft die Ausstellung von Auszahlscheinen zur Begründung der von ihm angenommenen Arbeitsunfähigkeit herangezogen. Der Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit sei nicht vom ausstellenden Arzt auszulegen. Dieser teile nur die medizinischen Grundlagen hierfür mit. Auf die von Dr. O. mitgeteilten Befunde könne eine Arbeitsunfähigkeit jedoch nicht gestützt werden, da dieser nur die vom Kläger mitgeteilten Beschwerden benannt habe, objektive Befunde jedoch nicht mitgeteilt worden seien. Anders als das SG halte sie, die Beklagte, das Gutachten von Dr. R. für schlüssig und eindeutig. Insb. die klägerische Mitteilung, beim Rasenmähen hätten sich die Rückenschmerzen zurückgemeldet, lasse den Schluss zu, dass der Kläger zuvor weitgehend beschwerdefrei gewesen sei. Auch sei, anders als vom SG angenommen, aus den Ausführungen von Prof. Dr. L. zum körperlichen Zustand des Klägers ein Rückschluss auf die Zeit ab Juni 2008 zulässig, da ein tadelloser Trainingszustand nicht innerhalb kürzester Zeit erreicht werden könne. Prof. Dr. L. habe vielmehr bereits anlässlich einer Untersuchung des Klägers im März 2008 von einer kräftig ausgebildeten Muskulatur berichtet. Soweit der Gutachter von einem verlängerten Heilungsverlauf berichtet habe, sei dem bereits durch die Zahlung von Verletztengeld für 373 Tage Rechnung getragen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 09. August 2013 aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages bringt der Kläger vor, die Einschätzung von Dr. R. sei weder schlüssig noch konsequent. Insb. könne nicht maßgeblich auf eine einmalige telefonische Äußerung seinerseits abgestellt werden. Auch werde der Inhalt der Unterredung verkürzt dargestellt, da er zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen sei, im Garten zu arbeiten. Vor dem Unfall habe er überdies Sport betrieben, woraus sich sein Trainingszustand erkläre. Auch während der Rehabilitationsmaßnahmen habe er muskelaufbauende Trainingsprogramme absolviert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten für den Kläger geführten Verwaltungsakten (3 Bände), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2015 geworden sind, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist zulässig und führt für die Beklagte auch inhaltlich zum Erfolg.

Der Kläger hat in der Zeit vom 21.06. - 21.09.2008 keinen Anspruch auf Verletztengeld; der Bescheid vom 18.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Urteil des SG vom 09.08.2013 ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) erbracht, wenn ein Versicherter infolge eines Versicherungsfalles arbeitsunfähig ist (Nr. 1), unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitseinkommen hatte (Nr. 2) und kein Beendigungstatbestand i.S.d. § 46 Abs. 3 SGB VII vorliegt. Der Anspruch auf Verletztengeld endet hierbei nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 1. Alt SGB VII mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit.

Der Kläger hat am 14.06.2007 einen Arbeitsunfall i.S.d. §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 SGB VII erlitten, da er auf dem Weg von seinem Wohnort zur Betriebsstätte seines Arbeitgebers in B. (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) einen Unfall hatte, der bei ihm zu einem Gesundheitserstschaden in Form einer Distorsion der Halswirbelsäule sowie Prellungen der Lendenwirbelsäule und des Abdomens geführt hat.

Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) oder nur auf die Gefahr hin, dass sich sein Gesundheitszustand verschlimmert, verrichten kann. Dass möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausgeübt werden kann, ist unerheblich (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 31/06 R - veröffentlicht in juris, dort Rn. 12 m.w.N.). Der Kläger war vor dem Wegeunfall vom 14.06.2007 als Betriebsschlosser in der Instandhaltung bei der A. GmbH beschäftigt. Betriebsschlosser sind verantwortlich für einen störungsfreien betrieblichen Ablauf. Sie setzen betriebliche Einrichtungen in industriellen Werkstätten und Fabrikhallen in Stand und erhalten sie funktionsfähig. Bei der Tätigkeit eines Betriebsschlosser handelt es sich um körperlich mittelschwere Arbeiten, die im Gehen, Stehen, Hocken, Knien und Bücken, gelegentlich auch in Zwangshaltungen und auf Leitern und Gerüsten verrichtet werden. Heben und Tragen von Lasten über 10 kg kann nicht ausgeschlossen werden. Schichtarbeit ist in der industriellen Fertigung nicht unüblich. Funktionseinschränkungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule stehen einer Tätigkeit als Betriebsschlosser entgegen (vgl. Stellungnahme des Landesarbeitsamts Bayern vom 22.07.2002 im Verfahren vor dem Sozialgericht Landshut - S 11 RJ 1170/99 -, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Die Arbeitsunfähigkeit muss "infolge" des Versicherungsfalls eintreten. Der hiernach erforderliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsstörung als Voraussetzung der Entschädigungspflicht ist nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache) für die Entstehung der Gesundheitsstörung war. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt (BSG, Urteil vom 05.09.2006, - B 2 U 25/05 R - veröffentlicht in juris).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Tatsachen, die das Tatbestandsmerkmal der Arbeitsunfähigkeit erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der erforderlichen wesentlichen Zusammenhänge der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteile vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - und vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R -jew. veröffentlicht in juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Feststellungslast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier die Gewährung von Verletztengeld - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteile vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R -, vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - und vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - jew. veröffentlicht in juris).

In Anlegung dieser Maßstäbe geht der Senat, insofern übereinstimmend mit dem SG, davon aus, dass der Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit infolge des Wegeunfalls vom 14.06.2007 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (initiiert durch eine Commotio spinalis) mit im weiteren Verlauf rezidivierend auftretenden linksseitigen lumboischialgieformen Beschwerden und eine Funktionsstörung des urogenitalen Systems erlitten hat. Wie das SG folgt der Senat den nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. R., der dies in Auswertung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen schlüssig dargelegt hat.

Weitergehende Folgen wie die z.T. angeführte Contusio spinalis (Rückenmarksprellung) oder organische Verletzungen der Wirbelsäule sind hingegen nicht eingetreten. Wie der Gutachter Dr. R. hierzu ausführt, haben sich weder in den bereits am Unfalltag gefertigten MRT-Aufnahmen noch in den im weiteren Fortgang angefertigten Röntgenaufnahmen Anhaltspunkte für frische Traumafolgen finden lassen. Zur Überzeugung der Senats hat der Kläger durch den Arbeitsunfall auch keine PTBS erlitten. Der Senat folgt insofern der Einschätzung des SG, das seine Einschätzung ausführlich und zutreffend unter Hinweis auf die Ausführungen des Gutachters Dr. R. und Prof. Dr. L. dargelegt hat. Der Senat verweist insofern auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (S. 21 f) und sieht diesbezüglich von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch liegt zur Überzeugung des Senats keine unfallbedingte psychische Erkrankung aus dem depressiven Formenkreis vor. Der Kläger hat erstmals am 14.01.2008, d.h. sieben Monate nach dem Unfallereignis, gegenüber Dr. H. über psychische Beschwerden in Form von Schlafstörungen, Alpträumen, Erwachen mit Rückerinnerungen an das Unfallereignis und mit Grübelneigung, sozialem Rückzug und Zukunftsängsten geklagt. Wie oben ausgeführt, sind Gesundheitsstörungen durch den Versicherungsfall hervorgerufen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache) war. Indes hat der Kläger bereits gegenüber Dr. H. davon berichtet, dass ihn seine Ehefrau nach 14 Jahren verlassen hätte und er seine 12 jährige Tochter nunmehr allein erziehe. Im Frühjahr 2008 hat der Kläger zudem selbst angegeben, dass er die psychischen Beschwerden nicht unmittelbar seit dem Unfall, sondern erst seit November 2007 habe. Häusliche Belastungen und eine dadurch bedingte Beschwerdezunahme hat auch Dipl. Psych. Q.-Q. am 07.02.2008 und 24.04.2008 vermerkt. Dr. R. und Prof. Dr. L. haben in diesem Zusammenhang daher nachvollziehbar den Schluss gezogen, dass gerade das unfallunabhängige familiäre Ereignis die wesentliche Ursache für die psychischen Beschwerden ist.

Anders als das SG ist der Senat jedoch nicht davon überzeugt, dass die Unfallfolgen über den 20.06.2008 hinaus zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt haben. Zwar hat der den Kläger behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. O. dem Kläger über den 20.06.2008 hinaus, bis zum 30.11.2008, Arbeitsunfähigkeit attestiert (vgl. § 46 Abs. 1 SGB VII sowie § 4 Abs. 2 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie), da "Arbeitsunfähigkeit" jedoch ein Rechtsbegriff ist, kommt der Bescheinigung des Arztes weder gegenüber dem Unfallversicherungsträger noch im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung gegenüber den befassten Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit eine bindende Feststellung zu. Das ärztliche Attest hat insofern lediglich die Bedeutung einer ärztlichen Stellungnahme.

Objektive Befunde, die eine Einschränkung der dem Kläger möglichen Verrichtungen, Fertigkeiten und Aktivitäten ab dem 21.06.2008 belegen, sind trotz des Umfangs der Verwaltungs- und der Gerichtsakte nicht ersichtlich. Dr. O. hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem SG vom 23.05.2010 für den streitgegenständlichen Zeitraum Konsultationen des Klägers am 07.07. und am 11.08.2008 benannt. In seiner Stellungnahme vom 30.08.2011 hat er ferner für den 21.07. und den 08.09.2008 einen Arzt-Patienten-Kontakt angeführt. Hierbei hat er, unter Verweis auf die im Vorfeld des 07.07.2008 getroffenen Feststellung eines Z.n. Verletzung mit Motorrad, Z.n. Contiusio spinalis, inkomplette Paresse ab Th 11, einen "status idem" bzw. "keine Besserung" angeführt. Für den 21.07.2008 hat er mitgeteilt, der Kläger habe sich "mit Schmerzen LWS, Gefühlsstörung beider Beine, Schwindel bei Z.n. contusio spinalis" bzw. für den 08.09.2008 "weiterhin mit Schmerzen LWS, Gefühlsstörung, Pelzigkeit beider Beine und depressiver Stimmungslage bei Z.n. contusion spinalis" vorgestellt. Von ihm erhobene Befunde, die die Annahme einer Arbeitsunfähigkeit stützen, hat Dr. O. jedoch in keiner seiner Stellungnahmen mitgeteilt. Vielmehr hat er, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, ausschließlich die vom Kläger ihm gegenüber mitgeteilten Beschwerden benannt. Überdies geht aus der Stellungnahme vom 23.05.2010 hervor, dass Arzt-Patienten-Kontakte zwischen dem Kläger und Dr. O., nachdem der Kläger im Jahr 2008 zuletzt am 02.02.2008 vorstellig geworden ist, bis zum 07.07.2008, d.h. für einen Zeitraum von mehr als fünf Monaten, nicht stattgefunden haben. Erst für die Zeit ab dem 07.07.2008, d.h. nach Einstellung des Verletztengeldes, hat der Kläger Dr. O. wieder regelmäßig kontaktiert. Da mithin der Kläger selbst im zeitlichen Vorfeld der Beendigung der Verletztengeldgewährung keine Notwendigkeit gesehen hat, seinen behandelnden Hausarzt zu kontaktieren und auch die weiteren behandelnden Ärzte ab Februar 2008 nur sporadisch aufgesucht wurden (vgl. hierzu Stellungnahme von Dr. N. vom 19.07.2010 und die dort aufgeführten Kontakte), vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die behaupteten Beschwerden des Klägers ihn objektiv eingeschränkt, bzw. einen Behandlungsdruck bedingt haben. Aus der zeitlichen Lage der mitgeteilten Behandlungsfrequenz vermittelt sich vielmehr ein der Einschätzung von Prof. Dr. L. entsprechendes Bild der Verdeutlichung, die sich, nachdem die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld beendet hatte, in gehäuften Arztbesuchen manifestiert hat.

Auch die weiteren aktenkundigen Unterlagen rechtfertigen die Annahme einer Arbeitsunfähigkeit über den 20.06.2008 hinaus nicht. So hat Prof. Dr. L. in seinem neurologisch-psychiatrischen Befundbericht vom 09.10.2008 davon berichtet, dass der Kläger keine Gehhilfen oder andere Hilfsmittel benutzt und ihm komplexe Bewegungsabläufe wie das Entkleiden ("flott") möglich seien. Ferner hat er von gleichmäßig kräftig bemuskelten unteren Extremitäten und einem flüssigen Gangbild berichtet. Insgesamt habe sich der Kläger, so Dr. L. weiter, in tadellosem Zustand befunden. Soweit eine Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule in Frage steht, hat Prof. Dr. L. hierzu ausgeführt, dass dies vom Kläger demonstrativ vorgeführt worden sei, indes die Wurzeldehnungszeichen bei Ablenkung negativ waren. Hieraus wird die von Prof. Dr. L. benannte Verdeutlichungstendenz ersichtlich. Zwar beruhen diese Mitteilungen auf einer Untersuchung des Klägers am 09.10.2008, d.h. zu einem Zeitpunkt nach Ende des streitgegenständlichen Zeitraums, indes hat Prof. Dr. L. den Kläger bereits im März 2008 untersucht und ein ähnliches Bild vom Gesundheitszustand des Klägers gezeichnet. Auch anlässlich der Untersuchung des Klägers am 17.03.2008 hat er eine seitengleich und kräftig ausgeprägte Beinmuskulatur beschrieben und mitgeteilt, dass die körperliche, insb. auch die elektrophysiologische Untersuchung des Klägers keine objektiv krankhaften Befunde gezeigt habe. Der klinisch-neurologische Befund war, so Prof. Dr. L., regelgerecht. Dem folgend hat Prof. Dr. L. mitgeteilt, dass beim Kläger auf neurologischen Gebiet keine (objektiven) Beeinträchtigungen bestehen, der Kläger könne wieder als Schlosser arbeiten. Hierzu korrespondierend wurden auch seitens der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik K. im Abschlussbericht vom 04.04.2008 auf unfallchirurgischem Fachgebiet keine, während des dortigen Aufenthalts des Klägers vom 14.03. - 01.04.2008 erhoben krankhaften Befunde mitgeteilt. Auch dort wurde vielmehr die Einschätzung vertreten, dass die berufsgenossenschaftliche Behandlung auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet abzuschließen sei. Schließlich fällt auf, dass der den Kläger behandelnde Facharzt für Chirurgie Dr. S., den der Kläger im ersten Halbjahr 2008 hochfrequent konsultierte und der dem Kläger ab August 2007 Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, mitgeteilt hat, dass er den letzten Auszahlschein am 25.04.2008 ausgestellt hat.

Die beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet bestehende somatoforme Schmerzstörung, die nach den Ausführungen des Gutachters Dr. R. durch den Unfall vom 14.06.2007 dergestalt wesentlich bedingt wurde, als die Commotio spinalis vom Kläger unmittelbar somatoform fehlverarbeitet wurde, hat zur Überzeugung des Senats ab dem 21.06.2008 gleichfalls nicht mehr zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt. So hat die behandelnde Neurologin und Psychiaterin Dr. P. in ihrer Stellungnahme gegenüber dem SG vom 07.05.2010 über die dortige Behandlung des Klägers ab dem 07.08.2008 berichtet, dass der Kläger über eine erhöhte Reizbarkeit und Erregungszustände berichtet habe, er im Übrigen jedoch die wesentlichen Folgen des Unfalls im Griff habe. Ferner hat sie ausgeführt, dass sich die Stimmung des Klägers während der Behandlung gebessert habe. Auch Prof. Dr. L. hat in seinem neurologisch-psychiatrischen Befundbericht vom 25.03.2008 von einem, mit Ausnahme einer Affektlabilität, weitgehend regelgerechtem psychiatrischen Befund berichtet. Die Stimmungslage sei, so Prof. Dr. L., ausgeglichen, Hinweise auf Störungen der Konzentration oder Merkfähigkeit hätten nicht bestanden.

Die beim Kläger in der streitgegenständlichen Zeit bestehende Funktionsstörung des urogenitalen Bereichs hat zur Überzeugung des Senats nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt. Bei einer Miktionshäufigkeit von 15 täglichen Toilettengängen errechnet sich bei einem achtstündigen Arbeitstag eine Notwendigkeit, fünfmal die Toilette aufzusuchen. Bereits vor dem Hintergrund der Möglichkeit, den laufenden Arbeitsprozess kurzfristig und kurzzeitig unterbrechen zu können, steht dies einer Tätigkeit als Betriebsschlosser nicht entgegen. Der Senat folgt insofern der schlüssigen Einschätzung des Gutachters Dr. R ...

In Zusammenschau der vorliegenden medizinischen Unterlagen ist der Senat daher nicht davon überzeugt, dass der Kläger ab dem 21.06.2008 noch arbeitsunfähig war. Dies geht vorliegend zu Lasten des Klägers. Ob die telefonische Mitteilung des Klägers vom 18.06.2008, beim Rasenmähen hätten sich die Rückenschmerzen zurückgemeldet, tatsächlich so getätigt wurde und den Schluss zulässt, dass der Kläger zuvor weitgehend beschwerdefrei gewesen sei, kann offen bleiben, da durch sie jedenfalls der Nachweis eine fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht erbracht werden kann.

Der Kläger hat mithin über den 20.06.2008 keinen Anspruch auf Verletztengeld. Der Bescheid vom 18.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009 ist rechtmäßig. Das Urteil des SG vom 09.08.2013 ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Begehren nicht durchgedrungen ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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