Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
35
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 35 KR 430/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 84/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des sozialgerichtlichen Urteils dahin gehend ergänzt wird, dass die Klage, soweit ihr durch das Sozialgericht nicht stattgegeben wurde, im Übrigen abgewiesen wird. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Abgabepflicht der Klägerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).
Die Klägerin ist eine Stiftung der Altenpflege und betreibt unter anderem die stationäre Pflegeeinrichtung S. für etwa 100 Heimbewohner, die überwiegend unter Altersdemenz leiden. Sie veranstaltet etwa einmal im Monat sogenannte "Bunte Nachmittage" für ihre Bewohner, zu denen auch deren Angehörige und Betreuer eingeladen werden. Dabei treten selbständige Künstler, insbesondere Musiker auf. Bekannt gemacht werden die "Bunten Nachmittage" durch Aushänge im Haus und in der Heimzeitung, die in einer Auflage von 110 Exemplaren erscheint und den Bewohnern in ihre Zimmer gelegt wird. Daneben veranstaltet die Klägerin einmal jährlich Sommerfeste mit künstlerischem Programm, welches auch öffentlich beworben wird.
In den Meldebogen für die Jahre 2004 bis 2007 gab die Klägerin gegenüber der Beklagten an, Honorare an Künstler in Höhe von insgesamt 17.088 EUR gezahlt zu haben. Die Beklagte stellte daraufhin mit Abrechnungsbescheid vom 2. Juni 2009 eine Abgabepflicht zur Künstlersozialversicherung in Höhe von 878,23 EUR fest.
Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die "Bunten Nachmittage" würden ausschließlich für die Heimbewohner und nicht zu Zwecken der Eigenwerbung oder Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt. Sie dienten vielmehr nur der sozialen Betreuung im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags. Einnahmen würden daraus nicht erzielt. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 zurück.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin wiederholt, dass die "Bunten Nachmittage" ausschließlich der Aufgabenerfüllung in der Pflege dienten. Der Teilnehmerkreis sei eine durch persönliche Beziehungen verbundene Gemeinschaft der Heimbewohner und ihrer Angehörigen, welcher sich von der Öffentlichkeit abgrenze.
Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 25. April 2013 dahin gehend geändert, dass die Honorare für die Künstler im Rahmen der "Bunten Nachmittage" nicht zur Künstlersozialabgabe herangezogen werden. Es hat ausgeführt, dass insoweit keiner der in § 24 KSVG genannten Tatbestände erfüllt sei. Es sei nicht wesentlicher Unternehmenszweck der Klägerin, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Sie sei vielmehr als Pflegeeinrichtung darauf ausgerichtet, die Heimbewohner zu pflegen, zu versorgen und zu betreuen. Soweit hierzu auch eine geistige und kulturelle Betreuung gehöre, werde die Ausrichtung von kulturellen Angeboten dadurch nicht zum wesentlichen Unternehmenszweck. Die Klägerin betreibe mit den "Bunten Nachmittagen" auch weder Werbung noch Öffentlichkeitsarbeit, da sich die Veranstaltungen lediglich an die Heimbewohner und deren Angehörigen richteten, die nicht Teil der Öffentlichkeit seien. Etwas anderes gelte lediglich für die Sommerfeste, die auch der Eigenwerbung in der Öffentlichkeit dienten.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 22. Mai 2013 zugestellte Urteil am 19. Juni 2013 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Sozialgericht habe zu Unrecht aus der Tatsache, dass die "Bunten Nachmittage" nur intern bekannt gemacht würden, geschlossen, dass es sich dabei nicht um Öffentlichkeitsarbeit handele. Schon aus dem Internetauftritt der Klägerin ergebe sich, dass sie gemeinsam mit Bewohnern, Angehörigen, Freunden und Betreuern eine gute aktivierende Pflege und Betreuung anbieten wolle. Deshalb sei davon auszugehen, dass die genannten Personen auch bei den "Bunten Nachmittagen" anwesend seien. Diese seien aber nicht durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehung zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden, sondern weil die jeweiligen Bewohner das gleiche Heim gewählt hätten. Schon daraus ergebe sich, dass die Veranstaltungen öffentlich seien. Darüber hinaus sei die Durchführung von "Bunten Nachmittagen" ein wesentlicher Zweck der Einrichtung, denn die Klägerin sei als Pflegeeinrichtung verpflichtet, die Heimbewohner zu pflegen, zu versorgen und zu betreuen, wozu auch die geistige und kulturelle Betreuung gehöre.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. April 2013 aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält daran fest, dass die "Bunten Nachmittage" nicht als Teil der Öffentlichkeit im Sinne des KSVG anzusehen seien, da sie sich an keinen unbestimmten, sondern an einen bestimmten, in sich geschlossenen und abgegrenzten Personenkreis richteten. Dabei sei die enge Verbindung zwischen Bewohnern, Angehörigen und Betreuern nicht nur durch die regelmäßigen Besuche, sondern auch durch ergänzende und unterstützende Betreuungsmaßnahmen gegeben. Die Angehörigen und Betreuer seien insoweit als verlängerter Arm der Bewohner anzusehen, denen es zum Teil allein gar nicht möglich wäre, von den "Bunten Nachmittagen" Kenntnis zu erlangen und an ihnen teilzunehmen. Diese dienten daher ausschließlich dem Wohlbefinden der Bewohner und nicht etwa Werbezwecken. Dies rechtfertige aber nicht die Auffassung der Beklagten, dass es sich dabei um einen wesentlichen Unternehmenszweck der Klägerin handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit mit ihnen die Abgabepflicht der Klägerin für die Honorare der Künstler im Rahmen der "Bunten Nachmittage" festgestellt wurde. Allerdings war der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung dahin gehend zu berichtigen, dass die Klage im Übrigen – d.h. in Bezug auf die Abgabepflicht für die Künstlerhonorare im Rahmen der Sommerfeste – abgewiesen wird. Das Urteil litt insoweit an einer offenbaren Unrichtigkeit (§ 138 SGG), wie sich aus den Urteilsgründen klar ergibt.
Die Klägerin ist hinsichtlich der "Bunten Nachmittage" nicht als Unternehmen zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, da sie keinen der in § 24 KSVG aufgeführten Tatbestände erfüllt.
Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG nicht vor. Hiernach sind zur Künstlersozialabgabe verpflichtet: Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Der Begriff des "wesentlichen Zwecks" wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1997 in den Gesetzestext aufgenommen, während zuvor nur ein – einfacher – "Zweck" erforderlich war. Nach den Gesetzesmaterialien sollte durch die Änderung die bisherige extensive Auslegung durch die Rechtsprechung korrigiert werden. Es sollen daher nunmehr nur noch die typischen Verwerter künstlerischer oder publizistischer Leistungen erfasst werden, d.h. die Organisation von Veranstaltungen mit Künstlern muss zum wesentlichen Geschäftsinhalt des Unternehmens (BT-Drs. 13/5108 S. 17) bzw. zu den das Unternehmen prägenden Aufgaben und Zielen (BSG, Urteil vom 08.10.2014 – B 3 KS 6/13 R – Juris) gehören. Maßgebend sind dabei nicht nur die satzungsmäßige Aufgabenstellung, sondern auch die tatsächlichen Verhältnisse (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Auflage, § 24 Rn. 100).
Die Klägerin ist eine Stiftung der Altenhilfe, die unter anderem das stationäre Alten- und Pflegeheim S. für überwiegend demenzkranke Menschen betreibt. Dabei bietet sie den Bewohnern die typischen Leistungen einer derartigen vollstationären Einrichtung an, also neben Unterkunft und Verpflegung auch medizinische Betreuung sowie Aktivitäten und Freizeitgestaltung, die vor allem darauf ausgerichtet sind, noch vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und zu fördern. Wie aus ihrem Internetauftritt) hervorgeht, gehören dazu Einzel- und Gruppenangebote, Gymnastik- und Spielgruppen sowie die hier streitigen "Kaffeetafeln mit Künstlern unterschiedlicher Musikrichtungen". Letztere sollen den Bewohnern ermöglichen, mit ihren Angehörigen, Freunden und Nachbarn schöne Stunden zu verbringen.
Wesentlicher Geschäftsinhalt und Unternehmenszweck der Klägerin ist demnach die Pflege und Betreuung alter und überwiegend demenzkranker Menschen im Rahmen einer stationären Einrichtung. Gemäß § 11 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) müssen derartige Einrichtungen die Pflegebedürftigen entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse pflegen, versorgen und betreuen. Dabei ist eine aktivierende Pflege zu gewährleisten, die darauf abzielt, Fähigkeiten der Bewohner möglichst lange zu erhalten oder wiederherzustellen (Baierl in JurisPK-SGB XI, § 11 Rn. 17). Da die Pflege den Menschen in seiner Gesamtheit mit Leib, Geist und Seele umfasst, gehört dazu auch eine auf den individuellen Pflegebedürftigen bezogene, sein Wohlbefinden fördernde geistige und kulturelle Betreuung (BT-Drs. 12/5262 S. 142 zu § 97). Dabei ist die Einrichtung in der Auswahl der jeweils geeigneten Maßnahmen relativ frei. Soweit die Klägerin im Rahmen der kulturellen Betreuung "Bunte Nachmittage" mit Musikprogramm anbietet, handelt es sich daher um Maßnahmen, die der Pflege und Betreuung der Bewohner dienen. Die Darbietung von Kunst und dabei insbesondere Musik wird dadurch aber nicht zum wesentlichen Unternehmenszweck, sondern ist lediglich eines von verschiedenen Mitteln, um den Unternehmenszweck "Pflege und Betreuung" zu erfüllen. Es liegt zudem auf der Hand, dass es sich bei der Klägerin nicht um einen typischen Verwerter künstlerischer oder publizistischer Leistungen handelt, die nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 13/5108 S. 17) allein von der Abgabepflicht des KSVG erfasst sein sollen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. April 1995 (3 RK 4/94 – Juris) schon deshalb keine abweichende Beurteilung, weil dieses noch zu § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG in seiner vor dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung ergangen ist.
Auch die Voraussetzungen von § 24 Abs. 1 S. 2 KSVG sind nicht erfüllt. Hiernach sind auch solche Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und daher nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen. Die von der Klägerin veranstalteten "Bunten Nachmittage" stellen weder Werbung noch Öffentlichkeitsarbeit dar.
Öffentlichkeitsarbeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts durch das methodische Bemühen eines Unternehmens, einer Institution, einer Gruppe oder einer Person um das Verständnis und das Vertrauen der Öffentlichkeit durch den Aufbau und die Pflege von Kommunikationsbeziehungen gekennzeichnet (BSG, Urteil vom 22.04.2015 – B 3 KS 7/13 R – Juris, m.w.N.). Darum geht es bei den "Bunten Nachmittagen" der Klägerin jedoch nicht. Vielmehr sind diese Bestandteil der aktivierenden Pflege und Betreuung der Bewohner und dienen dem Zweck, ihnen Anregungen und Abwechslung zu verschaffen.
Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Teilnahme von Angehörigen und Betreuern zum Öffentlichkeitsbezug der "Bunten Nachmittage" führe, da diese Personen nicht durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehung zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden seien, vermag sie ihren Standpunkt damit nicht zu begründen. Die von ihr in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 23.03.2006 – B 3 KR 9/05 R; BSG, Urteil vom 30.01.2001 – B 3 KR 7/00 R; beide Juris) betrifft nämlich nicht die Abgabepflicht eines Unternehmens nach § 24 Abs. 1 S. 2 KSVG, sondern die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Person als Publizist tätig und damit versicherungspflichtig nach § 2 S. 2 KSVG ist. Da der Begriff "Publizist" auf den lateinischen Begriff "publicare" = "veröffentlichen" zurückgeht, hat das Bundessozialgericht in diesem Zusammenhang den Begriff der Öffentlichkeit im von der Beklagten herangezogenen Sinne definiert. Vorliegend kann es jedoch dahin stehen, ob die Angehörigen und Betreuer der Bewohner überhaupt als Teil der "Öffentlichkeit" anzusehen sind, da § 24 Abs. 1 S. 2 KSVG eine Öffentlichkeitsarbeit voraussetzt, an der es hier fehlt. Denn Sinn der "Bunten Nachmittage" ist nicht, den Kontaktpersonen der Bewohner das Unternehmen zu präsentieren oder gar dafür zu werben oder ein besonderes Vertrauen oder Verständnis herzustellen. Ihre Teilnahme erfolgt vielmehr allein deshalb, damit die Heimbewohner – die eigentliche Zielgruppe der Veranstaltungen sind – in einem angenehmen Rahmen mit ihren Kontaktpersonen Zeit verbringen können. Erst recht stellen die "Bunten Nachmittage" – im Unterschied zu den Sommer- und Weinfesten – keine Werbung im Sinne einer positiven Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit (sogenannte Imagepflege) und seiner Leistungen dar, um Umsatz und Gewinn zu erzielen oder neue Mitglieder zu gewinnen (vgl. BSG, Urteil vom 20.04.1994 – 3/12 RK 66/92 – Juris).
Schließlich sind auch die Voraussetzungen von § 24 Abs. 2 S. 1 KSVG nicht erfüllt. Hiernach sind Unternehmen zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin erzielt diese aber aus den bunten Nachmittagen keinerlei Einnahmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Abgabepflicht der Klägerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).
Die Klägerin ist eine Stiftung der Altenpflege und betreibt unter anderem die stationäre Pflegeeinrichtung S. für etwa 100 Heimbewohner, die überwiegend unter Altersdemenz leiden. Sie veranstaltet etwa einmal im Monat sogenannte "Bunte Nachmittage" für ihre Bewohner, zu denen auch deren Angehörige und Betreuer eingeladen werden. Dabei treten selbständige Künstler, insbesondere Musiker auf. Bekannt gemacht werden die "Bunten Nachmittage" durch Aushänge im Haus und in der Heimzeitung, die in einer Auflage von 110 Exemplaren erscheint und den Bewohnern in ihre Zimmer gelegt wird. Daneben veranstaltet die Klägerin einmal jährlich Sommerfeste mit künstlerischem Programm, welches auch öffentlich beworben wird.
In den Meldebogen für die Jahre 2004 bis 2007 gab die Klägerin gegenüber der Beklagten an, Honorare an Künstler in Höhe von insgesamt 17.088 EUR gezahlt zu haben. Die Beklagte stellte daraufhin mit Abrechnungsbescheid vom 2. Juni 2009 eine Abgabepflicht zur Künstlersozialversicherung in Höhe von 878,23 EUR fest.
Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die "Bunten Nachmittage" würden ausschließlich für die Heimbewohner und nicht zu Zwecken der Eigenwerbung oder Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt. Sie dienten vielmehr nur der sozialen Betreuung im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags. Einnahmen würden daraus nicht erzielt. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 zurück.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin wiederholt, dass die "Bunten Nachmittage" ausschließlich der Aufgabenerfüllung in der Pflege dienten. Der Teilnehmerkreis sei eine durch persönliche Beziehungen verbundene Gemeinschaft der Heimbewohner und ihrer Angehörigen, welcher sich von der Öffentlichkeit abgrenze.
Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 25. April 2013 dahin gehend geändert, dass die Honorare für die Künstler im Rahmen der "Bunten Nachmittage" nicht zur Künstlersozialabgabe herangezogen werden. Es hat ausgeführt, dass insoweit keiner der in § 24 KSVG genannten Tatbestände erfüllt sei. Es sei nicht wesentlicher Unternehmenszweck der Klägerin, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Sie sei vielmehr als Pflegeeinrichtung darauf ausgerichtet, die Heimbewohner zu pflegen, zu versorgen und zu betreuen. Soweit hierzu auch eine geistige und kulturelle Betreuung gehöre, werde die Ausrichtung von kulturellen Angeboten dadurch nicht zum wesentlichen Unternehmenszweck. Die Klägerin betreibe mit den "Bunten Nachmittagen" auch weder Werbung noch Öffentlichkeitsarbeit, da sich die Veranstaltungen lediglich an die Heimbewohner und deren Angehörigen richteten, die nicht Teil der Öffentlichkeit seien. Etwas anderes gelte lediglich für die Sommerfeste, die auch der Eigenwerbung in der Öffentlichkeit dienten.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 22. Mai 2013 zugestellte Urteil am 19. Juni 2013 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Sozialgericht habe zu Unrecht aus der Tatsache, dass die "Bunten Nachmittage" nur intern bekannt gemacht würden, geschlossen, dass es sich dabei nicht um Öffentlichkeitsarbeit handele. Schon aus dem Internetauftritt der Klägerin ergebe sich, dass sie gemeinsam mit Bewohnern, Angehörigen, Freunden und Betreuern eine gute aktivierende Pflege und Betreuung anbieten wolle. Deshalb sei davon auszugehen, dass die genannten Personen auch bei den "Bunten Nachmittagen" anwesend seien. Diese seien aber nicht durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehung zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden, sondern weil die jeweiligen Bewohner das gleiche Heim gewählt hätten. Schon daraus ergebe sich, dass die Veranstaltungen öffentlich seien. Darüber hinaus sei die Durchführung von "Bunten Nachmittagen" ein wesentlicher Zweck der Einrichtung, denn die Klägerin sei als Pflegeeinrichtung verpflichtet, die Heimbewohner zu pflegen, zu versorgen und zu betreuen, wozu auch die geistige und kulturelle Betreuung gehöre.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. April 2013 aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält daran fest, dass die "Bunten Nachmittage" nicht als Teil der Öffentlichkeit im Sinne des KSVG anzusehen seien, da sie sich an keinen unbestimmten, sondern an einen bestimmten, in sich geschlossenen und abgegrenzten Personenkreis richteten. Dabei sei die enge Verbindung zwischen Bewohnern, Angehörigen und Betreuern nicht nur durch die regelmäßigen Besuche, sondern auch durch ergänzende und unterstützende Betreuungsmaßnahmen gegeben. Die Angehörigen und Betreuer seien insoweit als verlängerter Arm der Bewohner anzusehen, denen es zum Teil allein gar nicht möglich wäre, von den "Bunten Nachmittagen" Kenntnis zu erlangen und an ihnen teilzunehmen. Diese dienten daher ausschließlich dem Wohlbefinden der Bewohner und nicht etwa Werbezwecken. Dies rechtfertige aber nicht die Auffassung der Beklagten, dass es sich dabei um einen wesentlichen Unternehmenszweck der Klägerin handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit mit ihnen die Abgabepflicht der Klägerin für die Honorare der Künstler im Rahmen der "Bunten Nachmittage" festgestellt wurde. Allerdings war der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung dahin gehend zu berichtigen, dass die Klage im Übrigen – d.h. in Bezug auf die Abgabepflicht für die Künstlerhonorare im Rahmen der Sommerfeste – abgewiesen wird. Das Urteil litt insoweit an einer offenbaren Unrichtigkeit (§ 138 SGG), wie sich aus den Urteilsgründen klar ergibt.
Die Klägerin ist hinsichtlich der "Bunten Nachmittage" nicht als Unternehmen zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, da sie keinen der in § 24 KSVG aufgeführten Tatbestände erfüllt.
Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG nicht vor. Hiernach sind zur Künstlersozialabgabe verpflichtet: Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Der Begriff des "wesentlichen Zwecks" wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1997 in den Gesetzestext aufgenommen, während zuvor nur ein – einfacher – "Zweck" erforderlich war. Nach den Gesetzesmaterialien sollte durch die Änderung die bisherige extensive Auslegung durch die Rechtsprechung korrigiert werden. Es sollen daher nunmehr nur noch die typischen Verwerter künstlerischer oder publizistischer Leistungen erfasst werden, d.h. die Organisation von Veranstaltungen mit Künstlern muss zum wesentlichen Geschäftsinhalt des Unternehmens (BT-Drs. 13/5108 S. 17) bzw. zu den das Unternehmen prägenden Aufgaben und Zielen (BSG, Urteil vom 08.10.2014 – B 3 KS 6/13 R – Juris) gehören. Maßgebend sind dabei nicht nur die satzungsmäßige Aufgabenstellung, sondern auch die tatsächlichen Verhältnisse (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Auflage, § 24 Rn. 100).
Die Klägerin ist eine Stiftung der Altenhilfe, die unter anderem das stationäre Alten- und Pflegeheim S. für überwiegend demenzkranke Menschen betreibt. Dabei bietet sie den Bewohnern die typischen Leistungen einer derartigen vollstationären Einrichtung an, also neben Unterkunft und Verpflegung auch medizinische Betreuung sowie Aktivitäten und Freizeitgestaltung, die vor allem darauf ausgerichtet sind, noch vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und zu fördern. Wie aus ihrem Internetauftritt) hervorgeht, gehören dazu Einzel- und Gruppenangebote, Gymnastik- und Spielgruppen sowie die hier streitigen "Kaffeetafeln mit Künstlern unterschiedlicher Musikrichtungen". Letztere sollen den Bewohnern ermöglichen, mit ihren Angehörigen, Freunden und Nachbarn schöne Stunden zu verbringen.
Wesentlicher Geschäftsinhalt und Unternehmenszweck der Klägerin ist demnach die Pflege und Betreuung alter und überwiegend demenzkranker Menschen im Rahmen einer stationären Einrichtung. Gemäß § 11 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) müssen derartige Einrichtungen die Pflegebedürftigen entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse pflegen, versorgen und betreuen. Dabei ist eine aktivierende Pflege zu gewährleisten, die darauf abzielt, Fähigkeiten der Bewohner möglichst lange zu erhalten oder wiederherzustellen (Baierl in JurisPK-SGB XI, § 11 Rn. 17). Da die Pflege den Menschen in seiner Gesamtheit mit Leib, Geist und Seele umfasst, gehört dazu auch eine auf den individuellen Pflegebedürftigen bezogene, sein Wohlbefinden fördernde geistige und kulturelle Betreuung (BT-Drs. 12/5262 S. 142 zu § 97). Dabei ist die Einrichtung in der Auswahl der jeweils geeigneten Maßnahmen relativ frei. Soweit die Klägerin im Rahmen der kulturellen Betreuung "Bunte Nachmittage" mit Musikprogramm anbietet, handelt es sich daher um Maßnahmen, die der Pflege und Betreuung der Bewohner dienen. Die Darbietung von Kunst und dabei insbesondere Musik wird dadurch aber nicht zum wesentlichen Unternehmenszweck, sondern ist lediglich eines von verschiedenen Mitteln, um den Unternehmenszweck "Pflege und Betreuung" zu erfüllen. Es liegt zudem auf der Hand, dass es sich bei der Klägerin nicht um einen typischen Verwerter künstlerischer oder publizistischer Leistungen handelt, die nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 13/5108 S. 17) allein von der Abgabepflicht des KSVG erfasst sein sollen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. April 1995 (3 RK 4/94 – Juris) schon deshalb keine abweichende Beurteilung, weil dieses noch zu § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG in seiner vor dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung ergangen ist.
Auch die Voraussetzungen von § 24 Abs. 1 S. 2 KSVG sind nicht erfüllt. Hiernach sind auch solche Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und daher nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen. Die von der Klägerin veranstalteten "Bunten Nachmittage" stellen weder Werbung noch Öffentlichkeitsarbeit dar.
Öffentlichkeitsarbeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts durch das methodische Bemühen eines Unternehmens, einer Institution, einer Gruppe oder einer Person um das Verständnis und das Vertrauen der Öffentlichkeit durch den Aufbau und die Pflege von Kommunikationsbeziehungen gekennzeichnet (BSG, Urteil vom 22.04.2015 – B 3 KS 7/13 R – Juris, m.w.N.). Darum geht es bei den "Bunten Nachmittagen" der Klägerin jedoch nicht. Vielmehr sind diese Bestandteil der aktivierenden Pflege und Betreuung der Bewohner und dienen dem Zweck, ihnen Anregungen und Abwechslung zu verschaffen.
Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Teilnahme von Angehörigen und Betreuern zum Öffentlichkeitsbezug der "Bunten Nachmittage" führe, da diese Personen nicht durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehung zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden seien, vermag sie ihren Standpunkt damit nicht zu begründen. Die von ihr in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 23.03.2006 – B 3 KR 9/05 R; BSG, Urteil vom 30.01.2001 – B 3 KR 7/00 R; beide Juris) betrifft nämlich nicht die Abgabepflicht eines Unternehmens nach § 24 Abs. 1 S. 2 KSVG, sondern die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Person als Publizist tätig und damit versicherungspflichtig nach § 2 S. 2 KSVG ist. Da der Begriff "Publizist" auf den lateinischen Begriff "publicare" = "veröffentlichen" zurückgeht, hat das Bundessozialgericht in diesem Zusammenhang den Begriff der Öffentlichkeit im von der Beklagten herangezogenen Sinne definiert. Vorliegend kann es jedoch dahin stehen, ob die Angehörigen und Betreuer der Bewohner überhaupt als Teil der "Öffentlichkeit" anzusehen sind, da § 24 Abs. 1 S. 2 KSVG eine Öffentlichkeitsarbeit voraussetzt, an der es hier fehlt. Denn Sinn der "Bunten Nachmittage" ist nicht, den Kontaktpersonen der Bewohner das Unternehmen zu präsentieren oder gar dafür zu werben oder ein besonderes Vertrauen oder Verständnis herzustellen. Ihre Teilnahme erfolgt vielmehr allein deshalb, damit die Heimbewohner – die eigentliche Zielgruppe der Veranstaltungen sind – in einem angenehmen Rahmen mit ihren Kontaktpersonen Zeit verbringen können. Erst recht stellen die "Bunten Nachmittage" – im Unterschied zu den Sommer- und Weinfesten – keine Werbung im Sinne einer positiven Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit (sogenannte Imagepflege) und seiner Leistungen dar, um Umsatz und Gewinn zu erzielen oder neue Mitglieder zu gewinnen (vgl. BSG, Urteil vom 20.04.1994 – 3/12 RK 66/92 – Juris).
Schließlich sind auch die Voraussetzungen von § 24 Abs. 2 S. 1 KSVG nicht erfüllt. Hiernach sind Unternehmen zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin erzielt diese aber aus den bunten Nachmittagen keinerlei Einnahmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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