L 8 SB 1760/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 1568/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1760/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.03.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Erst-)Feststellung seines Grades der Behinderung (GdB; mindestens 50 statt 30) zusteht.

Der Kläger, geboren 1965, deutscher Staatsangehöriger, beantragte u.a. unter Vorlage von ärztlichen Unterlagen (dazu vgl. Blatt 1/13 der Beklagtenakte) am 08.06.2012 beim Land ratsamt K. (LRA) erstmals Feststellungen nach § 69 SGB IX seit 01.01.2012 (Blatt 14/15 der Beklagtenakte).

Das LRA zog einen Bericht der zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung durchgeführten medizinischen ambulanten Rehabilitation im Ambulanten Zentrum für Reha und Prävention am E. GmbH, K., vom 11.06.2012 bei (Blatt 17/23 der Beklagtenakte), außerdem Unterlagen der BG Handel- und Warendistribution (Bescheid vom 26.04.2012 über die Ablehnung einer Rente, Blatt 25 der Beklagtenakte; beratungsärztliche Stellungnahme Dr. K., Blatt 26 der Beklagtenakte).

Auf der Grundlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. C. vom 29.06.2012 (Blatt 28/29 der Beklagtenakte), der vorschlug, den GdB mit 20 zu bemessen (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, Bandscheibenschaden, Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom (Einzel-GdB 20); Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (Einzel-GdB 10); Funktionsbehinderung des rechten Sprunggelenk (Einzel-GdB 10); Bluthochdruck (Einzel-GdB 10)) stellte das LRA den GdB mit 20 seit 01.01.2012 fest (Bescheid vom 02.07.2012, Blatt 30/31 der Beklagtenakte).

Auf den Widerspruch des Klägers vom 24.07.2012 (Blatt 32 der Beklagtenakte), mit dem dieser sich gegen die Höhe des festgestellten GdB gewandt hatte, holte das LRA eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. C. ein. In seiner Stellungnahme vom 13.08.2012 (Blatt 34/35 der Beklagtenakte) schätzte er nun den GdB auf 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, Bandscheibenschaden, Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom (Einzel-GdB 30); Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (Einzel-GdB 10); Funktionsbehinderung des rechten Sprunggelenk (Einzel-GdB 10); Bluthochdruck (Einzel-GdB 10)). Mit anschließendem Teilabhilfebescheid vom 31.10.2012 (Blatt 39/40 der Beklagtenakte) stellte das LRA den GdB des Klägers seit 01.01.2012 mit 30 fest.

Nachdem der Kläger seinen Widerspruch nicht zurücknahm (Blatt 42 der Beklagtenakte) zog das LRA ärztliche Unterlagen vom Facharzt für Orthopädie Dr. H. (Blatt 49/56 der Beklagtenakte) sowie eine Auskunft der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. bei (Blatt 58/63 der Beklagtenakte), die u.a. mitteilte, der Kläger benötige wegen eines allergischen Asthma bronchiale dauerhaft das Kombispray Inuvair 100/6ug.

Der Versorgungsarzt Dr. R. gab in seiner Stellungnahme vom 02.04.2013 (Blatt 66/67 der Beklagtenakte) an, der GdB sei unter Berücksichtigung der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit 20 ausreichend festgestellt. Aus dem Bericht des Ambulanten Rehazentrum ließe sich ein GdB von 30 nicht ableiten. So werde in der HWS eine Seitneigung nach rechts mit 30 Grad und links mit 40 Grad angegeben, was eine normwertige bis leichte Einschränkung bedeute; im Bereich der Rumpfwirbelsäule sei die Rotation in der Norm, die Rückneigung leichtgradig und die Seitneigung mittelgradig eingeschränkt bei freier Entfaltung der LWS und BWS. Dies entspreche leichtgradigen Veränderungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die mit einem Teil-GdB 20 ausreichend hoch bemessen seien.

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch das Regierungspräsidium S.- Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2013 zurück.

Mit seiner am 29.04.2013 beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren nach einem GdB von mindestens 50 weiterverfolgt. Es bestünden hochgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die einen Teil-GdB von mind. 40 rechtfertigten. Auch der Orthopäde Dr. H. habe in seinem Gutachten vom 26.01.2012 zusammengefasst, dass der Unfall zu einer dauerhaften Schädigung an der Halswirbelsäule geführt habe. Auch die Funktionsbehinderungen des Knie- und Sprunggelenks seien zu niedrig bewertet. Zuletzt verwies der Kläger auf die seit Herbst 2013 erfolgte Behandlung unter den Diagnosen eines Fersensporns und einer Achillodynie. Der Kläger hat - Berichte des Zentrums für Radiologie und Nuklearmedizin K.-D. vom 30.09.2011 (Blatt 22 der SG-Akte), 16.07.2007 (Blatt 35 der SG-Akte), - ein privatärztliches Gutachten des Arztes für Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin, spezielle orthopädische Chirurgie Dr. H. vom 26.01.2012 (Blatt 23/32 der SG-Akte), - einen Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 28.09.2011 (Blatt 33/34 der SG-Akte), - Berichte der Neurologischen Gemeinschaftspraxis Dres. H. vom 20.05.2008 (Blatt 36 der SG-Akte), 13.02.2008 (Blatt 37, 39 der SG-Akte), - einen Bericht von Dr. B. vom 24.11.2008 (Blatt 38 der SG-Akte) und - Berichte des Städtischen Klinikums K. vom 09.12.2013 und 31.01.2014 (Blatt 87, 88 der SG-Akte) vorgelegt.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden und von ihm benannten Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 49/55, 57/76 der SG-Akte Bezug genommen. Der Arzt für Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin, spezielle orthopädische Chirurgie Dr. H. hat in seiner schriftlichen Aussage vom 25.07.2013 angegeben, der Kläger habe sich ab Juni 2012 hauptsächlich wegen seiner Knieproblematik nach Innenmeniskusriss-OP im Dezember 2011, Außenmeniskusriss im Dezember 2012 und im Oktober 2012 wegen Schulterschmerzen links vorgestellt. Bewegungseinschränkungen habe er nicht feststellen können, neurologische Reiz-und Ausfall-Symptome ebenfalls nicht. Die Gesundheitsstörungen seien als leicht einzustufen. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. hat dem SG mit Schreiben vom 29.9.2013 mitgeteilt, die arterielle Hypertonie mit hypertensiven Entgleisungen, der Meniskusschaden am linken Knie, eine chronische Lumboischialgie und ein rezidivierendes Schulter-Arm-Syndrom links seien als schwer einzustufen, der Heuschnupfen, die bds. Hörminderung und das Sodbrennen seien als mittelschwer einzustufen. Sie schätze den GdB auf 60 bis 70.

Das SG hat mit Urteil vom 10.03.2014 die Klage abgewiesen. Die Wirbelsäulenbeschwerden des Kläger begründeten einen GdB von 20; relevante Bewegungseinschränkungen der Lenden- und Brustwirbelsäule seien nicht ersichtlich. Die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks sei leicht und zutreffend mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet. Die Funktionsbehinderung der Sprunggelenke sei ebenfalls leicht und mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet. Die arterielle Hypertonie sei mit einem GdB von 10 zu bewerten. Während der Reha habe der Bluthochdruck bei RR 160/90 gelegen. Bei der Hausärztin seien Werte von RR 150/100 mmHg (02.09.2013), RR 140/80 mmHg (01.03.2013), RR 145/80 mmHg (03.12.2012), RR 140/80 mmHg (26.11.2012) gemessen worden. Messwerte mehrfach über 100 lägen nicht vor und eine Organbeteiligung sei nicht ersichtlich. Der Fersensporn und das Schmerzsyndrom der Achillesferse seien bislang keine dauerhaften Gesundheitsstörungen. Daher begründeten diese Diagnosen noch keinen GdB. Insgesamt sei ein Gesamt-GdB von 20.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 21.03.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.04.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Es werde die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes nach § 103 SGG gerügt. Der Fersensporn und das Schmerzsyndrom der Achillesferse an beiden Füßen seien nicht erst seit Dezember 2013 behandelt, sondern schon viel früher. Schon am 04.09.2012 habe er wegen der Achillodynie Rückfußeinlagen verordnet bekommen. Auch Dr. S. habe in ihrer Äußerung vom 29.09.2013 das Vorliegen einer Plantarissehnenentzündung rechter Fuß mit Verdacht auf Plantarissehneneinriss und dadurch bedingte schwere Beeinträchtigungen durch Schmerzen beim Stehen, Gehen und Vollbelastung des rechten Fußes beschrieben. Nach dem Gutachten des MDK vom 04.04.2014 habe er seit ca. zwei Jahren intermittierende Schmerzen im Bereich der Füße beidseits plantarseitig. Im Februar 2013 habe sich eine Schmerzexazerbation im Bereich der rechten Ferse gezeigt. Hinsichtlich der krankhaften Störungen gelenknaher Sehnenansatzpunkte, insbesondere im Fußbereich, hätte das SG bei Dr. H. und Dr. S. aktuelle ärztliche Stellungnahmen einholen müssen. Auch lägen hinsichtlich vorgenommenen Bewertung der Funktionsbehinderungen seines linken Kniegelenkes und seiner beiden Sprunggelenke mit nur mit einem Einzel-GdB von 10 % keine ärztliche Begutachtung zugrunde. Erst wenn aktuelle Zahlen hinsichtlich der vorliegenden Bewegungseinschränkungen im Knie- und Sprunggelenk vorlägen, lasse sich eine Bewertung nach den medizinischen Grundsätzen vornehmen. Auch sei er bei seiner Entlassung aus der ambulanten Rehamaßnahme am 11.06.2012 nicht schmerzfrei im Bereich seiner Wirbelsäule gewesen. Dr. S. habe den Gesamt-GdB zwischen 60 und 70 % eingestuft. Mit einem GdB von nur 20 % halte er die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht für ausreichend bewertet. Der Kläger hat vorgelegt - einen Bericht des MVZ am Städtischen Klinikum K. GmbH vom 10.02.2014 (Blatt 30/31 der Senatsakte), - ein sozialmedizinisches Gutachten des MdK vom 04.04.2014 (Blatt 32/35 der Senatsakte) und - einen Bericht des Radiologen Dr. R. vom 23.04.2014 (Blatt 36 der Senatsakte).

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichtes Karlsruhe vom 10.03.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 02.07.2012 in der Fassung des Bescheids vom 31.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.04.2013 zu verpflichten, bei ihm einen GdB von mindestens 50 seit dem 01.01.2012 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Er hat eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B.vom 09.10.2014 (Blatt 42/43 der Senatsakte) vorgelegt, in der dieser unter Hinweis auf das sozialmedizinische Gutachten des MDK ausführt, das Gangbild sei flüssig gewesen, Wirbelsäule, Schulter-, Ellenbogen-, Handgelenke, sowie Knie- und Sprunggelenke seien frei beweglich gewesen. Auch die Wirbelsäule habe sich im Wesentlichen unbehindert gezeigt. Es habe sich im Bereich der Fersen beidseits ein Klopfschmerz gefunden, eine Errötung oder Schwellung sei nicht feststellbar gewesen. Dr. B. hat vorgeschlagen, den GdB wie folgt zu bemessen: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Einzel-GdB 20 Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks Funktionsbehinderung des rechten Sprunggelenks, Gebrauchseinschränkung beider Füße Einzel-GdB 20 Bluthochdruck Einzel-GdB 10 Gesamt-GdB 30

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. W ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 12.01.2015 (Blatt 747/71 der Senatsakte) ein degeneratives Cervicalsyndrom, ein degeneratives Lumbalsyndrom mit Verdacht auf Mikroinstabilität, ein degeneratives Rotatorenmanschettensyndrom links mit AC-Gelenksarthrose und Impingementsymptomatik, eine beginnende OSG-Arthrose rechts, eine Achillodynie bei degenerativer Tendopathie der rechten Achillessehne, einen Zustand nach Innenmeniskusresektion links und eine Adlpositas permagna diagnostiziert. Die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Halswirbelsäule sei mit leicht und im Bereich der Lendenwirbelsäule mit mittel zu bewerten. Die funktionelle Beeinträchtigung der Achillessehne rechts sei als geringgradig zu bewerten. Bezüglich der Schulter liege keine dauerhaft zu erwartende Funktionsbeeinträchtigung vor. Den GdB bezüglich der Wirbelsäule hat Dr. W. mit 30, denjenigen der rechten Achillessehne 10 bewertet.

Der Kläger hat (Schreiben vom 20.02.2015, Blatt 72/73 der Senatsakte) mitgeteilt, er leide tatsächlich stark unter der Schmerzausstrahlung aus dem Bereich der Halswirbelsäule in seinen linken Schulter- und Armbereich und müsse sich deshalb jede Woche einer Krankengymnastikbehandlung unterziehen. Die von ihm selbst bezahlte Stoßwellen- und Schmerztherapie habe keinen Erfolg gebracht, weshalb er die Auffassung vertrete, dass bei ihm ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom vorliege, die eine spezielle ärztliche Behandlung erfordere. Tatsächlich leide er unter seinen massiven Schulterbeschwerden schon seit zwei Jahren und sei deshalb schon seit 2013 bei Dr. H. in Behandlung. Es liege deshalb bei ihm eine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung betreffend seine Schulterproblematik vor. Er müsse auch regelmäßig das Medikament Metformin AL 1000 mg zweimal täglich einnehmen. Wegen des Asthma Bronchiale müsse er ein Asthmaspray verwenden.

Der Senat hat des Weiteren Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte Dr. H. und Dr. S. als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 76/82 und 83 /86 der Senatsakte Bezug genommen. Dr. H., Arzt für Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin und spezielle orthopädische Chirurgie, hat in seiner Antwort vom 05.03.2015 u.a. angegeben, es handele sich um verschiedene und vor allem vorrübergehende Erkrankungen, wenn man von einer degenerativen Veränderung der Lendenwirbelsäule bei Spondylarthrose L 4/5 und spinaler Enge spreche. Ansonsten sei der Kläger langanhaltend wegen einer Plantarfascienirritation rechts in Behandlung gewesen. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. hat in ihrem Schreiben vom 31.03.2015 ausgeführt, beim Kläger bestehe ein Diabetes mellitus Typ-2 B; festgestellt erstmalig am 02.9.2013 im Rahmen der Diagnostik von häufig auftretenden Schwindelanfällen. Sowohl die Einnahme von blutzuckersenkenden Mitteln könne zu Hypoglykämie führen als auch die vorhandene Insulin-Resistenz welche am 16.4.2014 laborchemisch bestätigt worden sei. Der Kläger habe 2014 über häufige Heißhungerattacken begleitet von Schwindel und Zittrigkeit mehrmals pro Woche geklagt, welche klinisch durchaus Hypoglykämien darstellen könnten und mit dem Krankheitsbild der Insulin-Resistenz vereinbar sei. In letzter Zeit sei der Blutdruck medikamentös gut eingestellt und nicht die Ursache gewesen. Seit Mai 2015 nehme der Kläger das Mittel Metformin ein und habe seine Ernährung auf kohlenhydratarme Vollwertkost umgestellt. Bewegung und Sport seien nicht durchführbar, da der Kläger Schmerzen beim Stehen, Gehen und Vollbelastung der Füße habe - bisher bedingt durch Plantarfascistin rechtsbetont und den Folgen eines lumbalem Bandscheibenvorfalles mit Restparese und Parästhesien. Der Kläger sei sehr wohl durch die Diabetes-Erkrankung in seiner Lebensführung eingeschränkt. Bisher sei keine diabetische Retinopathie oder diabetische Nephropathie bekannt. Eine diabetesbedingte PNP lasse sich bei chronischem Fußschmerzsyndrom nicht ausschließen. Der seit Jahren bekannte maligne Hypertonus und das metabolische Syndrom stünden mit dem Diabetes in engem Zusammenhang. Sie schätze den GdB insoweit auf mindestens 20 bis 30, wobei sie für 30 plädiere da im Gesetzt die Insulinresistenz mit Hypoglykämie nicht näher definiert sei.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 27.04.2015 (Blatt 87/89 der Senatsakte) eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 22.04.2015 vorgelegt. Soweit Dr. W. ein GdB von 30 für die gesamte Wirbelsäulensituation annehme, könne dies als vertretbar angesehen werden. Die Auskunft von Dr. H. enthalte keine Befunde, die eine abweichende Beurteilung begründen könnten. Nach Auswertung der Auskunft von Dr. S. sei ein GdB von 20 bis 30 für den Diabetes mellitus nicht nachvollziehbar. Es erfolge eine medikamentöse Behandlung mit Metformin, eine Insulinbehandlung werde nicht durchgeführt. Hieraus ergebe sich für den Diabetes mellitus unter Behandlung mit Metformin (regelhaft keine Hypoglykämieauslösung) ein GdB von 0. GdB-relevante Folgeerkrankungen in Verbindung mit dem Diabetes mellitus seien bisher nicht belegt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 90 und 91 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben dem zugestimmt und der Senat hält eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch unbegründet.

Der angefochtene Bescheid des LRA vom 02.07.2012 in der Fassung des Bescheids vom 31.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 09.04.2013, mit dem der GdB des Klägers seit 01.01.2012 mit 30 festgestellt wurde, ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger auch nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die zunächst im Allgemeinen nach Funktionssystemen (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) getrennt, später nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeW.igen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Da-nach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die Funktions-behinderungen, die im Allgemeinen in den einzelnen Funktionssystemen (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) bewertet werden, in ihrer Gesamtschau keinen Gesamt-GdB von mehr als 30 rechtfertigen, weshalb ein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB nicht besteht und die Berufung zurückzuweisen war.

Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, bestehen beim Kläger funktionelle Behinderungen in Folge der Wirbelsäulenerkrankung. Hier konnte der Senat auf Grundlage des schlüssigen Gutachtens von Dr. W. an der Wirbelsäule ein degeneratives Cervicalsyndrom und ein degeneratives Lumbalsyndrom mit Verdacht auf Mikroinstabilität feststellen. An beiden Wirbelsäulenabschnitten liegen nach Dr. W. leichte Bewegungseinschränkungen vor, die Bewegungseinschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule lässt sich zusätzlich durch die beim Kläger bestehende ausgeprägte Bauchdeckenadipositas erklären. Röntgenologisch findet sich ein degenerativer Prozess im Segment C5/6 mit in der Vergangenheit auch neurologisch dokumentierten, rezidivierenden Wurzelirritationen im Bereich der Nervenwurzel C6 (Gutachten Dr. W. Blatt 65 der Senatsakte = Seite 19 des Gutachtens). Hinsichtlich der Halswirbelsäule hat der Kläger gegenüber dem Gutachter Dr. W. momentan keine wesentlichen Probleme angegeben. Der Gutachter hat auch eine Schmerzausstrahlung in den Arm entsprechend der früher dokumentierten Wurzelirritation nicht gefunden (Gutachten Dr. W. Blatt 65 der Senatsakte = Seite 19 des Gutachtens). An der Lendenwirbelsäule konnte Dr. W. eine Wurzelirritation nicht verifizieren (Gutachten Dr. W. Blatt 65 der Senatsakte = Seite 19 des Gutachtens). Die röntgenologisch vorliegenden degenerativen Veränderungen lassen eine Mikroinstabilität mit rezidivierend auftretenden Lumbalsyndromen und Pseudoradikulärsymptomatik als ursächlich wahrscheinlich erscheinen (Gutachten Dr. W. Blatt 65 der Senatsakte = Seite 19 des Gutachtens). Hinzu kommt die erhebliche Bauchdeckenadipositas mit Rumpfmuskelinsuffizienz und bestehender Rektusdiasthase, so dass eine kompensatorische muskuläre Stabilisierung nicht gegeben ist (Gutachten Dr. W. Blatt 65 der Senatsakte = Seite 19 des Gutachtens). Dr. H. hat die Rumpfwirbelsäule als voll entfaltbar angesehen und eine Bewegungsstörung nicht erkennen können (Blatt 27 der SG-Akte = Seite 5 des Gutachtens). Der MdK hat in seiner Untersuchung vom 04.04.2014 eine in allen Bewegungsgraden frei bewegliche HWS/LWS darstellen können (Blatt 34 der Senatsakte). Folgende Bewegungsmaße wurden gemessen:

Normalwerte Dr. H. MdK Dr. W. Blatt 56 der Senatsakte 27/29 der SG-Akte = Seite 5/7 des Gutachtens 34 der Senats-akte = Seite 3 des Gutachtens 56 der Senatsakte = Seite 10 des Gutachtens Untersuchungsdatum 25.01.2012 04.04.2014 08.01.2015 HWS Drehung rechts/links 60/80-0-60/80 30-0-60 in allen Bewegungsgraden frei beweglich 50-0-40 Seitwärtsneigung rechts/links 45-0-45 20-0-60 in allen Bewegungsgraden frei beweglich 20-0-20 Vorneigen/Rückneigen 35/45-0-35/45 - in allen Bewegungsgraden frei beweglich 40-0-20 BWS/LWS Ott 30/33 cm 28/30 cm - 30/31,5 cm FBA 0 cm 10 cm 20 cm 30 cm Schober 10/14 cm 10/14,5 cm 8,5/10/13 cm 10/13 cm Seitneigung rechts/links 35-0-35 30-0-30 in allen Bewegungsgraden frei beweglich 10-0-10 Vorneigen/Rückneigen 45-0-35 Reklination bis 10o in allen Bewegungsgraden frei beweglich 40-0-10 Rumpfdrehen 30-0-30 Lasègue - Negativ (Blatt 62 der Senatsakte = Seite 16 des Gutachtens) Beckenschiefstand 0 cm Niveaugerecht - 0 cm

Ein Dr. W. vergleichbarer Befund findet sich im Rehabericht vom 11.06.2012 (Blatt 19 der Beklagtenakte). Nach den B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris).

Vorliegend konnte sich der Senat von leichten funktionellen Auswirkungen an der Halswirbelsäule sowie mittelgradigen funktionellen Auswirkungen an der Lendenwirbelsäule überzeugen. Auch Dr. H. konnte weder in seinem vom Kläger selbst vorgelegten privatärztlichen Gutachten noch in seinen Auskünften gegenüber dem Senat Befunde mitteilen, die eine abweichende Beurteilung zuließen. Damit wäre an sich der Einzel- GdB im Funktionssystem des Rumpfes mit 20 zu bemessen. Jedoch konnte der Kläger immer wieder auftretende Schulter-Arm-Syndrome schildern (Blatt 72 der Senatsakte), als er immer wieder Schmerzausstrahlungen aus dem Bereich der Halswirbelsäule in den linken Schulter- und Armbereich beschrieben hat, wie auch eine – bei keiner der Begutachtungen festgestellte – Wurzelreizsymptomatik mit Ausstrahlung in die Beine. Diese auch von Dr. W. als Verdacht auf Mikroinstabilität bei in der Vergangenheit neurologisch dokumentierten, rezidivierenden Wurzelirritationen beschriebene Symptomatik kann bei der GdB-Bemessung berücksichtigt werden, ebenso die von der Halswirbelsäule ausgehenden Schulter-Arm-Syndrome. Daher konnte der Senat der von Dr. G. für vertretbar angesehenen Bewertung des Dr. W. mit einem Einzel-GdB von 30 beitreten. Eine weitere Erhöhung des Einzel-GdB war jedoch nicht deswegen vorzunehmen, W. ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom, das eine spezielle ärztliche Behandlung erfordern würde, vorläge. Der Gutachter Dr. W. konnte ein solches Schmerzsyndrom nicht bestätigen (Blatt 67 der Senatsakte = Seite 21 des Gutachtens). Auch aus den Angaben und Unterlagen des Dr. H. lässt sich ein solches nicht entnehmen; im Übrigen nimmt der Kläger auch keine spezielle ärztliche Behandlung in Anspruch. Dass eine selbst bezahlte Stoßwellen- und Schmerztherapie keinen Erfolg gebracht hat, indiziert nicht das Vorliegen einer solchen außergewöhnlichen Schmerzsyndroms, zumal keiner der behandelnden Ärzte ein solches festgestellt hat.

Im Funktionssystem der Arme, zu dem der Senat auch die Schultern zählt, ist ein Einzel-GdB nicht anzusetzen. Hier leidet der Kläger an einem degenerativen Rotatorenmanschettensyndrom links mit AC-Gelenksarthrose und Impingementsymptomatik sowie einer beginnenden OSG-Arthrose rechts. Dr. W. hat in seinem Gutachten eine seit längerer Zeit intermittierend auftretende Schulterproblematik links bei momentan aktuellem Beschwerdezustand mit konzentrischer Bewegungseinschränkung und deutlicher Impingementsituation beschrieben. Eine kernspintomographische Untersuchung habe eine Schultereckgelenksarthrose sowie degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschettenanteile im Supraspinatus mit angrenzender leichter Bursitis subacromialis/ subdeltoidea gezeigt. Eine Ruptur konnte ausgeschlossen werden, ein Gelenkerguss war bei der Untersuchung nicht vorhanden. Es handelt sich jeW.s um eine rezidivierende vorübergehende Problematik, die konservativen physiotherapeutischen Maßnahmen und ggfs. entzündungshemmender Medikation gut zugänglich ist und keine dauerhaft bestehende Funktionseinschränkung der Schulter darstellt. Folgende Bewegungsmaße wurden gemessen:

Normalwerte Dr. H. MdK Dr. W. Blatt 29/30 der SG-Akte = Seite 7/8 des Gutachtens 34 der Senatsakte = Seite 3 des Gutachtens 57 der Senatsakte = Seite 11 des Gutachtens Untersuchung am 25.01.2012 04.04.2014 08.01.2015 rechts Links rechts links rechts links Arm seitwärts/körperwärts aktiv 180-0-20/40 40-0-180 40-0-180 - - 180-0-40 140-0-30 Arm rückwärts/vorwärts aktiv 40-0-150/170 40-0-170 40-0-170 - - 40-0-170 30-0-140 Arm auswärts/einwärts aktiv bei anliegendem Oberarm 40/60-0-95 90-0-90 90-0-90 - - 60-0-95 50-0-90 Funktionsgriffe (Nacken- und Schürzengriff) gelingen einwandfrei möglich linksseitig nur mit Mühe

Nachdem im Schultergelenk – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Orthopäden Dr. H. - weder eine Versteifung noch eine Instabilität besteht und auch keine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) bei Armhebung nur bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit besteht (B Nr. 18.13 VG) konnte auch unter Berücksichtigung eines ggf. schmerzhaften Impingement-Syndroms ein Teil-GdB von 10 nicht angenommen werden. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die von der Halswirbelsäule ausgehenden Schulter-Arm-Syndrome dort (vgl. B Nr. 18.9. VG) mit zu berücksichtigen waren. Mangels Funktionsbehinderungen auch in anderen Teilen dieses Funktionssystems war insgesamt ein Einzel-GdB nicht anzusetzen.

Die gesundheitliche Situation des Klägers im Funktionssystem der Beine zeichnet sich durch eine Achillodynie bei degenerativer Tendopathie der rechten Achillessehne sowie einen Zustand nach Innenmeniskusresektion links aus. Der Gutachter Dr. W. konnte an den Kniegelenken beidseits keine Reizungen feststellen, jedoch nachvollziehbare belastungsabhängige, beim Treppensteigen immer wieder auftretenden Beschwerden. Die Kniegelenke waren bei der Untersuchung durch Dr. W. (Blatt 60 der Senatsakte = Seite 14 des Gutachtens) normal beweglich ((Beugung/Streckung) rechts: 130-0-0; links 130-0-0, bei Normwerten von 120/150-0-0/10). Dr. H. hat keine Bewegungsmaße in seinem Gutachten erhoben, der MdK hat in seinem Gutachten keine Einschränkungen dargestellt. Da an den Knien des Klägers weder Versteifungen, Lockerungen des Kniebandapparates, Kniescheibenverrenkungen und auch keine ausgeprägten Reizerscheinungen wegen Knorpelschäden der Kniegelenke vorliegen, war die Funktionsbeeinträchtigung nach dem Bewegungsausmaß zu bewerten. Da Bewegungseinschränkungen nicht vorliegen (zu den maßgeblichen Einschränkungen vgl. B Nr. 18.14 VG: (Streckung/Beugung) 0-0-90) war – unabhängig davon, ob die Beeinträchtigungen nun lediglich vorübergehend sind, wie Dr. W. angegeben hatte (Blatt 66 der Senatsakte = Seite 20 des Gutachtens) – auch unter Berücksichtigung ggf. vorhandener Schmerzen ein Teil-GdB nicht anzunehmen. Die Achillodynie bei degenerativer Tendopathie der rechten Achillessehne ist ebenfalls im Funktionssystem der Beine zu bewerten. Hier hat Dr. W. einen mäßigen Reizzustand gefunden. Er hat eine Verdickung der Achillessehne rechts beschrieben (Blatt 61 der Senatsakte = Seite 15 des Gutachtens) mit deutlichem Druckschmerz am Fersenbeinansatz sowie im Verlauf des distalen Achillessehnenanteils. Krepitationen waren nicht vorhanden, ebenso wenig Instabilitätszeichen des fibulären Bandapparates. Im Februar 2014 hatte Dr. Hültenschmidt (Blatt 30/31 der Senatsakte) über eine ambulante Schmerzbestrahlung einer Plantarfasciitis und Achillodynie beidseits berichtet. Der MdK (Blatt 34 der Senatsakte = Seite 3 des Gutachtens) hatte im April 2014 lediglich einen Klopfschmerz im Bereich der Füße beidseits plantarseitig im Bereich der Ferse (rechts stärker als links) darstellen können. Dr. H. hatte in seinem privatärztlich erstellten Gutachten vom 26.01.2012 (Blatt 28 der SG-Akte = Seite 6 des Gutachtens) über frei bewegliche Gelenke der unteren Extremitäten und seitengleiche Fußsohlenbeschwielung berichtet. Gegenüber dem SG hat Dr. H. (Blatt 50/51 der SG-Akte) die Gesundheitsstörungen als leicht und nicht chronisch eingeschätzt. Dagegen hat Dr. S. gegenüber dem SG schwere Beeinträchtigungen durch Schmerzen beim Stehen, Gehen und bei Vollbelastung des rechten Fußes angegeben (Blatt 57 der SG-Akte). Im Hinblick auf die von Dr. W. erhobenen Bewegungsmaße (oberes Sprunggelenk: rechts 10-0-40; links 10-0-40; unteres Sprunggelenk: rechts 3/3, links 3/3; Rehabericht (Blatt 19 der Beklagtenakte): rechts 10-0-20, links: 20-0-30; zu den maßgeblichen Bewegungseinschränkungen nach den VG vgl. B Nr. 18.14 VG) und nur mäßigem Reizzustand konnte der Senat den von Dr. W. angenommenen Teil-GdB von 10 als nicht zu Lasten des Klägers zu niedrig bewertet ansehen. Dem Befund von Dr. W. entspricht auch der Bericht von Dr. R. (Blatt 23.04.2014 der Senatsakte), der bei der Kernspintomographie am 23.04.2014 kaum mehr entzündlichen Veränderungen der Plantarfaszie feststellen musste, und der Umstand, dass der Kläger von Dr. W., Dr. H. und dem MdK frei und flüssig gehend gesehen worden war, ohne Schon- oder Verkürzungshinken. Insoweit mag zwar – wie von Dr. S. angenommen – in Zeiten einer erheblichen Entzündung eine stärkere Beschwerdesymptomatik vorliegen, jedoch sind nach Teil A Nr. 2 Buchst. f) VG Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Dies bedeutet: Wenn bei einem körperlich angelegten Leiden der Verlauf durch sich wiederholende Besserungen und Verschlechterungen des Gesundheitszustandes geprägt ist, können die zeitW.igen Verschlechterungen - aufgrund der anhaltenden Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung - nicht als vorübergehende Gesundheitsstörungen und damit nicht behinderungsbedingt betrachtet werden. Dementsprechend muss in solchen Fällen bei der GdB-Beurteilung von dem "durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden. Vorliegend ist im zeitlichen Verlauf ab 01.01.2012 nur ab September 2012 eine Achillodynie - zunächst durch Verordnung von Einlagen - behandelt und dann wieder ab August 2013 mit diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen angegangen worden, was auch der Berufungsbegründung vom 02.06.2014 entnommen werden kann. Bereits im April 2014 lagen nach den MdK-Gutachten keine auffälligen Funktionseinschränkungen an den Füßen mehr vor, sodass eine GdB-relevante Funktionseinschränkung nur für die kurze Zeit von 8 Monaten zwischen August 2013 und April 2014 dokumentiert ist, wobei auch in diesem Zeitraum kein stetiger Ausprägungsgrad der Fersenschmerzen mit GdB-Relevanz belegt ist. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat mit Dr. W. lediglich einen Teil-GdB von 10 annehmen, was auch der überzeugenden Einschätzung in der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 22.04.2015 entspricht. Da weitere zu berücksichtigende Funktionsbehinderungen im Funktionssystem der Beine nicht vorliegen, war der Einzel-GdB in diesem Funktionssystem mit 10 zu bemessen. Die lediglich röntgenologisch festgestellte beginnende Sprunggelenksarthrose, medial betont, ist nach Dr. W. – Dr. H. und Dr. S. haben diese Erkrankung nicht dargestellt - ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigung hinsichtlich Beweglichkeit, Stabilität bzw. Reizzuständen (Blatt 66 der Senatsakte = Seite 20 des Gutachtens) und erhöht den GdB insoweit nicht.

Im Funktionssystem der Atmung ist beim Kläger die Erkrankung an Asthma bronchiale und rezidivierende Sinubronchitiden zu berücksichtigen, ebenso der Heuschnupfen und die Hausstaubmilben- und Schimmelpilzallergie. Diese Erkrankungen sind mit den von Dr. S. verordneten Medikamenten beherrschbar, eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion besteht nicht, die allergisierenden Stoffe können grds. gemieden werden. So war der Kläger auch in der Lage in der Ergometrie eine maximale Belastung bis 225 Watt (Bericht des Kardiologen Nelles vom 12.09.2013, Blatt 76der SG-Akte) zu leisten (Abbruch wegen Erschöpfung und hypertensiver Entgleisung), was auf eine nicht vorhandene Einschränkung der Lungenfunktion schließen lässt. Daher ist auch die von Dr. S. angegebene Schwindelsymptomatik, Atemnot und Angina pectoris allenfalls bei Extrembelastung nachvollziehbar. Im Hinblick auf die verbindlichen Vorgaben der VG (B Nr. 8 VG) konnte der Senat in diesem Funktionssystem keine einen Einzel-GdB rechtfertigende Beeinträchtigung annehmen.

Die Hypertonie bedingt im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs einen Einzel-GdB von 10. Mit der dargestellten Leistungsfähigkeit des Klägers über 225 Watt weist der Kläger – wie auch der Kardiologe Nelles angegeben hat (Blatt 76 der SG-Akte) – keine hypertensiven Herzschädigungszeichen auf. Es besteht ein unauffälliger kardialer Befund (Blatt 76 der SG-Akte). Die vom Kardiologen Nelles angeratene hypertensive Therapie wird vom Kläger medikamentös durchgeführt. Folgeerkrankungen sind nicht dokumentiert. Daher war der vom Beklagten – zuletzt von Dr. G. - angenommene Einzel-GdB von 10 nach B Nr. 9 VG, insbesondere B Nr. 9.3 VG, nicht als zu Lasten des Klägers rechtswidrig zu niedrig anzusehen. Dazu passt auch, dass Dr. S. mit Schreiben vom 01.03.2012 (Blatt 63 der Beklagtenakte) mitgeteilt hat, die letzte kardiologische Kontrolle liege sechs Jahre zurück, was auf keine wesentliche Herzproblematik hindeutet. Der dann im September 2013 konsultierte Kardiologe Nelles (Blatt 76 der SG-Akte) konnte eine wesentliche Herzerkrankung nicht diagnostizieren. Die von Dr. S. für den streitigen Zeitraum seit 01.01.2012 angegebenen Blutdruckwerte (dazu vgl. Blatt 62/63 der Beklagten-Akte und Blatt 59 ff der SG-Akte) übersteigen diastolisch nicht mehrfach 100 mm Hg trotz Behandlung.

Im Funktionssystem des Stoffwechsels/innere Sekretion ist die Diabetes mellitus-Erkrankung zu berücksichtigen. Nach B Nr. 15.1 VG gilt für die GdB Bewertung eines Diabetes mellitus: - Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Der GdB beträgt 0. - Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 20. - Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 30 bis 40. - Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und die durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapie-aufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdB beträgt 50. Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeW.s höhere GdB Werte bedingen. Vorliegend ist der Kläger mit Metformin behandelt, das – wie Dr. G. zutreffend dargestellt hat und dem Senat aus einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren auch bekannt ist– regelhaft keine Hypoglykämien auslösen kann. Der Kläger wird lediglich durch die Einnahme des Medikaments und die Ernährungsumstellung in seiner Lebensführung – mithin kaum – beeinträchtigt. Daher ist vorliegend der GdB mit 0 anzunehmen (B Nr. 15.1 VG). Soweit Dr. S. auf eine Insulinresistenz abstellt, ist dies ohne Bedeutung, denn der Kläger erhält nach ihren eigenen Ausführungen gerade keine Insulintherapie, sodass insoweit eine relevante Beeinträchtigung der Lebensführung nicht besteht. Soweit Dr. S. im Jahr 2014 aufgetretene häufige Heißhungerattacken begleitet von Schwindel und Zittrigkeit mehrmals pro Woche als hypoglykämieähnlich beschreibt, führt dies nicht zu einer Annahme eines GdB. Denn nach B Nr. 15.1 VG muss gerade die angewandte Therapie Hypoglykämien auslösen. Insoweit hat Dr. S. aber mitgeteilt, der Kläger nehme erst seit Mai 2015 Metformin, sodass dessen Anwendung im Jahr 2014 noch keine Hypoglykämien auslösen konnte. Eine andere Therapie hat Dr. S. auch nicht mitgeteilt, sodass der Senat zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Hypoglykämien des im Jahr 2014 unbehandelten oder unadäquat behandelten - nach der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. S. vom 29.09.2013 wohl zunächst nur durch diätische Ernährungsweise - Klägers entweder nicht der Therapie zuzurechnen sind oder wegen nur vorübergehendem kurzen Zeitintervall insoweit keinen GdB bedingen. Folgeerkrankungen des Diabetes sind nicht nachgewiesen. Der von Dr. S. ohne weitere Befunde mitgeteilte Verdacht einer diabetesbedingten Polyneuropathie genügt nicht als Grundlage einer GdB-Feststellung. Die Adipositas des Klägers ist ebenfalls im Funktionssystem des Stoffwechsels/innere Sekretion zu berücksichtigen. Nach B Nr. 15.3 VG bedingt die Adipositas allein keinen GdB. Nur Folge- und Begleitschäden (insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) können die Annahme eines GdB begründen. Diese wurden – soweit vorhanden – daher vom Senat bei der Bewertung des GdB in den zuvor dargestellten Funktionssystemen mitberücksichtigt.

Die von Dr. S. angegebenen Ohrgeräusche, Migräneanfälle und Sehstörungen (Blatt 62 der SG-Akte) konnten als eigenständige Krankheiten nicht objektiviert werden und können daher keine Basis einer GdB-Bewertung bilden.

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend ge-macht noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben zusammen mit den sachverständigen Zeugenauskünften und dem Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB mit 30, gebildet aus Einzel-GdB-Werten von - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Rumpfes (HWS/LWS), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine (Ferse) sowie - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Herzens, - wobei Teil-GdB-Werte von 10 regemäßig nicht erhöhend wirken - zu bemessen. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass ausgehend vom höchsten Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem des Rumpfes, Erhöhungen durch die festgestellten GdB-Werte von 10 nicht anzunehmen ist. Denn insoweit handelt es sich um leichtere Beeinträchtigungen, die – Ausnahmefälle i.S.v. A Nr. 3 Buchst. d) ee) VG liegen nicht vor – nicht zu einer Erhöhung des GdB führen. Damit war der GdB mit 30 festzustellen. Der abweichenden, nicht auf belastbaren Befunden beruhenden Einschätzung von Dr. S. konnte sich der Senat daher nicht anschließen.

Mit dem vom Senat festgestellten Gesamt-GdB von 30 hat der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere Feststellung des GdB.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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