Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 3073/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4764/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.09.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin seit 01.01.1997 gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Erst-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 50 statt 30 bzw. 40) zusteht.
Die 1952 geborene Klägerin, deutsche Staatsangehörige, ist Realschullehrerein. Seit 25.02.1997 besteht Dienstunfähigkeit (vgl. Schreiben des Oberschulamtes Stuttgart vom 18.04.1997, Blatt 10 der Beklagtenakte). Am 25.03.2010 beantragte die Klägerin beim Landratsamt R. (LRA) die (Erst-)Feststellung des GdB (zum Antrag vgl. Blatt 1/2 der Beklagtenakte; zu ihrer Stellungnahme vgl. Blatt 3/4 und zu den vorgelegten ärztlichen Unterlagen vgl. Blatt 5/89 der Beklagtenakte). Zu ihrem Antrag gab sie an, es bestehe ein CFS (Chronic Fatigue Syndrom), ein MCS (Multiple Chemical Sensivity), eine starke Schwermetallbelastung durch Blei, Quecksilber, Cadmium, eine chronische Kieferostitis, eine extreme Elektrosensibilität, eine Zahnwerkstoffunverträglichkeit, eine Erschöpfung und Allergien sowie Berufsunfähigkeit seit 1997. 1997 sei nach einer Zahnarztbehandlung ein Stoffwechselzusammenbruch erfolgt mit einem folgenden extremen Leidensweg. Sie sei durch die dauernden Umwelteinflüsse behindert. Durch die multiple chemische Sensibilität habe sie mit allergischen Reaktionen zu kämpfen, mit äußerst störenden, stundenlangen Migräneanfällen, Schmerzen und komplettem körperlichem Zusammenbruch. Durch die Elektro- und Frequenzsensibilität könne sie sich nicht in IT-Räumen oder um Moibiltelefone herum aufhalten. Sie könne daher weder Zug noch Bus fahren, noch sich in Räumen aufhalten, in denen Mobiltelefone vorhanden seien (Blatt 3/4 der Beklagtenakte). Der Allgemeinarzt Dr. S. (Blatt 89 der Beklagtenakte) gab an, die Klägerin wohne in einem von mehrstöckigen, mit Holzfeuerungen beheizten Mehrfamilienhäusern umgebenen Einfamilienhaus, wo wegen der eingeschlossenen Lage fortwährend Smog durch Rauchgase bestehe.
Auf der Grundlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 17.06.2010 (Blatt 90 der Beklagtenakte) lehnte das LRA mit Bescheid vom 17.06.2010 die Feststellung eines GdB ab. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen stellten keine Behinderungen im Sinne des SGB IX dar.
Auf den hinsichtlich der Höhe des GdB nicht näher konkretisierten Widerspruch der Klägerin vom 20.07.2010 (Blatt 94 der Beklagtenakte) holte das LRA die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 22.06.2010 (Blatt 95/96 der Beklagtenakte), der vorschlug, den GdB mit 20 zu bemessen. Nachdem die Klägerin ein weiteres Attest von Dr. S. vom 21.07.2010 (Blatt 99 der Beklagtenakte) vorgelegt hatte nahm Dr. G. erneut Stellung (Blatt 101/102 der Beklagtenakte) und verblieb bei seiner Einschätzung. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2010 (Blatt 104/105 der Beklagtenakte) stellte der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt - mit Stattgabe des Widerspruchs ab 25.03.2010 einen GdB von 20 fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden (Einzel-GdB 20); Allergie, vielfache Chemikalienunverträglichkeit (Einzel-GdB 10)).
Am 20.09.2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage mit Ziel, einen GdB 50 festzustellen, erhoben. Der Beklagte hat (Blatt 15/17 der SG-Akte) angeboten, im Wege des Vergleichs einen GdB von 30 seit 01.01.1997 festzustellen. Dies hat die Klägerin abgelehnt (Blatt 20/21 der SG-Akte) und zur Begründung der Klage angegeben, die gesundheitlichen Funktionsbeeinträchtigungen seien gravierend. Sie leide unter einem schwerwiegenden psychovegetativen Erschöpfungssyndrom einhergehend mit einer Überempfindlichkeit gegen zahlreiche chemische Stoffe und elektrophysikalische Strahlungen. Dies wirke sich in Form einer besonders schweren Migräne aus, unter der sie über 50 % ihrer Lebenszeit leide. Des Weiteren leide sie unter Beeinträchtigungen eines vernarbten Bauches wegen einer Blinddarmoperation. Größere Belastungen seien zu vermeiden. Die Beweglichkeit sei eingeschränkt. Der Kiefer und die Zähne seine unterversorgt. Sie habe ein Lückengebiss. Auch dies sei stark belastend, da der Kiefer ständig entzündet sei und aufgrund der Unterversorgung starke Beeinträchtigungen beim Essen und Beißen bestünden. Zudem leide sie unter ständigen Schmerzen in den Zähnen. Die bei ihr festgestellte multiple chemische Sensitivität (MCS) sei als ein Somatisierungssyndrom anzusehen. Da sie sich nicht mehr in bestimmten Räumen und insbesondere nicht mehr in der Nähe von Handys aufhalten könne, sei ihre Erlebnisfähigkeit stark eingeschränkt. Sie leide unter den ständigen Vermeidungshaltungen. Hinzu komme ein chronisches Erschöpfungssyndrom. Insgesamt ergebe sich daher ein Gesamt-GdB von 50. Zu ihrer Klage hat die Klägerin vorgelegt: - ein Attest von Dr. S. vom 16.03.2011 (Blatt 22 der SG-Akte), - einen Bericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. H. vom 01.12.2011 (Blatt 66 der SG-Akte), - einen Befundbericht des Internisten, Nephrologen, Umweltmediziners Prof. Dr. Hu. vom 03.12.2012 (Blatt 151/156 der SG-Akte), - einen Bericht von Dr. E. vom 18.04.1986 (Blatt 225/226 der SG-Akte) und - einen OP-Bericht vom 09.04.1986 (Blatt 227 der SG-Akte).
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 28, 29/30, 32/49 der SG-Akte Bezug genommen. Der Arzt für Allgemeinmedizin, Homöopathie Dr. S. hat in seiner schriftlichen Antwort vom 03.05.2011 angegeben, zur Bewertung des GdB könne er nur pauschal sagen, dass auf Grund der Vielschichtigkeit und Schwere der Erkrankung 30 % als viel zu wenig erscheinen. Der Zahnarzt Dr. Sp. hat in seiner Stellungnahme vom 04.05.2011 ausgeführt, eine detaillierte Funktionsdiagnostik sei wegen der Unmöglichkeit einer anschließenden Funktionstherapie nicht in die Wege geleitet worden.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 14.12.2011 (zur Niederschrift vgl. Blatt 64 der SG-Akte) hat das SG den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat angegeben (Blatt 71 der SG-Akte), es bestehe ein kariöser, noch unversorgter Zahnstatus, keine Muskeleigenreflexdifferenzen, keine sensiblen oder motorischen Defizite und eine Narbe im Unterbauch.
Die Klägerin regte mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 04.01.2012 (Blatt 73/74 der SG-Akte) an, den Rechtsstreit im Vergleichswege durch Gewährung eines GdB von 40 seit 01.01.1997 zu beenden. Dies lehnte die Beklagte unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. ab (Blatt 76/77 der SG-Akte).
Nunmehr machte die Klägerin (Blatt 79/80 der SG-Akte) einen umfassenden Zahnverlust geltend. Die Zähen seien unbrauchbar und funktionslos. Auch liege eine starke somatoforme Störung vor. Nachdem sich auch die Klägerin selbst gegenüber dem SG geäußert hatte (Blatt 84/85 der SG-Akte), regte ihr Bevollmächtigter erneut die vergleichsweise Beendigung auf Grundlage eines GdB von 40 an (Blatt 88/89 der SG-Akte).
Das SG hat daraufhin den Zahnarzt Dr. Gö. als sachverständigen Zeugen befragt, der in seiner Antwort vom 13.06.2012 (Blatt 97/99 der SG-Akte) Kunststofffüllungen in den Zähnen 13-18, 25, 26, 34-37, 44, 45 und 48 sowie das Fehlen der Zähne 24, 46, 47, 38 und 48 mitgeteilt hat.
Der Beklagte hat nun angeboten, den Rechtsstreit durch Vergleich über einen GdB von 30 seit 01.01.1997 und von 40 seit 26.07.2011 (Nachweis der Verschlimmerung) zu beenden (Blatt 103/106 der SG-Akte), was die Klägerin abgelehnt hat.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. St. hat in seinem vom SG beauftragten Gutachten vom 20.07.2012 (Blatt 109/135 der SG-Akte) eine Somatisierungsstörung diagnostiziert, die er mit einem GdB von 30 bewertete. Den Gesamt-GdB bewertete er ebenfalls mit 30. Dem hat die Klägerin entgegen gehalten (Blatt 138/141 der SG-Akte), der Gutachter sei bezüglich Umweltmedizin, Vergiftung, Allergie und MCS nicht auf dem Stand der Wissenschaft. Auch fehle eine Auseinandersetzung mit der Symptomatik der umweltbedingten Zwangsstörungen.
Nachdem der Beklagte an seinem Vergleichsangebot festgehalten hatte (Blatt 145/147 der SG-Akte), teilte die Klägerin mit, es bestehe kein Einverständnis mit einem Vergleichsschluss über einen GdB von 40, da die langjährigen Funktionsbeeinträchtigungen einen GdB von 50 rechtfertigten (Blatt 148/149 der SG-Akte).
Das SG hat Prof. Dr. Hu. als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt. In seiner Antwort vom 29.04.2013 (Blatt 168/218 der SG-Akte) hat dieser angegeben, ein GdB von 40 sei aus seiner Sicht keineswegs ausreichend. Das chronische Erschöpfungssyndrom und die hochgradige Parodontitis seien nicht bewertet.
Daraufhin hat die Klägerin (Blatt 220/221 der SG-Akte) angegeben, die Somatisierungsstörung stehe nicht im Vordergrund sondern die MCS, die eigens klassifiziert werden müsse. Weiterhin sei der sichtbare Narbenbauch, die Bauchfellverwachsung und die massiven peritonealen Adhäsionen nicht berücksichtigt. Es bestehe eine starke Einschränkung der Darmperistaltik und eine Entstellung.
Unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. G. vom 08.07.2013, der die abdominellen Beschwerden bei der bisherigen Bewertung miterfasst sah, alternativ für den Verwachsungsbauch einen eigenständigen, wegen erheblicher Überschneidungen jedoch nicht Gesamt-GdB-erhöhenden GdB von 10 bis 20 vorschlug, trat der Beklagte der Einschätzung von Prof. Dr. Hu. entgegen.
Mit Urteil vom 30.09.2013 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 17.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2010 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, ab 01.01.1997 einen GdB von 30 und ab 29.04.2010 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Das Gericht folge der Beurteilung des Dr. St ... Bei der Klägerin liege als Haupterkrankung eine Somatisierungsstörung vor. Insgesamt sei es gerechtfertigt, von einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zu sprechen und den GdB insoweit mit 30 zu bewerten. Daneben liege eine prothetisch nur unzureichend erfolgte Versorgung des Gebisses der Klägerin vor, welche eine Funktionsbehinderung beim Kauen bzw. Essen zur Folge habe. Darüber hinaus bestünden starke Hypersensibilitäten, weil die Dentinoberflächen großflächig frei lägen. Insoweit sei ein GdB von 20 zugrunde zu legen und zwar seit 29.04.2010, also dem Tag an dem Dr. Sp. den mit Befundbericht vom 04.05.2011 mitgeteilten Befund erhoben habe. Daraus sei abzuleiten, dass die Einschränkung der Kaufunktion und die Kiefergelenkbeschwerden einschließlich der Hypersensibilitäten der Zähne bereits länger vorlägen, als von dem Beklagten angenommen. Dokumentiert seien diese aber durch den Bericht des Dr. Sp. , der auf eine Befunderhebung vom 29.04.2010 zurückgehe. Hinsichtlich der abdominellen Beschwerden bei möglichen Verwachsungen nach Blinddarmoperation bereits im 5. Lebensjahr sei zu konstatieren, dass diese von dem Sachverständigen Dr. St. mit dem gesamten Beschwerdekomplex erfasst worden seien. Dies sei auch gerechtfertigt, weil sich nach dem Arztbrief des Dr. H. vom 01.12.2011 ergebe, dass sich sonografisch kein wegweisender Befund für eine Abdominalsymptomatik ergeben habe und dieser bereits in einem früheren Bericht vom 30.03.2011 von einer funktionellen bzw. psychovegetativen Überlagerung der abdominellen Symptomatik ausgegangen sei. Selbst wenn ein GdB von 10-20 angesetzt würde, ergäbe sich keine Erhöhung des Gesamt-GdB aufgrund der erheblichen Überschneidung mit der psychischen Überlagerung. Die von der Klägerin geklagte "Migräne" sei ebenfalls bei der Somatisierungsstörung integrativ zu betrachten. Es lägen weder eine neurologisch echte Migräne noch ein Spannungskopfschmerz oder ein anderes eigenständiges neurologisches Kopfschmerzsyndrom vor.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 04.10.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31.10.2013 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 06.11.2013) Berufung eingelegt. Sie leide unter einer seelischen Störung. Es bestehe fortlaufend ein schwerwiegendes psychovegetatives Erschöpfungssyndrom. Richtigerweise müsse man hier von einer schweren Störung ausgehen, da es sich um eine schwerwiegende Zwangskrankheit handele, wenn sie durch die multiple chemische Sensitivität so stark beeinträchtigt sei, dass sie nicht mehr am Alltag teilnehme, Kontakt mit Menschen und Öffentlichkeit vermeide, nicht mehr telefonieren könne und ihre aktuelle Lebensgestaltung auf ein Minimum einschränken müsse. Selbst wenn man lediglich von einer stärker behinderten Störung ausgehe, so sei festzustellen, dass die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich eingeschränkt und die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft so gut wie aufgehoben sei. Sie leide auch unter einer echten Migräne mit schweren Verlaufsformen. Es bestünden häufig lang andauernde Anfälle, die zwischen 12, 15, 18 und 24 Stunden andauerten, mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen (völlige Abgeschiedenheit in einem dunklen Raum) und nur kurz anhaltenden Anfallspausen. Auch sei die echte Migräne nicht bei einer Somatisierungsstörung integrativ zu betrachten. Der Kiefer und die Zähne seien unterversorgt, sie habe ein Lückengebiss. Dies sei stark belastend, da der Kiefer ständig entzündet sei und die Entzündungen starke Schmerzen verursachten. Es bestehe eine Beeinträchtigung beim Essen und Beißen. Zudem entstünden ständig starke Verspannungen im Nacken. Die Kieferentzündungen führten wohl auch zu dauerhaften Augenschmerzen. Der schlechte Zahnstatus mit Beeinträchtigung des Kiefers sei mit einem GdB von 20 zu bewerten und eindeutig nicht integrativ zur Somatisierung hinzuzuzählen, denn der Zahnstatus sei rein funktional zu betrachten. Es bestehe ein umfassender Zahnverlust, der mehr als ein halbes Jahr prothetisch nur unzureichend versorgt sei. Dies möge zwar an somatisierungsbedingtem Verhalten liegen, allerdings komme es bei der Einschätzung des GdB ausschließlich auf den Zustand an und nicht auf die Therapiefähigkeit oder Therapiewilligkeit. Die MCS sei wohl als Somatisierungssyndrom anzusehen. Diese sei im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkung zu beurteilen. Sie könne sich nicht mehr in bestimmten Räumen aufhalten, reagiere auf Gerüche und Schadstoffe. Sie könne sich auch nicht in der Nähe von Handys oder anderen Sende- oder Empfangsstationen aufhalten. Hierdurch sei ihre Erlebnisfähigkeit insgesamt stark eingeschränkt, weil sie unter ständigen Vermeidungshaltungen leide, stark zurückgezogen lebe, sich nicht mehr in die Öffentlichkeit traue und sich nicht mehr anpassen könne. Hinzu komme ein chronisches Erschöpfungssyndrom aufgrund der empfundenen Beeinträchtigungen. Die Somatisierungsstörung sei so stark ausgeprägt, dass wesentliche funktionelle Einschränkungen im allgemeinen Leben bestünden, was mit einem Einzel-GdB von mindestens 30 zu berücksichtigen sei. Wenn die MCS weiterhin integrativ als Somatisierungsstörung zu berücksichtigen sei, so seien die Auswirkungen jedenfalls so stark, dass bei der seelischen Störung ein Einzel-GdB von 50 zu gewähren sei. Des Weiteren bestünden immer noch intraabdominelle Verwachsungen, peritoneale Adhäsionen (Narbenbauch) und Bauchfellverwachsungen nach Appendix-Perforation. Sie leide seit Jahrzehnten an beständigen Schmerzen und abdominellen Problemen. Es bestehe eine starke Einschränkung der Darmperistaltik und eine entstellende Wirkung durch die Narben. Der sichtbare Narbenbauch mit seinen Funktionsbeeinträchtigungen sei mit einem GdB von 30 zu berücksichtigen. Die nicht behandelten Zähen seien weiterhin aufgrund der MSC nicht behandelbar (Blatt 22/23 der Senatsakte). Es gelte auch nicht das Verursacherprinzip, weshalb es nicht darauf ankomme, ob die Funktionsbeeinträchtigungen durch Operationen oder Therapien verändert werden könnten. Die MCS hindere sie an einem normalen Alltagsleben.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.09.2013 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2010 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von 50 seit 01.01.1997 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege auf psychiatrischem Fachgebiet keine schwere, sondern eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bzw. mittelgradigen Einschränkungen im täglichen Leben vor.
Die Klägerin hat vorgelegt: - ein Attest von Dr. S. vom 21.02.2014 (Blatt 25 der Senatsakte), - einen Auszug aus einem Bericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. K. vom 13.02.2014 (Blatt 26 der Senatsakte), - einen Auszug aus einem Bericht des Klinikverbundes S. vom 18.04.1986 (Blatt 27 der Senatsakte), - einen Internetausdruck über die offizielle Anerkennung von MCS (Blatt 28 der Senatsakte), - einen Bericht des DIMDI, Dr. Kü. , vom 04.09.2008 (Blatt 43 der Senatsakte), - den Aufsatz von Nasterlack/Kraus/Wrbitzky "Multiple Chemicl Sensivity" (Blatt 44 der Senatsakte) und - einen Internetausdruck "Behinderung" (Blatt 45/47 der Senatsakte).
Der Senat hat ein Gutachten bei Dr. S. , Internist, Lungen- und Bronchialheilkunde, Schlafmedizin, Umweltmedizin, in Auftrag gegeben. Dr. S. hat mitgeteilt (Blatt 33 der Senatsakte), die Erkrankungen beträfen nicht den pneumologischen Fachbereich und hat um Entlassung aus dem Gutachtensauftrag gebeten. Die Klägerin hat telefonisch (Blatt 34 der Senatsakte) mitgeteilt, sie verstehe nicht, weshalb sie von einem Lungenarzt untersucht werden solle. Des Weiteren hat die Klägerin telefonisch mitgeteilt (Blatt 39/40 der Senatsakte), die MCS sei unzureichend berücksichtigt. Prof. Dr. Hu. meine, alleine wegen der MCS sei ein GdB von 40 zu niedrig. Das Wichtigste sei aber der Verwachsungsbauch.
Der Senat hat nunmehr Gutachten bei Dr. B. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, und Dr. Schu. , Internist und Sozialmediziner, in Auftrag gegeben. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 19.09.2014 (Blatt 53/109 der Senatsakte) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der MCS angegeben, eine organisch-somatisch begründete körperliche Störung liege im nervenärztlichen Fachgebiet nicht vor. Hingegen liege eine vielschichtige Persönlichkeitsakzentuierung vor. Im somatischen Bereich beklagte Beschwerden ohne organisch erklärende Befunde würden von der Klägerin einer MCS zugeschrieben. Aus nervenärztlichem Blickwinkel liege eine (im weitesten Sinne) Befindlichkeitsstörung (auf dem Boden konversionsneurotischer, zum Teil auch phobischer und somatoformer Mechanismen) ohne weiterreichende Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bzw. der Teilhabe vor; die bislang völlig unzureichend (nämlich insbesondere nicht psychotherapeutisch) behandelt sei. Seit der Blinddarmoperation im Alter von 5 Jahren bestünden nach den Angaben der Klägerin "Verwachsungsbauchbeschwerden". Nach Art der Beschwerdeschilderung aus nervenärztlicher Sicht liege eine breite Überlappung mit den genauso auch im Kontext mit der sogenannten MCS reklamierten Beschwerden vor. Den etwaigen somatischen Part oder Kern der Beschwerden könne er als Nervenarzt nicht beurteilen. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom (im Sinne einer über das übliche Maß hinausgehende eigenständige Schmerzsymptomatik) sei nicht abzubilden. Die im neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet zu beurteilenden psychischen Störungen seien als leichtere psychische Störungen zu bewerten, insofern, als sie keine bereits wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit begründeten. Die psychischen Störungen seien in der Zusammenschau mit einem Einzel-GdB von 20 einzuschätzen. Nehme man einen gesonderten Einzel-GdB von 20 für die Funktionsbehinderung der Kiefergelenke hinzu, so ergebe sich aus nervenärztlichem Blickwinkel ein Gesamt-GdB von 30. Dr. Schu. hat in seinem Gutachten vom 30.12.2014 (Blatt 115/139 der Senatsakte) funktionelle Organbeschwerden, ein Kopfschmerzsyndrom, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine seelische Störung, eine Allergie, eine vielfache Chemikalienunverträglichkeit, ein funktional stark eingeschränktes Gebiss bei Unverträglichkeit von Dentalmaterialien und wiederkehrende Abdominalbeschwerden bei Verwachsungen nach Blinddarmoperation (Adhaesiolyse 1986) diagnostiziert. Die funktionellen Organbeschwerden, das Kopfschmerzsyndrom, die chronisches Schmerzsyndrom, die seelische Störung, die Allergie und die vielfache Chemikalienunverträglichkeit hat er mit einem Einzel-GdB von 20, das funktional stark eingeschränkte Gebiss bei Unverträglichkeit von Dentalmaterialien mit einem GdB von 20 und die wiederkehrende Abdominalbeschwerden bei Verwachsungen nach Blinddarmoperation; Adhaesiolyse 1986, mit einem GdB von 10 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er auf 30 geschätzt.
Hierzu hat die Klägerin (Blatt 140/141 der Senatsakte) vortragen lassen, es bestünden entgegen der Auffassung des Gutachters massive Adhäsionen, die nach den üblichen Kriterien mit einem GdB von 30 bis 50 zu bewerten seien. Sie habe jeden Tag Schwierigkeiten mit der Peristaltik, leide unter Zugschmerzen, unter Bewegungseinschränkungen sowie unter einer erheblichen Gasentwicklung in diesem Bereich, auch die Darmflora sei erheblich gestört. Der Gutachter wolle sie wohl als Leidtragende einer erzieherischen Überreaktion der Eltern darstellen. Dies weise sie von sich. Auch durch die Bauchspiegelung/Koloskopie 1986 seien die Verwachsungen nicht gelöst worden. Sie leide weiterhin unter den entsprechend Beeinträchtigungen. Da sich die Beschwerden auch nicht behandeln ließen, gebe es hierüber keine weitergehende Dokumentation. In den mehrfach durchgeführten Sonografien sei die Problematik im Wesentlichen bestätigt worden. Eine weitere Dickdarmuntersuchung würde zu ganz erheblichen Risiken führen, die Adhäsionen könnten verletzt werden. Die Untersuchung und der Erkenntnisgewinn stünden nicht im Verhältnis zum real existierenden Risiko für sie, so dass sie zu einer derartigen Untersuchung weder verpflichtet sei, noch würde diese Untersuchung weitergehende Erkenntnisse erbringen können. Selbstverständlich bestünde eine dauerhafte Passagestörung im Darmbereich. Der Nahrungsbrei staue sich an den Verwachsungen und führe zu den beschriebenen Problemen. Auch liege ein mechanischer Ileus durch die Verwachsungen vor. Auch der Übergang von Dünndarm zu Dickdarm sei gestört. Des Weiteren sei nicht nachvollziehbar, wieso Dr. Schu. sich negativ zur Begutachtung von Dr. St. äußere, der nicht gerade als wohlwollender Gutachter bekannt sei.
Mit Schreiben vom 11.02.2015 (Blatt 142 der Senatsakte, der Klägerin am 16.02.2015, dem Beklagten am 18.02.2015 (Blatt 142a und 143a der Senatsakte) zugestellt) wurden die Beteiligten auf die beabsichtigte Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen, ihnen war Gelegenheit gegeben worden sich zu äußern. Die Klägerin hat gebeten, die Entscheidung bis 10.04.2015 zurückzustellen, da sie sich zunächst mit ihrem Bevollmächtigten besprechen wolle (Blatt 144 der Senatsakte); dies wurde ihr gewährt (Blatt 145 der Senatsakte). Eine weitere inhaltliche Reaktion der Klägerin erfolgte seither nicht mehr.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss über die Berufung entscheiden, denn das SG hatte nicht durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG entschieden und der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten waren gehört worden.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet. Der Klägerin steht seit 01.01.1997 kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als vom SG zuerkannt (30 bzw. ab 29.04.2010: 40) zu; die Klägerin wird nicht in ihren Rechten verletzt.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP - "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" aus den Jahren 1996 bzw. 2004, 2005 bzw. 2008 -, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Dabei stellen die VG – vorgehend die AHP - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die zunächst im Allgemeinen nach Funktionssystemen (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) getrennt, später nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die Funktionsbehinderungen, die im Allgemeinen in den einzelnen Funktionssystemen (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) bewertet werden, in ihrer Gesamtschau bei der Klägerin einen Gesamt-GdB von 50 nicht rechtfertigen, weshalb sie keinen Anspruch auf Feststellung eines entsprechenden GdB hat und die Berufung zurückzuweisen war. Dabei weist der Senat darauf hin, dass es auch keinen Anspruch auf Feststellung bzw. Darstellung einzelner Erkrankungen mit einem einzelnen GdB gibt. Vielmehr sind die Funktionsbehinderungen, nicht die Erkrankungen, im Allgemeinen in den jeweiligen Funktionssystemen zu bewerten.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (vgl. A Nr. 2 Buchst e) VG; vgl. dazu auch AHP 1996, 2004 und 2008 RdNr. 26.3) hat der Gutachter Dr. B. eine vielschichtige Persönlichkeitsakzentuierung sowie eine Befindlichkeitsstörung feststellen können. Der Gutachter Dr. St. hat eine seelische Störung im Sinne einer Somatisierungsstörung angegeben, jedoch im Ergebnis dieselben Symptome beschrieben, wie Dr. B ... Von dieser Beschreibung erfasst sind auch das von der Klägerin angegebene psychovegetative Erschöpfungssyndrom sowie die MCS, das angegebene Schmerzsyndrom und die Kopfschmerzen/Migräne. Vorliegend waren die Schmerzen auch diesem Funktionssystem zuzuordnen, da sie gerade nicht einem bestimmten anderen Funktionssystem zugeordnete werden konnten und daher im Rahmen des Funktionssystems des Gehirns einschließlich der Psyche zu bewerten waren. Auch die MCS war nach B 18.4 VG in diesem Funktionssystem zu bewerten, denn die Fibromyalgie, das Chronische Fatigue Syndrom (CFS), die Multiple Chemical Sensitivity (MCS) und ähnliche Syndrome sind jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Dabei ist es unerheblich, dass die MCS umweltmedizinische Ursachen haben dürfte, denn insoweit ist nicht die Ursache bzw. die Erkrankung sondern deren funktionelle Auswirkungen dort zu bewerten, wo diese Auswirkungen auftreten. Diese Auswirkungen zeigen sich aber bei der Klägerin gerade im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche und in den in diesem Funktionssystem erfassten, andere Funktionssysteme übergreifenden Beeinträchtigungen. Organische neurologische oder psychiatrische Erkrankungen konnten beide Gutachter ausschließen. Daher waren die funktionellen Beeinträchtigungen zunächst nach B 3.7 VG zu bewerten. Danach gilt folgendes: Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen GdB 0-20 Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) GdB 30-40 Schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten GdB 50-70 mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten GdB 80-100
In Anbetracht dieser Bewertungsvorgaben musste der Senat feststellen, dass die vom Beklagten und dem SG getroffene Bewertung der Funktionsbehinderungen in diesem Funktionssystem mit einem Einzel-GdB von 30 jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin rechtswidrig zu niedrig war. So fehlt die nach der Rechtsprechung des Senat zur Zuerkennung eines GdB von 30 nach B 3.7 VG erforderliche – und vorliegend von den Ärzten auch im Fall der Klägerin dringend angeratenen – regelmäßige fachärztliche, therapeutische Behandlung der Klägerin. Auch einen wesentlichen Rückzug aus der sozialen Umwelt konnten die Gutachter nicht bestätigen. So hat die Klägerin gegenüber Dr. St. (Blatt 115 der SG-Akte = Seite 7 des Gutachtens) angegeben, sie gehe Schwimmen, lese Zeitung und sehe Fern, treffe sich mit Bekannten ein- bis zweimal pro Woche und sei in Tunesien im Urlaub gewesen, obwohl sie nicht gerne fliege. Dem Gutachter Dr. B. hat die Klägerin mitgeteilt (Blatt 54 der Senatsakte = Seite 2 des Gutachtens), viel für ihre Söhne zu machen, von denen einer noch ganz, der andere noch "halb" zu Hause sei. Sie macht Yoga in einem S. Studio mit ca. 20 Leuten (Blatt 57 der Senatsakte = Seite 5 des Gutachtens), längere Spaziergänge auf der Alb, alleine oder mit der Mutter zusammen (Blatt 58 der Senatsakte = Seite 6 des Gutachtens), gehe gerne in Konzerte, auch auf Flohmärkte (Blatt 59 der Senatsakte = Seite 7 des Gutachtens). Diese soziale Alltagsgestaltung, die im Übrigen durch Garten-, Hausarbeit und die Betreuung der Söhne geprägt ist, zeigt, dass ein wesentlicher sozialer Rückzug gerade nicht stattgefunden hat. Auch die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist nicht wesentlich eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat der Beurteilung durch Dr. Schu. mit einem Teil-GdB von 20 anschließen. Eine Zwangsstörung konnte keiner der behandelnden Ärzte und auch nicht die Gutachter feststellen. Der vom SG angenommene Einzel-GdB von 30 kann daher allenfalls unter Berücksichtigung der angegebenen Kopfschmerzen/die Migräne und einer Bewertung als mittelgradige Verlaufsform im unteren Bewertungsbereich mit einem Teil-GdB von 20 gerechtfertigt erscheinen, wie auch Dr. B. für den Senat überzeugend darstellen konnte (Blatt 98 der Senatsakte = Seite 46 des Gutachtens). Insoweit treten die Kopfschmerz-/Migräneanfälle lediglich im Zusammenhang mit der MCS und Geruchsemmissionen auf (Blatt 117 der SG-Akte = Seite 9 des Gutachtens Dr. St. ). Diese Anfälle konnte der Senat aber weder täglich noch wöchentlich feststellen; so hat die Klägerin in der Beschreibung ihres Tagesablaufs bei Dr., St. und Dr. B. keine wesentlichen, auf Kopfschmerzen und Migräne zurückzuführenden Lücken im Alltagsablauf beschrieben. Auch wenn die Klägerin angegeben hat, diese Anfälle dauerten zwischen 12, 15, 18 und 24 Stunden, so liegen hierzu keinerlei ärztliche Belege vor, auch der angegebene Tages- und Wochenablauf spricht gegen eine regelmäßige und langandauernde Symptomatik. Gerade die befragten behandelnden Ärzte konnten aber insoweit eine starke Ausprägung nicht darstellen. Daher konnte der Senat hier allenfalls einen Teil-GdB von 20 annehmen. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche zu Gunsten der Klägerin allenfalls einen Einzel-GdB von 30 annehmen. Mitberücksichtigt sind dabei die von der Klägerin als Allergie beschriebenen Reaktionen auf Gerüche und Elektrostrahlungen sowie auf sonstige Stoffe, die sich vor allem die Unverträglichkeit mit Dentalmaterial und bestimmten Nahrungsmitteln zeigt. Miterfasst sind auch die Beschwerden der Augen, die nicht losgelöst von den Beeinträchtigungen durch die MCS-Erkrankung gesehen werden kann und sich mittlerweile gebessert darstellt; selbständige, objektivierbare Beeinträchtigungen des Sehorgans i.S.d. B 4 VG liegen nicht vor.
Im Funktionssystem der Verdauung waren die von der Klägerin angegebenen intraabdominelle Verwachsungen, die peritoneale Adhäsionen (Narbenbauch), die Bauchfellverwachsungen, die Darmbeschwerden sowie die aus den Operationen resultierenden Narben zu berücksichtigen. Die äußerlichen Narben am Bauch begründen dabei jedoch keinen Teil-GdB. Denn aus ihnen folgen keine Funktionsbeeinträchtigungen der Bauchdecke. Auch wenn die Klägerin diese als optisch störend und verunstaltend empfindet, so sind diese Narben durch gewöhnliche Kleidung verdeckbar. Auch stellt die Optik jedenfalls am Bauch keine Funktionsbehinderung dar. Darüber hinaus konnte Dr. Schu. bei seiner Begutachtung auch keine funktionellen Defizite der Bauchdecke darstellen. Im Übrigen ist nach B 10.2 VG (vgl. dazu auch AHP 1996, 2004 und 2008 RdNr. 26.10) bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darmkanals der GdB nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und nach der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen. Bei allergisch bedingten Krankheiten ist auch die Vermeidbarkeit der Allergene von Bedeutung. Dr. Schu. konnte bei der Untersuchung der Klägerin angeben, dass der optische Eindruck der Klägerin weitgehend ihrem kalendarischen Alter entspricht und der Ernährungszustand sowie der Kräfte- und Allgemeinzustand altersgerecht sind (Blatt 123 RS der Senatsakte = Seite 18 des Gutachtens). Bei seiner Untersuchung konnte Dr. Schu. hinsichtlich des Beschwerdebilds keine schwerwiegende Adhäsionsymptomatik erkennen. Passagestörungen und Ileussymptomatik hatte die Klägerin weder spontan angegeben, noch konnte der Gutachter diese durch Fragen feststellen. Die von der Klägerin geäußerten Beschwerden hat Dr. Schu. insofern eher unspezifisch und nicht als schwerwiegend eingestuft. Objektiv fanden sich weder ein erheblicher Meteorismus des Abdomens, noch eine gesteigerte Peristaltik. Die verschiedenen Laboruntersuchungen, welche im Hinblick auf mögliche Verdauungsstörungen durch Motilitätsstörungen des Darmes gemacht wurden, zeigten keine pathologischen Ergebnisse. Insgesamt konnte sich der Senat daher davon überzeugen, dass die von den Verwachsungen ausgehenden Beschwerden als leicht einzustufen sind. Dem entspricht auch, dass nach der im 5. Lebensjahr erfolgten Appendektomie erst eine Bauchspiegelung 1986 dokumentiert ist, bei welcher Verwachsungen gelöst wurden. Die weiteren medizinischen Belege enthalten über Jahre hin zunächst kaum Hinweise auf weiterhin vorhandene Bauchbeschwerden. Auch die Kurberichte lassen keine abdominelle Problematik erkennen. Erst in den letzten Jahren wurden mehrfach Sonografien deshalb durchgeführt, wobei die dann noch vorgeschlagenen Dickdarmuntersuchungen bislang nicht durchgeführt wurden. Aber selbst wenn man die zuletzt mit Scheiben ihres Bevollmächtigten vom 06.02.2015 von der Klägerin behaupteten Schwierigkeiten mit der Peristaltik, Zugbeschwerden, Bewegungseinschränkungen, erheblichen Gasentwicklungen, Passagestörungen und Druckschmerzen berücksichtigt, so konnte sich der Senat nicht von erheblichen Beschwerden überzeugen. So konnte der Senat einen Ileus (Darmverschluss) auf Grundlage der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und des Gutachtens von Dr. Schu. gerade nicht feststellen. Auch dass die Passagestörungen erheblich wären, konnte der Senat nicht feststellen. Diese hatte die Klägerin weder in ihrer Klagebegründung noch der Berufungsbegründung und auch nicht in dem direkt an Dr. Schu. gerichteten Schreiben vom 14.11.2014 (Blatt 129 der Senatsakte) oder beim Gutachter selbst vorgetragen, weshalb die erstmalige Darstellung nach der Begutachtung nun als interessengeleitete Einlassung verstanden werden muss. Dr. Schu. und auch kein anderer Arzt konnte erhebliche Passagestörungen darstellen. So konnte Dr. S. in seinem letzten Attest vom 21.02.2014 (Blatt 25 der Senatsakte) lediglich von schmerzhafter Peristaltik und Darmentleerungsstörungen berichten. Er hat jedoch keine erheblichen Passagestörungen mitteilen können. Ebenso konnte Prof. Dr. Hu. solche nicht mitteilen. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat unter Zugrundelegung eines Vergleichs mit den unter B 10.2 VG, insbesondere der unter B 10.2.3 und B 10.2.2 VG (vg. dazu auch AHP 1996, 2004 und 2008 RdNr. 26.10), beschriebenen Funktionsbehinderungen den Einzel-GdB für das Funktionssystem der Verdauung lediglich mit 10 ansetzen. Insoweit folgt der Senat der Einschätzung von Dr. Schu. in dessen Gutachten. Die vorhandenen Allergien betreffen im Wesentlichen nicht die Verdauung und waren daher nicht in diesem Funktionssystem zu bewerten; im Übrigen könne die Allergien, wie Dr. H. angab (Blatt 48 der SG-Akte) mit laktosefreier Kost und damit einfach angegangen werden.
Hinsichtlich der funktionellen Beeinträchtigungen, die im Zusammenhang mit den Zähnen der Klägerin auftreten, konnte der Senat einen höheren Einzel-GdB als 20 seit 29.04.2010 nicht annehmen; der vom SG angenommene Einzel-GdB ist insoweit jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin rechtswidrig zu niedrig. Da bei der Klägerin kein Lippendefekt, keine schwere Funktionsstörung der Zunge durch Gewebsverlust, narbige Fixierung oder Lähmung, kein Verlust eines Teiles des Unterkiefers mit schlaffer Pseudarthrose und auch kein Verlust eines Teiles des Oberkiefers, kein ausgedehnter Defekt des Gaumens, keine Lippen-, Kiefer-, Gaumen- und Segelspalten, keine Schluckstörungen, kein Verlust des Kehlkopfes, keine Tracheostoma und auch keine funktionelle und organische Stimmstörungen sowie keine Artikulationsstörungen bestehen kommt hinsichtlich der Bewertung der funktionellen Folgen der geltend gemachten Zahnerkrankungen lediglich eine Bewertung nach B 7.4 VG (vgl. dazu auch AHP 1996, 2004 und 2008 RdNr. 26.7) in Betracht. Danach wird ein umfassender Zahnverlust, der über ein halbes Jahr hinaus prothetisch nur unzureichend zu versorgen ist, mit einem GdB von 10 bis 20 bewertet. Voraussetzung ist, dass es sich um einen umfassenden Zahnverlust handelt. Dabei ist grds. davon auszugehen, dass mit dem Begriff des umfassenden Zahnverlusts i.S.v. B 7.4 VG ein Fehlen der mehr als überwiegenden Zahl der Zähne gemeint ist. Daher ist auf das Fehlen von Zähnen abzustellen, nicht bloß auf deren funktionelle Untauglichkeit zum Kauen und Beißen. Unabhängig davon kommt selbst für den umfassendsten, mithin totalen Zahnverlust lediglich ein Einzel-GdB von maximal 20 in Betracht (dazu vgl. Bayerisches LSG 20.07.2011 – L 16 SB 141/08 – juris RdNr. 53). Selbst diesen angenommen kann der Gesamt-GdB aber vorliegend nicht auf 50 erhöht werden (dazu s. u.). Auch waren diese Funktionsbehinderungen – wie das SG zutreffend ausgeführt hat - erst ab objektiver Dokumentation anzunehmen, mithin erst seit der Dokumentation von Dr. Sp. vom 29.04.2010. Zuvor konnte der Senat diesen Einzel-GdB auch nicht – wie ab dem 29.004.2010 geschehen - im Ansatz zu Gunsten der Klägerin annehmen. Der weiter befragte Zahnarzt Dr. Gö. konnte bei Erstuntersuchung der Klägerin keine vor der Dokumentation von Dr. Sp. liegenden Befunde mitteilen. Soweit Dr. R. (Blatt 17 der Beklagtenakte) am 20.04.1997 einen teils provisorisch versorgten, teils dringend sanierungsbedürftigen unbehandelten Zustand beschreibt, lässt sich daraus noch kein Zustand eines umfassenden Zahnverlustes ablesen. Gleiches gilt für auch für die auf Blatt 23 bis 26 der Beklagtenakte vorliegenden Heil- und Kostenpläne. Auch dass eine umfassende Zahnsanierung im Jahr 1996 durchgeführt wurde (Blatt 69 der Beklagtenakte = Attest Dr. Schä. vom 06.03.1998), lässt noch keinen Rückschluss auf einen umfassenden Zahnverlust zu, denn der Zahnverlust geht über eine bloße Behandlungsbedürftigkeit, wie sie aus dem Attest von Dr. Schä. allenfalls abzuleiten wäre, hinaus. Der Zahn-Mund-Kieferbefund vom 11.2.1997, 18.03.1997 (Blatt 75, 76 der Beklagtenakte) zeigt aber auch noch keinen umfassenden Zahnverlust. Auch Dr. S. hat in seinen Attesten vom 05.02.2008 und 21.07.2010 (Blatt 84, 89, 99 der Beklagtenakte) einen umfassenden Zahnverlust nicht beschrieben. Die chronische Kieferostitis, eine unsichtbare Zersetzung des Kieferknochens, ist 2006 (vgl. Bericht Dr. v. M. , Blatt 77/78 der Beklagtenakte) lediglich anamnestisch angegeben, jedoch nicht objektiviert worden. Eine solche konnten auch Dres. Sp. und L. später nicht darlegen, sodass ein weiterer Teil-GdB nach B 7.3 VG nicht angenommen werden konnte. Damit war der vom SG angenommene Einzel-GdB von 20 seit 29.04.2010 in diesem Funktionssystem jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin zugunsten der Klägerin rechtswidrig zu niedrig angesetzt. Der Senat konnte keinen höheren Einzel-GdB annehmen.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Nach Überzeugung des Senats ist unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB mit 30, ab 29.04.2010 mit 40, gebildet aus Teil-GdB-Werten von - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns ein-schließlich der Psyche (Seelische Störung, Psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, MCS, Schmerzsyndrom, Kopfschmerz/Migräne) - 10 für das Funktionssystem der Verdauung und - 20 allenfalls seit 29.04.2010 für die Funktionsbeeinträchtigungen der Zähne zu bemessen. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass ausgehend vom Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche ein weiterer Einzel-GdB von 20 lediglich zu einer Erhöhung auf 40 führen kann. Ein Fall, in dem die funktionellen Beeinträchtigung der Zähne, die sich gerade auch im Hinblick auf die Schmerzen und angegebenen Nervenentzündungen mit den funktionellen Störungen, die auch schon im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche berücksichtigt waren, überschneiden, vollständig additiv zu berücksichtigen wären, liegt nicht vor. Das gilt umso mehr, als schon Dr. H. auch die Abdominalsymptomatik einer funktionellen bzw. psychovegetativen Überlagerung beschrieben hatte (Blatt 47 RS der SG-Akte). Diese Überschneidung hat auch Dr. B. beschrieben. Ebenso besteht hinsichtlich der im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche wegen der Kopfschmerz-/Migräneverursachung mitberücksichtigten Allergien eine Überschneidung mit den für die Zähne angenommenen, auf Allergien zurückzuführenden Funktionseinbußen.
Mit dem vom Senat festgestellten Gesamt-GdB von 30 bzw. 40 seit 29.04.2010 hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine gegenüber dem angefochtenen Urteil höhere GdB-Feststellung.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin seit 01.01.1997 gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Erst-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 50 statt 30 bzw. 40) zusteht.
Die 1952 geborene Klägerin, deutsche Staatsangehörige, ist Realschullehrerein. Seit 25.02.1997 besteht Dienstunfähigkeit (vgl. Schreiben des Oberschulamtes Stuttgart vom 18.04.1997, Blatt 10 der Beklagtenakte). Am 25.03.2010 beantragte die Klägerin beim Landratsamt R. (LRA) die (Erst-)Feststellung des GdB (zum Antrag vgl. Blatt 1/2 der Beklagtenakte; zu ihrer Stellungnahme vgl. Blatt 3/4 und zu den vorgelegten ärztlichen Unterlagen vgl. Blatt 5/89 der Beklagtenakte). Zu ihrem Antrag gab sie an, es bestehe ein CFS (Chronic Fatigue Syndrom), ein MCS (Multiple Chemical Sensivity), eine starke Schwermetallbelastung durch Blei, Quecksilber, Cadmium, eine chronische Kieferostitis, eine extreme Elektrosensibilität, eine Zahnwerkstoffunverträglichkeit, eine Erschöpfung und Allergien sowie Berufsunfähigkeit seit 1997. 1997 sei nach einer Zahnarztbehandlung ein Stoffwechselzusammenbruch erfolgt mit einem folgenden extremen Leidensweg. Sie sei durch die dauernden Umwelteinflüsse behindert. Durch die multiple chemische Sensibilität habe sie mit allergischen Reaktionen zu kämpfen, mit äußerst störenden, stundenlangen Migräneanfällen, Schmerzen und komplettem körperlichem Zusammenbruch. Durch die Elektro- und Frequenzsensibilität könne sie sich nicht in IT-Räumen oder um Moibiltelefone herum aufhalten. Sie könne daher weder Zug noch Bus fahren, noch sich in Räumen aufhalten, in denen Mobiltelefone vorhanden seien (Blatt 3/4 der Beklagtenakte). Der Allgemeinarzt Dr. S. (Blatt 89 der Beklagtenakte) gab an, die Klägerin wohne in einem von mehrstöckigen, mit Holzfeuerungen beheizten Mehrfamilienhäusern umgebenen Einfamilienhaus, wo wegen der eingeschlossenen Lage fortwährend Smog durch Rauchgase bestehe.
Auf der Grundlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 17.06.2010 (Blatt 90 der Beklagtenakte) lehnte das LRA mit Bescheid vom 17.06.2010 die Feststellung eines GdB ab. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen stellten keine Behinderungen im Sinne des SGB IX dar.
Auf den hinsichtlich der Höhe des GdB nicht näher konkretisierten Widerspruch der Klägerin vom 20.07.2010 (Blatt 94 der Beklagtenakte) holte das LRA die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 22.06.2010 (Blatt 95/96 der Beklagtenakte), der vorschlug, den GdB mit 20 zu bemessen. Nachdem die Klägerin ein weiteres Attest von Dr. S. vom 21.07.2010 (Blatt 99 der Beklagtenakte) vorgelegt hatte nahm Dr. G. erneut Stellung (Blatt 101/102 der Beklagtenakte) und verblieb bei seiner Einschätzung. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2010 (Blatt 104/105 der Beklagtenakte) stellte der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt - mit Stattgabe des Widerspruchs ab 25.03.2010 einen GdB von 20 fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden (Einzel-GdB 20); Allergie, vielfache Chemikalienunverträglichkeit (Einzel-GdB 10)).
Am 20.09.2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage mit Ziel, einen GdB 50 festzustellen, erhoben. Der Beklagte hat (Blatt 15/17 der SG-Akte) angeboten, im Wege des Vergleichs einen GdB von 30 seit 01.01.1997 festzustellen. Dies hat die Klägerin abgelehnt (Blatt 20/21 der SG-Akte) und zur Begründung der Klage angegeben, die gesundheitlichen Funktionsbeeinträchtigungen seien gravierend. Sie leide unter einem schwerwiegenden psychovegetativen Erschöpfungssyndrom einhergehend mit einer Überempfindlichkeit gegen zahlreiche chemische Stoffe und elektrophysikalische Strahlungen. Dies wirke sich in Form einer besonders schweren Migräne aus, unter der sie über 50 % ihrer Lebenszeit leide. Des Weiteren leide sie unter Beeinträchtigungen eines vernarbten Bauches wegen einer Blinddarmoperation. Größere Belastungen seien zu vermeiden. Die Beweglichkeit sei eingeschränkt. Der Kiefer und die Zähne seine unterversorgt. Sie habe ein Lückengebiss. Auch dies sei stark belastend, da der Kiefer ständig entzündet sei und aufgrund der Unterversorgung starke Beeinträchtigungen beim Essen und Beißen bestünden. Zudem leide sie unter ständigen Schmerzen in den Zähnen. Die bei ihr festgestellte multiple chemische Sensitivität (MCS) sei als ein Somatisierungssyndrom anzusehen. Da sie sich nicht mehr in bestimmten Räumen und insbesondere nicht mehr in der Nähe von Handys aufhalten könne, sei ihre Erlebnisfähigkeit stark eingeschränkt. Sie leide unter den ständigen Vermeidungshaltungen. Hinzu komme ein chronisches Erschöpfungssyndrom. Insgesamt ergebe sich daher ein Gesamt-GdB von 50. Zu ihrer Klage hat die Klägerin vorgelegt: - ein Attest von Dr. S. vom 16.03.2011 (Blatt 22 der SG-Akte), - einen Bericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. H. vom 01.12.2011 (Blatt 66 der SG-Akte), - einen Befundbericht des Internisten, Nephrologen, Umweltmediziners Prof. Dr. Hu. vom 03.12.2012 (Blatt 151/156 der SG-Akte), - einen Bericht von Dr. E. vom 18.04.1986 (Blatt 225/226 der SG-Akte) und - einen OP-Bericht vom 09.04.1986 (Blatt 227 der SG-Akte).
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 28, 29/30, 32/49 der SG-Akte Bezug genommen. Der Arzt für Allgemeinmedizin, Homöopathie Dr. S. hat in seiner schriftlichen Antwort vom 03.05.2011 angegeben, zur Bewertung des GdB könne er nur pauschal sagen, dass auf Grund der Vielschichtigkeit und Schwere der Erkrankung 30 % als viel zu wenig erscheinen. Der Zahnarzt Dr. Sp. hat in seiner Stellungnahme vom 04.05.2011 ausgeführt, eine detaillierte Funktionsdiagnostik sei wegen der Unmöglichkeit einer anschließenden Funktionstherapie nicht in die Wege geleitet worden.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 14.12.2011 (zur Niederschrift vgl. Blatt 64 der SG-Akte) hat das SG den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat angegeben (Blatt 71 der SG-Akte), es bestehe ein kariöser, noch unversorgter Zahnstatus, keine Muskeleigenreflexdifferenzen, keine sensiblen oder motorischen Defizite und eine Narbe im Unterbauch.
Die Klägerin regte mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 04.01.2012 (Blatt 73/74 der SG-Akte) an, den Rechtsstreit im Vergleichswege durch Gewährung eines GdB von 40 seit 01.01.1997 zu beenden. Dies lehnte die Beklagte unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. ab (Blatt 76/77 der SG-Akte).
Nunmehr machte die Klägerin (Blatt 79/80 der SG-Akte) einen umfassenden Zahnverlust geltend. Die Zähen seien unbrauchbar und funktionslos. Auch liege eine starke somatoforme Störung vor. Nachdem sich auch die Klägerin selbst gegenüber dem SG geäußert hatte (Blatt 84/85 der SG-Akte), regte ihr Bevollmächtigter erneut die vergleichsweise Beendigung auf Grundlage eines GdB von 40 an (Blatt 88/89 der SG-Akte).
Das SG hat daraufhin den Zahnarzt Dr. Gö. als sachverständigen Zeugen befragt, der in seiner Antwort vom 13.06.2012 (Blatt 97/99 der SG-Akte) Kunststofffüllungen in den Zähnen 13-18, 25, 26, 34-37, 44, 45 und 48 sowie das Fehlen der Zähne 24, 46, 47, 38 und 48 mitgeteilt hat.
Der Beklagte hat nun angeboten, den Rechtsstreit durch Vergleich über einen GdB von 30 seit 01.01.1997 und von 40 seit 26.07.2011 (Nachweis der Verschlimmerung) zu beenden (Blatt 103/106 der SG-Akte), was die Klägerin abgelehnt hat.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. St. hat in seinem vom SG beauftragten Gutachten vom 20.07.2012 (Blatt 109/135 der SG-Akte) eine Somatisierungsstörung diagnostiziert, die er mit einem GdB von 30 bewertete. Den Gesamt-GdB bewertete er ebenfalls mit 30. Dem hat die Klägerin entgegen gehalten (Blatt 138/141 der SG-Akte), der Gutachter sei bezüglich Umweltmedizin, Vergiftung, Allergie und MCS nicht auf dem Stand der Wissenschaft. Auch fehle eine Auseinandersetzung mit der Symptomatik der umweltbedingten Zwangsstörungen.
Nachdem der Beklagte an seinem Vergleichsangebot festgehalten hatte (Blatt 145/147 der SG-Akte), teilte die Klägerin mit, es bestehe kein Einverständnis mit einem Vergleichsschluss über einen GdB von 40, da die langjährigen Funktionsbeeinträchtigungen einen GdB von 50 rechtfertigten (Blatt 148/149 der SG-Akte).
Das SG hat Prof. Dr. Hu. als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt. In seiner Antwort vom 29.04.2013 (Blatt 168/218 der SG-Akte) hat dieser angegeben, ein GdB von 40 sei aus seiner Sicht keineswegs ausreichend. Das chronische Erschöpfungssyndrom und die hochgradige Parodontitis seien nicht bewertet.
Daraufhin hat die Klägerin (Blatt 220/221 der SG-Akte) angegeben, die Somatisierungsstörung stehe nicht im Vordergrund sondern die MCS, die eigens klassifiziert werden müsse. Weiterhin sei der sichtbare Narbenbauch, die Bauchfellverwachsung und die massiven peritonealen Adhäsionen nicht berücksichtigt. Es bestehe eine starke Einschränkung der Darmperistaltik und eine Entstellung.
Unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. G. vom 08.07.2013, der die abdominellen Beschwerden bei der bisherigen Bewertung miterfasst sah, alternativ für den Verwachsungsbauch einen eigenständigen, wegen erheblicher Überschneidungen jedoch nicht Gesamt-GdB-erhöhenden GdB von 10 bis 20 vorschlug, trat der Beklagte der Einschätzung von Prof. Dr. Hu. entgegen.
Mit Urteil vom 30.09.2013 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 17.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2010 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, ab 01.01.1997 einen GdB von 30 und ab 29.04.2010 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Das Gericht folge der Beurteilung des Dr. St ... Bei der Klägerin liege als Haupterkrankung eine Somatisierungsstörung vor. Insgesamt sei es gerechtfertigt, von einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zu sprechen und den GdB insoweit mit 30 zu bewerten. Daneben liege eine prothetisch nur unzureichend erfolgte Versorgung des Gebisses der Klägerin vor, welche eine Funktionsbehinderung beim Kauen bzw. Essen zur Folge habe. Darüber hinaus bestünden starke Hypersensibilitäten, weil die Dentinoberflächen großflächig frei lägen. Insoweit sei ein GdB von 20 zugrunde zu legen und zwar seit 29.04.2010, also dem Tag an dem Dr. Sp. den mit Befundbericht vom 04.05.2011 mitgeteilten Befund erhoben habe. Daraus sei abzuleiten, dass die Einschränkung der Kaufunktion und die Kiefergelenkbeschwerden einschließlich der Hypersensibilitäten der Zähne bereits länger vorlägen, als von dem Beklagten angenommen. Dokumentiert seien diese aber durch den Bericht des Dr. Sp. , der auf eine Befunderhebung vom 29.04.2010 zurückgehe. Hinsichtlich der abdominellen Beschwerden bei möglichen Verwachsungen nach Blinddarmoperation bereits im 5. Lebensjahr sei zu konstatieren, dass diese von dem Sachverständigen Dr. St. mit dem gesamten Beschwerdekomplex erfasst worden seien. Dies sei auch gerechtfertigt, weil sich nach dem Arztbrief des Dr. H. vom 01.12.2011 ergebe, dass sich sonografisch kein wegweisender Befund für eine Abdominalsymptomatik ergeben habe und dieser bereits in einem früheren Bericht vom 30.03.2011 von einer funktionellen bzw. psychovegetativen Überlagerung der abdominellen Symptomatik ausgegangen sei. Selbst wenn ein GdB von 10-20 angesetzt würde, ergäbe sich keine Erhöhung des Gesamt-GdB aufgrund der erheblichen Überschneidung mit der psychischen Überlagerung. Die von der Klägerin geklagte "Migräne" sei ebenfalls bei der Somatisierungsstörung integrativ zu betrachten. Es lägen weder eine neurologisch echte Migräne noch ein Spannungskopfschmerz oder ein anderes eigenständiges neurologisches Kopfschmerzsyndrom vor.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 04.10.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31.10.2013 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 06.11.2013) Berufung eingelegt. Sie leide unter einer seelischen Störung. Es bestehe fortlaufend ein schwerwiegendes psychovegetatives Erschöpfungssyndrom. Richtigerweise müsse man hier von einer schweren Störung ausgehen, da es sich um eine schwerwiegende Zwangskrankheit handele, wenn sie durch die multiple chemische Sensitivität so stark beeinträchtigt sei, dass sie nicht mehr am Alltag teilnehme, Kontakt mit Menschen und Öffentlichkeit vermeide, nicht mehr telefonieren könne und ihre aktuelle Lebensgestaltung auf ein Minimum einschränken müsse. Selbst wenn man lediglich von einer stärker behinderten Störung ausgehe, so sei festzustellen, dass die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich eingeschränkt und die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft so gut wie aufgehoben sei. Sie leide auch unter einer echten Migräne mit schweren Verlaufsformen. Es bestünden häufig lang andauernde Anfälle, die zwischen 12, 15, 18 und 24 Stunden andauerten, mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen (völlige Abgeschiedenheit in einem dunklen Raum) und nur kurz anhaltenden Anfallspausen. Auch sei die echte Migräne nicht bei einer Somatisierungsstörung integrativ zu betrachten. Der Kiefer und die Zähne seien unterversorgt, sie habe ein Lückengebiss. Dies sei stark belastend, da der Kiefer ständig entzündet sei und die Entzündungen starke Schmerzen verursachten. Es bestehe eine Beeinträchtigung beim Essen und Beißen. Zudem entstünden ständig starke Verspannungen im Nacken. Die Kieferentzündungen führten wohl auch zu dauerhaften Augenschmerzen. Der schlechte Zahnstatus mit Beeinträchtigung des Kiefers sei mit einem GdB von 20 zu bewerten und eindeutig nicht integrativ zur Somatisierung hinzuzuzählen, denn der Zahnstatus sei rein funktional zu betrachten. Es bestehe ein umfassender Zahnverlust, der mehr als ein halbes Jahr prothetisch nur unzureichend versorgt sei. Dies möge zwar an somatisierungsbedingtem Verhalten liegen, allerdings komme es bei der Einschätzung des GdB ausschließlich auf den Zustand an und nicht auf die Therapiefähigkeit oder Therapiewilligkeit. Die MCS sei wohl als Somatisierungssyndrom anzusehen. Diese sei im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkung zu beurteilen. Sie könne sich nicht mehr in bestimmten Räumen aufhalten, reagiere auf Gerüche und Schadstoffe. Sie könne sich auch nicht in der Nähe von Handys oder anderen Sende- oder Empfangsstationen aufhalten. Hierdurch sei ihre Erlebnisfähigkeit insgesamt stark eingeschränkt, weil sie unter ständigen Vermeidungshaltungen leide, stark zurückgezogen lebe, sich nicht mehr in die Öffentlichkeit traue und sich nicht mehr anpassen könne. Hinzu komme ein chronisches Erschöpfungssyndrom aufgrund der empfundenen Beeinträchtigungen. Die Somatisierungsstörung sei so stark ausgeprägt, dass wesentliche funktionelle Einschränkungen im allgemeinen Leben bestünden, was mit einem Einzel-GdB von mindestens 30 zu berücksichtigen sei. Wenn die MCS weiterhin integrativ als Somatisierungsstörung zu berücksichtigen sei, so seien die Auswirkungen jedenfalls so stark, dass bei der seelischen Störung ein Einzel-GdB von 50 zu gewähren sei. Des Weiteren bestünden immer noch intraabdominelle Verwachsungen, peritoneale Adhäsionen (Narbenbauch) und Bauchfellverwachsungen nach Appendix-Perforation. Sie leide seit Jahrzehnten an beständigen Schmerzen und abdominellen Problemen. Es bestehe eine starke Einschränkung der Darmperistaltik und eine entstellende Wirkung durch die Narben. Der sichtbare Narbenbauch mit seinen Funktionsbeeinträchtigungen sei mit einem GdB von 30 zu berücksichtigen. Die nicht behandelten Zähen seien weiterhin aufgrund der MSC nicht behandelbar (Blatt 22/23 der Senatsakte). Es gelte auch nicht das Verursacherprinzip, weshalb es nicht darauf ankomme, ob die Funktionsbeeinträchtigungen durch Operationen oder Therapien verändert werden könnten. Die MCS hindere sie an einem normalen Alltagsleben.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.09.2013 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2010 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von 50 seit 01.01.1997 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege auf psychiatrischem Fachgebiet keine schwere, sondern eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bzw. mittelgradigen Einschränkungen im täglichen Leben vor.
Die Klägerin hat vorgelegt: - ein Attest von Dr. S. vom 21.02.2014 (Blatt 25 der Senatsakte), - einen Auszug aus einem Bericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. K. vom 13.02.2014 (Blatt 26 der Senatsakte), - einen Auszug aus einem Bericht des Klinikverbundes S. vom 18.04.1986 (Blatt 27 der Senatsakte), - einen Internetausdruck über die offizielle Anerkennung von MCS (Blatt 28 der Senatsakte), - einen Bericht des DIMDI, Dr. Kü. , vom 04.09.2008 (Blatt 43 der Senatsakte), - den Aufsatz von Nasterlack/Kraus/Wrbitzky "Multiple Chemicl Sensivity" (Blatt 44 der Senatsakte) und - einen Internetausdruck "Behinderung" (Blatt 45/47 der Senatsakte).
Der Senat hat ein Gutachten bei Dr. S. , Internist, Lungen- und Bronchialheilkunde, Schlafmedizin, Umweltmedizin, in Auftrag gegeben. Dr. S. hat mitgeteilt (Blatt 33 der Senatsakte), die Erkrankungen beträfen nicht den pneumologischen Fachbereich und hat um Entlassung aus dem Gutachtensauftrag gebeten. Die Klägerin hat telefonisch (Blatt 34 der Senatsakte) mitgeteilt, sie verstehe nicht, weshalb sie von einem Lungenarzt untersucht werden solle. Des Weiteren hat die Klägerin telefonisch mitgeteilt (Blatt 39/40 der Senatsakte), die MCS sei unzureichend berücksichtigt. Prof. Dr. Hu. meine, alleine wegen der MCS sei ein GdB von 40 zu niedrig. Das Wichtigste sei aber der Verwachsungsbauch.
Der Senat hat nunmehr Gutachten bei Dr. B. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, und Dr. Schu. , Internist und Sozialmediziner, in Auftrag gegeben. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 19.09.2014 (Blatt 53/109 der Senatsakte) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der MCS angegeben, eine organisch-somatisch begründete körperliche Störung liege im nervenärztlichen Fachgebiet nicht vor. Hingegen liege eine vielschichtige Persönlichkeitsakzentuierung vor. Im somatischen Bereich beklagte Beschwerden ohne organisch erklärende Befunde würden von der Klägerin einer MCS zugeschrieben. Aus nervenärztlichem Blickwinkel liege eine (im weitesten Sinne) Befindlichkeitsstörung (auf dem Boden konversionsneurotischer, zum Teil auch phobischer und somatoformer Mechanismen) ohne weiterreichende Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bzw. der Teilhabe vor; die bislang völlig unzureichend (nämlich insbesondere nicht psychotherapeutisch) behandelt sei. Seit der Blinddarmoperation im Alter von 5 Jahren bestünden nach den Angaben der Klägerin "Verwachsungsbauchbeschwerden". Nach Art der Beschwerdeschilderung aus nervenärztlicher Sicht liege eine breite Überlappung mit den genauso auch im Kontext mit der sogenannten MCS reklamierten Beschwerden vor. Den etwaigen somatischen Part oder Kern der Beschwerden könne er als Nervenarzt nicht beurteilen. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom (im Sinne einer über das übliche Maß hinausgehende eigenständige Schmerzsymptomatik) sei nicht abzubilden. Die im neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet zu beurteilenden psychischen Störungen seien als leichtere psychische Störungen zu bewerten, insofern, als sie keine bereits wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit begründeten. Die psychischen Störungen seien in der Zusammenschau mit einem Einzel-GdB von 20 einzuschätzen. Nehme man einen gesonderten Einzel-GdB von 20 für die Funktionsbehinderung der Kiefergelenke hinzu, so ergebe sich aus nervenärztlichem Blickwinkel ein Gesamt-GdB von 30. Dr. Schu. hat in seinem Gutachten vom 30.12.2014 (Blatt 115/139 der Senatsakte) funktionelle Organbeschwerden, ein Kopfschmerzsyndrom, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine seelische Störung, eine Allergie, eine vielfache Chemikalienunverträglichkeit, ein funktional stark eingeschränktes Gebiss bei Unverträglichkeit von Dentalmaterialien und wiederkehrende Abdominalbeschwerden bei Verwachsungen nach Blinddarmoperation (Adhaesiolyse 1986) diagnostiziert. Die funktionellen Organbeschwerden, das Kopfschmerzsyndrom, die chronisches Schmerzsyndrom, die seelische Störung, die Allergie und die vielfache Chemikalienunverträglichkeit hat er mit einem Einzel-GdB von 20, das funktional stark eingeschränkte Gebiss bei Unverträglichkeit von Dentalmaterialien mit einem GdB von 20 und die wiederkehrende Abdominalbeschwerden bei Verwachsungen nach Blinddarmoperation; Adhaesiolyse 1986, mit einem GdB von 10 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er auf 30 geschätzt.
Hierzu hat die Klägerin (Blatt 140/141 der Senatsakte) vortragen lassen, es bestünden entgegen der Auffassung des Gutachters massive Adhäsionen, die nach den üblichen Kriterien mit einem GdB von 30 bis 50 zu bewerten seien. Sie habe jeden Tag Schwierigkeiten mit der Peristaltik, leide unter Zugschmerzen, unter Bewegungseinschränkungen sowie unter einer erheblichen Gasentwicklung in diesem Bereich, auch die Darmflora sei erheblich gestört. Der Gutachter wolle sie wohl als Leidtragende einer erzieherischen Überreaktion der Eltern darstellen. Dies weise sie von sich. Auch durch die Bauchspiegelung/Koloskopie 1986 seien die Verwachsungen nicht gelöst worden. Sie leide weiterhin unter den entsprechend Beeinträchtigungen. Da sich die Beschwerden auch nicht behandeln ließen, gebe es hierüber keine weitergehende Dokumentation. In den mehrfach durchgeführten Sonografien sei die Problematik im Wesentlichen bestätigt worden. Eine weitere Dickdarmuntersuchung würde zu ganz erheblichen Risiken führen, die Adhäsionen könnten verletzt werden. Die Untersuchung und der Erkenntnisgewinn stünden nicht im Verhältnis zum real existierenden Risiko für sie, so dass sie zu einer derartigen Untersuchung weder verpflichtet sei, noch würde diese Untersuchung weitergehende Erkenntnisse erbringen können. Selbstverständlich bestünde eine dauerhafte Passagestörung im Darmbereich. Der Nahrungsbrei staue sich an den Verwachsungen und führe zu den beschriebenen Problemen. Auch liege ein mechanischer Ileus durch die Verwachsungen vor. Auch der Übergang von Dünndarm zu Dickdarm sei gestört. Des Weiteren sei nicht nachvollziehbar, wieso Dr. Schu. sich negativ zur Begutachtung von Dr. St. äußere, der nicht gerade als wohlwollender Gutachter bekannt sei.
Mit Schreiben vom 11.02.2015 (Blatt 142 der Senatsakte, der Klägerin am 16.02.2015, dem Beklagten am 18.02.2015 (Blatt 142a und 143a der Senatsakte) zugestellt) wurden die Beteiligten auf die beabsichtigte Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen, ihnen war Gelegenheit gegeben worden sich zu äußern. Die Klägerin hat gebeten, die Entscheidung bis 10.04.2015 zurückzustellen, da sie sich zunächst mit ihrem Bevollmächtigten besprechen wolle (Blatt 144 der Senatsakte); dies wurde ihr gewährt (Blatt 145 der Senatsakte). Eine weitere inhaltliche Reaktion der Klägerin erfolgte seither nicht mehr.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss über die Berufung entscheiden, denn das SG hatte nicht durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG entschieden und der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten waren gehört worden.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet. Der Klägerin steht seit 01.01.1997 kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als vom SG zuerkannt (30 bzw. ab 29.04.2010: 40) zu; die Klägerin wird nicht in ihren Rechten verletzt.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP - "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" aus den Jahren 1996 bzw. 2004, 2005 bzw. 2008 -, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Dabei stellen die VG – vorgehend die AHP - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die zunächst im Allgemeinen nach Funktionssystemen (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) getrennt, später nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die Funktionsbehinderungen, die im Allgemeinen in den einzelnen Funktionssystemen (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) bewertet werden, in ihrer Gesamtschau bei der Klägerin einen Gesamt-GdB von 50 nicht rechtfertigen, weshalb sie keinen Anspruch auf Feststellung eines entsprechenden GdB hat und die Berufung zurückzuweisen war. Dabei weist der Senat darauf hin, dass es auch keinen Anspruch auf Feststellung bzw. Darstellung einzelner Erkrankungen mit einem einzelnen GdB gibt. Vielmehr sind die Funktionsbehinderungen, nicht die Erkrankungen, im Allgemeinen in den jeweiligen Funktionssystemen zu bewerten.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (vgl. A Nr. 2 Buchst e) VG; vgl. dazu auch AHP 1996, 2004 und 2008 RdNr. 26.3) hat der Gutachter Dr. B. eine vielschichtige Persönlichkeitsakzentuierung sowie eine Befindlichkeitsstörung feststellen können. Der Gutachter Dr. St. hat eine seelische Störung im Sinne einer Somatisierungsstörung angegeben, jedoch im Ergebnis dieselben Symptome beschrieben, wie Dr. B ... Von dieser Beschreibung erfasst sind auch das von der Klägerin angegebene psychovegetative Erschöpfungssyndrom sowie die MCS, das angegebene Schmerzsyndrom und die Kopfschmerzen/Migräne. Vorliegend waren die Schmerzen auch diesem Funktionssystem zuzuordnen, da sie gerade nicht einem bestimmten anderen Funktionssystem zugeordnete werden konnten und daher im Rahmen des Funktionssystems des Gehirns einschließlich der Psyche zu bewerten waren. Auch die MCS war nach B 18.4 VG in diesem Funktionssystem zu bewerten, denn die Fibromyalgie, das Chronische Fatigue Syndrom (CFS), die Multiple Chemical Sensitivity (MCS) und ähnliche Syndrome sind jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Dabei ist es unerheblich, dass die MCS umweltmedizinische Ursachen haben dürfte, denn insoweit ist nicht die Ursache bzw. die Erkrankung sondern deren funktionelle Auswirkungen dort zu bewerten, wo diese Auswirkungen auftreten. Diese Auswirkungen zeigen sich aber bei der Klägerin gerade im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche und in den in diesem Funktionssystem erfassten, andere Funktionssysteme übergreifenden Beeinträchtigungen. Organische neurologische oder psychiatrische Erkrankungen konnten beide Gutachter ausschließen. Daher waren die funktionellen Beeinträchtigungen zunächst nach B 3.7 VG zu bewerten. Danach gilt folgendes: Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen GdB 0-20 Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) GdB 30-40 Schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten GdB 50-70 mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten GdB 80-100
In Anbetracht dieser Bewertungsvorgaben musste der Senat feststellen, dass die vom Beklagten und dem SG getroffene Bewertung der Funktionsbehinderungen in diesem Funktionssystem mit einem Einzel-GdB von 30 jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin rechtswidrig zu niedrig war. So fehlt die nach der Rechtsprechung des Senat zur Zuerkennung eines GdB von 30 nach B 3.7 VG erforderliche – und vorliegend von den Ärzten auch im Fall der Klägerin dringend angeratenen – regelmäßige fachärztliche, therapeutische Behandlung der Klägerin. Auch einen wesentlichen Rückzug aus der sozialen Umwelt konnten die Gutachter nicht bestätigen. So hat die Klägerin gegenüber Dr. St. (Blatt 115 der SG-Akte = Seite 7 des Gutachtens) angegeben, sie gehe Schwimmen, lese Zeitung und sehe Fern, treffe sich mit Bekannten ein- bis zweimal pro Woche und sei in Tunesien im Urlaub gewesen, obwohl sie nicht gerne fliege. Dem Gutachter Dr. B. hat die Klägerin mitgeteilt (Blatt 54 der Senatsakte = Seite 2 des Gutachtens), viel für ihre Söhne zu machen, von denen einer noch ganz, der andere noch "halb" zu Hause sei. Sie macht Yoga in einem S. Studio mit ca. 20 Leuten (Blatt 57 der Senatsakte = Seite 5 des Gutachtens), längere Spaziergänge auf der Alb, alleine oder mit der Mutter zusammen (Blatt 58 der Senatsakte = Seite 6 des Gutachtens), gehe gerne in Konzerte, auch auf Flohmärkte (Blatt 59 der Senatsakte = Seite 7 des Gutachtens). Diese soziale Alltagsgestaltung, die im Übrigen durch Garten-, Hausarbeit und die Betreuung der Söhne geprägt ist, zeigt, dass ein wesentlicher sozialer Rückzug gerade nicht stattgefunden hat. Auch die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist nicht wesentlich eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat der Beurteilung durch Dr. Schu. mit einem Teil-GdB von 20 anschließen. Eine Zwangsstörung konnte keiner der behandelnden Ärzte und auch nicht die Gutachter feststellen. Der vom SG angenommene Einzel-GdB von 30 kann daher allenfalls unter Berücksichtigung der angegebenen Kopfschmerzen/die Migräne und einer Bewertung als mittelgradige Verlaufsform im unteren Bewertungsbereich mit einem Teil-GdB von 20 gerechtfertigt erscheinen, wie auch Dr. B. für den Senat überzeugend darstellen konnte (Blatt 98 der Senatsakte = Seite 46 des Gutachtens). Insoweit treten die Kopfschmerz-/Migräneanfälle lediglich im Zusammenhang mit der MCS und Geruchsemmissionen auf (Blatt 117 der SG-Akte = Seite 9 des Gutachtens Dr. St. ). Diese Anfälle konnte der Senat aber weder täglich noch wöchentlich feststellen; so hat die Klägerin in der Beschreibung ihres Tagesablaufs bei Dr., St. und Dr. B. keine wesentlichen, auf Kopfschmerzen und Migräne zurückzuführenden Lücken im Alltagsablauf beschrieben. Auch wenn die Klägerin angegeben hat, diese Anfälle dauerten zwischen 12, 15, 18 und 24 Stunden, so liegen hierzu keinerlei ärztliche Belege vor, auch der angegebene Tages- und Wochenablauf spricht gegen eine regelmäßige und langandauernde Symptomatik. Gerade die befragten behandelnden Ärzte konnten aber insoweit eine starke Ausprägung nicht darstellen. Daher konnte der Senat hier allenfalls einen Teil-GdB von 20 annehmen. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche zu Gunsten der Klägerin allenfalls einen Einzel-GdB von 30 annehmen. Mitberücksichtigt sind dabei die von der Klägerin als Allergie beschriebenen Reaktionen auf Gerüche und Elektrostrahlungen sowie auf sonstige Stoffe, die sich vor allem die Unverträglichkeit mit Dentalmaterial und bestimmten Nahrungsmitteln zeigt. Miterfasst sind auch die Beschwerden der Augen, die nicht losgelöst von den Beeinträchtigungen durch die MCS-Erkrankung gesehen werden kann und sich mittlerweile gebessert darstellt; selbständige, objektivierbare Beeinträchtigungen des Sehorgans i.S.d. B 4 VG liegen nicht vor.
Im Funktionssystem der Verdauung waren die von der Klägerin angegebenen intraabdominelle Verwachsungen, die peritoneale Adhäsionen (Narbenbauch), die Bauchfellverwachsungen, die Darmbeschwerden sowie die aus den Operationen resultierenden Narben zu berücksichtigen. Die äußerlichen Narben am Bauch begründen dabei jedoch keinen Teil-GdB. Denn aus ihnen folgen keine Funktionsbeeinträchtigungen der Bauchdecke. Auch wenn die Klägerin diese als optisch störend und verunstaltend empfindet, so sind diese Narben durch gewöhnliche Kleidung verdeckbar. Auch stellt die Optik jedenfalls am Bauch keine Funktionsbehinderung dar. Darüber hinaus konnte Dr. Schu. bei seiner Begutachtung auch keine funktionellen Defizite der Bauchdecke darstellen. Im Übrigen ist nach B 10.2 VG (vgl. dazu auch AHP 1996, 2004 und 2008 RdNr. 26.10) bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darmkanals der GdB nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und nach der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen. Bei allergisch bedingten Krankheiten ist auch die Vermeidbarkeit der Allergene von Bedeutung. Dr. Schu. konnte bei der Untersuchung der Klägerin angeben, dass der optische Eindruck der Klägerin weitgehend ihrem kalendarischen Alter entspricht und der Ernährungszustand sowie der Kräfte- und Allgemeinzustand altersgerecht sind (Blatt 123 RS der Senatsakte = Seite 18 des Gutachtens). Bei seiner Untersuchung konnte Dr. Schu. hinsichtlich des Beschwerdebilds keine schwerwiegende Adhäsionsymptomatik erkennen. Passagestörungen und Ileussymptomatik hatte die Klägerin weder spontan angegeben, noch konnte der Gutachter diese durch Fragen feststellen. Die von der Klägerin geäußerten Beschwerden hat Dr. Schu. insofern eher unspezifisch und nicht als schwerwiegend eingestuft. Objektiv fanden sich weder ein erheblicher Meteorismus des Abdomens, noch eine gesteigerte Peristaltik. Die verschiedenen Laboruntersuchungen, welche im Hinblick auf mögliche Verdauungsstörungen durch Motilitätsstörungen des Darmes gemacht wurden, zeigten keine pathologischen Ergebnisse. Insgesamt konnte sich der Senat daher davon überzeugen, dass die von den Verwachsungen ausgehenden Beschwerden als leicht einzustufen sind. Dem entspricht auch, dass nach der im 5. Lebensjahr erfolgten Appendektomie erst eine Bauchspiegelung 1986 dokumentiert ist, bei welcher Verwachsungen gelöst wurden. Die weiteren medizinischen Belege enthalten über Jahre hin zunächst kaum Hinweise auf weiterhin vorhandene Bauchbeschwerden. Auch die Kurberichte lassen keine abdominelle Problematik erkennen. Erst in den letzten Jahren wurden mehrfach Sonografien deshalb durchgeführt, wobei die dann noch vorgeschlagenen Dickdarmuntersuchungen bislang nicht durchgeführt wurden. Aber selbst wenn man die zuletzt mit Scheiben ihres Bevollmächtigten vom 06.02.2015 von der Klägerin behaupteten Schwierigkeiten mit der Peristaltik, Zugbeschwerden, Bewegungseinschränkungen, erheblichen Gasentwicklungen, Passagestörungen und Druckschmerzen berücksichtigt, so konnte sich der Senat nicht von erheblichen Beschwerden überzeugen. So konnte der Senat einen Ileus (Darmverschluss) auf Grundlage der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und des Gutachtens von Dr. Schu. gerade nicht feststellen. Auch dass die Passagestörungen erheblich wären, konnte der Senat nicht feststellen. Diese hatte die Klägerin weder in ihrer Klagebegründung noch der Berufungsbegründung und auch nicht in dem direkt an Dr. Schu. gerichteten Schreiben vom 14.11.2014 (Blatt 129 der Senatsakte) oder beim Gutachter selbst vorgetragen, weshalb die erstmalige Darstellung nach der Begutachtung nun als interessengeleitete Einlassung verstanden werden muss. Dr. Schu. und auch kein anderer Arzt konnte erhebliche Passagestörungen darstellen. So konnte Dr. S. in seinem letzten Attest vom 21.02.2014 (Blatt 25 der Senatsakte) lediglich von schmerzhafter Peristaltik und Darmentleerungsstörungen berichten. Er hat jedoch keine erheblichen Passagestörungen mitteilen können. Ebenso konnte Prof. Dr. Hu. solche nicht mitteilen. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat unter Zugrundelegung eines Vergleichs mit den unter B 10.2 VG, insbesondere der unter B 10.2.3 und B 10.2.2 VG (vg. dazu auch AHP 1996, 2004 und 2008 RdNr. 26.10), beschriebenen Funktionsbehinderungen den Einzel-GdB für das Funktionssystem der Verdauung lediglich mit 10 ansetzen. Insoweit folgt der Senat der Einschätzung von Dr. Schu. in dessen Gutachten. Die vorhandenen Allergien betreffen im Wesentlichen nicht die Verdauung und waren daher nicht in diesem Funktionssystem zu bewerten; im Übrigen könne die Allergien, wie Dr. H. angab (Blatt 48 der SG-Akte) mit laktosefreier Kost und damit einfach angegangen werden.
Hinsichtlich der funktionellen Beeinträchtigungen, die im Zusammenhang mit den Zähnen der Klägerin auftreten, konnte der Senat einen höheren Einzel-GdB als 20 seit 29.04.2010 nicht annehmen; der vom SG angenommene Einzel-GdB ist insoweit jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin rechtswidrig zu niedrig. Da bei der Klägerin kein Lippendefekt, keine schwere Funktionsstörung der Zunge durch Gewebsverlust, narbige Fixierung oder Lähmung, kein Verlust eines Teiles des Unterkiefers mit schlaffer Pseudarthrose und auch kein Verlust eines Teiles des Oberkiefers, kein ausgedehnter Defekt des Gaumens, keine Lippen-, Kiefer-, Gaumen- und Segelspalten, keine Schluckstörungen, kein Verlust des Kehlkopfes, keine Tracheostoma und auch keine funktionelle und organische Stimmstörungen sowie keine Artikulationsstörungen bestehen kommt hinsichtlich der Bewertung der funktionellen Folgen der geltend gemachten Zahnerkrankungen lediglich eine Bewertung nach B 7.4 VG (vgl. dazu auch AHP 1996, 2004 und 2008 RdNr. 26.7) in Betracht. Danach wird ein umfassender Zahnverlust, der über ein halbes Jahr hinaus prothetisch nur unzureichend zu versorgen ist, mit einem GdB von 10 bis 20 bewertet. Voraussetzung ist, dass es sich um einen umfassenden Zahnverlust handelt. Dabei ist grds. davon auszugehen, dass mit dem Begriff des umfassenden Zahnverlusts i.S.v. B 7.4 VG ein Fehlen der mehr als überwiegenden Zahl der Zähne gemeint ist. Daher ist auf das Fehlen von Zähnen abzustellen, nicht bloß auf deren funktionelle Untauglichkeit zum Kauen und Beißen. Unabhängig davon kommt selbst für den umfassendsten, mithin totalen Zahnverlust lediglich ein Einzel-GdB von maximal 20 in Betracht (dazu vgl. Bayerisches LSG 20.07.2011 – L 16 SB 141/08 – juris RdNr. 53). Selbst diesen angenommen kann der Gesamt-GdB aber vorliegend nicht auf 50 erhöht werden (dazu s. u.). Auch waren diese Funktionsbehinderungen – wie das SG zutreffend ausgeführt hat - erst ab objektiver Dokumentation anzunehmen, mithin erst seit der Dokumentation von Dr. Sp. vom 29.04.2010. Zuvor konnte der Senat diesen Einzel-GdB auch nicht – wie ab dem 29.004.2010 geschehen - im Ansatz zu Gunsten der Klägerin annehmen. Der weiter befragte Zahnarzt Dr. Gö. konnte bei Erstuntersuchung der Klägerin keine vor der Dokumentation von Dr. Sp. liegenden Befunde mitteilen. Soweit Dr. R. (Blatt 17 der Beklagtenakte) am 20.04.1997 einen teils provisorisch versorgten, teils dringend sanierungsbedürftigen unbehandelten Zustand beschreibt, lässt sich daraus noch kein Zustand eines umfassenden Zahnverlustes ablesen. Gleiches gilt für auch für die auf Blatt 23 bis 26 der Beklagtenakte vorliegenden Heil- und Kostenpläne. Auch dass eine umfassende Zahnsanierung im Jahr 1996 durchgeführt wurde (Blatt 69 der Beklagtenakte = Attest Dr. Schä. vom 06.03.1998), lässt noch keinen Rückschluss auf einen umfassenden Zahnverlust zu, denn der Zahnverlust geht über eine bloße Behandlungsbedürftigkeit, wie sie aus dem Attest von Dr. Schä. allenfalls abzuleiten wäre, hinaus. Der Zahn-Mund-Kieferbefund vom 11.2.1997, 18.03.1997 (Blatt 75, 76 der Beklagtenakte) zeigt aber auch noch keinen umfassenden Zahnverlust. Auch Dr. S. hat in seinen Attesten vom 05.02.2008 und 21.07.2010 (Blatt 84, 89, 99 der Beklagtenakte) einen umfassenden Zahnverlust nicht beschrieben. Die chronische Kieferostitis, eine unsichtbare Zersetzung des Kieferknochens, ist 2006 (vgl. Bericht Dr. v. M. , Blatt 77/78 der Beklagtenakte) lediglich anamnestisch angegeben, jedoch nicht objektiviert worden. Eine solche konnten auch Dres. Sp. und L. später nicht darlegen, sodass ein weiterer Teil-GdB nach B 7.3 VG nicht angenommen werden konnte. Damit war der vom SG angenommene Einzel-GdB von 20 seit 29.04.2010 in diesem Funktionssystem jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin zugunsten der Klägerin rechtswidrig zu niedrig angesetzt. Der Senat konnte keinen höheren Einzel-GdB annehmen.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Nach Überzeugung des Senats ist unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB mit 30, ab 29.04.2010 mit 40, gebildet aus Teil-GdB-Werten von - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns ein-schließlich der Psyche (Seelische Störung, Psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, MCS, Schmerzsyndrom, Kopfschmerz/Migräne) - 10 für das Funktionssystem der Verdauung und - 20 allenfalls seit 29.04.2010 für die Funktionsbeeinträchtigungen der Zähne zu bemessen. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass ausgehend vom Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche ein weiterer Einzel-GdB von 20 lediglich zu einer Erhöhung auf 40 führen kann. Ein Fall, in dem die funktionellen Beeinträchtigung der Zähne, die sich gerade auch im Hinblick auf die Schmerzen und angegebenen Nervenentzündungen mit den funktionellen Störungen, die auch schon im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche berücksichtigt waren, überschneiden, vollständig additiv zu berücksichtigen wären, liegt nicht vor. Das gilt umso mehr, als schon Dr. H. auch die Abdominalsymptomatik einer funktionellen bzw. psychovegetativen Überlagerung beschrieben hatte (Blatt 47 RS der SG-Akte). Diese Überschneidung hat auch Dr. B. beschrieben. Ebenso besteht hinsichtlich der im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche wegen der Kopfschmerz-/Migräneverursachung mitberücksichtigten Allergien eine Überschneidung mit den für die Zähne angenommenen, auf Allergien zurückzuführenden Funktionseinbußen.
Mit dem vom Senat festgestellten Gesamt-GdB von 30 bzw. 40 seit 29.04.2010 hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine gegenüber dem angefochtenen Urteil höhere GdB-Feststellung.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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