Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 37 U 329/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 313/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 2/16 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Auf die Rev. d.Kl. werden die Urteile des LSG und SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 17.03.2012 als Arbeitsunfall festzustellen !!!
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.04.2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger am 17.03.2012 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der Kläger betrieb seit 2008 als selbständiger Kfz-Lackierer die Fa. "C", A 00, I, und war in dieser Eigenschaft bei der Beklagten pflichtversichert. Wohnhaft war er seinerzeit 2 km von seinem Arbeitsplatz entfernt in I in der S-straße 00, einem 2 ½-stöckigen Mehrfamilienhaus. Dort wohnte der Kläger im Dachgeschoss. Diese Wohnung beabsichtigte er aufzugeben, der Umzug in eine andere Wohnung war aber noch nicht vollzogen.
Der einzige Hauseingang des Hauses S-straße 00 befindet sich an einem zur M-straße hin mit einem nie abgeschlossenen Törchen versehenen Stichweg, den Fußgänger und Radfahrer nutzen. Das Erdgeschoss ist größer als die darüber liegenden Geschosse und springt zu dem genannten Stichweg hin vor; dieser Vorsprung ist mit einem Flachdach gedeckt, das etwa 2,60 m über dem Niveau des Stichweges liegt. Mehrere Fenster der darüber liegenden Wohnung der Mieterin Frau C1 gehen auf dieses Flachdach hinaus. Darüber wiederum liegt die Dachgeschosswohnung des Klägers. Die Fenster dieser Wohnung liegen in einer Schleppgaube im Satteldach des Hauses, wiederum etwa 2,60 m oberhalb des genannten Flachdaches und von diesem durch die unteren vier Ziegelreihen der Dachschräge, die Dachrinne und die Außenwand der Wohnung C1 getrennt.
Am 17.03.2012, einem Samstag, verunglückte der Kläger bei dem Versuch, seine im Dachgeschoss in der S-straße gelegene Wohnung über das Fenster zu verlassen. Hierzu wollte er über das Dach zunächst den Vordachbereich vor der ein Stockwerk tiefer liegenden Wohnung der Mieterin C1 erreichen. Er stürzte jedoch ab und zog sich eine Verletzung am Unterschenkel rechts zu. Laut Notarzteinsatzprotokoll erfolgte der Alarm um 16:25 Uhr, der Notarzt traf um 16:34 Uhr ein und der Kläger wurde um 16:51 Uhr abtransportiert. Der Kläger gab dem Notarzt gegenüber an, er sei aus dem Fenster einen Stock tiefer gesprungen, weil er sich ausgesperrt habe, um in die darunter liegende Wohnung zu kommen.
Beim Durchgangsarzt (D-Arzt) Unfallchirurg PD Dr. L vom Krankenhaus C, H, traf der Kläger nach dessen Bericht am 17.03.2012, 11:40 (richtig wohl: 17:40) ein; der Gebührenbescheid des Rettungsdienstes nennt als Uhrzeit 17:41 Uhr. PD Dr. L diagnostizierte eine drittgradig offene Unterschenkelfraktur rechts und Drogenabusus. Der D-Arzt befundete weite Pupillen, fahrige und verwaschene Sprache. Laut D-Arztbericht gab der Kläger dort an, der Unfall sei gegen 15 Uhr passiert. Gegen 13 Uhr habe er sich 1/4 Gramm Kokain intravenös verabreicht. Nach früherem Drogenabusus sei dies ein seltener "Ausrutscher" gewesen. Der "Kick" durch die Drogen sei nach 2 Stunden auch bereits vorbei gewesen. Die im Anschluss an den Unfall veranlasste Blutuntersuchung ergab einen positiven, von der Beklagten - offenbar durch den Beratungsarzt - aber als "nicht sehr relevant" eingeschätzten Kokain-Befund. PD Dr. L gab hierzu unter dem 17.12.2012 an, ein solcher Drogengenuss habe euphorisierende und selbstüberschätzende Wirkung, so dass das Herausspringen aus dem Fenster in der Gefährlichkeit nicht korrekt eingeschätzt werden könne. Diese Auswirkungen sollten jedoch durch einen in der Suchtmedizin erfahrenen Kollegen eingeschätzt und beurteilt werden, da auch die zeitliche Abfolge der Einnahme der Droge und des stattgehabten Ereignisses einzuschätzen sei. Die Beklagte hat alsdann ein Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Dipl.Chem. Dr. Q eingeholt. Auf dessen Gutachten vom 11.03.2013 wird Bezug genommen.
In seiner am 05.09.2012 bei der Beklagten eingegangenen Unfallanzeige führte der Kläger aus: "Ich stieg, um schnellstmöglich zum Firmensitz zu kommen und mir unmittelbar zuvor der Haustürschlüssel im Schloss innerseits der Wohnung abgebrochen war aus dem Fenster, um über das untere Parterredach rauszukommen. Dabei rutschte ich mit den Fingern an der Dachkante ab, so dass ich dadurch so unglücklich aufkam und mir das Bein brach". Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit, für ihn sei es normal, auch am Samstagnachmittag Kundentermine wahrzunehmen. Er habe sich mit seinem Stammkunden M wegen eines alten Mercedes so gegen 15:30 Uhr am Firmensitz treffen wollen. Sein Handy habe er in der Firma liegen lassen, weshalb er wegen der versperrten Wohnung auch keine Hilfe habe holen können und den Ausstieg über das Fenster versucht habe, um den Termin wahrzunehmen. Auf Befragen der Beklagten bestätigte Herr M schriftlich die Angaben des Klägers. Der Kläger übersandte eine schriftliche Bestätigung seines bei der Türöffnung anwesenden Nachmieters Herrn M1, dass die defekte Tür von außen problemlos aufgegangen sei; er habe das Schloss ausgetauscht; von innen habe noch der abgebrochene Schlüssel gesteckt.
Am 17.01.2013 teilte der Kläger mit, der Notruf sei von seiner Nachbarin C1 abgesetzt worden. Er habe auf dem Dach liegend versucht, sich durch Rufen bemerkbar zu machen. Er habe Papiere aus seiner alten Wohnung holen wollen und dann ein Schläfchen auf der Couch gemacht. Drogen habe er schon seit 10 Jahren nicht mehr konsumiert. Da habe man ihn wohl im Krankenhaus nicht richtig verstanden.
Frau C1 gab gegenüber der Beklagten an, sie sei am 17.03.2013 gegen 16 Uhr nach Hause gekommen und habe Schreie gehört. Beim Blick aus dem Fenster habe sie den verletzten Kläger gesehen und sofort den Notarzt verständigt.
Mit Bescheid vom 12.04.2013 lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Entschädigungsleistungen aus Anlass des am 17.03.2012 eingetretenen Ereignisses ab. Ein Arbeitsunfall habe nicht vorgelegen. Es sei unwahrscheinlich, dass jemand aus dem Fenster einer Dachgeschosswohnung klettere, um einen Geschäftstermin wahrzunehmen. Auch könne gar nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass der Kläger um 15 Uhr aus dem Fenster gestiegen sei, weil es hierfür keine Zeugen gebe und der Kläger weder Uhr noch Handy in der Wohnung gehabt habe. Der Notarzt sei erst um 16:25 Uhr alarmiert worden. Es sei aber äußerst unwahrscheinlich, dass jemand an dieser Stelle knapp 1 ½ Stunden schwer verletzt auf dem Vordach liege, ohne dass dies bemerkt werde. Dies gelte insbesondere, da der Kläger nach Angaben der Nachbarin laut geschrien habe.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2013 zurück. Eine versicherte Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt könne nicht als bewiesen angesehen werden. Weder stehe fest, wann der Kläger seine am Morgen des 17.03.2012 aufgenommene Tätigkeit als selbstständiger Fahrzeugaufbereiter mittags eingestellt habe, noch wann er die Wohnung in der S-straße verlassen habe. Schon deshalb sei nicht erwiesen, dass sich der Kläger auf dem Weg zur (erneuten) Aufnahme seiner betrieblichen Tätigkeit befunden habe.
Der Kläger hat am 22.10.2013 Klage erhoben und die Auffassung vertreten, ein Arbeitsunfall habe vorgelegen. Den Geschehensablauf hat er nun wie folgt beschrieben: Er habe sich am Vormittag des 17.03.2012 in seiner Firma befunden und sei gegen Mittag nach Hause gegangen. Er habe vorgehabt, für einen Geschäftstermin mit einem Kunden um 15:30 Uhr Papiere zu holen. Angekommen in seiner Wohnung, habe er die Papiere an sich genommen und anschließend Mittagsschlaf gehalten. Als er wieder aufgewacht sei, habe er versucht, die Wohnung zu verlassen. Bei dem Versuch, die Wohnungstür aufzuschließen, sei der Wohnungsschlüssel im Schloss abgebrochen. Da der Kläger den Termin mit dem Kunden um 15:30 Uhr unbedingt habe wahrnehmen wollen, habe er versucht, die Wohnung über das Dachgeschossfenster zu verlassen. Er habe geplant, zunächst den Vordachbereich der unten liegenden Wohnung über das Dachgeschossfenster zu erreichen. Sodann habe er vorgehabt, vom Vordachbereich in den ca. 2,6 m unterhalb befindlichen rückwärtigen Garten zu gelangen. Dazu sei es aber nicht mehr gekommen, weil er sich bereits bei dem Versuch, auf den Vordachbereich der unten liegenden Wohnung zu gelangen, verletzt habe. Es sei nicht richtig, dass er sich vor dem Unfall Kokain intravenös verabreicht habe. Am Tag vor dem Unfall habe er lediglich Kokain in geringen Mengen nasal eingenommen. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe er nicht unter Drogeneinfluss gestanden. Er habe keine Uhr und in der Wohnung in der S-str. habe sich auch keine Uhr befunden. Es könne daher durchaus sein, dass er wesentlich verspätet zum Termin um 15:30 Uhr gekommen wäre, dies aber mangels Uhr gar nicht habe bemerken können.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.04.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn Entschädigungsleistungen zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 29.04.2014 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, den Unfall des Klägers am 17.03.2012 als einen Arbeitsunfall anzuerkennen, weil der Kläger sich nicht auf einem versicherten Weg befunden habe. Der versicherte Weg beginne bzw. ende grundsätzlich mit dem "Durchschreiten" der Außentür des vom Versicherten bewohnten Gebäudes. Nach dem Vortrag des Klägers habe er die Wohnung zum Zwecke der Wahrnehmung eines Geschäftstermins aber über das Dachgeschossfenster verlassen wollen. Ein Fenster aber sei eine Öffnung in der Wand eines Gebäudes und diene der Licht- und Luftzufuhr sowie der Aussicht. In dem Moment, als der Kläger über das Fenster die Wohnung verlassen wollte, habe er das Fenster nicht bestimmungsgemäß genutzt und damit den Betriebsweg nicht angetreten. Auch habe der Kläger sich die Verletzungen im Vordachbereich des mehrgeschossigen Hauses zugezogen. Die Gefahr, sich bei beim Verlassen der Wohnung über ein Fenster zu verletzen, werde aber nicht vom Schutzbereich der Wegeunfallversicherung erfasst. Die Frage, ob der Kläger aufgrund seines Drogenkonsums nicht mehr in der Lage war, seine verrichtete Tätigkeit zu verrichten, könne deshalb offen bleiben.
Gegen das ihm am 06.05.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 04.06.2014 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er vorträgt, man könne durchaus aus dem Fenster aussteigen und sich dann auf einen versicherten Weg begeben. Er habe - was belegt ist - seinen Overall und die Sicherheitsschuhe angehabt. Wegen der Festigkeit der Schuhe seien seine Verletzungen auch so ausgefallen, wie von den Ärzten beschrieben. Nach seiner Erinnerung sei er wohl so gegen 12 bis 13 Uhr in seine Wohnung gegangen. Dort habe er den Kfz-Brief wegen seines Termins mit Herrn M holen wollen. Es sei aber noch genügend Zeit gewesen, um sich auf der in der Wohnung vorhandenen Couch erst einmal hinzulegen. Das spontane Einschlafen falle ihm leicht und er verfüge über eine gute innere Uhr. Er habe nach dem Aufwachen zur abgeschlossenen Tür gehen wollen, um den Termin wahrzunehmen. Beim Umdrehen des Schlüssels sei dieser abgebrochen. Er schätze, so gegen 15 Uhr aus dem Fenster hinausgeklettert zu sein, könne dies aber nicht mehr so genau sagen. Ob er zunächst bewusstlos gewesen sei, wisse er nicht mehr. Er habe das Kokain nicht intravenös vor dem Unfall genommen, sondern am Abend vorher geschnupft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.04.2014 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2013 zu verurteilen, das Ereignis vom 17.03.2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Angaben des Klägers für widersprüchlich. Gegenüber dem Notarzt habe er angegeben, er sei aus dem Fenster gestiegen, um die darunter liegende Wohnung zu erreichen, später habe er erklärt, er habe dies getan, um einen Geschäftstermin wahrzunehmen. Auch habe der Kläger angegeben, sich kurz vor dem Sturz ¼ Gramm Kokain gespritzt zu haben, was zur Absicht, dann eine betriebliche Tätigkeit aufzunehmen, nicht passe. Auch sei das Vordach "Alternativweg zum Treppenhaus". Deshalb sei mit dem Durchsteigen des Fensters der versicherte Bereich noch gar nicht erreicht gewesen, zumal er damit noch nicht den öffentlichen Verkehrsraum erreicht habe.
Am 23.04.2015 hat der Berichterstatter einen Ortstermin in der S-str. 00 in I durchgeführt, bei dem sich die Lage und Anordnung der Wohnungen des Klägers und seiner Nachbarin Frau C1 im Haus S-straße 00 sowie die Lage und Öffnung des Grundstücks zum öffentlichen Straßenraum hin wie im Tatbestand beschrieben darstellten. Auf die angefertigte Bilddokumentation wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Denn der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2013 nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Der Kläger hat am 17.03.2012 keinen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 04.12.2014, B 2 U 18/13 R m.w.N.; vom 26.6.2014, B 2 U 4/13 R und B 2 U 7/13 R). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Der Kläger war am Tag des Unfalls bei der Beklagten als Unternehmer pflichtversichert. Ein versicherter Wegeunfall lag aber nicht vor.
Der Versicherungsschutz ist allerdings nicht schon wegen einer evtl. drogenbedingten Wegeuntauglichkeit des Klägers zu verneinen. Der Zusammenhang mit dem Betrieb kann gelöst werden, wenn der Versicherte durch sein Verhalten einen besonderen, mit seiner betrieblichen Tätigkeit nicht zusammenhängenden Gefahrenbereich schafft, mithin betriebsfremde Motive erheblich eingewirkt haben und das Verhalten des Versicherten völlig unvernünftig und sinnwidrig war (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29.04.2014, L 3 U 110/11, juris-Rn. 46). Ebenso wie Alkohol kann jede andere legal, zB als Medikament, oder illegal vom Versicherten aus nicht versicherten Gründen zu sich genommene Substanz den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls beseitigen, wenn sie zu einer Lösung vom Betrieb geführt hat, oder die Unfallkausalität zwischen der versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis ausschließen, wenn sie die allein wesentliche Bedingung für den Unfall war (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R, juris-Rn. 27). Beweisbelastet ist insoweit die Beklagte (BSG a.a.O.). Die Beweisführung würde zumindest erfordern, dass die Blutkonzentration der eingenommenen Droge bekannt ist (BSG, a.a.O.) - woran es hier bereits fehlt - und dass Beweisanzeichen gegeben sind, die es nahe legen, dass der Versicherte zum Unfallzeitpunkt rauschmittelbedingt zu einer zweckgerichteten Absolvierung des Weges nicht mehr imstande gewesen ist (vgl. zur alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit z.B. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17.04.2012, L 3 U 543/10 ZVW, juris-Rn. 36). Dafür gibt es hier keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Senat sieht als erwiesen an, dass der Kläger sich entsprechend seinen eigenen Angaben gegenüber dem Durchgangsarzt gegen 13 Uhr ¼ Gramm Kokain intravenös verabreicht hat. Wie der Kläger dem Senat - insoweit nicht protokolliert - erläutert hat, hat er seine Angaben zur vollständigen Information seiner Ärzte und in der Vorstellung gemacht, seine dem Arzt gegebenen Informationen würden nicht bekannt werden. Gerade deshalb sind diese frühen Angaben als unbefangen und wahrheitsgemäß anzusehen, während die zahlreichen davon abweichenden späteren Schilderungen (keine Einnahme, Einnahme nasal, Einnahme am Vortag, Einnahme einer Kleinstmenge) angesichts ihrer Wechselhaftigkeit ersichtlich der Verharmlosung und Verschleierung dienen. Eine konkrete Beeinträchtigung des Klägers im Unfallzeitpunkt durch den Drogenkonsum kann der Senat dennoch nicht feststellen. Die am Unfalltag erhobenen Blutbefunde sind nach Feststellung des Beratungsarztes nicht aussagekräftig. Ein Drogen-Screening wurde nicht durchgeführt. Dr. L, der eine grundsätzlich mögliche euphorisierende und zur Risikounterschätzung führende Wirkung von Kokain beschreibt, hat sich nicht in der Lage gesehen, die konkreten Auswirkungen auf den Kläger einzuschätzen. Der von der Beklagten als Sachverständiger herangezogene Dipl.-Chemiker und Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. Q hat ausgeführt, der euphorisierende sog. "Kick" halte nur wenige Minuten an, danach könne es zu einer zwei bis drei Stunden dauernden Phase der Ruhelosigkeit und gesteigerter Aktivität oder zu depressionsartigen Zuständen kommen. Eine Einschränkung der Wahrnehmungsfähigkeit sei im Falle des Klägers "nicht auszuschließen", wenn seine Angabe stimme, dass er nur selten konsumiere. Dass es tatsächlich so war, kann der Senat somit nicht als gegeben ansehen. Da medizinisch harte Fakten fehlen, die Angaben der Gutachter im Bereich von Vermutungen bleiben und der Zeitraum von etwa zwei Stunden nach der Einnahme des Kokains nach den Ausführungen von Dr. Q als zu lang angesehen werden muss, um eine euphorische Wahrnehmungsstörung zu bejahen, reicht das objektiv riskante, aber angesichts seiner Situation nicht völlig abwegige Verhalten des Klägers beim Verlassen seiner Wohnung nicht aus, eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers anzunehmen.
Der demnach nicht ausgeschlossene Versicherungsschutz beim Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit wird damit begründet, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 2 U 14/10 R, juris-Rn. 31 m.w.N.). Sie erfolgen entweder mit der Handlungstendenz, sich aus dem privaten Bereich in den betrieblichen Bereich (Weg zu dem Ort der Tätigkeit) oder sich aus dem betrieblichen Bereich zurück in den privaten Bereich zu begeben (Weg von dem Ort der Tätigkeit).
Der Kläger hat zum Unfallzeitpunkt (noch) keine solche versicherte Tätigkeit verrichtet. Versicherter i.S.d § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, soweit die Intention objektiviert ist (sog objektivierte Handlungstendenz), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung reicht hingegen nicht (BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R, juris-Rn. 21f.).
Die von außen beobachtbare konkrete Verrichtung des Klägers im Unfallzeitpunkt war das Verlassen seiner Wohnung durch ein Dachfenster mit dem unmittelbaren Ziel, über die Dachschräge das darunter liegende Flachdach zu erreichen. Diese Tätigkeit lässt objektiv eine Betriebsbezogenheit zu der versicherten Tätigkeit des Klägers als Unternehmer eines Aufarbeitungsbetriebes für Kraftfahrzeuge nicht ohne weiteres erkennen.
Der Senat ist zwar der Überzeugung, dass der unfallbringende Weg grundsätzlich der versicherten Tätigkeit diente. Für die Beurteilung, ob objektive Umstände Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggfs das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden (BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 2 U 14/10 R, juris-Rn. 20; Senatsurteil vom 27.08.2014, L 17 U 434/13). Ausgangspunkt des Weges war die Wohnung des Klägers, in der er sich zuvor mehr als zwei Stunden aufgehalten hatte. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Kläger sich auf den Weg von seiner Wohnung zu einem geschäftlichen Termin in seiner Werkstatt begeben wollte. Hiervon ist der Senat überzeugt aufgrund der schriftlichen Bestätigung des Herrn M gegenüber der Beklagten, dass er um 15.30 Uhr am Unfalltag mit dem Kläger geschäftlich verabredet gewesen sei; außerdem aufgrund der Tatsache, dass der Kläger bei seinem Unfall seine Arbeitsmontur trug. Dass der Kläger sich möglicherweise verspätet auf den Weg machte, spricht nicht gegen den betriebsgerichteten Charakter des Weges. Denn der Kläger hat - insoweit glaubhaft und belegt durch seine Angabe des Unfallzeitpunkts (15.00 Uhr) beim Durchgangsarzt am Unfalltag - eine evtl. Verspätung nicht bemerkt, so dass sie ohne Einfluss auf seine Handlungstendenz blieb.
Der versicherte Weg hatte aber noch nicht begonnen. Die versicherte Tätigkeit beginnt bei dem Weg zum Ort der Tätigkeit grundsätzlich erst mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes (Mehr- oder Einfamilienhaus), in dem sich die Wohnung des Versicherten befindet (BSG, Urteil vom 18.06.2013, B 2 U 10/12 R, juris-Rn. 14); Außentür ist neben der Haustür jede Außentür, durch welche der häusliche Bereich verlassen werden kann (BSG, Urteil vom 07.11.2000, B 2 U 39/99 R, juris-Rn. 21; BSG, Urteil vom 31.05.1988, 2/9b RU 6/87, juris-Rn. 15). Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen Lebensbereich und dem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg zum Ort der Tätigkeit im Interesse der Rechtssicherheit bewusst starr gezogen, weil sie an objektive Merkmale anknüpft, die im Allgemeinen leicht feststellbar sind (BSG, a.a.O.).
Hier war der Weg durch die Wohnungstür versperrt, was der Senat aufgrund der entsprechenden Bestätigung des Herrn M1 als nachgewiesen ansieht, so dass die Außentür auf normalem Wege nicht erreicht werden konnte. Ist der Weg durch die Außentür nicht möglich, so ist entgegen der Auffassung des SG ein Fenster (auch im oberen Geschoss) der Außentür grundsätzlich gleichgestellt (ebenso Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 19.12.2001, L 8 U 17/01, juris-Rn. 25; vgl. auch BSG, Urteil vom 15.12.1959, 2 RU 143/57; Schlaeger, jurisPR-SozR 4/2013 Anm. 5). Dies kann allerdings nach Ansicht des Senats nur unter der Voraussetzung gelten, dass durch das Aussteigen durch ein Fenster tatsächlich der häusliche Bereich (s.o.) verlassen wird. Dies ist hier nicht der Fall.
Für den Senat steht aufgrund der verschiedenen Angaben des Klägers im Verfahren fest, dass dieser zunächst das Vordach über der Parterrewohnung erreichen wollte, um sodann von dort aus entweder in die unter ihm liegende Wohnung (und von dort zur Außentür) oder (durch weiteres Absteigen) auf den Weg vor dem Haus zu gelangen. Der Kläger hat den von ihm geplanten Weg zur Arbeit in zwei Varianten beschrieben: Zum einen ist er im Notarztprotokoll mit der Aussage zitiert, er sei "einen Stock tiefer gesprungen, um in die darunter liegende Wohnung zu gelangen". Zum anderen hat er angegeben, er habe "über das Parterredach raus" kommen wollen (Unfallanzeige vom 05.09.2012), was er gegenüber dem Senat dahingehend präzisiert hat, dass er vom Vordach aus sofort weiter auf den davor verlaufenden Weg habe absteigen wollen. Der Senat kann nicht feststellen, welche dieser beiden Aussagen zutreffend ist, zumal der Kläger, als er aus dem Fenster stieg, nicht wissen konnte, ob Frau C1 zu Hause ist. In keiner Variante hatte allerdings der versicherte Weg des Klägers bereits begonnen, denn keine Variante ist mit dem Verlassen des Hauses durch die Außentür vergleichbar. Auf dem Weg vom Dachgeschoss zum "Zwischenziel" Vordach hatte der Kläger nach Ansicht des Senats den unversicherten häuslichen Bereich noch nicht verlassen.
Soweit die Rechtsprechung zum Verlassen des Hauses auf anderem Wege als durch die Ausgangstür Versicherungsschutz bejaht, setzt dies voraus, dass tatsächlich der häusliche Bereich verlassen und der öffentliche Raum erreicht wurde. So besteht nach Verlassen des Hauses Versicherungsschutz auf einer Außentreppe, auch auf einer diese Außentreppe ersetzenden Leiter zum Erdgeschoss (BSG, Urteil vom 15.12.1959, 2 RU 143/57). Das BSG (a.a.O.) hat in einer frühen Entscheidung den Beginn des versicherten Weges auch schon bejaht, wenn das Haus durch ein Fenster aus einem Obergeschoss über eine von der Straße her an das Fenster angelehnte Leiter verlassen werden musste. Auch soweit Garagen Schauplatz eines Unfalls sind, kommt es nach der Rechtsprechung für den Versicherungsschutz darauf an, ob sie noch dem häuslichen Bereich zugehörig sind. (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 31.05.1988, 2/9b RU 6/87, juris-Rn. 16).
Bei seiner demnach auf objektive Merkmale gegründeten klaren Grenzziehung zwischen dem versicherten Teil und dem unversicherten Teil des Weges hat sich das BSG von dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und dem Streben nach einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung leiten lassen. Die Grenze "Außentür des Gebäudes" trennt klar den öffentlichen Verkehrsraum von dem unversicherten Bereich ab (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.02.2009, L 15 U 93/08, juris-Rn. 19 m.w.N.). Der häusliche Bereich, zu dem u.a. auch das Treppenhaus gehört, ist im Allgemeinen dem Versicherten besser als anderen Personen bekannt und damit eine Gefahrenquelle, für die ihn das BSG als selbst verantwortlich ansieht (Schlaeger, jurisPR-SozR 4/2013 Anm. 5 m.N. aus der RSpr.). Dies gilt sogar in städtischen Mehrfamilienhäusern, u.a. weil - so ausdrücklich das BSG - deren Treppenhaus kein öffentlicher Raum ist (BSG, Urteil vom 12.12.2006, B 2 U 28/05 R, juris-Rn. 16). Wird das Haus anders verlassen als durch eine Außentür, ist deshalb eine vergleichbar klare Trennung in dem Sinne zu verlangen, dass auf dem Weg nach draußen tatsächlich die Grenze überschritten wird, die den "häuslichen Bereich" vom "öffentlichen Raum" trennt. Ein solcher "öffentlicher Raum" setzt nach dem Verständnis des Senats in Abgrenzung zum "häuslichen Bereich" zumindest voraus, dass er von außen auf normalem Wege - ohne Betreten des Hauses - erreicht werden kann. Dies ist bei einer Dachfläche, wie auch z.B. bei einem Balkon, nicht der Fall. Als Teil des Hauses ist diese Fläche deshalb noch dem häuslichen Bereich zuzuordnen (bejaht auch - insoweit ohne ausdrückliche Diskussion - beim Sturz über eine Balkontürschwelle beim Holen eines für den Weg zur Arbeit benötigten Mantels: Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 09.11.2004, L 2 U 36/02 W 04, juris-Rn. 14). Der häusliche Bereich wäre deshalb frühestens mit dem Überschreiten der Dachkante zum weiteren Abstieg von der Dachfläche in Richtung "Weg vor dem Haus" begonnen worden. Da es hierzu nicht mehr gekommen ist und da die Abgrenzung nach objektiven Kriterien zu erfolgen hat, kann die vom Senat ohnehin nicht mehr aufklärbare Frage offen bleiben, ob der Kläger sich nach Erreichen der Dachfläche wirklich weiter auf den Weg in den öffentlichen Verkehrsraum machen wollte, oder ob er zu diesem Zeitpunkt noch vorhatte, das Haus durch die Wohnung der Nachbarin und dann durch die Außentür zu verlassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Frage der Abgrenzung zwischen häuslichem Bereich und öffentlichem Raum hier grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger am 17.03.2012 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der Kläger betrieb seit 2008 als selbständiger Kfz-Lackierer die Fa. "C", A 00, I, und war in dieser Eigenschaft bei der Beklagten pflichtversichert. Wohnhaft war er seinerzeit 2 km von seinem Arbeitsplatz entfernt in I in der S-straße 00, einem 2 ½-stöckigen Mehrfamilienhaus. Dort wohnte der Kläger im Dachgeschoss. Diese Wohnung beabsichtigte er aufzugeben, der Umzug in eine andere Wohnung war aber noch nicht vollzogen.
Der einzige Hauseingang des Hauses S-straße 00 befindet sich an einem zur M-straße hin mit einem nie abgeschlossenen Törchen versehenen Stichweg, den Fußgänger und Radfahrer nutzen. Das Erdgeschoss ist größer als die darüber liegenden Geschosse und springt zu dem genannten Stichweg hin vor; dieser Vorsprung ist mit einem Flachdach gedeckt, das etwa 2,60 m über dem Niveau des Stichweges liegt. Mehrere Fenster der darüber liegenden Wohnung der Mieterin Frau C1 gehen auf dieses Flachdach hinaus. Darüber wiederum liegt die Dachgeschosswohnung des Klägers. Die Fenster dieser Wohnung liegen in einer Schleppgaube im Satteldach des Hauses, wiederum etwa 2,60 m oberhalb des genannten Flachdaches und von diesem durch die unteren vier Ziegelreihen der Dachschräge, die Dachrinne und die Außenwand der Wohnung C1 getrennt.
Am 17.03.2012, einem Samstag, verunglückte der Kläger bei dem Versuch, seine im Dachgeschoss in der S-straße gelegene Wohnung über das Fenster zu verlassen. Hierzu wollte er über das Dach zunächst den Vordachbereich vor der ein Stockwerk tiefer liegenden Wohnung der Mieterin C1 erreichen. Er stürzte jedoch ab und zog sich eine Verletzung am Unterschenkel rechts zu. Laut Notarzteinsatzprotokoll erfolgte der Alarm um 16:25 Uhr, der Notarzt traf um 16:34 Uhr ein und der Kläger wurde um 16:51 Uhr abtransportiert. Der Kläger gab dem Notarzt gegenüber an, er sei aus dem Fenster einen Stock tiefer gesprungen, weil er sich ausgesperrt habe, um in die darunter liegende Wohnung zu kommen.
Beim Durchgangsarzt (D-Arzt) Unfallchirurg PD Dr. L vom Krankenhaus C, H, traf der Kläger nach dessen Bericht am 17.03.2012, 11:40 (richtig wohl: 17:40) ein; der Gebührenbescheid des Rettungsdienstes nennt als Uhrzeit 17:41 Uhr. PD Dr. L diagnostizierte eine drittgradig offene Unterschenkelfraktur rechts und Drogenabusus. Der D-Arzt befundete weite Pupillen, fahrige und verwaschene Sprache. Laut D-Arztbericht gab der Kläger dort an, der Unfall sei gegen 15 Uhr passiert. Gegen 13 Uhr habe er sich 1/4 Gramm Kokain intravenös verabreicht. Nach früherem Drogenabusus sei dies ein seltener "Ausrutscher" gewesen. Der "Kick" durch die Drogen sei nach 2 Stunden auch bereits vorbei gewesen. Die im Anschluss an den Unfall veranlasste Blutuntersuchung ergab einen positiven, von der Beklagten - offenbar durch den Beratungsarzt - aber als "nicht sehr relevant" eingeschätzten Kokain-Befund. PD Dr. L gab hierzu unter dem 17.12.2012 an, ein solcher Drogengenuss habe euphorisierende und selbstüberschätzende Wirkung, so dass das Herausspringen aus dem Fenster in der Gefährlichkeit nicht korrekt eingeschätzt werden könne. Diese Auswirkungen sollten jedoch durch einen in der Suchtmedizin erfahrenen Kollegen eingeschätzt und beurteilt werden, da auch die zeitliche Abfolge der Einnahme der Droge und des stattgehabten Ereignisses einzuschätzen sei. Die Beklagte hat alsdann ein Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Dipl.Chem. Dr. Q eingeholt. Auf dessen Gutachten vom 11.03.2013 wird Bezug genommen.
In seiner am 05.09.2012 bei der Beklagten eingegangenen Unfallanzeige führte der Kläger aus: "Ich stieg, um schnellstmöglich zum Firmensitz zu kommen und mir unmittelbar zuvor der Haustürschlüssel im Schloss innerseits der Wohnung abgebrochen war aus dem Fenster, um über das untere Parterredach rauszukommen. Dabei rutschte ich mit den Fingern an der Dachkante ab, so dass ich dadurch so unglücklich aufkam und mir das Bein brach". Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit, für ihn sei es normal, auch am Samstagnachmittag Kundentermine wahrzunehmen. Er habe sich mit seinem Stammkunden M wegen eines alten Mercedes so gegen 15:30 Uhr am Firmensitz treffen wollen. Sein Handy habe er in der Firma liegen lassen, weshalb er wegen der versperrten Wohnung auch keine Hilfe habe holen können und den Ausstieg über das Fenster versucht habe, um den Termin wahrzunehmen. Auf Befragen der Beklagten bestätigte Herr M schriftlich die Angaben des Klägers. Der Kläger übersandte eine schriftliche Bestätigung seines bei der Türöffnung anwesenden Nachmieters Herrn M1, dass die defekte Tür von außen problemlos aufgegangen sei; er habe das Schloss ausgetauscht; von innen habe noch der abgebrochene Schlüssel gesteckt.
Am 17.01.2013 teilte der Kläger mit, der Notruf sei von seiner Nachbarin C1 abgesetzt worden. Er habe auf dem Dach liegend versucht, sich durch Rufen bemerkbar zu machen. Er habe Papiere aus seiner alten Wohnung holen wollen und dann ein Schläfchen auf der Couch gemacht. Drogen habe er schon seit 10 Jahren nicht mehr konsumiert. Da habe man ihn wohl im Krankenhaus nicht richtig verstanden.
Frau C1 gab gegenüber der Beklagten an, sie sei am 17.03.2013 gegen 16 Uhr nach Hause gekommen und habe Schreie gehört. Beim Blick aus dem Fenster habe sie den verletzten Kläger gesehen und sofort den Notarzt verständigt.
Mit Bescheid vom 12.04.2013 lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Entschädigungsleistungen aus Anlass des am 17.03.2012 eingetretenen Ereignisses ab. Ein Arbeitsunfall habe nicht vorgelegen. Es sei unwahrscheinlich, dass jemand aus dem Fenster einer Dachgeschosswohnung klettere, um einen Geschäftstermin wahrzunehmen. Auch könne gar nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass der Kläger um 15 Uhr aus dem Fenster gestiegen sei, weil es hierfür keine Zeugen gebe und der Kläger weder Uhr noch Handy in der Wohnung gehabt habe. Der Notarzt sei erst um 16:25 Uhr alarmiert worden. Es sei aber äußerst unwahrscheinlich, dass jemand an dieser Stelle knapp 1 ½ Stunden schwer verletzt auf dem Vordach liege, ohne dass dies bemerkt werde. Dies gelte insbesondere, da der Kläger nach Angaben der Nachbarin laut geschrien habe.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2013 zurück. Eine versicherte Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt könne nicht als bewiesen angesehen werden. Weder stehe fest, wann der Kläger seine am Morgen des 17.03.2012 aufgenommene Tätigkeit als selbstständiger Fahrzeugaufbereiter mittags eingestellt habe, noch wann er die Wohnung in der S-straße verlassen habe. Schon deshalb sei nicht erwiesen, dass sich der Kläger auf dem Weg zur (erneuten) Aufnahme seiner betrieblichen Tätigkeit befunden habe.
Der Kläger hat am 22.10.2013 Klage erhoben und die Auffassung vertreten, ein Arbeitsunfall habe vorgelegen. Den Geschehensablauf hat er nun wie folgt beschrieben: Er habe sich am Vormittag des 17.03.2012 in seiner Firma befunden und sei gegen Mittag nach Hause gegangen. Er habe vorgehabt, für einen Geschäftstermin mit einem Kunden um 15:30 Uhr Papiere zu holen. Angekommen in seiner Wohnung, habe er die Papiere an sich genommen und anschließend Mittagsschlaf gehalten. Als er wieder aufgewacht sei, habe er versucht, die Wohnung zu verlassen. Bei dem Versuch, die Wohnungstür aufzuschließen, sei der Wohnungsschlüssel im Schloss abgebrochen. Da der Kläger den Termin mit dem Kunden um 15:30 Uhr unbedingt habe wahrnehmen wollen, habe er versucht, die Wohnung über das Dachgeschossfenster zu verlassen. Er habe geplant, zunächst den Vordachbereich der unten liegenden Wohnung über das Dachgeschossfenster zu erreichen. Sodann habe er vorgehabt, vom Vordachbereich in den ca. 2,6 m unterhalb befindlichen rückwärtigen Garten zu gelangen. Dazu sei es aber nicht mehr gekommen, weil er sich bereits bei dem Versuch, auf den Vordachbereich der unten liegenden Wohnung zu gelangen, verletzt habe. Es sei nicht richtig, dass er sich vor dem Unfall Kokain intravenös verabreicht habe. Am Tag vor dem Unfall habe er lediglich Kokain in geringen Mengen nasal eingenommen. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe er nicht unter Drogeneinfluss gestanden. Er habe keine Uhr und in der Wohnung in der S-str. habe sich auch keine Uhr befunden. Es könne daher durchaus sein, dass er wesentlich verspätet zum Termin um 15:30 Uhr gekommen wäre, dies aber mangels Uhr gar nicht habe bemerken können.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.04.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn Entschädigungsleistungen zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 29.04.2014 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, den Unfall des Klägers am 17.03.2012 als einen Arbeitsunfall anzuerkennen, weil der Kläger sich nicht auf einem versicherten Weg befunden habe. Der versicherte Weg beginne bzw. ende grundsätzlich mit dem "Durchschreiten" der Außentür des vom Versicherten bewohnten Gebäudes. Nach dem Vortrag des Klägers habe er die Wohnung zum Zwecke der Wahrnehmung eines Geschäftstermins aber über das Dachgeschossfenster verlassen wollen. Ein Fenster aber sei eine Öffnung in der Wand eines Gebäudes und diene der Licht- und Luftzufuhr sowie der Aussicht. In dem Moment, als der Kläger über das Fenster die Wohnung verlassen wollte, habe er das Fenster nicht bestimmungsgemäß genutzt und damit den Betriebsweg nicht angetreten. Auch habe der Kläger sich die Verletzungen im Vordachbereich des mehrgeschossigen Hauses zugezogen. Die Gefahr, sich bei beim Verlassen der Wohnung über ein Fenster zu verletzen, werde aber nicht vom Schutzbereich der Wegeunfallversicherung erfasst. Die Frage, ob der Kläger aufgrund seines Drogenkonsums nicht mehr in der Lage war, seine verrichtete Tätigkeit zu verrichten, könne deshalb offen bleiben.
Gegen das ihm am 06.05.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 04.06.2014 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er vorträgt, man könne durchaus aus dem Fenster aussteigen und sich dann auf einen versicherten Weg begeben. Er habe - was belegt ist - seinen Overall und die Sicherheitsschuhe angehabt. Wegen der Festigkeit der Schuhe seien seine Verletzungen auch so ausgefallen, wie von den Ärzten beschrieben. Nach seiner Erinnerung sei er wohl so gegen 12 bis 13 Uhr in seine Wohnung gegangen. Dort habe er den Kfz-Brief wegen seines Termins mit Herrn M holen wollen. Es sei aber noch genügend Zeit gewesen, um sich auf der in der Wohnung vorhandenen Couch erst einmal hinzulegen. Das spontane Einschlafen falle ihm leicht und er verfüge über eine gute innere Uhr. Er habe nach dem Aufwachen zur abgeschlossenen Tür gehen wollen, um den Termin wahrzunehmen. Beim Umdrehen des Schlüssels sei dieser abgebrochen. Er schätze, so gegen 15 Uhr aus dem Fenster hinausgeklettert zu sein, könne dies aber nicht mehr so genau sagen. Ob er zunächst bewusstlos gewesen sei, wisse er nicht mehr. Er habe das Kokain nicht intravenös vor dem Unfall genommen, sondern am Abend vorher geschnupft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.04.2014 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2013 zu verurteilen, das Ereignis vom 17.03.2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Angaben des Klägers für widersprüchlich. Gegenüber dem Notarzt habe er angegeben, er sei aus dem Fenster gestiegen, um die darunter liegende Wohnung zu erreichen, später habe er erklärt, er habe dies getan, um einen Geschäftstermin wahrzunehmen. Auch habe der Kläger angegeben, sich kurz vor dem Sturz ¼ Gramm Kokain gespritzt zu haben, was zur Absicht, dann eine betriebliche Tätigkeit aufzunehmen, nicht passe. Auch sei das Vordach "Alternativweg zum Treppenhaus". Deshalb sei mit dem Durchsteigen des Fensters der versicherte Bereich noch gar nicht erreicht gewesen, zumal er damit noch nicht den öffentlichen Verkehrsraum erreicht habe.
Am 23.04.2015 hat der Berichterstatter einen Ortstermin in der S-str. 00 in I durchgeführt, bei dem sich die Lage und Anordnung der Wohnungen des Klägers und seiner Nachbarin Frau C1 im Haus S-straße 00 sowie die Lage und Öffnung des Grundstücks zum öffentlichen Straßenraum hin wie im Tatbestand beschrieben darstellten. Auf die angefertigte Bilddokumentation wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Denn der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2013 nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Der Kläger hat am 17.03.2012 keinen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 04.12.2014, B 2 U 18/13 R m.w.N.; vom 26.6.2014, B 2 U 4/13 R und B 2 U 7/13 R). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Der Kläger war am Tag des Unfalls bei der Beklagten als Unternehmer pflichtversichert. Ein versicherter Wegeunfall lag aber nicht vor.
Der Versicherungsschutz ist allerdings nicht schon wegen einer evtl. drogenbedingten Wegeuntauglichkeit des Klägers zu verneinen. Der Zusammenhang mit dem Betrieb kann gelöst werden, wenn der Versicherte durch sein Verhalten einen besonderen, mit seiner betrieblichen Tätigkeit nicht zusammenhängenden Gefahrenbereich schafft, mithin betriebsfremde Motive erheblich eingewirkt haben und das Verhalten des Versicherten völlig unvernünftig und sinnwidrig war (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29.04.2014, L 3 U 110/11, juris-Rn. 46). Ebenso wie Alkohol kann jede andere legal, zB als Medikament, oder illegal vom Versicherten aus nicht versicherten Gründen zu sich genommene Substanz den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls beseitigen, wenn sie zu einer Lösung vom Betrieb geführt hat, oder die Unfallkausalität zwischen der versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis ausschließen, wenn sie die allein wesentliche Bedingung für den Unfall war (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R, juris-Rn. 27). Beweisbelastet ist insoweit die Beklagte (BSG a.a.O.). Die Beweisführung würde zumindest erfordern, dass die Blutkonzentration der eingenommenen Droge bekannt ist (BSG, a.a.O.) - woran es hier bereits fehlt - und dass Beweisanzeichen gegeben sind, die es nahe legen, dass der Versicherte zum Unfallzeitpunkt rauschmittelbedingt zu einer zweckgerichteten Absolvierung des Weges nicht mehr imstande gewesen ist (vgl. zur alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit z.B. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17.04.2012, L 3 U 543/10 ZVW, juris-Rn. 36). Dafür gibt es hier keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Senat sieht als erwiesen an, dass der Kläger sich entsprechend seinen eigenen Angaben gegenüber dem Durchgangsarzt gegen 13 Uhr ¼ Gramm Kokain intravenös verabreicht hat. Wie der Kläger dem Senat - insoweit nicht protokolliert - erläutert hat, hat er seine Angaben zur vollständigen Information seiner Ärzte und in der Vorstellung gemacht, seine dem Arzt gegebenen Informationen würden nicht bekannt werden. Gerade deshalb sind diese frühen Angaben als unbefangen und wahrheitsgemäß anzusehen, während die zahlreichen davon abweichenden späteren Schilderungen (keine Einnahme, Einnahme nasal, Einnahme am Vortag, Einnahme einer Kleinstmenge) angesichts ihrer Wechselhaftigkeit ersichtlich der Verharmlosung und Verschleierung dienen. Eine konkrete Beeinträchtigung des Klägers im Unfallzeitpunkt durch den Drogenkonsum kann der Senat dennoch nicht feststellen. Die am Unfalltag erhobenen Blutbefunde sind nach Feststellung des Beratungsarztes nicht aussagekräftig. Ein Drogen-Screening wurde nicht durchgeführt. Dr. L, der eine grundsätzlich mögliche euphorisierende und zur Risikounterschätzung führende Wirkung von Kokain beschreibt, hat sich nicht in der Lage gesehen, die konkreten Auswirkungen auf den Kläger einzuschätzen. Der von der Beklagten als Sachverständiger herangezogene Dipl.-Chemiker und Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. Q hat ausgeführt, der euphorisierende sog. "Kick" halte nur wenige Minuten an, danach könne es zu einer zwei bis drei Stunden dauernden Phase der Ruhelosigkeit und gesteigerter Aktivität oder zu depressionsartigen Zuständen kommen. Eine Einschränkung der Wahrnehmungsfähigkeit sei im Falle des Klägers "nicht auszuschließen", wenn seine Angabe stimme, dass er nur selten konsumiere. Dass es tatsächlich so war, kann der Senat somit nicht als gegeben ansehen. Da medizinisch harte Fakten fehlen, die Angaben der Gutachter im Bereich von Vermutungen bleiben und der Zeitraum von etwa zwei Stunden nach der Einnahme des Kokains nach den Ausführungen von Dr. Q als zu lang angesehen werden muss, um eine euphorische Wahrnehmungsstörung zu bejahen, reicht das objektiv riskante, aber angesichts seiner Situation nicht völlig abwegige Verhalten des Klägers beim Verlassen seiner Wohnung nicht aus, eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers anzunehmen.
Der demnach nicht ausgeschlossene Versicherungsschutz beim Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit wird damit begründet, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 2 U 14/10 R, juris-Rn. 31 m.w.N.). Sie erfolgen entweder mit der Handlungstendenz, sich aus dem privaten Bereich in den betrieblichen Bereich (Weg zu dem Ort der Tätigkeit) oder sich aus dem betrieblichen Bereich zurück in den privaten Bereich zu begeben (Weg von dem Ort der Tätigkeit).
Der Kläger hat zum Unfallzeitpunkt (noch) keine solche versicherte Tätigkeit verrichtet. Versicherter i.S.d § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, soweit die Intention objektiviert ist (sog objektivierte Handlungstendenz), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung reicht hingegen nicht (BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R, juris-Rn. 21f.).
Die von außen beobachtbare konkrete Verrichtung des Klägers im Unfallzeitpunkt war das Verlassen seiner Wohnung durch ein Dachfenster mit dem unmittelbaren Ziel, über die Dachschräge das darunter liegende Flachdach zu erreichen. Diese Tätigkeit lässt objektiv eine Betriebsbezogenheit zu der versicherten Tätigkeit des Klägers als Unternehmer eines Aufarbeitungsbetriebes für Kraftfahrzeuge nicht ohne weiteres erkennen.
Der Senat ist zwar der Überzeugung, dass der unfallbringende Weg grundsätzlich der versicherten Tätigkeit diente. Für die Beurteilung, ob objektive Umstände Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggfs das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden (BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 2 U 14/10 R, juris-Rn. 20; Senatsurteil vom 27.08.2014, L 17 U 434/13). Ausgangspunkt des Weges war die Wohnung des Klägers, in der er sich zuvor mehr als zwei Stunden aufgehalten hatte. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Kläger sich auf den Weg von seiner Wohnung zu einem geschäftlichen Termin in seiner Werkstatt begeben wollte. Hiervon ist der Senat überzeugt aufgrund der schriftlichen Bestätigung des Herrn M gegenüber der Beklagten, dass er um 15.30 Uhr am Unfalltag mit dem Kläger geschäftlich verabredet gewesen sei; außerdem aufgrund der Tatsache, dass der Kläger bei seinem Unfall seine Arbeitsmontur trug. Dass der Kläger sich möglicherweise verspätet auf den Weg machte, spricht nicht gegen den betriebsgerichteten Charakter des Weges. Denn der Kläger hat - insoweit glaubhaft und belegt durch seine Angabe des Unfallzeitpunkts (15.00 Uhr) beim Durchgangsarzt am Unfalltag - eine evtl. Verspätung nicht bemerkt, so dass sie ohne Einfluss auf seine Handlungstendenz blieb.
Der versicherte Weg hatte aber noch nicht begonnen. Die versicherte Tätigkeit beginnt bei dem Weg zum Ort der Tätigkeit grundsätzlich erst mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes (Mehr- oder Einfamilienhaus), in dem sich die Wohnung des Versicherten befindet (BSG, Urteil vom 18.06.2013, B 2 U 10/12 R, juris-Rn. 14); Außentür ist neben der Haustür jede Außentür, durch welche der häusliche Bereich verlassen werden kann (BSG, Urteil vom 07.11.2000, B 2 U 39/99 R, juris-Rn. 21; BSG, Urteil vom 31.05.1988, 2/9b RU 6/87, juris-Rn. 15). Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen Lebensbereich und dem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg zum Ort der Tätigkeit im Interesse der Rechtssicherheit bewusst starr gezogen, weil sie an objektive Merkmale anknüpft, die im Allgemeinen leicht feststellbar sind (BSG, a.a.O.).
Hier war der Weg durch die Wohnungstür versperrt, was der Senat aufgrund der entsprechenden Bestätigung des Herrn M1 als nachgewiesen ansieht, so dass die Außentür auf normalem Wege nicht erreicht werden konnte. Ist der Weg durch die Außentür nicht möglich, so ist entgegen der Auffassung des SG ein Fenster (auch im oberen Geschoss) der Außentür grundsätzlich gleichgestellt (ebenso Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 19.12.2001, L 8 U 17/01, juris-Rn. 25; vgl. auch BSG, Urteil vom 15.12.1959, 2 RU 143/57; Schlaeger, jurisPR-SozR 4/2013 Anm. 5). Dies kann allerdings nach Ansicht des Senats nur unter der Voraussetzung gelten, dass durch das Aussteigen durch ein Fenster tatsächlich der häusliche Bereich (s.o.) verlassen wird. Dies ist hier nicht der Fall.
Für den Senat steht aufgrund der verschiedenen Angaben des Klägers im Verfahren fest, dass dieser zunächst das Vordach über der Parterrewohnung erreichen wollte, um sodann von dort aus entweder in die unter ihm liegende Wohnung (und von dort zur Außentür) oder (durch weiteres Absteigen) auf den Weg vor dem Haus zu gelangen. Der Kläger hat den von ihm geplanten Weg zur Arbeit in zwei Varianten beschrieben: Zum einen ist er im Notarztprotokoll mit der Aussage zitiert, er sei "einen Stock tiefer gesprungen, um in die darunter liegende Wohnung zu gelangen". Zum anderen hat er angegeben, er habe "über das Parterredach raus" kommen wollen (Unfallanzeige vom 05.09.2012), was er gegenüber dem Senat dahingehend präzisiert hat, dass er vom Vordach aus sofort weiter auf den davor verlaufenden Weg habe absteigen wollen. Der Senat kann nicht feststellen, welche dieser beiden Aussagen zutreffend ist, zumal der Kläger, als er aus dem Fenster stieg, nicht wissen konnte, ob Frau C1 zu Hause ist. In keiner Variante hatte allerdings der versicherte Weg des Klägers bereits begonnen, denn keine Variante ist mit dem Verlassen des Hauses durch die Außentür vergleichbar. Auf dem Weg vom Dachgeschoss zum "Zwischenziel" Vordach hatte der Kläger nach Ansicht des Senats den unversicherten häuslichen Bereich noch nicht verlassen.
Soweit die Rechtsprechung zum Verlassen des Hauses auf anderem Wege als durch die Ausgangstür Versicherungsschutz bejaht, setzt dies voraus, dass tatsächlich der häusliche Bereich verlassen und der öffentliche Raum erreicht wurde. So besteht nach Verlassen des Hauses Versicherungsschutz auf einer Außentreppe, auch auf einer diese Außentreppe ersetzenden Leiter zum Erdgeschoss (BSG, Urteil vom 15.12.1959, 2 RU 143/57). Das BSG (a.a.O.) hat in einer frühen Entscheidung den Beginn des versicherten Weges auch schon bejaht, wenn das Haus durch ein Fenster aus einem Obergeschoss über eine von der Straße her an das Fenster angelehnte Leiter verlassen werden musste. Auch soweit Garagen Schauplatz eines Unfalls sind, kommt es nach der Rechtsprechung für den Versicherungsschutz darauf an, ob sie noch dem häuslichen Bereich zugehörig sind. (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 31.05.1988, 2/9b RU 6/87, juris-Rn. 16).
Bei seiner demnach auf objektive Merkmale gegründeten klaren Grenzziehung zwischen dem versicherten Teil und dem unversicherten Teil des Weges hat sich das BSG von dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und dem Streben nach einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung leiten lassen. Die Grenze "Außentür des Gebäudes" trennt klar den öffentlichen Verkehrsraum von dem unversicherten Bereich ab (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.02.2009, L 15 U 93/08, juris-Rn. 19 m.w.N.). Der häusliche Bereich, zu dem u.a. auch das Treppenhaus gehört, ist im Allgemeinen dem Versicherten besser als anderen Personen bekannt und damit eine Gefahrenquelle, für die ihn das BSG als selbst verantwortlich ansieht (Schlaeger, jurisPR-SozR 4/2013 Anm. 5 m.N. aus der RSpr.). Dies gilt sogar in städtischen Mehrfamilienhäusern, u.a. weil - so ausdrücklich das BSG - deren Treppenhaus kein öffentlicher Raum ist (BSG, Urteil vom 12.12.2006, B 2 U 28/05 R, juris-Rn. 16). Wird das Haus anders verlassen als durch eine Außentür, ist deshalb eine vergleichbar klare Trennung in dem Sinne zu verlangen, dass auf dem Weg nach draußen tatsächlich die Grenze überschritten wird, die den "häuslichen Bereich" vom "öffentlichen Raum" trennt. Ein solcher "öffentlicher Raum" setzt nach dem Verständnis des Senats in Abgrenzung zum "häuslichen Bereich" zumindest voraus, dass er von außen auf normalem Wege - ohne Betreten des Hauses - erreicht werden kann. Dies ist bei einer Dachfläche, wie auch z.B. bei einem Balkon, nicht der Fall. Als Teil des Hauses ist diese Fläche deshalb noch dem häuslichen Bereich zuzuordnen (bejaht auch - insoweit ohne ausdrückliche Diskussion - beim Sturz über eine Balkontürschwelle beim Holen eines für den Weg zur Arbeit benötigten Mantels: Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 09.11.2004, L 2 U 36/02 W 04, juris-Rn. 14). Der häusliche Bereich wäre deshalb frühestens mit dem Überschreiten der Dachkante zum weiteren Abstieg von der Dachfläche in Richtung "Weg vor dem Haus" begonnen worden. Da es hierzu nicht mehr gekommen ist und da die Abgrenzung nach objektiven Kriterien zu erfolgen hat, kann die vom Senat ohnehin nicht mehr aufklärbare Frage offen bleiben, ob der Kläger sich nach Erreichen der Dachfläche wirklich weiter auf den Weg in den öffentlichen Verkehrsraum machen wollte, oder ob er zu diesem Zeitpunkt noch vorhatte, das Haus durch die Wohnung der Nachbarin und dann durch die Außentür zu verlassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Frage der Abgrenzung zwischen häuslichem Bereich und öffentlichem Raum hier grundsätzliche Bedeutung beimisst.
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