L 9 SO 47/12

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 31 SO 275/10
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 47/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Kläger selbst hat mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage keinen Anspruch gegen den Beklagten auf die Zahlung höherer Kosten für die teilstätionäre Betreuung seiner in der Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigten MitarbeiterInnen.
2. Einen Anspruch auf Übernahme von weiteren Kosten gegenüber dem Sozialhilfeträger besitzt aufgrund des höchstpersönlichen Anspruchs auf Eingliederungshilfe nur der Hilfeempfänger selbst.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 3. April 2012 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung höherer Kosten für die Betreuung einiger der beim Kläger beschäftigten Mitarbeiterinnen.

Beim Kläger handelt es sich um eine Einrichtung, die u.a. Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) und angegliederte stationäre und teilstationäre Wohn- und Betreuungseinrichtungen betreibt. In der Werkstatt des Klägers arbeiten unter anderem die Mitarbeiterinnen K E , V H , N P , L T und S M. Diese sind jeweils in Teilzeit beschäftigt und wohnen außerhalb von Einrichtungen. Für die teilstationäre Betreuung dieser Mitarbeiterinnen ist der Beklagte der zuständige Kostenträger im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß § 53 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII). Die Bewilligung der Kostenübernahme erfolgt grundsätzlich gegenüber den betroffenen Mitarbeiterinnen durch Bescheid. Die Maßnahmepauschale der genannten Mitarbeiterinnen wurde dabei jeweils aufgrund der ausgeübten Teilzeitbeschäftigung um 30 % gekürzt. Nach einigen Widerspruchs- und einem erfolglosen Klageverfahren seitens der Mitarbeiterinnen aufgrund der Kürzung der Maßnahmepauschale sind mittlerweile alle dieser Leistungsbescheide bestands- bzw. rechtskräftig geworden.

§ 6 Abs. 3 Satz 3 der Leistungsvereinbarung zwischen dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein (MSGF) und dem Kläger vom 14. Juni 2005 lautet: "Ist ein behinderter Mensch weniger als 35 Stunden wöchentlich beschäftigt, ist über eine Anpassung der Vergütung im Einzelfall zu verhandeln."

In Nr. 8.3 der Vergütungsvereinbarung zwischen dem MSGF und dem Kläger vom 19. September 2006 ist Folgendes geregelt: "Wird die teilstationäre Einrichtung von den behinderten Menschen nicht ganztägig oder auch unregelmäßig (weniger als 5 Tage in der Woche) besucht, wird die Vergütung reduziert. Für die Werk- und Wohnstätten ist der Erlass des MSGV vom 10. September 2001 zu beachten."

Der Erlass des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein (MSGV) vom 10. September 2001 enthält die Regelung, dass bei behinderten Menschen, die gleichzeitig ein Wohnheim und in Teilzeit eine Werkstatt in unterschiedlicher Trägerschaft besuchen, für die Übergangszeit bis zum Abschluss individueller Leistungsvereinbarungen die Maßnahmepauschale in der Werkstatt um 30 % gekürzt und der entsprechende Betrag dem Wohnheim zur Verfügung gestellt werden solle.

Am 23. Dezember 2010 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Lübeck wegen der Kürzung der Maßnahmepauschale um 30 % wegen Teilzeitarbeit bei den Abrechnungen betreffend die Mitarbeiterinnen E , H , P und T für den Zeitraum 2005 bis 2008 gegen den Beklagten erhoben. Dabei hat er die Auffassung vertreten, es existiere zwischen den Beteiligten eine Leistungsvereinbarung, aus der sich ein direkter Zahlungsanspruch für ihn, den Kläger, ableiten lasse. Verhandlungen im Einzelfall, wie es die Leistungsvereinbarung vom 14. Juni 2005 im Falle einer Teilzeitbeschäftigung vorsehe, seien nicht erfolgreich geführt worden, sondern der Beklagte habe die Kürzung einseitig vorgenommen. Diese Vorgehensweise sei rechtswidrig und unangemessen, denn er, der Kläger, erspare nicht tatsächlich 30 % seiner Aufwendungen. Des Weiteren ergebe sich ein unmittelbarer Zahlungsanspruch aus dem Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers in Form eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung. Es müsse im Spannungsfeld des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses eine Möglichkeit des Leistungserbringers geben, die vom Sozialhilfeträger gezahlte Vergütung überprüfen zu lassen, um die Führung eines solchen Rechtsstreits nicht dem behinderten Menschen aufzubürden. Insoweit werde der Schuldbeitrittsrechtsprechung des Bundessozialgerichts gefolgt.

Der Kläger hat Jahresrechnungen für die Mitarbeiterin E für die Jahre 2005 bis 2008, für die Mitarbeiterin H für die Jahre 2007 und 2008, für die Mitarbeiterin P für das Jahr 2007 und für die Mitarbeiterin T für die Jahre 2005 bis 2007 vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2012 hat er erstmals auch Leistungen für die Mitarbeiterin M geltend gemacht und entsprechende Jahresrechnungen für die Jahre 2005 bis 2008 eingereicht.

Der Kläger hat beantragt,

1. der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.336,99 EUR betreffend die Mitarbeiterin K E , 4.814,86 EUR betreffend die Mitarbeiterin V H sowie 264,25 EUR betreffend die Mitarbeiterin N P nebst jeweils 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 2. der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger betreffend die Mitarbeiterin M 584,15 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2007, 1.564,79 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2008 und 1.518,17 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2009 zu zahlen, 3. der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger betreffend die Mitarbeiterin T 681,09 EUR nebst jeweils 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2006, auf 585,26 EUR nebst jeweils 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2007 und auf 993,63 EUR nebst jeweils 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2008 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Klage sei bereits unzulässig. Der Einrichtungsträger könne durch einen Verwaltungsakt gegenüber dem Leistungsberechtigten in der Regel nicht in seinen Rechten verletzt werden und somit weder widerspruchs- noch klagebefugt sein. Allenfalls komme eine Beiladung des Einrichtungsträgers in Betracht. Alle leistungsberechtigten Personen hätten sowohl ein eigenständiges Widerspruchs- als auch Klagerecht gegen die zu Grunde liegenden Bescheide gehabt. Sofern es sich um abrechnungstechnische Fragen der Einrichtung handele, sei nicht das Mittel der Klage geboten. Außerdem sei nicht die Leistungsvereinbarung vom 14. Juni 2005 Grundlage für den Zahlungsanspruch. Dies seien neben den entsprechenden Bewilligungsbescheiden an die leistungsberechtigten Personen die jeweiligen Vergütungsvereinbarungen sowie der Erlass des MSGV vom 10. September 2001. Soweit der Kläger im laufenden Verfahren erstmals auch eine Forderung betreffend die Leistungsberechtigte M geltend mache, handele es sich hierbei um eine Erweiterung der Klage, der nicht zugestimmt werde.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 3. April 2012 abgewiesen. Die Klage sei zwar zulässig, da der Kläger klagebefugt sei. Auch hinsichtlich der Mitarbeiterin M sei die Klage zulässig, da es sich diesbezüglich nicht um eine Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sondern um eine Erweiterung der Hauptforderung gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG gehandelt habe.

Die Klage sei jedoch unbegründet, da der Kläger das von ihm geltend gemachte Recht tatsächlich nicht aus einer Rechtsgrundlage herleiten könne. Zwar könne sich im Hinblick auf das sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis grundsätzlich ein unmittelbarer Zahlungsanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten ergeben. Dieser Zahlungsanspruch könne jedoch nicht über den mit der Kostenübernahme gegenüber den Hilfeempfängern erklärten Schuldbeitritt hinausgehen. Einwendungen in Bezug auf die Kostenübernahme dem Grunde und der Höhe nach könnten ausschließlich vom Hilfeempfänger selbst gegenüber dem Kostenträger geltend gemacht werden, denn ein Anspruch auf Übernahme von weiteren Kosten gegenüber dem Sozialhilfeträger besitze aufgrund des höchstpersönlichen Anspruchs auf Eingliederungshilfe nur der Hilfeempfänger selbst. Darüber hinaus richteten sich die vom zuständigen Sozialhilfeträger zu übernehmenden Kosten nach der jeweils gültigen Vergütungsvereinbarung. Sei der Einrichtungsträger mit den hierzu getroffenen Regelungen grundsätzlich nicht einverstanden oder bestünden Anwendungsschwierigkeiten, so könne er höhere Zahlungen nicht im Wege der Klage in Bezug auf Einzelansprüche betroffener Mitarbeiterinnen gegenüber dem jeweils zuständigen Sozialhilfeträger geltend machen. Die Einrichtung sei insoweit an ihre getroffenen Vereinbarungen gebunden. Fragen der Anwendung seien auf der Ebene der Vertragspartner zu klären. Darüber hinaus habe der Kläger die Forderung aber auch in der geltend gemachten Höhe nicht ausreichend dargelegt. So gehe zum einen aus den eingereichten Abrechnungen hervor, dass ein Abzug von dem Rechnungsbetrag auch aus anderen Gründen als einer Kürzung wegen Teilzeitarbeit erfolgt sei (z. B. Platzfreihaltegeld). Zum anderen dürften die begehrten Forderungen zum Teil aufgrund zwischenzeitlicher Zahlungen des Beklagten bereits beglichen sein.

Gegen das ihm am 3. Mai 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31. Mai 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er hinsichtlich der geltend gemachten Einzelansprüche im Einzelnen weiter vor, in welcher Höhe von den geltend gemachten Beträgen seitens des Beklagten Abschläge vorgenommen worden seien. In rechtlicher Hinsicht führt er ergänzend aus, dass zwischen den Beteiligten kein Streit über die Höhe der Vergütung der für die Mitarbeiterinnen der Werkstatt für behinderte Menschen abzurechnenden Leistungen bestehe, wenn diese in Vollzeit beschäftigt seien. Soweit jedoch § 6 Abs. 3 Satz 3 der vertraglichen Vereinbarungen auf der Basis des § 75 Abs. 3 SGB XII ausführe, dass für den Fall, dass ein behinderter Mensch weniger als 35 Stunden wöchentlich beschäftigt sei, über eine Anpassung der Vergütung im Einzelfall zu verhandeln sei, sei festzustellen, dass ein solches Verhandeln zwischen den Beteiligten nicht stattgefunden habe. Der vom Beklagten eingeschlagene Weg, hier lediglich gegenüber den behinderten Sozialhilfeempfängerinnen Kürzungsbescheide zu erlassen, widerspreche daher dem Sinn und Zweck der zitierten Vorschrift, da es Sache des Leistungserbringers und des Sozialhilfeträgers sein solle, über die Angemessenheit einer Kürzung zu verhandeln. Er, der Kläger, gehe von einer Unangemessenheit der Kürzung ohne eine solche vertragliche Kürzungsvereinbarung aus, denn tatsächlich reduziere sich der Sach- und Personalaufwand für ihn so gut wie gar nicht, wenn die Mitarbeiterinnen in der Werkstatt für behinderte Menschen statt der üblichen Vollzeit wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung sogar nur in Teilzeit arbeiten könnten.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28. Oktober 2008 – B 8 SO 22/07 R –) trete der Sozialhilfeträger als Gesamtschuldner in Höhe der bewilligten Leistungen an die Stelle des Sozialhilfeempfängers. Nichts anderes könne gelten, wenn der Beklagte ihm, dem Kläger, im Rahmen des Verwaltungsaktes mit Drittwirkung nicht hinreichend in das Verwaltungsverfahren mit dem Leistungsberechtigten einbeziehe, sondern lediglich gegenüber diesen Mitarbeiterinnen, die einerseits aufgrund ihrer körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Erwerbseinkommen erzielen könnten, andererseits tatsächlich kein eigenes wirtschaftliches Interesse daran hätten, dass er, der Kläger, die ungekürzte Maßnahmenpauschale verdiene, bescheide. Den Betroffenen selbst dürften die Einzelbestandteile der Vergütung für den Aufenthalt in der Werkstatt für behinderte Menschen nicht geläufig sein.

Der Beklagte habe es stets abgelehnt, über die Kürzung der Maßnahmenpauschale in Höhe von 30 % und deren Angemessenheit tatsächlich zu verhandeln. So habe er, der Kläger, sich vorstellen können, hier auf Basis des mit der Hansestadt Lübeck vereinbarten Kürzungsbetrages von 1,00 EUR pro Tag zu verfahren. Eine pauschale Kürzung um 30 % der Maßnahmenpauschale sei jedenfalls nicht angemessen und werde dem individuellen Bedarf der Mitarbeiterinnen, den er, der Kläger, trotz der Teilzeitbeschäftigung für diese aufwenden müsse, nicht gerecht. Nach der derzeit z. B. im örtlichen Bereich von Berlin für Teilzeitbeschäftigte geltenden Regelung werde, soweit die vereinbarte Anwesenheit mindestens 30 Stunden wöchentlich erreiche, die volle Maßnahmenpauschale gezahlt, ansonsten werde je nach Werkstättenbereich bei 15 bis 30 Wochenarbeitsstunden zwischen 14 und 21 % gekürzt. Für ihn, den Kläger, ergebe sich aus den genannten rechtlichen und vertraglichen Verhältnissen der Parteien ein Anspruch auf eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen über den Abschluss einer Vereinbarung zur Angemessenheit einer Kürzung der Maßnahmenpauschale bei Teilzeitbeschäftigten. Dabei müsse der Beklagte darlegen und beweisen, warum bei den benannten fünf Mitarbeiterinnen tatsächlich 30 % Kostenersparnis bei der im Übrigen bei Vollzeitbeschäftigten angemessenen Maßnahmenpauschale eintrete. Zumindest in den Fällen, in denen der betroffene Mitarbeiter in einer vom gleichen Träger wie die Werkstatt für behinderte Menschen betriebenen Wohnstätte lebe, müsse die volle Maßnahmenpauschale gezahlt werden und der Träger regele dann lediglich intern, wie der Ausgleich zwischen Wohnstätte und Werkstatt für behinderte Menschen zu erfolgen habe. Wohne der betroffene Mitarbeiter außerhalb der Einrichtung, so müsse der dort anfallende Maßnahmenpauschalbedarf bedarfserhöhend im Rahmen des persönlichen Budgets berücksichtigt werden.

Die vom Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vorgelegte Vergütungsvereinbarung betreffe nur den Zeitraum 1. August 2006 bis 31. Dezember 2006. Es sei aber im Verwaltungs- und Klageverfahren ausführlich dargelegt worden, warum der besagte Erlass des Jahres 2001 mangels vertraglicher Vereinbarung der Parteien nicht einschlägig sei. Der Sozialhilfeträger und der Hilfeempfänger seien Gesamtschuldner, wobei die Forderung mangels Leistungsfähigkeit des Hilfeempfängers lediglich vom Sozialhilfeträger gefordert werde. In der Kostenübernahmeerklärung des Sozialhilfeträgers liege jedenfalls ein deklaratorisches, wenn nicht sogar abstraktes Schuldanerkenntnis; die Beantwortung dieser Frage habe der 8. Senat des BSG bislang offen gelassen.

Der Erlass des MSGV vom 10. September 2001 sei hier nicht anwendbar, weil er sich inhaltlich nicht mit der streitgegenständlichen Problematik, sondern den Fällen der Doppelbetreuung, wenn der Hilfeempfänger gleichzeitig in einem Wohnheim lebe und in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sei, befasse. In jenen Fällen seien Überschneidungen zu berücksichtigen, die zu einer Vergütungsminderung führten. In den hier streitgegenständlichen Fällen lebten die Betroffenen aber nicht in einer stationären Einrichtung, sondern zu Hause. Entscheidend sei, dass entgegen der Behauptung des Beklagten bei ihm, dem Kläger, keine Kostenersparnis im Rahmen der Maßnahmenpauschale in Höhe von 30 % anfalle, da der die Kosten verursachende Aufwand (Sach- und Personalkosten) nicht entsprechend reduzierbar sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 3. April 2012 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, an ihn, den Kläger,

1. betreffend die Mitarbeiterin der WfbM K E 1.935,20 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2006 abzgl. am 30. April 2007 gezahlter 1.590,14 EUR zu zahlen, 2. betreffend die Mitarbeiterin der WfbM K E 3.880,14 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2007 abzgl. am 8.Oktober 2007 gezahlter 1.862,35 EUR zu zahlen, 3. betreffend die Mitarbeiterin der WfbM K E 3.096,33 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2008 abzgl. am 14. Februar 2011 gezahlter 1.979,58 EUR zu zahlen, 4. betreffend die ¬Mitarbeiterin der WfbM V H 2.504,33 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2008 abzgl. am 8. Februar 2011 gezahlter 1.358,64 EUR zu zahlen, 5. betreffend die ¬Mitarbeiterin der WfbM V H 2.310,53 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2009 zu zahlen, 6. betreffend die ¬Mitarbeiterin der WfbM S M 584,15 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 18. September 2007 zu zahlen, 7. betreffend die ¬Mitarbeiterin der WfbM S M 1.564,79 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2008 zu zahlen, 8. betreffend die ¬Mitarbeiterin der WfbM S M 1.518,17 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2009 zu zahlen, 9. betreffend die ¬Mitarbeiterin der WfbM N P 264,25 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2008 zu zahlen, 10. betreffend die ¬Mitarbeiterin der WfbM L T 3.527,55 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2006 abzgl. am 25. Februar 2008 gezahlter 2.846,46 EUR zu zahlen, 11. betreffend die ¬Mitarbeiterin der WfbM L T 3.298,78 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2007 abzgl. am 25. Februar 2008 gezahlter 2.713,52 EUR zu zahlen und 12. betreffend die ¬Mitarbeiterin der WfbM L T 2.437,39 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2008 abzgl. am 8. Februar 2011 gezahlter 1.443,76 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf das bisherige Vorbringen und führt ergänzend aus, dass der Kläger, soweit er lediglich Forderungen aus vorliegenden Rechnungen vollstrecken wolle, sich diesbezüglich in ein zivilgerichtliches Verfahren begeben müsse. Hinsichtlich der Geltendmachung einer höheren Maßnahmenpauschale sei darauf hinzuweisen, dass mittlerweile sämtliche Bescheide der betroffenen Hilfeempfänger bestands- bzw. rechtskräftig geworden seien. Hinsichtlich der Hilfeempfängerin S M habe das Sozialgericht Lübeck durch Gerichtsbescheid vom 31. Oktober 2013 deren Klage bezüglich einer höheren Maßnahmenpauschale abgewiesen. Die Abrechnung mit der Einrichtung sei hinsichtlich der Kürzung der Maßnahmenpauschale entsprechend dieser Bescheide erfolgt. Sofern darüber hinaus weitere Kürzungen der Rechnungsbeträge vorgenommen worden seien, handele es sich um Kürzungen aus anderen Gründen (z. B. Platzfreihaltegeld bei Urlaubstagen über das bewilligte Maß hinaus).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Gerichtsakten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Senat kann gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden erklärt hatten.

Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 3. April 2012 verletzt nicht die Rechte des Klägers und ist daher nicht aufzuheben. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klage zwar zulässig ist, aber der Kläger keinen eigenen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Restforderung gegenüber dem Beklagten hat.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG statthaft. Die Frage, ob die spätere Geltendmachung des Anspruchs bezogen auf die Mitarbeiterin M in zulässiger Weise in das Klageverfahren im Wege einer Klageänderung einbezogen werden konnte, kann hier dahinstehen, da die Entscheidung des Sozialgerichts, dass es sich dabei lediglich um eine Erweiterung der Hauptforderung gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG handeln solle, gemäß § 99 Abs. 4 SGG bindend ist.

Zu Recht hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klage nicht begründet ist, da der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Leistung gegenüber dem Beklagten hat. Der Senat macht sich insoweit den Inhalt des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts zu Eigen und nimmt zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Urteils gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich vertiefend und ergänzend auszuführen, dass der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch auf keine Rechtsgrundlage stützen kann.

Eine direkte Zahlungsverpflichtung des Beklagten ergibt sich nicht aus den zwischen dem Kläger und dem MSGF getroffenen Vergütungsvereinbarungen für die jeweils betroffenen Zeiträume. Die Vergütungsvereinbarungen eröffnen der jeweiligen Einrichtung keinen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger. Sie stellen lediglich die Rahmenbedingungen dar für den Anspruch, den der einzelne Hilfeempfänger gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend machen kann. Ein Zahlungsanspruch der Einrichtung ergibt sich erst durch den nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angenommenen Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers in Form der Kostenübernahme durch den Bewilligungsbescheid gegenüber dem Hilfeempfänger (BSG, Urteile vom 28. Oktober 2008 – B 8 SO 22/07 R und vom 2. Februar 2010 – B 8 SO 20/08 R, juris). Aus den Vergütungsvereinbarungen ließe sich im Übrigen aber auch eine Verpflichtung zur Zahlung von mehr als 70 % der Gesamtvergütung für in Teilzeit arbeitende Mitarbeiterinnen der WfbM gerade nicht ableiten. Aus Nr. 8.3 der Vergütungsvereinbarung vom 19. September 2006 ergibt sich lediglich die Reduzierung der Vergütung für Teilzeitkräfte. Eine genaue Höhe der Reduzierung ist nicht vorgegeben. Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, dass der Erlass des MSGV vom 10. September 2001, auf den in der Vergütungsvereinbarung verwiesen wird und der eine Reduzierung auf 70 % der Maßnahmenpauschale im Falle von Teilzeitkräften vorsieht, hier nicht einschlägig ist, da er nur eine Regelung für den Fall der gleichzeitigen Wohnbetreuung in der gleichen Einrichtung regelt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich aus der Vergütungsvereinbarung selbst nicht die Gewährung der vollen Maßnahmenpauschale seitens des Beklagten ableiten lässt.

Auch aus § 6 Abs. 3 Satz 3 der zwischen dem Kläger und dem MSGF geschlossenen Leistungsvereinbarung vom 15. Juni 2005 kann der Kläger keinen unmittelbaren Vergütungsanspruch ableiten, da die Leistungsvereinbarung nicht die Vergütung regelt und sich aus dieser Vorschrift lediglich ablesen lässt, dass offenbar für Teilzeitkräfte eine abweichende Vergütung beabsichtigt war. Über die Anpassung der Vergütung sollte im Einzelfall verhandelt werden. Insoweit ließe sich lediglich ein Anspruch auf entsprechende Verhandlungen begründen. Soweit der Kläger hier offenbar im Wege einer Emessensreduzierung auf Null bereits das Ergebnis dieser Verhandlungen vorweggenommen haben möchte, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht nicht die Vertragsverhandlungen der Beteiligten ersetzten kann. Ein solches Vorgehen wäre von den Regelungen der §§ 75 ff. SGB XII nicht gedeckt. Auch ist entgegen der Auffassung des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass hier lediglich ein mögliches denkbares Ergebnis am Ende der beabsichtigten Verhandlungen stehen könnte. Insoweit ist der Kläger hier auf den in den §§ 75 ff. SGB XII vorgegebenen Weg, ggf. unter Anrufung der Schiedsstelle (§ 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII), zu verweisen.

Des Weiteren kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf den Schuldbeitritt des Beklagten im Rahmen des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses stützen. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erklärt der Sozialhilfeträger durch die Übernahme der Unterbringungskosten im Bewilligungsbescheid den Schuldbeitritt zu der Zahlungsverpflichtung des Heimbewohners gegenüber dem Heim (BSG, Urteile vom 2. Februar 2010 und 28. Oktober 2008, jeweils a.a.O.). Dieser Schuldbeitritt und damit die Zahlungsverpflichtung des Sozialhilfeträgers gegenüber der Einrichtung können jedoch über den Umfang des Bewilligungsbescheides gegenüber dem Hilfeempfänger nicht hinausgehen. Einer über den sich aus den Bewilligungsbescheiden ergebenden Beträgen hinausgehenden Schuld der Hilfeempfänger, so sich denn eine solche Schuld überhaupt aus den jeweiligen Heimverträgen der Hilfeempfänger ergibt, ist der Beklagte nicht beigetreten, so dass der Kläger insoweit auch keinen Zahlungsanspruch aus dem Schuldbeitritt herleiten kann.

Schließlich ergibt sich der Zahlungsanspruch nicht aus § 41 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX). Diese Vorschrift sieht für Werkstätten für behinderte Menschen die Zahlung einer angemessenen Vergütung für die erbrachten Leistungen durch den Rehabilitationsträger vor. Satz 2 dieser Vorschrift verweist jedoch für den Fall, dass der Träger der Sozialhilfe zuständig ist, auf die Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB XII. Insofern gilt hier nichts anderes als für die anderen in den §§ 75 ff. SGB XII geregelten Einrichtungen und Dienste. Ein Zahlungsanspruch unmittelbar aus § 41 Abs. 3 SGB IX kann sich insofern nur gegenüber anderen Rehabilitationsträgern wie etwa der gesetzlichen Unfallversicherung oder der öffentlichen Jugendhilfe ergeben.

Weitere Rechtsgrundlagen, aus denen sich der vom Kläger geltend gemacht Anspruch ableiten lassen könnte, sind nicht ersichtlich.

Da schon kein materiell rechtlicher Anspruch besteht, erübrigen sich weitere Ausführungen zu dem geltend gemachten Zinsanspruch.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen weder der Kläger noch der Beklagte des anhängigen Verfahrens zu den in § 183 SGG genannten Privilegierten gehört, werden nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§ 154 bis 162 VwGO sind entsprechend anzuwenden. Gemäß § 154 Abs. 2 VwGO trägt derjenige Teil die Kosten des Verfahrens, der ein Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, in diesem Fall der Kläger.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG durch den Senat zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Die hier getroffene Entscheidung folgt ausdrücklich den Grundsätzen, die durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufgestellt worden sind.
Rechtskraft
Aus
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