L 5 R 2004/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 3624/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2004/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Geltendmachung einer Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Leistungs- bzw. Zahlungsbescheid während des Restschuldbefreiungsverfahrens steht das insolvenzrechtliche Verbot der Einzelzwangsvollstreckung nach § 294 Abs. 1 InsO nicht entgegen. Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO schützt den Schuldner ebenso wenig vor der Titulierung einer Insolvenzforderung wie das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14.03.2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird endgültig auf 68.977,02 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Beklagten, eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 68.977,02 EUR gegen die Klägerin geltend zu machen.

Die 1957 geborene Klägerin betrieb von Mai 2005 bis März 2008 eine Gebäudereinigungsfirma. Seit April 2007 betrieb sie zusätzlich eine Gaststätte. Im Juli 2007 leitete das Hauptzollamt aufgrund einer Anzeige des Ehemanns der Klägerin ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a Strafgesetzbuch -StGB-) ein. Die Klägerin wurde mit Urteil des Amtsgerichts E. vom 26.10.2011 (1 Cs 4 ... Js 3 .../ ...) wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 27 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt.

Mit Beschluss vom 30.09.2010 hatte des Amtsgericht F. das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet ( ... IK 4 .../ ...). Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 22.09.2011 wurde der Klägerin die Restschuldbefreiung nach § 291 Insolvenzordnung (InsO) angekündigt, mit weiterem Beschluss vom 03.11.2011 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.

Die Beklagte hatte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens auf Anfrage des Hauptzollamts L. eine Schadensberechnung vorgenommen und dem Hauptzollamt unter dem 16.03.2009 einen der Sozialversicherung entstandenen Schaden durch vorenthaltene Arbeitgeber- und Arbeitnehmerpflichtbeiträge sowie Umlagebeträge in Höhe vom 47.710,54 EUR mitgeteilt. Sie hörte die Klägerin mit Schreiben vom 20.03.2009 zu einer beabsichtigen Nachforderung in Höhe von 58.947,63 EUR (einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 11.237,00 EUR) an.

Mit Bescheid vom 15.02.2012 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 68.977,02 EUR (einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 24.920,00 EUR) für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 31.03.2008 fest und forderte die Klägerin zur fristgerechten Zahlung an die Einzugsstelle auf.

Dagegen erhob die Klägerin am 12.03.2012 Widerspruch, den sie damit begründete, dass über ihr Vermögen am 30.09.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Die Ansprüche aus der Betriebsprüfung seien spätestens zu diesem Zeitpunkt fällig geworden und hätten durch Anmeldung zur Tabelle tituliert werden müssen. Sie dürften nun nicht mehr durch Bescheid geltend gemacht werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Insolvenzverfahren sei am 03.11.2011 aufgehoben worden. Zwar sei eine nachträgliche Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle nicht möglich, aber das Vollstreckungsverbot aus § 89 InsO sei nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens weggefallen. Die Geltendmachung der Nachforderung durch Bescheid sei daher wieder möglich. Eine Restschuldbefreiung sei zwar beantragt, aber noch nicht erteilt worden. Ob die Klägerin die Nachforderung tatsächlich zahlen könne, sei für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Die Vollstreckbarkeit werde durch die zuständige Krankenkasse geprüft.

Am 20.07.2012 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und machte geltend, das Insolvenzverfahren sei zwar aufgehoben worden, die Restschuldbefreiung sei aber nicht versagt, sondern angekündigt worden und werde voraussichtlich am 01.10.2016 erteilt. Das Recht der Gläubiger, ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend zu machen, sei durch die Ankündigung der Restschuldbefreiung zunächst suspendiert und trete endgültig nicht ein, wenn sie erteilt werde. Auch im Restschuldbefreiungsverfahren gelte § 87 InsO, wonach es nicht möglich sei, Insolvenzforderungen geltend zu machen. Der Bescheid sei daher zumindest rechtswidrig, aber auch nichtig, weil er nicht an die Klägerin selbst, sondern an ihren Insolvenzverwalter hätte adressiert werden müssen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Im Restschuldbefreiungsverfahren sei nur die Zwangsvollstreckung gemäß § 294 InsO unzulässig, Insolvenzforderungen könnten jedoch wieder geltend gemacht werden, weil § 87 InsO keine Anwendung mehr finde. Es sei daher wieder möglich, die Beitragsforderung durch Bescheid geltend zu machen, aus diesem Bescheid könne lediglich nicht vollstreckt werden. Die Klägerin sei auch der richtige Adressat des Bescheides gewesen, weil das Insolvenzverfahren aufgehoben worden sei.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 14.03.2014 ab. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2012 sei rechtmäßig. An der Beitragsnachforderung bestehe dem Grunde und der Höhe nach kein Zweifel. Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, die Beitragsnachforderung durch Bescheid gegenüber der Klägerin geltend zu machen. Auch für die öffentlich-rechtliche Beitragsnachforderung gemäß § 28p Sozialgesetzbuch (SGB) IV gelte mangels anderweitiger Bestimmung die Insolvenzordnung. Seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.09.2010 sei die Beklagte daher eine Insolvenzgläubigerin gemäß § 38 InsO, da sie zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen die Klägerin gehabt habe. Die Beiträge, die die Klägerin der Beklagten für den Zeitraum 01.01.2006 bis 31.03.2008 schulde, gälten jedenfalls gemäß § 41 Abs. 1 InsO als fällig. Während des Insolvenzverfahrens könnten die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen gemäß § 87 InsO nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen, wobei Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle anzumelden seien (§§ 174 f. InsO) und ein Zwangsvollstreckungsverbot bestehe (§ 89 InsO). Das Insolvenzverfahren sei aber am 03.11.2011 aufgehoben worden, nachdem der Beschluss über die Ankündigung der Restschuldbefreiung vom 22.09.2011 rechtskräftig geworden sei. Ab diesem Zeitpunkt sei das Insolvenzverfahren beendet und die Klägerin befinde sich im davon zu trennenden Restschuldbefreiungsverfahren. Gemäß § 201 Abs. 1 InsO könnten die Insolvenzgläubiger nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. Da allerdings nach § 201 Abs. 3 InsO die Vorschriften über die Restschuldbefreiung unberührt blieben, seien Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners gemäß § 294 Abs. 1 InsO weiterhin nicht zulässig. Während also im Restschuldbefreiungsverfahren lediglich eine Zwangsvollstreckung weiterhin ausgeschlossen sei, dürften Forderungen wieder geltend gemacht werden. Genau dies habe die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 15.02.2012 - also nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens am 03.11.2011 - getan. Zur Geltendmachung ihrer Forderung sei die Beklagte mithin berechtigt, lediglich die zwangsweise Durchsetzung bleibe ihr verschlossen. Die Klägerin sei auch der richtige Adressat des Bescheides, weil sie die Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens zurück erhalten habe und lediglich ein Treuhandverhältnis im Rahmen der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO bestehe. Dem Treuhänder, der keine Stellung und Funktion eines Insolvenzverwalters innehabe, seien demzufolge auch keine das Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagte betreffende Bescheide bekanntzugeben. Der Bescheid vom 15.02.2012 sei folglich weder rechtswidrig und erst recht nicht aufgrund eines falschen Adressaten nichtig. Das Vorgehen der Beklagten sei entgegen der klägerischen Ansicht auch nicht sinnlos, weil die Restschuldbefreiung erst für den Ablauf der "Wohlverhaltensperiode" am 01.10.2016 angekündigt sei. Sollte die Restschuldbefreiung versagt werden (§§ 296-298 InsO), könne die Beitragsforderung auch wieder zwangsweise vollstreckt werden.

Das Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14.04.2014 zugestellt.

Am 06.05.2014 hat die Klägerin beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des SG beantragt (L 5 R 2004/14 PKH). Mit Beschluss vom 13.10.2014 hat der erkennende Senat der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt.

Daraufhin hat die Klägerin am 16.10.2014 Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist beantragt. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Beklagte während des Restschuldbefreiungsverfahrens nicht berechtigt sei, ihre Forderung durch Bescheid geltend zu machen. Entgegen der Auffassung des SG stehe der Beklagten das Nachforderungsrecht gemäß § 201 InsO nicht zu. Dieses sei ausschließlich Insolvenzgläubigern eingeräumt, die ihre Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hätten und betreffe insoweit nur festgestellte Insolvenzforderungen, die im Insolvenzverfahren nicht vollständig befriedigt worden seien. Würde man zulassen, dass Gläubiger ihre Ansprüche während des Insolvenz- oder Restschuldbefreiungsverfahrens außerhalb des Insolvenzverfahrens titulieren lassen könnten, müsse der Schuldner bei einer Zwangsvollstreckung beweisen, dass es sich um eine Insolvenzforderung handele. Dies berge für ihn erhebliche Risiken, da ein entsprechender Titel gegebenenfalls keine Rückschlüsse darauf zulasse, wann die Forderung entstanden sei. Diese Gefahr bestehe bei einem Auszug aus der Insolvenztabelle nicht, da diese gerade eine Insolvenzforderung ausweise. Dagegen könne sich der Schuldner problemlos mit der Einrede der Restschuldbefreiung verteidigen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14.03.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 15.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2012 aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie im Urteil des SG, das sie für zutreffend hält, Bezug und verweist auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28.05.2015 (B 12 R 16/13 R, in juris), aus dem sich ergebe, dass trotz eines Vollstreckungsverbot die Erteilung eines Nachforderungsbescheides rechtmäßig sei.

Die Klägerin hat hierzu vortragen lassen, das Urteil des BSG vom 28.05.2015 betreffe einen gegenüber dem Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren ergangenen Bescheid. Streitgegenständlich sei jedoch ein gegenüber der Klägerin als Schuldnerin im Restschuldbefreiungsverfahren ergangener Nachforderungsbescheid. Zudem gehe es im vom BSG entschiedenen Fall um eine Masseforderung, vorliegend jedoch um eine Insolvenzforderung. Ein Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren bestehe daher nicht.

Mit Beschluss vom 03.03.2016 hat der Senat die B. sowie die B.-B. zum Verfahren beigeladen. Diese haben sich zur Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die beigezogenen Akten des Amtsgerichts F. über das Insolvenzverfahren ( ... IK 4 .../ ...), die beigezogenen Strafakten des Amtsgerichts E. (1 Cs 4 ... Js 3 .../ ...) sowie auf die Gerichtsakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das SG statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem streitigen Nachforderungsbetrag i.H.v. 68.977,02 EUR überschritten.

Soweit die Klägerin mit ihrer am 16.10.2014 eingelegten Berufung gegen das ihr am 14.04.2014 zugestellte Urteil des SG die Berufungsfrist versäumt hat (§ 151 Abs. 1 SGG), ist ihr im Hinblick auf das innerhalb der Berufungsfrist gestellte Prozesskostenhilfegesuch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 67 SGG), da sie bis zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO)) - also ohne Verschulden - gehindert war, die Frist einzuhalten. Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten durch Beschluss des Senats vom 13.10.2014 hat sie am 16.10.2014 und damit innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist die Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist beantragt und zugleich die Berufung eingelegt (§ 67 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Nachforderungsbescheid der Beklagten vom 15.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die von der Beklagten geltend gemachte Nachforderung weder dem Grund noch der Höhe nach Einwendungen erhoben. Fehler sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Streitig zwischen den Beteiligten ist allein die Berechtigung der Beklagten, die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge während des Restschuldbefreiungsverfahrens durch Leistungsbescheid gegenüber der Klägerin geltend zu machen. Die Beklagte hat auch nach Auffassung des Senats die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für abhängig Beschäftigte in der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.03.2008 gegenüber der Klägerin zu Recht durch Leistungsbescheid geltend gemacht. Das SG hat zutreffend ausgeführt, nach welchen Rechtsvorschriften die Beklagte berechtigt ist, die Beitragsforderung gegenüber der Klägerin geltend zu machen (§ 28p SGB IV) und warum insolvenzrechtliche Vorschriften, insbesondere das insolvenzrechtliche Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO, dem Erlass eines Leistungsbescheides gegenüber der Klägerin nicht entgegenstehen. Der Senat teilt die Auffassung des SG und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Hinblick auf den Vortrag der Beteiligten im Berufungsverfahren ist ergänzend noch Folgendes auszuführen:

Das BSG hat in seinem Urteil vom 28.05.2015 (B 12 R 16/13 R, in juris, Rdnrn. 20f.) entschieden, dass der Geltendmachung einer Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen durch Leistungs- bzw. Zahlungsbescheid ein insolvenzrechtliches Verbot der Einzelzwangsvollstreckung nicht entgegen steht. Denn selbst wenn wegen eines solchen Verbots die Beitreibung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge unzulässig sein sollte, schlägt dies jedenfalls nicht auf die Befugnis der Beklagten durch, gegenüber der Klägerin einen Nachforderungsbescheid zu erlassen. Der Erlass eines zur Zahlung verpflichtenden Verwaltungsakts stellt als solcher noch keine Vollstreckungsmaßnahme dar. Selbst die Mahnung nach § 66 Abs. 4 Satz 2 SGB X zählt noch nicht zu den Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, sondern geht dieser zunächst noch voraus (Roos in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. § 66 Rdnr. 13). Der Leistungs- und Zahlungsbescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV schafft erst die Grundlage für das Beitragsverfahren. Ob ein solcher Bescheid dann vollstreckt werden darf oder ob die zwangsweise Durchsetzung der Beitragsforderung wegen eines insolvenzrechtlichen Vollstreckungsverbots ausscheidet, ist erst auf einer späteren Ebene von den Krankenkassen (als Einzugsstellen) beim Einzug der Beiträge und hier in einem letzten, selbstständigen Verfahrensabschnitt zu prüfen, wenn die vom Arbeitgeber geschuldete Beitragssumme nicht freiwillig gezahlt wird (BSG, Urteil vom 28.05.2015 - B 12 R 16/13 R -, in juris, Rdnrn. 21; a.A. 11. Senat des LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 16.12.2014 - L 11 R 157/14, L 11 R 1115/14 und L 11 R 1116/14 - jeweils in juris, Revisionen beim BSG anhängig unter den AZ B 12 R 2/15, B 12 R 3/15 und B 12 R 4/15). Ein solches Leistungs- bzw. Zahlungsgebot erweist sich damit auch nicht als unverhältnismäßig, nur weil es aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht vollstreckt werden kann.

Entgegen der Auffassung der Klägerin finden diese vom BSG aufgestellten Grundsätze auch für den vorliegenden Fall einer Nachforderung gegen die Klägerin als (frühere) Arbeitgeberin in der sog. Treuhandphase bis zur endgültigen Entscheidung über die Erteilung einer Restschuldbefreiung Anwendung. Das BSG hatte über eine während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemachte Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zu entscheiden. Den hier streitigen Nachforderungsbescheid hat die Beklagte indes erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlassen und deshalb zutreffend an die wieder verfügungsbefugte Klägerin als Adressatin gerichtet. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, kann die Beklagte als Insolvenzgläubigerin gemäß § 201 Abs. 1 InsO nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen - gemäß § 201 Abs. 3 InsO vorbehaltlich der Vorschriften über die Restschuldbefreiung - gegen die Klägerin als Schuldnerin der Forderung geltend machen. Die laufende Wohlverhaltensphase steht dem nicht entgegen. Eine Vollstreckung der Forderung ist bis zur endgültigen Entscheidung über die Restschuldbefreiung zwar nach § 294 Abs. 1 InsO nicht zulässig. Dies steht aber der Titulierung der Forderung durch Erlass eines Zahlungsbescheides nach den oben dargestellten Grundsätzen des BSG nicht entgegen (für die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche während der Treuhandphase vgl. auch BGH, Urteil vom 18.11.2010 - IX ZR 67/10 - und Brandenburgisches OLG, Urteil vom 02.05.2012 - 7 U 32/11 -, beide in juris). Wenn die Titulierung nicht zur Tabelle angemeldeter Insolvenzforderungen durch Erlass eines Zahlungsbescheids gegenüber dem Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens nicht durch ein Vollstreckungsverbot gehindert ist, so gilt dies erst recht für die Geltendmachung einer Nachforderung gegenüber dem Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO schützt den Schuldner ebenso wenig vor der Titulierung einer Insolvenzforderung wie das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO. Die von der Klägerin geäußerten Bedenken, im Falle einer Restschuldbefreiung nicht nachweisen zu können, dass es sich bei der titulierten Forderung um eine Insolvenzforderung handelt, greifen gegen über dem streitgegenständlichen Nachforderungsbescheid der Beklagten schon deshalb nicht, weil sich aus diesem zweifelsfrei ergibt, dass es sich um in der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.03.2008 entstandene Beitragsforderungen handelt.

Die Berufung musste deshalb ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtkostengesetz (GKG).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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