Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 VH 647/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VH 4633/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für die Feststellung medizinischer Umstände, seien es Symptome, seien es gar Krankheiten im diagnostischen Sinne, ist nur ein Arzt oder ein sonstiger medizinisch ausgebildeter Behandler ein geeigneter Zeuge, nur er hat die dafür notwendige besondere Sachkunde im Sinne von § 414 ZPO und wird daher als sachverständiger Zeuge vernommen. Dagegen können Zeugenaussagen, jedenfalls die Aussagen solcher Zeugen, die nicht berufen sind, medizinische Sachverhalte zu beurteilen, nicht als ein geeignetes Beweismittel für die Feststellung medizinischer Tatbestände angesehen werden und sind deshalb vom Zeugenbeweis insoweit ausgeschlossen.
2. Der Senat bleibt bei seiner Rspr., dass es, um eine PTBS auslösen zu können, über das Trauma einer zu Unrecht erlittenen Haft weiterer dramatischer Ereignisse bedarf, die über die normalen Haftbedingungen hinausgehen, ansonsten kommen andere psychische Erkrankungen in Betracht.
3. Eine Krankheit, die eine eigene Codierung nach der ICD-10 oder einem anderen Diagnose- und Klassifizierungssystem hat, ist etwas anderes als eine andere Krankheit, also ein „aliud“. Ein Gericht darf insoweit nicht etwas anderes zusprechen als beantragt ist
2. Der Senat bleibt bei seiner Rspr., dass es, um eine PTBS auslösen zu können, über das Trauma einer zu Unrecht erlittenen Haft weiterer dramatischer Ereignisse bedarf, die über die normalen Haftbedingungen hinausgehen, ansonsten kommen andere psychische Erkrankungen in Betracht.
3. Eine Krankheit, die eine eigene Codierung nach der ICD-10 oder einem anderen Diagnose- und Klassifizierungssystem hat, ist etwas anderes als eine andere Krankheit, also ein „aliud“. Ein Gericht darf insoweit nicht etwas anderes zusprechen als beantragt ist
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Oktober 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten (Anschlussberufung) betreffen ein Verfahren über die Feststellung bestimmter Schädigungsfolgen und über die Gewährung einer Beschädigtenrente wegen einer Inhaftierung in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR).
Die Klägerin ist im Jahre 1953 in der ehemaligen DDR im Bezirk K.-M.-Stadt (Chemnitz) geboren und dort aufgewachsen. Sie heiratete 1972 und gebar 1974 einen Sohn. Sie war bis 1987 als Fachverkäuferin in der Metzgerei ihres Ehemannes berufstätig. Am 9. Februar 1987 wurden sie und ihr Ehemann verhaftet. Am 1. Juli 1987 verurteilte das Bezirksgericht K.-M.-Stadt Mitte-Nord die Klägerin zu 1 Jahr und 8 Monaten und den Ehemann zu 2 Jahren und 10 Monaten Freiheitsentzug sowie Geldstrafen (37 S 239/87 B). Der Verurteilung lagen gemeinschaftliche Verstöße gegen das Devisen- und das Zollgesetz der DDR zu Grunde, bei dem Ehemann der Klägerin zusätzlich die Vorbereitung eines ungesetzlichen Grenzübertritts. Die Eheleute waren vom 9. Februar bis zum 12. November 1987 in der Untersuchungshaftanstalt (UHA) K.-M.-Stadt des Ministeriums für Staatssicherheit und in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hohenleuben inhaftiert. Die Klägerin musste nach ihren späteren Angaben während der Haftzeit stundenlange Verhöre und körperliche Untersuchungen erdulden, sie wusste nichts über den Verbleib ihres Sohnes, hatte keinen Kontakt zu ihren Angehörigen, auch die Ernährung war mangelhaft und die Nachtruhe gestört. Eine Gefängnisrevolte von kriminellen Häftlingen, an der sie nicht beteiligt war, wurde mit Knüppeln und angelegten Maschinenpistolen unterdrückt (Anamnese Prof. Dr. Sch. und Prof. Dr. Ph.). Nach ihren vorzeitigen Entlassungen am 12. November 1987 reisten die Eheleute zusammen mit ihrem Sohn ein halbes Jahr später am 25. Mai 1988 aus der DDR kommend in das damalige Bundesgebiet ein. Die Familie wurde dem Land Baden-Würt¬temberg zugewiesen. Mit Verfügung vom 9. August 1988 erklärte die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe (RAH 16/88) die (weitere) Vollstreckung aus dem Urteil des Kreisgerichts K.-M.-Stadt Mitte-Nord für unzulässig
Erstmals am 8. Juli 1988 und erneut am 13. November 1988 beantragte die Klägerin bei dem früheren Versorgungsamt Heidelberg, mögliche Gesundheitsschäden wegen der Inhaftierung nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) anzuerkennen und eine Badekur zu gewähren. Sie gab an, sie leide an einer ständigen Infektion der Atemwege und der Speiseröhre, an Depressionen und an Angstzuständen. Sie legte Kopien ihrer "Ausweise für Arbeit und Sozialversicherung" vor, aus denen sich ihre Beschäftigungen und die ärztlichen Behandlungen von 1967 bis Januar 1987 ergaben. Mit Verfügung vom 2. Mai 1990 lehnte das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises die Erteilung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG ab. Die Inhaftierung in der DDR habe nicht auf politischer Verfolgung beruht. Die Klägerin sei nicht wegen ungesetzlichen Grenzübertritts verurteilt worden. Die Einhaltung der devisen- und zollrechtlichen Bestimmungen der DDR sei zumutbar gewesen, da solche Regelungen auch in freien Ländern wie der Bundesrepublik üblich seien Auf Grund dieser Verfügung lehnte das Versorgungsamt Heidelberg mit Bescheid vom 23. April 1992 die Anträge der Klägerin wegen der Schädigungsfolgen und der Badekur ab.
Die Klägerin hatte sechs Wochen nach ihrer Übersiedlung, im Juli 1988, ein Beschäftigungsverhältnis als Metzgereiverkäuferin aufgenommen. Im Jahre 1992 trennte sie sich von ihrem Ehemann, 1995 erfolgte die Scheidung und 1998 die Namensänderung in den Geburtsnamen. Seit 1994 hat die Klägerin einen neuen Lebenspartner, einen 15 Jahre älteren Ingenieur, mit dem sie nach eigenen Angaben noch einmal durchgestartet ist, auch ihr Selbstbewusstsein sei gestärkt worden (Anamnese Prof. Dr. Sch.).
In dieser Zeit, am 1. Juli 1993, beantragte der Ehemann für sich und die Klägerin Versorgungsleistungen nach dem am 4. November 1992 in Kraft getretenen Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (StrRehaG). Er legte den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 18. Februar 1993 aus dem Rehabilitierungsverfahren (BSRH 355/90) vor. Damit war das Urteil des Kreisgerichts K.-M.-Stadt Mitte-Nord vom 1. Juli 1987 aufgehoben und festgestellt worden, dass das damalige Verfahren rechtsstaatswidrig sowie die Klägerin und ihr Ehemann vom 9. Februar bis zum 12. November 1987 zu Unrecht in Haft gehalten worden waren. Ferner ging am 9. Juli 1993 ein Formantrag nach dem HHG bei dem Beklagten ein, der die Unterschrift der Klägerin trug und in dem eine Infektion im Rachenbereich genannt war. Auf eine spätere Nachfrage hin teilte die Klägerin mit, den genannten Antrag habe ihr Ehemann gestellt, der inzwischen von ihr getrennt lebe. Der Beklagte stellte auf Grund der vorliegenden medizinischen Unterlagen fest, dass die Klägerin bereits vor 1987 in einer Klinik für Lungenkrankheiten behandelt worden war und dass bereits bei Aufnahme in die UHA K.-M.-Stadt am 12. Februar 1987 Asthma und Heuschnupfen festgestellt worden waren. Daraufhin wurde der Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 22. Mai 1995 abgelehnt.
Beruflich wurde die Klägerin im Jahre 1998 Abteilungsleiterin und im Jahre 2001 Filialleiterin in einer Konfiserie. Am 31. Oktober 2003 erlitt sie einen Arbeitsunfall, indem sie über einen Hocker stolperte, auf den Kopf fiel und kurzzeitig bewusstlos war. Es kam zu einer Kopfplatzwunde mit Commotio cerebri, einer Prellung beider Hände und einem passageren Hämatom im Bereich der Halswirbelsäule (Gutachten Prof. Dr. H., Orthopädie der Uniklinik Heidelberg vom 7. Juni 2004). Die Klägerin erhielt deswegen vom Unfallversicherungsträger eine befristete Rente bis 30. Juni 2004 (Bescheid vom 24. Februar 2005). Von 2007 bis 2009, ihrer Berentung wegen Erwerbsminderung, war die Klägerin halbtags als Kundenbetreuerin und Bürokraft beschäftigt. Seit November 2010 war sie ehrenamtliche Begleitperson für behinderte Kinder in einem zeitlichen Umfang vom 20 bis 30 Stunden wöchentlich, wobei ihre Tätigkeit in der morgendlichen und nachmittäglichen Begleitung bzw. Abholung von bzw. zur Schule bestand. Daneben führt die Klägerin ihren Haushalt, zweimal wöchentlich trainiert sie Chi Gong und Thai Chi über den örtlichen Sportverein. Der enge Kontakt zu ihrem Sohn und insbesondere auch zu ihrer Enkeltochter ist herzlich und liebevoll, gemeinsame Urlaube werden mit ihm und dem Lebenspartner durchgeführt. Fast wöchentlich hat sie per Telefon, E-Mail oder SMS Kontakt mit vier ehemaligen Mithäftlingen, mit denen sie sich auch einmal im Jahr trifft, die ihr auch über die Möglichkeiten des Antrags berichtet haben (Anamnese Gutachten Dr. O.-P.). Die Klägerin beschreibt sich so, dass sie keine Angst vor intensiven zwischenmenschlichen Kontakten hat, Lebensgefühl und Selbstwertgefühl sind in der zweiten Partnerschaft ganz anders geworden, sie lacht für ihr Leben gern, war in beruflicher Hinsicht eine gute Verkäuferin, die bei Chefs und Kunden gut ankam, regelrecht gewinnend im Kontakt (Anamnese Gutachten Prof. Dr. Sch.).
Am 12. November 2008 beantragte die Klägerin erneut "Versorgungsleistungen". Sie leide auf Grund der Haft an Depressionen, Schlaflosigkeit, Muskelzucken am ganzen Körper und an einer Verschlimmerung des vorbestehenden Asthmas. Sie habe während der Haft Demütigungen durch Körpervisitationen, die öffentliche Handhabung als Nummer statt als Person, ständigen Hunger, Schlafentzug, Sonderarbeiten von morgens bis Mitternacht als Schikanen für Verhaltensunwilligkeit, Arrest in einem Käfig ohne Sitzgelegenheit über mehrere Stunden, Todesangst während einer Revolte wegen Essensmangels, Unkenntnis über das Schicksal des damals 13-jährigen Sohns, unberechtigte Beschuldigungen gegen den Sohn, Verhöre, Androhungen von Strafen, Täuschungen und Erpressungen zur Gewinnung von Geständnissen und die erfahrene Wehrlosigkeit erlitten. Sie teilte mit, sie sei bereits seit 2000 wegen Depressionen und seit 2008 wegen Schlaflosigkeit in ärztlicher Behandlung.
Der Beklagte befragte die medizinischen Behandler der Klägerin. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. C. berichtete am 27. Februar 2009 von Schlafstörungen, Depressionen, einer Spinalkanalstenose und vermehrtem Muskelzucken. Die Klägerin habe häufig Phasen von Niedergeschlagenheit, besonders bei dem Thema "Staatssicherheit". Eine medikamentöse Behandlung der Depression sei wegen des Muskelzuckens beendet worden. Dipl.-Psych. Dr. V. gab am 9. März 2009 an, die Klägerin leide an einer primären Insomnie (Schlafstörungen), einer zur Zeit allerdings weitgehend remittierten rezidivierenden depressiven Störung und an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Letztere beruhe auf der Inhaftierung in der DDR. Aus dem beigefügten Bericht von Dr. W., Universitätsklinikums Mannheim, vom 30. September 2004 ergab sich ferner, dass die Klägerin im Oktober 2003 einen Arbeitsunfall erlitten hatte, bei dem sie auf Kopf und Halswirbelsäule gestürzt und kurzzeitig bewusstlos war. Die Schmerzen hätten sich danach vollständig zurückgebildet, jedoch bestehe nunmehr ein generalisiertes Schwächegefühl in den vier Extremitäten. Ferner gelangte der Bericht des Schlaflabors im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit der Universität Heidelberg, Prof. Dr. D., zur Akte, nach dem keine organische Ursache der Schlafstörungen habe gefunden werden können und in dem - nach Aktenlage erstmals - der Verdacht auf eine PTBS geäußert wurde. Die Klägerin teilte auf Nachfrage noch mit, sie sei vor 1988 und von 1990 bis 1999 nicht wegen psychischer Beeinträchtigungen in Behandlung gewesen.
Im Auftrag des Beklagten erstattete die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O.-P. das Gutachten vom 16. Juli 2009.
Gegenüber dieser Gutachterin gab die Klägerin nach einer Schilderung der Haftbedingungen und ihrer großen Angst während der Inhaftierung an, nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik sei ein unangenehmes Gefühl der Ohnmacht zurückgeblieben. Sie sei immer wieder mit diesen Gefühlen konfrontiert worden. 1993 habe sie sich von ihrem Ehemann getrennt, die Ehe sei eigentlich schon in der DDR zerrüttet gewesen. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens habe sie ihre "Stasi-Akte" angefordert und erfahren müssen, dass ihr Ehemann während der Inhaftierung illoyal gewesen sei und ihr Dinge in die Schuhe geschoben habe, die sie nicht begangen habe. Die neue Partnerschaft, die ein halbes Jahr nach der Trennung von dem Ehemann begonnen habe, bestehe weiterhin. Nach der Scheidung habe sich auch beruflich weiterentwickelt, sei von der Verkäuferin zur Abteilungs- und, nachdem sie wegen einer Bandscheibenoperation 2001 nicht mehr in der Metzgerei habe arbeiten können, zur Filialleiterin in einer Konfiserie aufgestiegen. Nach dem Arbeitsunfall im Oktober 2003 und mehreren gescheiterten Arbeitsversuchen habe sie ihren Arbeitsplatz verloren und allenfalls geringfügig gearbeitet. Seit Oktober 2007 sei sie halbtags in einem Büro tätig. Nach dem Unfall hätten sich die Schlafstörungen und eine Existenzangst entwickelt. Jüngst - im Sommer 2008 - sei sie in den neuen Bundesländern (Rheinsberg) in Urlaub gewesen. Das sei eine Katastrophe gewesen. Es seien viele Bilder wieder hochgekommen. Bislang habe sie gedacht, das sei alles völlig unbelastet. Daraufhin habe sie den Versorgungsantrag gestellt (S. 5 ff. GA).
Die Gutachterin O.-P. führte im Anschluss an diese Anamnese aus, die Klägerin leide an einer hochgradigen Spinalkanalstenose mit Hinweisen auf eine Myelopathie im Segment C4/5 bei Gangataxie, einer Insomnie sowie einer Anpassungsreaktion, wobei Depressivität und Angstsymptomatik mittlerweile wieder rückläufig seien. Eine posttraumatische Belastungsstörung - PTBS - liege nicht vor. Die nach dieser Diagnose zu fordernden Symptome seien nicht innerhalb der zu fordernden Latenzzeit von wenigen Wochen bis Monaten dokumentiert und lägen auch jetzt nicht vor (S. 27 GA). Die Klägerin werde nicht antidepressiv behandelt, das therapeutische Vorgehen betreffe im Wesentlichen die Insomnie. Nur ein Anteil dieser Insomnie sei möglicherweise bzw. wahrscheinlich auf die Hafterfahrungen zurückzuführen, da gesundheitliche Störungen auf Grund der Scheidung, der Einsicht in die Akten der Staatssicherheit (bei der die Klägerin von einem illoyalen Verhalten ihres Ehemannes während der Haft erfahren habe) und auf Grund des Unfalls 2004 (2003) hinzugetreten seien (S. 30 GA). Auch die Anpassungsstörung beruhe wahrscheinlich auf dem schädigenden Ereignis. Dabei sei eine kurz zurückliegende Reise (November 2008) nach Sachsen mit erneuter Konfrontation mit Wahrscheinlichkeit Mitursache (S. 28 ff. GA). Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) betrage 10 (S. 31 GA).
Der Schlussfolgerung von Frau O.-P., die Insomnie als Folge der Inhaftierung anzuerkennen, schloss sich zwar der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten an (Stellungnahme von Versorgungsärztin L. vom 8. Januar 2010 ), nicht jedoch der Beklagte selbst (Aktenvermerk vom 29. März 2010). Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. April 2010 den Antrag der Klägerin "auf Gewährung von Beschädigtenversorgung" ab. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen den vorgebrachten Gesundheitsstörungen und der Inhaftierung. Insbesondere sei der schädigungsbedingte Anteil der Insomnie nicht als wesentlich anzusehen.
Im Widerspruchsverfahren verwies die Klägerin unter anderem auf den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad Frankenhausen vom 29. März 2010 über eine stationäre Therapie vom 6. Januar bis zum 10. Februar 2010, in dem unter anderem eine PTBS als (gesicherte) Diagnose angegeben war. Sie fügte den Bericht von Dr. V. vom 26. November 2009 bei, wonach die Insomnie dank einer guten Compliance habe beseitigt werden können und daher als remittiert gelten könne, dass aber die PTBS fortbestehe, wenngleich die psycho-bio-soziale Gesundheit zurzeit nur geringfügig erschüttert zu sein scheine. Ferner legte sie allgemeine wissenschaftliche Abhandlungen zu gesundheitlichen Schäden als Folge von Inhaftierungen in der DDR vor. Nach Auswertung aller Unterlagen kam der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten zu dem Schluss, eine PTBS liege nicht vor und die - wahrscheinlich - durch die Inhaftierung mit verursachte Insomnie sei geheilt (Stellungnahme von Dr. K.-D. vom 12./25. Oktober 2010). Daraufhin erließ der Beklagte den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2010.
Am 28. Dezember 2010 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, Frau O.-P. genüge nicht dem zu fordernden Qualitätsstandard. Sie verfüge weder über eine besondere Schulung noch besondere Fachkenntnisse auf dem Gebiet "Traumafolgestörungen nach politischer Verfolgung". Das Verfahren ist zunächst unter dem Aktenzeichen S 3 VH 4632/10 geführt worden. Im Hinblick auf ein von der Klägerin angestrengtes Petitionsverfahren vor dem baden-württembergischen Landtag (14/5210) hat das SG sodann das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Nachdem der Petitionsausschuss des Landtags am 8. Juni 2011 beschlossen hat, der Petition nicht abzuhelfen und die Klägerin auf den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens zu verweisen (vgl. LT-Drs. 15/51, S. 18 f. ), hat die Klägerin das ruhende Verfahren bei dem SG am 6. Februar 2012 wieder angerufen. Sie hat nunmehr auf die Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 5. Juni 1997 (VI 1 - 51027, bezogen auf den Entschließungsbeschluss des Deutschen Bundestags vom 14. Mai 1997 zu einem sensiblen Umgang mit den Opfern von Inhaftierungen in der DDR) und vom 9. Mai 2006 (47035/03, bezogen auf das Urteil des BSG vom 12. Juni 2003, B 9 VG 1/02 R) hingewiesen. Ferner hat sie sich auf die Beschlüsse des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin beim BMAS vom 12./13. November 1997 und vom 6./.7. November 2008 (65-50122-2/38) über die Voraussetzungen der Anerkennung einer PTBS sowie auf mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen zu den Folgen von Inhaftierungen in der DDR berufen.
Nach einem Schriftwechsel über die Person des Gerichtssachverständigen und einem letztlich erteilten Einverständnis der Klägerin hat das SG den Chefarzt der Abteilung Allgemeine Psychiatrie am Zentrum für Psychiatrie Nordbaden, Prof. Dr. Sch., mit einer Begutachtung der Klägerin beauftragt.
Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 28. April 2014 seinen Diagnosen die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, Deutsche Fassung 2014 (ICD-10 GM 2014), herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zu Grunde gelegt und daneben Ausführungen zu den Anforderungen des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Auflage, (DSM IV) der American Psychiatric association (APA) gemacht. In diesem Rahmen hat er bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig teilremittiert (F33.8 nach der ICD-10), einen Zustand nach (Z.n.) Anpassungsstörungen mit somatoform-dissoziativen Reaktionsmustern (F43.23Z) sowie eine sonstige Reaktion auf eine schwere Belastung im Sinne einer "subsyndromalen posttraumatischen Belastungsstörung" (F43.8) festgestellt. Die depressive Störung bedinge Ein- und Durchschlafstörungen, eine Alibidinie (Libidoverlust), eine leicht geminderte Konzentration sowie eine etwas erhöhte kognitive Erschöpfbarkeit. Die subsyndromale PTBS führe zu belastenden Wiedererinnerungen und Albträumen in niedriger Frequenz sowie zu einem gewissen Vermeidungsverhalten. Zum jetzigen Zeitpunkt sei keine akute Anpassungsstörung festzustellen. Zur Diagnostik hat Prof. Dr. Sch. ausgeführt, das Vollbild einer PTBS sei nicht festzustellen. Von den dafür notwendigen Kriterien seien erfüllt: ein adäquates Trauma (A-Kriterium), zumindest seit Juni 2008 das B-Kriterium (Wiedererinnerungen) sowie - wenngleich recht dezent ausgeprägt - das C-Kriterium (Vermeidungsverhalten). Das D-Kriterium (Hypersensitivität) sei dagegen nach klinischer Einschätzung bei differenzialdiagnostischer Beachtung der weiteren, nicht schädigungsbedingten psychischen Erkrankungen, nicht erfüllt. Ebenso fehle es an dem E- bzw. Zeit-Kriterium. Die maßgeblichen Symptome seien nicht binnen sechs Monaten nach dem Trauma aufgetreten. Zwar sei auch die Diagnose einer PTBS "mit verzögertem Beginn" bekannt. Bei der Klägerin imponiere aber eine Phase von mehreren Jahren ohne psychiatrisch relevante Diagnose. Auch sei auch jetzt das Vollbild einer PTBS nicht erfüllt. Dies ergebe sich auch aus den Ergebnissen mehrerer Testungen (Impact-of-Event-Scale, posttraumatische Stress-Skala).
Zum Ursachenzusammenhang hat Prof. Dr. Sch. ausgeführt, die Inhaftierung sei mit Wahrscheinlichkeit wesentliche Mitursache für die subsyndromale PTBS. Seine Einschätzung, die depressive Störung und die Anpassungsstörungen seien nicht schädigungsbedingt, hat er auf Angaben der Klägerin sowie auf die Kodierungen bei den Behandlungen im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung der Klägerin entnommen, aus denen sich eine "körperlicher Störung, vermutlich psychogen" im November 1972 sowie eine psychosomatische Behandlung in einer Klinik im Frühjahr 1986 ergeben hätten. Eine Ursache für jene Behandlung, aber auch für psychische Beeinträchtigungen der Klägerin nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik sei in der permanenten Herabwürdigung durch den Ehemann bis zur Trennung im Januar 1993 zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt seien sich nicht nur die psychischen Beeinträchtigungen abrupt remittiert, sondern auch die lange vorbestehenden körperlichen Leiden Asthma, Neurodermitis und belastungsabhängige Rückenschmerzen. Ähnliche Beschwerden auch psychischer Art seien dann erst wieder nach dem Arbeitsunfall im Oktober 2003 aufgetreten. Dass die durch die Inhaftierung ausgelöste Anpassungsstörung in einem relevanten Zeitraum über die Haft fortbestanden habe, dafür bestehe kein Anhalt.
Den GdS hat Prof. Dr. Sch. mit 10 vorgeschlagen. Der schädigungsbedingte Anteil der psychisch vermittelten Funktionsbeeinträchtigungen entspreche einer leichteren psychovegetativen oder psychischen Störung.
Die Klägerin ist den Feststellungen und Schlussfolgerungen von Prof. Dr. Sch. entgegengetreten. Auch dieser Sachverständige gehöre offensichtlich nicht zu den einschlägig geschulten Gutachtern, die das Rundschreiben des BMAS vom 5. Juni 1997 und das BSG in neuerer Rechtsprechung forderten. Entgegen der Rechtsprechung des BSG habe Prof. Dr. Sch. daran festgehalten, dass für die Diagnose einer PTBS Brückensymptome zwischen dem Ende der Belastung und dem Beginn der Erkrankung vorliegen müssten.
Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 10. Oktober 2014 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 15. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2010 verurteilt, als Folge eines vom 9. Februar bis zum 12. November 1987 andauernden schädigenden Ereignisses eine "sonstige Reaktion auf schwere Belastung (subsyndromale posttraumatische Belastungsstörung" anzuerkennen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat ausgeführt, die Asthmaerkrankung habe auch nach den Angaben der Klägerin bereits vor der Inhaftierung bestanden und habe dort auch keine richtungweisende Verschlimmerung erfahren. Die Rückenbeschwerden seien somatisch bedingt und könnten daher nicht auf der Haft beruhen, nachdem die Klägerin selbst angegeben habe, dort nicht geschlagen worden zu sein. Die Insomnie habe eine temporäre Erscheinung dargestellt und sich nach den Angaben der Klägerin erstmals nach dem Unfall im Jahre 2003 entwickelt. Das geltend gemachte Muskelzucken sei offensichtlich eine Nebenwirkung der zwischenzeitlich verwendeten Antidepressiva gewesen, welche die Klägerin daraufhin wieder abgesetzt habe. Im Übrigen hat sich das SG im Wesentlichen auf die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. Sch. gestützt. Danach habe die geringgradige depressive Symptomatik spätestens 2000 eingesetzt und sich nach dem Unfall 2003 verstärkt und könne daher nicht der Inhaftierung zugeordnet werden. Das Gleiche gelte für die Anpassungsstörungen. Insofern ständen der frühe Verlust des Vaters und ängstlich-vermeidende Persönlichkeitszüge sowie weitere Belastungen nach der Übersiedlung im Vordergrund. Dagegen sei die von Prof. Dr. Sch. beschriebene sonstige Reaktion auf schwere Belastung als Schädigungsfolge anzuerkennen. Seinen diesbezüglichen Folgerungen sei beizutreten. Ergänzend hat das SG darauf hingewiesen, dass das Hauptanliegen der Klägerin, eine Beschädigtenrente zu erlangen, auch dann keinen Erfolg haben könne, wenn entgegen den Vorschlägen von Prof. Dr. Sch. eine PTBS als Schädigungsfolge anerkannt würde. Auch dann wäre ein GdS von 25 oder 30 nicht erreicht. Eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit liege nicht vor. Die Klägerin weise einen geregelten ausgefüllten Tagesablauf mit zeitintensivem ehrenamtlichem Engagement auf, ihre Stimmung sei ausgeglichen, die emotionale Schwingungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt, allenfalls beständen geringe konzentrative Einschränkungen, die depressiven Verstimmungszustände seien weitgehend remittiert.
Der Beklagte hat diesen Gerichtsbescheid mit Bescheid vom 20. November 2014 ausgeführt.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. November 2014 Berufung bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Sie wiederholt ihre Einwände gegen die Kompetenz der bislang gehörten Gutachter und die Ausführungen in den Gutachten im Einzelnen. Sie hält an ihrer Einschätzung fest, es bestehe das Vollbild einer - schädigungsbedingten - PTBS und eine solche sei nach dem Rundschreiben des BMAS vom 2. Dezember 2008 (IVc3-46052-2/60) mindestens mit einem GdS von 30 zu bewerten. Sie legt ein Attest von Dr. C. vom 15. Januar 2015 vor, wonach bei ihr am 18. November 2014 eine depressive Phase vorgelegen habe, die durch die Wahlen zum Thüringer Landtag, die alte Erinnerungen an Traumata in der DDR wieder hätten wach werden lassen, ausgelöst worden sei.
Der Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23. Juni 2016 ebenfalls Berufung (Anschlussberufung) eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Oktober 2014, den Bescheid vom 15. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2010 und des Ausführungsbescheids vom 20. November 2014 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Anerkennung der Schädigungsfolgen "posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Schlaflosigkeit" eine Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 zu gewähren,
hilfsweise, sie neurologisch, psychiatrisch und psychotherapeutisch von Amts wegen begutachten zu lassen zu der Frage, ob das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung nach der ICD-10 GM 2016 Nr. F43.1 und/oder dem DSM IV oder dem DSM 5 erfüllt ist bzw. auf Grund der unterschiedlichen Einschätzungen zweier Sachverständiger zur Schwere der Ausprägung der psychischen Erkrankung im Sinne von Teil B Nr. 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sowie zur Feststellung des Grades der sozialen Anpassungsstörungen auf Grund der Unterschiedlichkeit der Sachverständigengutachten,
weiter hilfsweise, ihren Lebensgefährten R. Sch., F.-Weg, M., als -Zeugen zur Feststellung der Symptome der Krankheit, insbesondere der sozialen Anpassungsschwierigkeiten im Bereich Partnerschaft, sonstige soziale Beziehungen und an ihrem Arbeitsplatz zu vernehmen.
Der Beklagte beantragt,
im Wege der Anschlussberufung den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Oktober 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat der Senat das Gutachten vom 28. Mai 2015 bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. Ph. erhoben.
Dieser Sachverständige hat ausgeführt, nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 6./7. November 2008 sei die Diagnose einer PTBS auf Grund einer genauen Orientierung an den von der ICD-10 und (Hervorhebung in dem Beschluss) dem DSM IV-TR zu stellen. Aus den Ausführungen in jenem Beschluss sei zu entnehmen, dass den "anerkanntermaßen strikteren Diagnosekriterien" des DSM IV zu folgen sei. Hiernach seien für das C-Kriterium mindestens drei der dort genannten sieben Unterkriterien und für das D-Kriterium mindestens zwei der dort genannten fünf Unterkriterien zu fordern (zu allem S. 15 GA). Das Latenzkriterium von sechs Monaten (E-Kriterium) werde nur von der ICD-10 gefordert, nicht aber von dem DSM IV. Auch der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim BMAS fordere es nicht (S. 39 GA).
Auf dieser Basis, so Prof. Dr. Ph., liege bei der Klägerin das Vollbild einer PTBS ("F43.1") vor (S. 13 GA). Daneben beständen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, eine Somatisierungsstörung in Remission sowie neurologische, orthopädische, internistische und dermatologische Diagnosen. Die Diagnose einer PTBS sei zu stellen, weil alle zu fordernden Kriterien erfüllt sein. Das Trauma sei ausreichend gewesen (S. 16 ff. GA). Es lägen, in Exploration und Dokumentation belegt, belastende Wiedererinnerungen im Sinne des B-Kriteriums vor (S. 23 ff. GA). Von den sieben Unterkriterien des Vermeidungskriteriums "C" (vgl. S. 26 ff. GA) seien nach den Angaben der Klägerin vier erfüllt, nach den vorliegenden Dokumentationen jedoch nur eines teilweise ("bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die Erinnerungen wachrufen"). Das D-Kriterium "Anhaltende Symptome erhöhter Erregung" sei anzunehmen, da drei der relevanten Unterkriterien (Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen) erfüllt seien, dies ergebe sich aus der Exploration der Klägerin; auch seien diese Symptome dokumentiert, aber nicht auf die PTBS zurückgeführt worden (S. 29 ff. GA).
Zur Verursachung hat Prof. Dr. Ph. ausgeführt, es spreche deutlich mehr dafür als dagegen, dass die PTBS auf die Inhaftierung in der DDR zurückzuführen sei. Das Trauma sei geeignet gewesen. Auf eine Latenz bis zur Entwicklung der Symptome komme es - auch nach einer jüngeren Studie über die Spätfolgen von Inhaftierungen in der DDR - nicht an. Außerdem habe eine deutliche subsyndromale Ausprägung der PTBS bereits in den ersten Wochen nach der Haftentlassung bestanden. Zwar habe die Klägerin weder in den ersten Jahren nach der Haftentlassung noch in den beiden Jahrzehnten danach eine fachspezifische psychiatrische Behandlung durchgeführt, und die erste Behandlung 2000 sei durch die damalige depressive Episode veranlasst gewesen. Diese Umstände riefen normalerweise vernünftige Zweifel an einer klinisch relevanten Gesundheitsstörung hervor. Jedoch habe die Klägerin kein psychisches Krankheitsverständnis gehabt. Dieses Selbstkonzept habe die Klägerin erst unter der Schlaf-Therapie bei Dr. V. und der anschließenden Trauma-Therapie bei Dr. R. 2011 bis 2012 erarbeitet. Aus der genannten Studie ergebe sich, dass auch dieses Verhalten von Opfern von Inhaftierungen in der DDR nicht unüblich sei (S. 49 ff. GA). Die depressive Erkrankung hat auch Prof. Dr. Ph. nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Inhaftierung zurückgeführt (S. 51 ff. GA). Dagegen besteht nach seiner Ansicht ein ausreichend wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen dem Trauma und der von ihm als Somatisierungsstörung in Remission bezeichneten weiteren Erkrankung. Von den körperlichen Symptomen der Klägerin seien das Globusgefühl ("Kloß im Hals"), die Magenschmerzen, die Thoraxschmerzen und die Kopfschmerzen auf die Schädigung zurückzuführen. Diese Symptome hätten bereits in der Haft begonnen und nicht schon davor vorgelegen. Entgegen der Ansicht von Prof. Dr. Sch. habe auch vor der Haft keine erhebliche Neigung zu solchen Reaktionen bestanden. Die Beschwerden hätten sich nach der Übersiedlung zurückgebildet. Diese Remission habe nicht bzw. nicht überwiegend auf der Trennung von dem Ehemann beruht (S. 52 ff. GA). Dagegen könnten die anderen somatischen Beeinträchtigungen der Klägerin (Myelopathie, LWS-Syndrom, Asthma, Hauterkrankung, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen) nicht auf die Haft zurückgeführt werden (S. 55 f. GA).
Zur Schwere der Beeinträchtigungen hat Prof. Dr. Ph. ausgeführt, dass sich die Schwere der PTBS sich zunächst aus der Breite der Symptomatik ergebe, von den 15 Symptomkriterien seien 10 erfüllt (im Einzelnen S. 56 GA), hiervon seien das Wiedererinnern, die Albträume, die Schlafstörungen und die Reizbarkeit als mittelgradig bis schwer, die übrigen Kriterien als mittelgradig einzustufen. Weiterhin sei der Leidensdruck als schwer bzw. mittelgradig bis schwer einzustufen. Von 1987 bis zur Einsicht in die Akten der Staatssicherheit 1993 sei die PTBS insgesamt leicht ausgeprägt gewesen, dafür damals die Somatisierungsstörung mittelgradig. Von 1993 bis zu dem erneut traumatisierenden Urlaub in den neuen Ländern 2008 sei die PTBS mittelgradig, danach als mittelgradig bis schwer einzustufen. Die Somatisierungsstörung sei seit 1993 nicht mehr zu berücksichtigen. Danach ergäben sich mittelgradige Störungen bis 2008 und seitdem mittelgradige bis schwere. Hieraus folge, so Prof. Dr. Ph. abschließend, ein GdS von 30 ab Haftentlassung bis Juni 2008 und mit 40 seitdem und auf Dauer (S. 61 GA).
Die Klägerin hat sich dem Gutachten von Prof. Dr. Ph. angeschlossen. Dagegen ist ihm der Beklagte entgegengetreten. Hierzu hat er die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 23. Juli 2015 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, Prof. Dr. Ph. habe selbst ausführlich dargelegt, dass die Diagnosekriteriengruppen C und D der PTBS auf Dokumentationsebene nicht erfüllt seien. Auf Befundebene nehme das Gutachten Reizbarkeit an, obwohl weder Prof. Dr. Sch. noch Prof. Dr. Ph. selbst in seinem objektiven psychopathologischen Befund eine solche beschrieben hätten. Die Reaktionen der Klägerin auf die Thematisierung der Hafterlebnisse würden unterschiedlich beschrieben, Prof. Dr. Sch. habe kein Unwohlsein festgestellt, Prof. Dr. Ph. eine tiefe affektive Bewegung mit leichtem Fingertremor. Die Einschätzung eines GdS von 40 entspräche einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfreiheit im oberen Ermessensspielraum. Dies sei angesichts der angegebenen Häufigkeit von Albträumen (alle paar Wochen bis einmal im Quartal) und Wiedererinnerungen (einmal pro Woche bzw. einmal pro Monat) und den Angaben zu den Aktivitäten des täglichen Lebens nicht ausreichend nachvollziehbar.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. Januar 2016 zu dem Wahlgutachten hat Amtsgutachter Prof. Dr. Sch. ausgeführt, die Annahme von Prof. Dr. Ph.s, das DSM IV-TR sei "anerkanntermaßen strenger", treffe teilweise zu, teilweise aber auch nicht. Zu der unterschiedlichen diagnostischen Einordnung in beiden Gutachten trügen drei Faktoren bei. Die ICD-10 und das DSM IV-TR unterschieden sich in den Anforderungen an das A-Kriterium (das hier aber unstreitig erfüllt sei). Anders als Prof. Dr. Ph. habe er die zeitweise beschriebenen Ein- und Durchschlafstörungen und Konzentrationsdefizite nicht der posttraumatischen Folgestörung, sondern der depressiven Erkrankung zugeordnet. Dies beruhe darauf, dass die Klägerin eine "Melancholie" als wesentlichen Teil des Beschwerdebildes beschrieben habe und dass die genannten Symptome - im Einklang mit der rezidivierenden Ausprägung der Störung - geschwankt hätten. Auch Prof. Dr. Ph. habe solche Symptome bei seiner Untersuchung nicht gefunden. Letztlich falle auf, dass Prof. Dr. Ph. einzelne Merkmale des D-Kriteriums (Hyperarousal) als erfüllt bewerte, ohne diese befundlich zu sichern. Sowohl zur Reizbarkeit bzw. den Wutausbrüchen als auch zu den (zeitweise aufgetretenen) Konzentrationsschwierigkeiten habe er als Beleg nur die Berichte der Klägerin angegeben. Hiernach sei auch nach dem DSM-IV eine PTBS nicht zu diagnostizieren, weil dann nur noch ein Unterkriterium des D-Kriteriums (Schlafstörungen) erfüllt sei. Zur Kausalität hat Prof. Dr. Sch. eine wesentliche Übereinstimmung mit Prof. Dr. Ph. dargestellt. Die Differenz in der Höhe des vorgeschlagenen GdS, so Prof. Dr. Sch. abschließend, beruhe darauf, dass Prof. Dr. Ph. die Schwere einzelner Symptomkriterien bewertet habe, die aber auch nach dem DSM-IV "anhaltend" sein müssten und nicht nur aus eigenanamnestischen Angaben des Probanden gewonnen werden dürften. Daher könnten die Reizbarkeit und die Konzentrationsstörungen gar nicht berücksichtigt werden. Und inhaltlich sei der Einschätzung, die Wiedererinnerungen, die Albträume und die Schlafstörungen seien mittelgradig oder gar schwer ausgeprägt, entgegenzutreten. Die Angaben der Klägerin bei beiden Begutachtungen ergäben keinen Anlass, den bisherigen Vorschlag eines GdS von 10 substanziell zu ändern.
Am 16. Februar 2016 hat der Senat Hinweise zur Rechtslage und zu einer vorläufigen Würdigung der beiden erhobenen Gerichtsgutachten gegeben.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil sie Sozialleistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und außerdem behördliche Feststellungen begehrt. Die Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere im Sinne von § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht erhoben.
Auch die Berufung des Beklagten ist zulässig. Er hat seine am 23. Juni 2016 zu Protokoll des Senats erhobene Berufung zu Recht als Anschlussberufung bezeichnet. Als selbstständige Berufung wäre das Rechtsmittel verfristet gewesen. Die Zulässigkeitsanforderungen, die demnach an diese Berufung zu stellen sind, liegen vor. Anschlussberufungen sind in entsprechender Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung (hier § 202 SGG i.V.m. § 524 Abs. 1 Satz 1 ZPO) auch in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit möglich (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 143 Rz. 5). Die besonderen Frist- und Formvorschriften aus § 524 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 ZPO - die hier nicht erfüllt wären - gelten für Anschlussberufungen in Verfahren nach dem SGG nicht (Leitherer, a.a.O., Rz. 5), insbesondere reichte es aus, dass der Beklagte seine Berufung erst in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Senats erhoben hat (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. März 1968 – 12 RJ 622/64 –, BSGE 28, 31, SozR Nr. 4 zu § 522a ZPO, juris Rz. 9). Eine Beschwer ist für eine Anschlussberufung nicht erforderlich (Leitherer, a.a.O., Rz. 5a), eine solche liegt hier gleichwohl vor, weil der Beklagte - über den Kostenpunkt hinaus (vgl. dazu § 143 Abs. 4 SGG) - in erster Instanz ebenfalls teilweise unterlegen ist.
Der Senat konnte über die beiderseitigen Berufungen in der Sache entscheiden, ohne weitere Ermittlungen anstellen zu müssen.
Der Sachverhalt ist nach den umfangreichen Angaben der Klägerin zu den Ereignissen während ihrer Inhaftierung in der DDR und ihrer späteren Biografie sowie nach Erhebung insgesamt dreier Gutachten zur medizinischen Würdigung der gesundheitlichen Schädigungsfolgen ausermittelt.
Auch die Hilfsbeweisanträge der Klägerin aus der mündlichen Verhandlung vor dem Senat waren abzulehnen.
Mit ihrem ersten Antrag, ein weiteres Gutachten von Amts wegen (§ 103 SGG) zu ihren Gesundheitsschäden und den daraus folgenden Funktionseinschränkungen einzuholen, zielt die Klägerin in der Sache auf ein so genanntes "Obergutachten". Ein solches gibt es aber im Beweisrecht des SGG und der ZPO nicht. Auch bei einander widerstreitenden Gutachtensergebnissen besteht keine allgemeine Verpflichtung, ein weiteres Gutachten einzuholen; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen. Solange nicht ein Gutachten oder ggfs. mehrere bereits eingeholte Gutachten die grundsätzlichen Anforderungen aus § 412 Abs. 1 ZPO (anwendbar über § 118 Abs. 1 SGG) verfehlen, also verwertbar sind, und das Gericht dieses eine oder eines von mehreren Gutachten für überzeugend hält, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 27. August 2015 – L 6 VG 2141/13 –, Rz. 55, juris; so auch BSG, Beschluss vom 12. Mai 2015 - B 9 SB 93/14 B - zit. nach Juris).
Den zweiten Hilfsbeweisantrag lehnt der Senat ab, weil er das benannte Beweismittel für ungeeignet hält. Eine Ablehnung mit dieser Begründung ist entsprechend den Rechtsgedanken aus § 244 Abs. 3 Strafprozessordnung (StPO) auch im sozialgerichtlichen Verfahren möglich (BSG, Beschluss vom 23. Juli 2015 – B 2 U 78/15 B –, SozR 4-1920 § 52 Nr. 16, juris Rz. 7). Für die Feststellung medizinischer Umstände, seien es Symptome, seien es gar Krankheiten im diagnostischen Sinne, ist nur ein Arzt oder ein sonstiger medizinisch ausgebildeter Behandler ein geeigneter Zeuge, nur er hat die dafür notwendige besondere Sachkunde im Sinne von § 414 ZPO und wird daher als sachverständiger Zeuge vernommen (vgl. zur Feststellung medizinischer Tatsachen (BSG, Urteil vom 28. April 1960 – 5 RKn 12/58 –, Rz. 26, juris, mit Verweis auf BSG, SozR § 162 SGG Da 23 Nr. 87). Dagegen können Zeugenaussagen, jedenfalls die Aussagen solcher Zeugen, die nicht berufen sind, medizinische Sachverhalte zu beurteilen, nicht als ein geeignetes Beweismittel für die Feststellung medizinischer Tatbestände angesehen werden und sind deshalb vom Zeugenbeweis insoweit ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 1967 – 11 RA 152/67 –, juris). Der als Zeuge benannte Lebensgefährte der Klägerin ist aber kein medizinisch ausgebildeter Behandler.
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zwar ist ihre Klage zulässig. Jedoch bestehen in der Sache - zunächst - die geltend gemachten Ansprüche auf Anerkennung einer PTBS im Vollbild, einer Depression und einer Schlaflosigkeit als Folge der Inhaftierung nicht. Weitergehend war auf die Anschlussberufung des Beklagten der teilweise zusprechende Gerichtsbescheid aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen, weil auch eine Verurteilung des Beklagten zur Anerkennung einer "sonstigen Reaktion auf schwere Belastung (subsyndromale posttraumatische Belastungsstörung)" aus mehreren Gründen nicht in Betracht kam. Letztlich besteht für die Klägerin - mangels schädigungsbedingter Gesundheitsschäden, aber auch wegen Fehlens ausreichender Funktionseinbußen - kein Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach einem GdS um 50.
Die Klägerin kann ihre Begehren zulässigerweise mit der erhobenen Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage verfolgen.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist nach der Regelung in § 25 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG (i.V.m. § 25 Abs. 4 und 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG) eröffnet.
Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist eine angreifbare Verwaltungsentscheidung ergangen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) und auch das durchgeführte Vorverfahren betraf alle Ansprüche, die die Klägerin geltend macht. Aus dem angegriffenen Bescheid vom 15. April 2010 geht mit noch hinreichender Deutlichkeit hervor, dass der Beklagte die Anerkennung der jetzt geltend gemachten Gesundheitsschäden und die Gewährung einer Rente abgelehnt hat. Der formelle Tenor des Bescheids führt zwar nur abstrakt aus, dem "Antrag auf Beschädigtenversorgung" könne "nicht entsprochen" werden. Wie der Beklagte später selbst eingeräumt hat (Schriftsatz vom 22. November 2012 an das SG), ist damit aber (nur) der Anspruch auf Grundrente gemeint. Und die Ablehnung der Anerkennung von Gesundheitsschäden als Haftfolgen findet sich zwar erst in dem Abschnitt "II. Begründung" des Bescheids unter den Nummern 3 und 4, aber die dort enthaltenen eindeutigen Formulierungen reichen nach Ansicht des Senats aus, um als Verfügungssätze eingestuft zu werden.
In der Sache sind die Anträge der Klägerin allein nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG und nicht nach dem HHG zu überprüfen. Nach § 23 Abs. 1 StrRehaG wird, wenn Ansprüche aus § 21 StrRehaG mit Ansprüchen aus § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) oder aus anderen Gesetzen zusammentreffen, die - wie § 4 Abs. 1 HHG bei einer gesundheitlichen Schädigung infolge Gewahrsams - eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, die Versorgung unter Berücksichtigung des durch die gesamten Schädigungsfolgen bedingten Grades der Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG gewährt (Urteil des Senats vom 26. Februar 2015 - L 6 VU 4119/14 -, Rz. 34, juris). Eine Ausnahme hiervon besteht nur dann, wenn ein Geschädigter eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG bereits vor dem Inkrafttreten des StrRehaG am 4. November 1992 beantragt und erhalten hat. In diesem Fall kann der Geschädigte nach § 25 Abs. 2 Nr. 1 StrRehaG auch Ansprüche nach diesem Gesetz geltend machen, da die Durchführung eines weiteren Verfahrens nach dem StrRehaG nicht mehr zugemutet werden soll (BT-Drucks. 12/1608 S. 24). Dies beschränkt sich jedoch - unter Anrechnung der Leistungen nach dem HHG - auf Ansprüche nach den §§ 17 bis 19 StrRehaG. Ansprüche auf Beschädigtenversorgung nach dem BVG werden dagegen in diesen Fällen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG nur nachrangig nach den entsprechenden Ansprüchen nach dem HHG gewährt (vgl. zu allem Urteile des Senats vom 23. Februar 2012 – L 6 VU 6118/09 –, Rz. 32 und 26. Februar 2015 - L 6 VU 4119/14, Rz. 32 jeweils juris). Der Klägerin wurde jedoch nie eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG erteilt. Ihr entsprechender Antrag war mit Verfügung vom 2. Mai 1990 bestandskräftig abgelehnt worden. Eine solche Ablehnung dieser Bescheinigung sperrt auch nicht den Weg eines Geschädigten in das StrRehaG. Die Voraussetzungen beider Beschädigtenversorgungen unterscheiden sich, sodass die Ablehnung der Bescheinigung nach dem HHG keine negative Tatbestandswirkung für Ansprüche aus dem StrRehaG entfaltet. Nach dem HHG war eine politische Verfolgung in der DDR notwendig, während eine Versorgung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG lediglich rein formal die Aufhebung einer strafgerichtlichen Verurteilung in der DDR in dem Rehabilitationsverfahren nach § 1 Abs. 1 StrRehaG voraussetzt.
Die erhobenen Anträge auf Anerkennung von Gesundheitsschäden als Folge der Haft in der DDR haben keinen Erfolg.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhalten Betroffene, die infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, wegen der gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Die Versorgung selbst - also wie hier der Anspruch auf eine Grundrente - beruht dabei auf § 31 Abs. 1 BVG. Und Ansprüche auf eine behördliche Anerkennung bestimmter Gesundheitsschäden sind zwar im BVG nicht ausdrücklich geregelt, dem Grunde nach aber anerkannt, zumal § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG in diesen Fällen sogar ausdrücklich eine (allerdings gerichtliche) Feststellung ermöglicht.
Die Tatbestandsmerkmale, die den geltend gemachten Ansprüchen zu Grunde liegen – eine in Folge der rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehung erlittene gesundheitliche Schädigung (Erstschaden) und die gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung – müssen nach den im sozialgerichtlichen Verfahren an die richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen voll bewiesen sein. Dagegen genügt nicht nur zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung, also für die haftungsausfüllende Kausalität (§ 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG), sondern auch bereits für die haftungsbegründende Kausalität zwischen der rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehung und der gesundheitlichen (Erst-)Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16; Urteil des Senats vom 26. Februar 2015 – L 6 VU 4119/14 –, Rz. 34, juris).
Vor diesem Hintergrund kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin eine PTBS (F43.1) vorliegt (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 26. Juni 2014 – L 6 VU 2236/13 ZVW –, Rz. 76, juris).
Der Senat hat sich bei der Beurteilung der Frage, ob eine PTBS vorliegt, in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 - Juris Rn. 34 ff.) an den gängigen Diagnosesystemen entsprechend der Nomenklatur der ICD-10 und der DSM orientiert. Denn die konkret zu bezeichnenden Krankheiten bilden die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens zu beurteilen ist (so auch BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr. 3). Das DSM lag bis 2013 in seiner vierten Ausgabe (DSM-IV-TR) vor. Insoweit konnte es neben der ICD-10 herangezogen werden. Dagegen bestehen gegen die zwischenzeitlich seit Mai 2013 als Nachfolgerin des DSM-IV-TR nunmehr in deutscher Sprache vorliegende 5. Auflage (DSM-5) Bedenken hinsichtlich ihrer Validität (vgl. im Einzelnen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14, Juris Rz. 40, 41 ff.), was jedoch letztlich dahingestellt bleiben kann, weil jedenfalls das auch danach erforderliche Vermeidungsverhalten bei der Klägerin fehlt (dazu unten).
Nach ICD-10 F 43.1 entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, zum Beispiel zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung über.
Nach DSM-IV-TR 309.81 gelten folgende Grundsätze: Das Hauptmerkmal der PTBS ist die Entwicklung charakteristischer Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumatische Ereignis beinhaltet unter anderem das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (Kriterium A1). Die Reaktion der Person auf das Ereignis muss intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfassen (Kriterium A2). Charakteristische Symptome, die aus der Konfrontation mit der extrem traumatischen Situation resultieren, sind das anhaltende Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Form von wiederholten und aufdringlichen Erinnerungen an das Ereignis (Kriterium B1), von wiederkehrenden, quälenden Träumen, in denen das Erlebnis nachgespielt wird oder in anderer Form auftritt (Kriterium B2), von Erleben von oft als "flashbacks" bezeichneten dissoziativen Zuständen, während derer einzelne Bestandteile des Ereignisses wieder erlebt werden (Kriterium B3) oder, wenn die Person mit Ereignissen konfrontiert wird, die sie an Aspekte des traumatischen Ereignisses erinnern oder die diese symbolisieren, in Form von intensiver psychischer Belastung (Kriterium B4) oder physiologischer Reaktionen (Kriterium B5). Charakteristische Symptome sind auch die andauernde Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma assoziiert sind, und eine Abflachung der allgemeinen Reagibilität in der Form, dass die Person im Allgemeinen versucht, Gedanken, Gefühle oder Gespräche über das traumatische Ereignis (Kriterium C1) und Aktivitäten, Situationen oder Personen, welche die Erinnerung an das Ereignis wachrufen (Kriterium C2) absichtlich zu vermeiden, wobei die Vermeidung des Erinnerns die Unfähigkeit mit einschließen kann, sich an einen wichtigen Aspekt des traumatischen Ereignisses zu erinnern (Kriterium C3), oder in Form von verminderter Reaktionsbereitschaft auf die Umwelt, welche üblicherweise sehr bald nach dem traumatischen Erlebnis eintritt (Kriterium C4), eines Gefühls der Isolierung und Entfremdung von Anderen (Kriterium C5) oder einer deutlich reduzierten Fähigkeit, Gefühle zu empfinden (Kriterium C6) oder in der Form, dass betroffene Personen das Gefühl einer eingeschränkten Zukunft haben (Kriterium C7). Charakteristische Symptome sind auch anhaltende Symptome erhöhten Arousals in Form von Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten, die durch wiederholte Albträume, in denen das traumatische Erlebnis wieder erlebt wird, hervorgerufen werden können (Kriterium D1), Hypervigilanz (Kriterium D4) und übertriebener Schreckreaktion (Kriterium D5), wobei manche Personen über Reizbarkeit oder Wutausbrüche (Kriterium D2) oder Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Aufgaben zu vollenden (Kriterium D3), berichten. Das vollständige Symptombild muss länger als einen Monat anhalten (Kriterium E) und die Störung muss in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursachen (Kriterium F). Traumatische Erfahrungen, die direkt erlebt wurden, umfassen insbesondere kriegerische Auseinandersetzungen, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen, schwere Autounfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit. Hinsichtlich Beginn und Dauer der Symptome wird unterschieden zwischen der akuten posttraumatischen Belastungsstörung (wenn die Dauer der Symptome weniger als drei Monate beträgt), der chronischen posttraumatischen Belastungsstörung (wenn die Symptome drei Monate oder länger andauern) und der posttraumatischen Belastungsstörung mit verzögertem Beginn (wenn mindestens sechs Monate zwischen dem traumatischen Ereignis und dem Beginn der Symptome vergangen sind). Die Symptome, wie beispielsweise verminderte affektive Schwingungsfähigkeit, dissoziative Symptome, somatische Beschwerden, Gefühle der Insuffizienz in Form von Hoffnungslosigkeit, sozialer Rückzug, ständiges Gefühl des Bedrohtseins oder beeinträchtigte Beziehung zu anderen oder Veränderung der Persönlichkeit im Vergleich zu früher beginnen normalerweise innerhalb der ersten drei Monate nach dem Trauma, obwohl sich die Ausbildung der Symptome aber auch um Monate oder sogar Jahre verzögern kann. Die Schwere, Dauer und Nähe der Person bei Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis sind die wichtigsten Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit bestimmen, mit der die Störung sich entwickelt. Es gibt Hinweise, dass soziale Unterstützung, Familienanamnese, Kindheitserfahrungen, Persönlichkeitsvariablen und vorbestehende psychische Störungen die Ausbildung einer posttraumatischen Belastungsstörung beeinflussen können. Die Störung kann sich auch bei Personen entwickeln, bei denen zuvor keine besondere Auffälligkeit vorhanden war, besonders dann, wenn es sich um eine besonders extreme Belastung handelt.
Die nach den beiden Klassifikationssystemen notwendigen Kriterien bzw. dafür erforderlichen Unterkriterien müssen im Vollbeweis feststehen, um die Diagnose einer PTBS stellen zu können. Hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen (Kriterien B bis D, ggfs. E und F) bezieht sich diese Anforderung auf den aktuellen Gesundheitszustand des Geschädigten. Nicht zwingend notwendig ist, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen bereits unmittelbar nach dem Ende der Traumatisierung vorgelegen haben oder seitdem ununterbrochen bestanden. Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW -, Rz. 145 juris), dass solche "Brückensymptome" weder nach der ICD-10 noch nach dem DSM-IV zu fordern sind. Zwar ist dann, wenn solche Symptome nicht alsbald nach der Schädigung entstanden und nachweisbar sind, die Zusammenhangfrage besonders sorgfältig zu prüfen und nur anhand eindeutiger objektiver Befunde zu bejahen, was sich auch aus Anforderungen der früheren Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) ergibt (Senat, a.a.O.). Aber diese Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang ist erst zu stellen, wenn die Diagnose positiv feststeht. Diese Ansicht entspricht der Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 2. Dezember 2010 – B 9 VH 3/09 B –, Rz. 14, juris; Beschluss vom 16. Februar 2012 – B 9 V 17/11 B –, Rz. 16, juris).
Vor diesem Hintergrund kann sich der Senat nach beiden Klassifikationssystemen - und damit nach den Anforderungen der Beschlüsse des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 12./ 13. November 1997 und vom 6./7. November 2008 - nicht von einer PTBS überzeugen.
Diese Einschätzung stützt der Senat auf den Inhalt der Akten und vor allem auf die Feststellungen und Schlussfolgerungen in dem vom Beklagten eingeholten Gutachten von Frau O.-P., das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, und in dem von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Sch ... Beide Gutachten sind verwertbar. Insbesondere teilt der Senat nicht die Zweifel der Klägerin an den Qualifikationen von Frau O.-P. und Prof. Dr. Sch ... Die Gutachten weisen, wie ausgeführt, keine Mängel im Sinne von § 412 Abs. 1 ZPO auf (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 16. Februar 2012 – B 9 V 17/11 B). Beide Sachverständige haben die von der Klägerin geschilderten Hafterfahrungen ihrer Beurteilung zu Grunde gelegt, dabei die Feststellung der Diagnose wegen des Fehlens des C bzw. D-Kriteriums verneint, also nicht allein wegen fehlender Brückensymptomatik, wenngleich insbesondere Prof. Dr. Sch. sich insoweit mit den neuesten Publikationen zur PTBS auseinander gesetzt hat. Allein der Umstand, dass beide zu einem anderen Ergebnis als der Wahlgutachter gekommen sind, macht diesen nicht zu einem qualifizierteren.
Zweifel bestehen zunächst an dem von beiden Systemen geforderten "A-Kriterium", dem traumatischen Ereignis. Diese Zweifel hat auch Frau O.-P. angedeutet, indem sie in ihrem Gutachten ausgeführt hat, die berichtete Haftsituation sei "grundsätzlich" in der Lage gewesen, ein von den Klassifikationssystemen für eine PTBS gefordertes Trauma auszulösen.
Nicht jedes Trauma ist indes geeignet, eine PTBS zu verursachen, Traumata führen oft auch nur zu den anderen Anpassungsstörungen, die z.B. in der ICD-10 bei F43.- genannt sind. Für eine PTBS ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine über die bloße Haft hinausgehende, unmittelbar lebensbedrohliche oder vergleichbare Situation (mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß) vonnöten, die bei nahezu jede Person Entsetzen und eine große Verzweiflung auslösen würde (Urteil des Senats vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW - juris, Rz. 125 ff.; abweichend hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Januar 2016 - L 11 VU 37/14 -, juris, Rz. 73 f.). Dies erklärt sich auch daraus, dass die Diagnose insbesondere nach den Erfahrungen des Vietnamkrieges mit entsprechenden Traumaerfahrungen entwickelt wurde. Dass die traumatische Einwirkung lebensbedrohend sein oder zumindest die konkrete Gefahr einer schweren Verletzung mit sich bringen muss, wird in den Anforderungen des DSM-IV noch deutlicher als in der ICD-10; dieses Klassifikationssystem stellt dagegen mehr darauf ab, dass die Situation "für nahezu jeden" so gewirkt haben muss und nicht ggfs. nur für den Betroffenen. Das Erfordernis einer solchen lebens- oder körperbedrohenden Einwirkung besteht im Übrigen auch beim sexuellen Missbrauch, wobei sich der Senat den Hinweis erlaubt, dass in vom dem LSG Berlin-Brandenburg zitierten, angeblich abweichend entschiedenen Fall des Senats (Urteil vom 15. Dezember 2011 - L 6 VG 584/11 – juris), nicht nur die Diagnose unstreitig, sogar vom Beklagten im Schwerbehindertenverfahren ausdrücklich anerkannt war, sondern die erforderliche Gewalt und Lebensbedrohlichkeit von der Mutter bestätigt wurden. Der Senat bezweifelt im Übrigen nicht, dass das Erleben einer zu Unrecht verhängten Haft traumatisch sein kann (so bereits Nr. 71 AHP 2008, wonach die rechtsstaatswidrige Haft in der DDR als Beispiel für eine lang dauernde psychische Belastung, die durch psychische Traumen bedingte Störungen hervorrufen kann, genannt wird), aber nicht muss; das Trauma muss vielmehr - wie sonst auch - im Einzelfall festgestellt werden. Bei der Feststellung des haftbedingten Gesundheitsschadens ist deswegen die Aufklärung des konkreten haftbedingten Schädigungstraumas unverzichtbar (so LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. Juni 2015 - L 7 VE 19/11, juris, Rz. 57). Das zeigt sich auch darin, dass der Gesetzgeber die bloße zu Unrecht erlittene DDR-Haft bereits nach der maßgeblichen Regelungen in § 17a Abs. 1 Satz 1 StrRehaG entschädigt hat. Wenn sich das Trauma aber darin erschöpft, Opfer einer zu Unrecht erfolgten Verurteilung zu sein und deswegen zu Unrecht eine Haftstrafe verbüßt zu haben, ohne dass im Einzelfall Traumaerlebnisse geschildert werden, die eine PTBS auslösen können, so kann dies dann eine andere psychische Erkrankung auslösen wie z. B. eine Anpassungsstörung, was die Sachverständigen O.-P. und Prof. Dr. Sch. bei der Klägerin bejaht, im Ergebnis lediglich die Erkrankung als ausgeheilt angesehen haben. Dass geht auch mit der Diagnose definitionsgemäß einher, denn nach einmaligen psychischen Traumen klingen Anpassungsstörungen im Verlauf von Monaten bis maximal zwei Jahren ab. In vergleichbaren Haft-Fällen wurde deswegen - unstreitig - auch nur eine Depression anerkannt (vgl. z.B. Urteil des Senats vom 21. April 2016 – L 6 VU 97/14).
Solche lebensbedrohlichen oder vergleichbaren Situationen hat die Klägerin nicht geschildert, was der Senat ihren anamnestischen Angaben bei den drei Gutachtern O.-P., Prof. Dr. Sch. und Prof. Dr. Ph. entnimmt. Danach sind die geschilderten körperlichen Untersuchungen (Vermeidung von Schmuggeln in die Haftanstalt), Verhöre vor Verurteilung, der eingeschränkte Kontakt zur Außenwelt während der Untersuchungshaft, die gestörte Nachtruhe (zur Überwachung des Häftlings, vgl. hierzu auch den in der Öffentlichkeit berichteten Fall des Managers Middelhoff) und die bemängelte Ernährung geradezu typische Haftbedingungen, über die sich - gerichtsbekannt - selbst in der Bundesrepublik Deutschland viele Häftlinge beschweren. Einzig herausragendes Ereignis während der Haftzeit, was möglicherweise eine PTBS hätte auslösen können, war danach die Gefängnisrevolte in der Kantine von kriminellen Häftlingen, wobei der Senat darauf hinweist, dass solche Ereignisse auch in den Haftanstalten der BRD nicht ungewöhnlich sind (so wurde beispielsweise in der JVA Hohenleuben durch das SEK am 22. April 2014 eine Geiselnahme verhindert [Quelle: Thüringer Allgemeine] und am 28. März 2015 fand ein Hungerstreik wegen Ärgers über die Verpflegung bis zur Unzufriedenheit mit der sozialen Betreuung [Quelle: Kölnische Rundschau] statt). Nach den ersten Angaben der Klägerin gegenüber der Gutachterin O.-P. war sie daran aber nicht beteiligt und wurde von den Geschehnissen isoliert, so dass für sie selbst keine aktuelle Bedrohungssituation bestand, was der Senat der Anamnese des Gutachtens entnimmt. Gegenüber Prof. Dr. Sch. hat sich dann die Schilderung dahingehend gesteigert, dass sie nun eine Öffnung einer Maschinenpistole direkt vor sich gesehen haben wollte, bei Prof. Dr. Ph. schließlich will sie Todesängste erlitten haben und selbst mit Waffen in Schach gehalten worden sein. Zwar gibt es weder nach dem SGG noch nach der ZPO eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere; im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben und sonstigen Einlassungen zu würdigen. Gleichwohl kann das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung den zeitlich früheren Aussagen aufgrund der Gesichtspunkte, dass die Erinnerung hierbei noch frischer war und sie von irgendwelchen Überlegungen, die darauf abzielen, das Klagebegehren zu begünstigen, noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren zumessen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 41/02 R -, SozR 4-2700 § 4 Nr. 1, Rz. 12; Urteile des Senats vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW - juris, Rz. 144 und vom 21. Mai 2015 - L 6 U 1053/15 -, juris, Rz. 34). Hiervon geht der Senat vorliegend aus, denn wenn die Klägerin tatsächlich mit einer Waffe bedroht worden wäre, dann hätte sie dies ohne Zweifel gleich geäußert, wenn die Gutachterin O.-P. dies nicht erwähnt hätte, wäre dies, wie viele andere Details auch, sofort von der Klägerin moniert worden.
Insoweit kann es sich allenfalls um psychische Belastungen handeln, die mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden sind, wobei die Störungen häufig kurzfristig, vielleicht tief sind, auch durch Symptome der PTBS charakterisiert werden können, ohne diagnostisch auf diese begrenzt zu sein und gelegentlich auch nach einer Latenzzeit auftreten (so Nr. 71 AHP 2008). Dann sind aber die durch das psychische Trauma bedingten Störungen folgerichtig nicht als PTBS, sondern, wie von der Gutachterin O.-P. so angenommen, als Anpassungsstörung (F43.21Z) diagnostisch einzuordnen, die durch den Besuch in der Heimat im November 2008 reaktiviert, ansonsten aber, was der Lebenslauf der Klägerin eindrucksvoll belegt, wieder gut rückläufig war.
Der Senat kann die Frage nach dem Trauma-Kriterium aber letztlich offen lassen, weil es jedenfalls an dem C- oder Vermeidungskriterium sowie an dem D- oder Hypersensitivitätskriterium fehlt.
Auf das Fehlen des C-Kriteriums hat insbesondere die Gutachterin O.-P. hingewiesen. Sie hat nachvollziehbar ausgeführt, das typische und diagnostisch zu fordernde Vermeidungsverhalten sei bei der Klägerin nicht ausgeprägt. Die Klägerin pflegt intensive regelmäßige Kontakte zu Mithäftlingen aus der Zeit ihrer Haft, wodurch sie sich aktiv mit dem Trauma konfrontiert. Dass sie insofern nur eine normale Freundschaft pflegt, ohne das Thema DRR-Haft anzusprechen, hält der Senat ebenso wie die Gutachterin O.-P. für nicht glaubwürdig, was im Übrigen auch eindrucksvoll dadurch belegt wird, dass die Idee zur Geltendmachung von Versorgungsansprüchen aus eben dieser Runde kam, was die Klägerin selbst einräumen musste, dann aber impliziert, dass über die Haft und ihre Folgen gesprochen und die Themen eben nicht vermieden werden. Diese Freundschaften zeigen darüber hinaus auch, dass die Haft für die Klägerin nicht nur negativ belegt sein kann, sich vielmehr aus der damaligen Schicksalsgemeinschaft dauerhafte Freundschaften entwickelt haben. Darüber hinaus war sie in der Lage, in ihre Heimat zu fahren und sich dadurch, wie auch mit der Beschäftigung der Stasi-Akten, mit ihrer Vergangenheit zu konfrontieren. Diese Kontakte ziehen zwar nachvollziehbarerweise eine Wiedererinnerung und damit folgend eine Anpassungsreaktion nach sich, die Klägerin setzt sich diesen aber freiwillig aus und kann sie auch offenbar aushalten, sich dennoch als freundlicher und zugewandter Mensch der Gutachterin und den beiden Sachverständigen präsentieren.
Das Fehlen des D-Kriteriums (Hypersensitivität) ergibt sich letztlich schon aus dem Wahlgutachten von Prof. Dr. Ph ... Dieser hat von den fünf Unterkriterien hierzu bei der Klägerin zwar drei bejaht - nämlich Schlafstörungen, erhöhte Reizbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten -, aber selbst eingeräumt, dass er dies - nur - auf Grund der Exploration, also auf Grund der Angaben der Klägerin tun konnte. Auf Dokumentationsebene seien diese Unterkriterien nicht bzw. nur "teilweise" (so zu den Konzentrationsschwierigkeiten) belegt (S. 33 GA). Wie bereits ausgeführt, reichen aber die eigenanamnestischen Angaben eines Probanden nicht aus, solche medizinischen Umstände festzustellen. Dies gilt insbesondere für Zeiträume in der Vergangenheit, auf die es - wie ausgeführt - im Rahmen der späteren Überprüfung des Ursachenzusammenhangs ankommen kann. Prof. Dr. Sch. hatte in seinem Gutachten sogar nur - auch auf Explorationsebene - Schlafstörungen und - bei seiner Untersuchung - eine leichte Konzentrationsschwäche festgestellt, aber im Gegensatz zu Prof. Dr. Ph. auch keine erhöhte Reizbarkeit. Eine andere Einschätzung insbesondere zur Frage der Reizbarkeit kann auch der Senat nicht gewinnen. Bei der Exploration durch Prof. Dr. Sch. hatte die Klägerin zwar in einem Selbstauskunftsverfahren eine "innere Unruhe" angegeben, die weiteren Testverfahren hatten dazu aber kein "objektivierbares Korrelat" ergeben (S. 55 GA). Auch aus der Vergangenheit hatte die Klägerin eher von "melancholischen" Phasen berichtet (S. 54 GA). Demgegenüber hatte sie bei der - späteren - Untersuchung bei Prof. Dr. Ph. auch von Reizbarkeiten und sogar Wutausbrüchen ab etwa 1993/1994 berichtet, auch aktuell im Kontakt mit ihrem Lebensgefährten (S. 31 f. GA). Diese Angaben einer - dauernden Reizbarkeit - sind aber nicht ausreichend belegt. Auch Prof. Dr. Ph. räumt dies letztlich ein (S. 32 GA), als Dokumentationsstellen führt er lediglich zwei Eigenangaben der Klägerin in den Jahren 2001 und 2012 an. Das Gleiche gilt letztlich für das Unterkriterium einer Konzentrationsschwäche. Die Klägerin hat bei ihrer Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. unter anderem angegeben, sie lese eine bis eineinhalb Stunden täglich, darunter täglich die Tageszeitung, ein wöchentliches Nachrichtenmagazin und gelegentlich Bücher, bis zu zwei Stunden arbeite sie am Computer (S. 41 GA). Diese Beschreibung deutet nicht auf nennenswerte Konzentrationseinbußen hin.
Vor diesem Hintergrund, dass bereits das C- und das D-Kriterium für die Diagnose einer PTBS nicht vorliegen, muss der Senat nicht entscheiden, ob die Unterkriterien des B-Kriteriums (Wiedererinnerung) ausreichend erfüllt sind. Dieses Kriterium hatte - insoweit in Übereinstimmung mit Prof. Dr. Ph. - auch Dr. Sch. angenommen, er hat jedoch dazu ausgeführt, dieses Kriterium sei zum einen erst seit 2008 anzunehmen und auch aktuell "recht dezent" ausgeprägt (S. 62 f. GA).
Als zweite Krankheit in Folge der Schädigung hat die Klägerin eine "Depression" zur Anerkennung beantragt. Dem folgt der Senat ebenfalls nicht. Beide Sachverständigen, also auch der Wahlgutachter Prof. Dr. Ph., haben die bei der Klägerin unstreitig bestehende rezidivierende depressive Episode (F33.x nach der ICD-10, nach Prof. Dr. Sch. zurzeit teilremittiert und daher nach F33.8 zu kodieren) nicht auf die Schädigung zurückgeführt. Auch Prof. Dr. Ph. hat ausgeführt, dass es nach klinischen Maßstäben und Erfahrungen nicht möglich sei, die erstmals 1998 rezidivierend aufgetretenen depressiven Episoden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine 1987 abgeschlossene Einwirkung zurückzuführen. Er hat seine Einschätzung mit dem Hinweis untermauert, dass die späteren depressiven Episoden spontan ohne äußeren Anlass aufgetreten seien (S. 52 GA).
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin zusätzlich die Anerkennung von Schlafstörungen als Schädigungsfolge geltend gemacht. Eine Insomnie ist nur unter besonderen Umständen als eigenständige Krankheit festzustellen, wenn nämlich die Voraussetzungen einer "primären Insomnie" (F53.1 nach der ICD-10) vorliegen. Schlafstörungen sind daneben ein häufiges Symptom anderer Erkrankungen. Sie treten z.B. gerade auch im Rahmen einer PTBS auf, sie bilden dort das Unterkriterium D1 zum Hypersensitivitätskriterium D. Bei der Klägerin lagen zwar Schlafstörungen vor. Diese waren jedoch zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits überwunden und sind auch bis heute nicht wieder aufgetreten. Dies entnimmt der Senat den Angaben von Dr. V. vom 26. November 2009, wonach die früher diagnostizierte primäre Insomnie dank einer guten Compliance habe beseitigt werden können und daher als remittiert gelten könne. Ferner hatte auch zuvor keine eigenständige Schlafkrankheit vorgelegen, sondern diese Beschwerden waren als Symptome weiterreichender psychischer Erkrankungen aufgetreten, etwa den depressiven Episoden. Entsprechend haben auch Prof. Dr. Sch. und Prof. Dr. Ph. keine primäre Insomnie diagnostiziert, auch nicht für vergangene Zeiträume.
Die drei anfangs zusätzlich geltend gemachten Gesundheitsstörungen - Muskelzucken, Asthma und Rückenbeschwerden - hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht weiterverfolgt. Daher ist nur darauf hinzuweisen, dass auch diese Erkrankungen, so sie vorgelegen haben, ebenfalls keine Folge der Schädigung durch die Inhaftierung sind. Ein Muskelzucken hat keiner der beiden Gutachter bei der Klägerin festgestellt. Und hinsichtlich des Asthma und der - orthopädisch, durch das LWS-Syndrom bedingten - Rückenschmerzen haben beide - auch der Wahlgutachter Prof. Dr. Ph. - überzeugend ausgeführt, dass ein Ursachenzusammenhang zu der Inhaftierung nicht besteht. Sowohl Rückenschmerzen als auch das Asthma hatten bei der Klägerin schon vor der Inhaftierung vorgelegen. Dies ergibt sich aus den Angaben der Klägerin und aus den verschlüsselten Diagnosen in dem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung, den die Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegt hatte und die Prof. Dr. Sch. in seinem Gutachten dekodiert und dargestellt hat (S. 1 ff. GA).
Ob die Symptome "Globusgefühl", Magenschmerzen, Thoraxschmerzen und Kopfschmerzen, die zumindest Prof. Dr. Ph. im Rahmen einer Somatisierungsstörung in Remission auf die Schädigung zurückgeführt hat (S. 52 f. GA), wirklich ihre Ursache darin haben, kann offen bleiben. Die Anerkennung solcher Erkrankungen als Schädigungsfolgen hat die Klägerin in ihrem Verurteilungsantrag nicht geltend gemacht.
Wie ausgeführt, war auf die Anschlussberufung des Beklagten hin der erstinstanzliche Gerichtsbescheid aufzuheben.
Dies beruht zum einen auf verfahrensrechtlichen Erwägungen.
Das SG hat zunächst in seinem Gerichtsbescheid keine unzulässige Schädigungsbezeichnung gewählt. Das BSG hat zwar in seinem Urteil vom 9. Mai 2006 (B 2 U 1/05 R; BSGE 96, 196) ausgeführt (Juris, Rz. 22), dass die Feststellung eines Gesundheitsschadens "angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite" aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen soll. Diese Anforderung ist hier aber erfüllt, denn bei der PTBS und der "sonstigen Reaktion auf schwer Belastungen" (allerdings ohne den Zusatz "subsyndromale PTBS") handelt es sich um verschiedene Diagnosen (F43.1 und F43.8 nach der ICD-10).
Es liegt jedoch ein Verstoß gegen § 123 SGG vor; wobei der Senat von einer Zurückverweisung an das SG (vgl. § 159 Abs. 1 SGG) absieht, weil er in der Sache entscheiden kann und weitere Verzögerungen zu vermeiden sind.
Nach dem Grundsatz "ne ultra petita" (vgl. § 123 SGG bzw. § 308 ZPO) darf ein Gericht - unter anderem - nicht etwas anderes zusprechen als beantragt ist (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Kel-ler/Lei¬therer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 123 Rn. 4). Die Klägerin hatte vor dem SG die Anerkennung einer "sonstigen Reaktion" (F43.8 nach ICD-10) als Schädigungsfolge nicht beantragt, sondern ausdrücklich nur die Anerkennung einer PTBS im Vollbild (F43.1). Es mag sein, dass es Fälle gibt, in denen die Feststellung der einen Krankheit als "minus" in einem Antrag auf Feststellung einer anderen Krankheit enthalten ist. Dies kann etwa - auf psychiatrischem Fachgebiet - für die verschiedenen Schweregrade depressiver Episoden (F32.- und F33.- nach ICD-10) gelten, weil hier nach quantitativen Kriterien unterschieden wird. Grundsätzlich dagegen ist eine Krankheit, die eine eigene Codierung nach der ICD-10 oder einem anderen Diagnose- und Klassifizierungssystem hat, etwas anderes als eine andere Krankheit, also ein "aliud". Dies gilt nach Ansicht des Senats auch für die verschiedenen Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43.- nach ICD-10), weil diese Krankheiten qualitativ, nach Symptomen und Auslösern, unterschieden werden.
Zumindest im konkreten Falle durfte das SG jedenfalls nicht davon ausgehen, dass konkludent - auch nur hilfsweise - ein Antrag auf Feststellung einer "sonstigen Reaktion" gestellt war. Der Klägerin ging es während des gesamten Verfahrens ausdrücklich und ausschließlich um die Anerkennung einer PTBS, keiner anderen Krankheit aus der Gruppe der Erkrankungen bei F43.- nach ICD-10. Dies hatte sie auch noch einmal in dem Schriftsatz vom 30. Mai 2014 deutlich gemacht, indem sie dem Vorschlag von Prof. Dr. Sch. zur Anerkennung einer sonstigen Reaktion dezidiert entgegengetreten war.
Dieser Verstoß gegen § 123 SGG ist nicht geheilt.
Zwar wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der gleichlautenden Vorschrift in § 308 ZPO ein Verstoß gegen den Grundsatz "ne ultra petita" geheilt, wenn der Beklagte die zusprechende Entscheidung mit der Berufung (oder Anschlussberufung) anficht und der Kläger daraufhin Zurückweisung dieser Berufung beantragt. In diesem Falle wird davon ausgegangen, dass sich der Kläger die Antragsüberschreitung des erstinstanzlichen Urteils zu Eigen macht und - nachträglich - einen entsprechenden Verurteilungsantrag stellt, ggfs. nur hilfsweise zu seinem weiter aufrecht erhaltenen Hauptantrag (vgl. nur BGH, Urteile vom 24. Juni 1981 - IVb ZR 513/80 - Juris Rz. 9 und vom 6.10.1998 - XI ZR 313/97 - NJW 1999, 61, 62; vgl. bereits Reichsgericht [RG], Urteil vom 26. Januar 1938 - VI 220/37 - RGZ 157, 23, 24).
Jedoch hat das BSG in seinem Urteil vom 23. April 2015 (B 5 RE 23/14 R –, BSGE (vorgesehen) SozR 4-2600 § 2 Nr. 20) die Übernahme dieser Rechtsprechung für das sozialgerichtliche Verfahren abgelehnt; im Gegensatz zur sozialgerichtlichen Literatur (vgl. nur Keller, a.a.O., § 123 Rz. 6). Das BSG hat dort ausgeführt (a.a.O., juris Rz. 12), "hierin" (also in einem Berufungszurückweisungsantrag des Klägers) finde "entgegen dem äußeren Anschein kein eigenständiges Berufungsbegehren Ausdruck". Es ist allerdings unklar, ob das BSG mit diesem Urteil generell von der Rechtsprechung des BGH (und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes) abweichen wollte (in diesem Falle hätte es nach § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl I S. 661), zuletzt geändert durch Artikel 144 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anrufen müssen, was nicht geschehen ist), oder ob jene Entscheidung dem dortigen Einzelfall geschuldet war. In diese Richtung deuten die weiteren Ausführungen des BSG, wonach in dem dortigen "Zu-Eigen-Machen" des erstinstanzlichen Urteils eine echte Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG lag, für die dann - jedenfalls nach Ansicht des BSG - dem Berufungsgericht nach § 29 SGG die instanzielle Zuständigkeit fehlte (anders zu dieser Rechtsfrage LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. September 2015 – L 3 U 209/12 –, juris Rz. 28) und für die außerdem weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen fehlten, weil der neue Streitgegenstand nicht Gegenstand des Verwaltungs- und des Widerspruchsverfahrens gewesen war.
Der erkennende Senat lässt offen, ob die Rechtsprechung des BGH, wonach ein Kläger ein obsiegendes Urteil aus der ersten Instanz, das er gar nicht beantragt hatte, durch den bloßen Antrag auf Zurückweisung der dagegen erhobenen Beklagtenberufung retten kann oder nicht. Zumindest in diesem konkreten Fall liegen auch die Voraussetzungen nicht vor, die der BGH für seine diesbezügliche Rechtsprechung zu § 308 ZPO aufgestellt hat.
Zum einen hat die Klägerin - ganz formal betrachtet - in der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2016 keinen Antrag gestellt, die dort zu Protokoll des Senats erhobene Anschlussberufung zurückzuweisen.
Und zum anderen hat sie - wie schon vor dem SG - durch ihre inhaltlichen Ausführungen im Berufungsverfahren und auch durch ihren Verurteilungsantrag im Rahmen ihrer Berufung deutlich gemacht, dass sie weiterhin nur an der Anerkennung einer PTBS und nicht stattdessen an einer Erkrankung nach F43.8 nach ICD-10 interessiert war. In einem solchen Fall wäre es mit den Grundsätzen der Parteimaxime nicht vereinbar, einem Kläger zu unterstellen, er wolle sich doch die zusprechende, aber nicht beantragte erstinstanzliche Entscheidung zu Eigen machen.
Selbstständig tragend stützt sich der Senat daneben aber auch darauf, dass bei der Klägerin auch keine Gesundheitsschädigung nach F43.8 nach ICD-10 als Folge der Inhaftierung vorliegt.
Es ist zwar davon auszugehen, dass die Klägerin in der Zeit nach der Inhaftierung mehrfach an Anpassungsstörungen litt. Die erste bestand, wie bereits ausgeführt, in der Zeit unmittelbar nach der Inhaftierung bis zur Einreise in die damaligen Bundesrepublik und der Zuweisung nach Baden-Württemberg. Diese Anpassungsstörung war jedoch alsbald ausgeheilt. Weitere Anpassungsreaktionen entstanden im zeitlichen Umfeld zur Einsicht in die Stasi-Akten und der Scheidung von ihrem Ehemann Mitte der 1990-er Jahre, eventuell nach dem Arbeitsunfall 2003 und vor allem auch nach dem (erstmaligen) Urlaubsbesuch in den neuen Ländern im Jahre 2008. Abgesehen davon, dass sich auch diese Anpassungsstörungen alsbald wieder zurückgebildet hatten, beruhen sie nicht mehr - auch nicht im Sinne einer hinreichend wahrscheinlichen wesentlichen (Mit)verursachung - auf dem schädigenden Ereignis.
Bei dieser Bewertung stützt sich der Senat im Wesentlichen auf die überzeugenden Ausführungen und Schlussfolgerungen von Frau O.-P ... Diese Gutachterin hat die Anpassungsreaktion, welche die Klägerin nach dem Besuch in den neuen Ländern 2008 erlitten hatte, als rückläufig bezeichnet (S. 29 GA) und konnte sich dabei auf die Angaben des Behandlers Dr. V. stützen, der in seinem Bericht vom 9. März 2009 angegeben hatte, nach der verhaltenstherapeutischen Behandlung seien die depressiven Symptome "weitgehend remittiert". Von den vorbestehenden Symptomen hatte Frau O.-P. nur die Schlafstörung, die Anlass der psychischen Behandlungen gewesen war, auf die Inhaftierung in der DDR zurückgeführt, und dies auch nur teilweise und nur möglicherweise (S. 28 GA f.). Diese Schlafstörung lag aber, wie ausgeführt, ab 2008 oder 2009 nicht mehr vor.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat auch nicht den Kausalitätserwägungen von Prof. Dr. Sch. aus dem Gutachten vom 28. April 2014 beitreten. Der Gutachter hat selbst ausgeführt, dass jene Symptome, die er seiner Diagnose zu Grunde gelegt hat, erst nach einer "Phase von mehreren Jahren ohne psychiatrisch relevante Diagnosen" (S. 65 GA), nämlich erstmals ab 2008 (S. 70 GA), aufgetreten sind. Dem Gutachter kann zwar darin beigetreten werden, dass die Inhaftierung im rein naturwissenschaftlichen Sinne eine Mitursache für diese ab 2008 aufgetretene Symptomatik war (S. 70 GA). Der Senat folgt ihm jedoch nicht in der rechtlich geprägten Einschätzung, dass das schädigende Ereignis wesentlich zu dieser Erkrankung beigetragen hat. Die akuten Auslöser im Jahre 2008, vor allem der Aufenthalt in den neuen Ländern, standen deutlich im Vordergrund. Dass - wie Prof. Dr. Sch. ausführt - ein "spezifisches inneres Verhältnis" zwischen der Schädigung durch die Inhaftierung und den weiteren Ursachen für das Entstehen der Erkrankung im Jahre 2008 besteht, führt nicht zur Annahme eines wesentlichen Ursachenbeitrags. Es trifft zwar zu, dass ein Besuch in den neuen Ländern bei einem Menschen, der nicht früher in der DDR inhaftiert gewesen war, nicht jene Reaktion hätte verursachen können, die bei der Klägerin aufgetreten ist. Gleichwohl ist der Senat im Rahmen der wertenden Abwägung, der bei unterschiedlichen Ursachenbeiträgen vonnöten ist, zu der Ansicht gelangt, dass - auch angesichts des langen zeitlichen Abstands zwischen dem Ende der Inhaftierung und dem Besuch in den neuen Ländern - der Ursachenbeitrag der Inhaftierung untergeordnet war. Dies reicht für die Bejahung eines Zusammenhangs nicht aus. Das BSG hat jüngst erneut betont, dass gerade im Recht der "SED-Unrechtsbereinigung" (Rehabilitierung) die Verfolgungsmaßnahme versorgungsrechtlich nur dann im Rechtssinn wesentlich und die Schädigungsfolge der Verfolgungsmaßnahme zuzurechnen ist, wenn die Verfolgungsmaßnahme verglichen mit den übrigen Umständen in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs mindestens annähernd gleichwertig ist (Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, SozR 4-7945 § 3 Nr. 1, zit. nach juris; BSG, Urteil vom 20. Juli 2005, B 9a V 1/05 R, zit. nach juris).
Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf eine Beschädigtenversorgung zu.
Dies beruht zum Einen darauf, dass - wie ausgeführt - keine Gesundheitsbeeinträchtigung vorliegt, die als Folge des schädigenden Ereignisses anzuerkennen wäre.
Unabhängig davon weist der Senat auch darauf hin, dass bei der Klägerin auch keine Funktionseinbußen vorliegen, die einen rentenberechtigenden GdS von 30 bzw. 25 begründen könnten.
Der Senat orientiert sich bei der Prüfung des GdS an den Versorgungsmedizinische Grundsätzen (VG) in der Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV), die seit dem 1. Januar 2009 an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) angewandten AHP getreten sind (Urteil des Senats vom 27. August 2015 – L 6 VG 2141/13 –, Rz. 48, juris).
Nach Nr. 3.7 VG ist für Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen im Falle leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen der GdS 0 bis 20. Bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) 30 bis 40. Bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 50 bis 70, mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80-100. Hierbei sind auch die Vorschläge des Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 6./7. November 2008 zu berücksichtigen, wonach ein GdS von wenigstens 30 gerechtfertigt ist, wenn alle Kriterien der PTBS erfüllt sind (S. 3 oben des Beschlusses). Es ist aber darauf hinzuweisen, dass maßgeblich für die Bewertung des GdS die Vorgaben der VG sind, denen Rechtsnormqualität zukommt und die Einschätzung des Beirats nur einen Vorschlag darstellt. Dass eine solche ärztliche Einschätzung nicht zwingend ist, zeigt sich z.B. darin, dass im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), die aus einer PTBS folgt, bei einer im Vollbild ausgeprägten Erkrankung lediglich "bis zu 30" beträgt und nur besonders schwere Formen höher bewertet werden können (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 157; vgl. hierzu auch Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen – AWMF - Stand: 31. März 2012, gültig bis 31. März 2017, S. 82).
Bei der Klägerin ist kein höherer GdS als 20 auf Grund der anerkannten subsyndromalen PTBS festzustellen. Dies gilt selbst nach den genannten Vorschlägen des Beirats, weil eine PTBS im Vollbild nicht besteht. Und auch bei direkter Anwendung der VG zeigt sich, dass jene Funktionseinbußen, die bei der Klägerin aus der schädigungsbedingten Erkrankung folgen - unter Außerachtlassung der Beeinträchtigungen auf Grund der nicht schädigungsbedingten depressiven Erkrankung - noch nicht zu einer "wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit" geführt haben. Hierbei ist auch relevant, dass die Klägerin nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik außerordentlich schnell beruflich Fuß gefasst hat und erfolgreich war, bevor sie auf Grund der Folgen ihres Arbeitsunfalls im Oktober 2003 ihre frühere Stellung verloren hat und seitdem nur mit Unterbrechungen und nur in geringfügigen oder untervollschichtigen Tätigkeiten beschäftigt war. Sie hat es auch geschafft, sich aus einer sie belastenden Ehe zu lösen und eine neue Partnerschaft einzugehen, die nach ihren Angaben bei der Begutachtung bei Prof. Dr. Sch. nach wie vor besteht (S. 41 GA).
Gegen eine nennenswerte Einschränkung spricht, dass die Klägerin sich allen Sachverständigen gegenüber als allseits orientiert und freundlich-zugewandt/aufgeschlossen bei ausgeglichener emotionaler Schwingungsfähigkeit gezeigt hat, nur ein themenspezifischer bedrückter Affekt imponierte, so dass der Ausschluss einer eigentlichen Depressivität für den Senat gut nachvollziehbar war. Eine Traumatherapie hat sie nie durchgeführt, die kurzzeitige Psychotherapie war allein durch die Insomnie veranlasst, worauf die Gutachterin O.-P. zurecht hingewiesen hat.
Auch das Bild, dass die Klägerin nach ihren Angaben bei den beiden Gerichtssachverständigen von sich gezeichnet hat, zeigt einen strukturierten Tagesablauf und eine fortbestehende soziale Einbindung, belegt somit keine nennenswerte Einschränkung. Bis vor einiger Zeit war die Klägerin für mehrere Stunden täglich, über der zeitlichen Inanspruchnahme durch eine Halbtagstätigkeit, als Begleitperson für körperlich behinderte Kinder berufstätig bzw. ehrenamtlich tätig. In der Zeit zwischen den beiden Arbeitsschichten morgens und nachmittags erledigte sie ihren Haushalt. Nachmittags kocht sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten. Sie ist in Vereine eingebunden. Abends geht sie insgesamt dreimal wöchentlich zum Sport, darunter einmal zum Schwimmen (S. 41 GA). Ferner liest die Klägerin, wie ausgeführt, eine bis eineinhalb Stunden am Tag und arbeitet am Computer. Daneben treibt sie regelmäßig Sport. Die Einschränkungen, die sie im Bereich der Mobilität geschildert hat - eine Gehfähigkeit von 400 m bis zu zwei oder drei Stunden, Fahrradfahren bis zu 10 oder 12 km - sind geringfügig, beruhen auch auf den somatischen Beeinträchtigungen und nicht auf der anerkannten Schädigungsfolge. Dass die Klägerin nach ihren Angaben weniger ausgeht als früher (S. 42 GA), liegt in der schlechten gesundheitlichen Verfassung des Lebensgefährten begründet. Letztlich bestehen ausreichende soziale Kontakte, nicht nur zu dem Freund, sondern neben der Familie auch zu einer Freundin in Mannheim und in der Interessengruppe der ehemaligen DDR-Gefangenen. Hiernach stellen die Einbußen der Klägerin in der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft noch eine "leichtere Störung" im Sinne von Teil B Nr. 3.7 VG dar.
Vor diesem Hintergrund folgt der Senat den Vorschlägen von Prof. Dr. Sch. und der Gutachterin O.-P., die einen GdS unter 20 gesehen haben. Nicht überzeugend war dagegen der Vorschlag von Prof. Dr. Ph., der ab Haftentlassung bis Juni 2008 einen GdS von 30 und seitdem einen solchen von 40 vorgeschlagen hat. Prof. Dr. Ph. hat stark auf den - medizinischen - Schweregrad (Ausprägungsgrad) der PTBS bzw. ihrer Symptome abgestellt, auf den es aber - wie ausgeführt - nach den VG vorrangig nicht ankommt. Auf die hiernach maßgeblichen Funktionseinbußen der Klägerin ist Prof. Dr. Ph. nicht tiefer eingegangen. Er hat insoweit nur abstrakt "körperliche Schmerzen, Beeinträchtigung von Aktivität und Teilhabe, "Leidensdruck" genannt (S. 58 GA), aber dies nicht an einzelne, konkreten Einbußen im Alltag der Klägerin auf physischer, psychischer und vor allem sozialer Leidensebene festgemacht. Insoweit finden sich in seinem Gutachten nur Abgrenzungen zu den Vorschlägen der Gutachterin O.-P. und Prof. Dr. Sch., aber keine eigene Würdigung.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten (Anschlussberufung) betreffen ein Verfahren über die Feststellung bestimmter Schädigungsfolgen und über die Gewährung einer Beschädigtenrente wegen einer Inhaftierung in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR).
Die Klägerin ist im Jahre 1953 in der ehemaligen DDR im Bezirk K.-M.-Stadt (Chemnitz) geboren und dort aufgewachsen. Sie heiratete 1972 und gebar 1974 einen Sohn. Sie war bis 1987 als Fachverkäuferin in der Metzgerei ihres Ehemannes berufstätig. Am 9. Februar 1987 wurden sie und ihr Ehemann verhaftet. Am 1. Juli 1987 verurteilte das Bezirksgericht K.-M.-Stadt Mitte-Nord die Klägerin zu 1 Jahr und 8 Monaten und den Ehemann zu 2 Jahren und 10 Monaten Freiheitsentzug sowie Geldstrafen (37 S 239/87 B). Der Verurteilung lagen gemeinschaftliche Verstöße gegen das Devisen- und das Zollgesetz der DDR zu Grunde, bei dem Ehemann der Klägerin zusätzlich die Vorbereitung eines ungesetzlichen Grenzübertritts. Die Eheleute waren vom 9. Februar bis zum 12. November 1987 in der Untersuchungshaftanstalt (UHA) K.-M.-Stadt des Ministeriums für Staatssicherheit und in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hohenleuben inhaftiert. Die Klägerin musste nach ihren späteren Angaben während der Haftzeit stundenlange Verhöre und körperliche Untersuchungen erdulden, sie wusste nichts über den Verbleib ihres Sohnes, hatte keinen Kontakt zu ihren Angehörigen, auch die Ernährung war mangelhaft und die Nachtruhe gestört. Eine Gefängnisrevolte von kriminellen Häftlingen, an der sie nicht beteiligt war, wurde mit Knüppeln und angelegten Maschinenpistolen unterdrückt (Anamnese Prof. Dr. Sch. und Prof. Dr. Ph.). Nach ihren vorzeitigen Entlassungen am 12. November 1987 reisten die Eheleute zusammen mit ihrem Sohn ein halbes Jahr später am 25. Mai 1988 aus der DDR kommend in das damalige Bundesgebiet ein. Die Familie wurde dem Land Baden-Würt¬temberg zugewiesen. Mit Verfügung vom 9. August 1988 erklärte die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe (RAH 16/88) die (weitere) Vollstreckung aus dem Urteil des Kreisgerichts K.-M.-Stadt Mitte-Nord für unzulässig
Erstmals am 8. Juli 1988 und erneut am 13. November 1988 beantragte die Klägerin bei dem früheren Versorgungsamt Heidelberg, mögliche Gesundheitsschäden wegen der Inhaftierung nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) anzuerkennen und eine Badekur zu gewähren. Sie gab an, sie leide an einer ständigen Infektion der Atemwege und der Speiseröhre, an Depressionen und an Angstzuständen. Sie legte Kopien ihrer "Ausweise für Arbeit und Sozialversicherung" vor, aus denen sich ihre Beschäftigungen und die ärztlichen Behandlungen von 1967 bis Januar 1987 ergaben. Mit Verfügung vom 2. Mai 1990 lehnte das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises die Erteilung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG ab. Die Inhaftierung in der DDR habe nicht auf politischer Verfolgung beruht. Die Klägerin sei nicht wegen ungesetzlichen Grenzübertritts verurteilt worden. Die Einhaltung der devisen- und zollrechtlichen Bestimmungen der DDR sei zumutbar gewesen, da solche Regelungen auch in freien Ländern wie der Bundesrepublik üblich seien Auf Grund dieser Verfügung lehnte das Versorgungsamt Heidelberg mit Bescheid vom 23. April 1992 die Anträge der Klägerin wegen der Schädigungsfolgen und der Badekur ab.
Die Klägerin hatte sechs Wochen nach ihrer Übersiedlung, im Juli 1988, ein Beschäftigungsverhältnis als Metzgereiverkäuferin aufgenommen. Im Jahre 1992 trennte sie sich von ihrem Ehemann, 1995 erfolgte die Scheidung und 1998 die Namensänderung in den Geburtsnamen. Seit 1994 hat die Klägerin einen neuen Lebenspartner, einen 15 Jahre älteren Ingenieur, mit dem sie nach eigenen Angaben noch einmal durchgestartet ist, auch ihr Selbstbewusstsein sei gestärkt worden (Anamnese Prof. Dr. Sch.).
In dieser Zeit, am 1. Juli 1993, beantragte der Ehemann für sich und die Klägerin Versorgungsleistungen nach dem am 4. November 1992 in Kraft getretenen Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (StrRehaG). Er legte den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 18. Februar 1993 aus dem Rehabilitierungsverfahren (BSRH 355/90) vor. Damit war das Urteil des Kreisgerichts K.-M.-Stadt Mitte-Nord vom 1. Juli 1987 aufgehoben und festgestellt worden, dass das damalige Verfahren rechtsstaatswidrig sowie die Klägerin und ihr Ehemann vom 9. Februar bis zum 12. November 1987 zu Unrecht in Haft gehalten worden waren. Ferner ging am 9. Juli 1993 ein Formantrag nach dem HHG bei dem Beklagten ein, der die Unterschrift der Klägerin trug und in dem eine Infektion im Rachenbereich genannt war. Auf eine spätere Nachfrage hin teilte die Klägerin mit, den genannten Antrag habe ihr Ehemann gestellt, der inzwischen von ihr getrennt lebe. Der Beklagte stellte auf Grund der vorliegenden medizinischen Unterlagen fest, dass die Klägerin bereits vor 1987 in einer Klinik für Lungenkrankheiten behandelt worden war und dass bereits bei Aufnahme in die UHA K.-M.-Stadt am 12. Februar 1987 Asthma und Heuschnupfen festgestellt worden waren. Daraufhin wurde der Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 22. Mai 1995 abgelehnt.
Beruflich wurde die Klägerin im Jahre 1998 Abteilungsleiterin und im Jahre 2001 Filialleiterin in einer Konfiserie. Am 31. Oktober 2003 erlitt sie einen Arbeitsunfall, indem sie über einen Hocker stolperte, auf den Kopf fiel und kurzzeitig bewusstlos war. Es kam zu einer Kopfplatzwunde mit Commotio cerebri, einer Prellung beider Hände und einem passageren Hämatom im Bereich der Halswirbelsäule (Gutachten Prof. Dr. H., Orthopädie der Uniklinik Heidelberg vom 7. Juni 2004). Die Klägerin erhielt deswegen vom Unfallversicherungsträger eine befristete Rente bis 30. Juni 2004 (Bescheid vom 24. Februar 2005). Von 2007 bis 2009, ihrer Berentung wegen Erwerbsminderung, war die Klägerin halbtags als Kundenbetreuerin und Bürokraft beschäftigt. Seit November 2010 war sie ehrenamtliche Begleitperson für behinderte Kinder in einem zeitlichen Umfang vom 20 bis 30 Stunden wöchentlich, wobei ihre Tätigkeit in der morgendlichen und nachmittäglichen Begleitung bzw. Abholung von bzw. zur Schule bestand. Daneben führt die Klägerin ihren Haushalt, zweimal wöchentlich trainiert sie Chi Gong und Thai Chi über den örtlichen Sportverein. Der enge Kontakt zu ihrem Sohn und insbesondere auch zu ihrer Enkeltochter ist herzlich und liebevoll, gemeinsame Urlaube werden mit ihm und dem Lebenspartner durchgeführt. Fast wöchentlich hat sie per Telefon, E-Mail oder SMS Kontakt mit vier ehemaligen Mithäftlingen, mit denen sie sich auch einmal im Jahr trifft, die ihr auch über die Möglichkeiten des Antrags berichtet haben (Anamnese Gutachten Dr. O.-P.). Die Klägerin beschreibt sich so, dass sie keine Angst vor intensiven zwischenmenschlichen Kontakten hat, Lebensgefühl und Selbstwertgefühl sind in der zweiten Partnerschaft ganz anders geworden, sie lacht für ihr Leben gern, war in beruflicher Hinsicht eine gute Verkäuferin, die bei Chefs und Kunden gut ankam, regelrecht gewinnend im Kontakt (Anamnese Gutachten Prof. Dr. Sch.).
Am 12. November 2008 beantragte die Klägerin erneut "Versorgungsleistungen". Sie leide auf Grund der Haft an Depressionen, Schlaflosigkeit, Muskelzucken am ganzen Körper und an einer Verschlimmerung des vorbestehenden Asthmas. Sie habe während der Haft Demütigungen durch Körpervisitationen, die öffentliche Handhabung als Nummer statt als Person, ständigen Hunger, Schlafentzug, Sonderarbeiten von morgens bis Mitternacht als Schikanen für Verhaltensunwilligkeit, Arrest in einem Käfig ohne Sitzgelegenheit über mehrere Stunden, Todesangst während einer Revolte wegen Essensmangels, Unkenntnis über das Schicksal des damals 13-jährigen Sohns, unberechtigte Beschuldigungen gegen den Sohn, Verhöre, Androhungen von Strafen, Täuschungen und Erpressungen zur Gewinnung von Geständnissen und die erfahrene Wehrlosigkeit erlitten. Sie teilte mit, sie sei bereits seit 2000 wegen Depressionen und seit 2008 wegen Schlaflosigkeit in ärztlicher Behandlung.
Der Beklagte befragte die medizinischen Behandler der Klägerin. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. C. berichtete am 27. Februar 2009 von Schlafstörungen, Depressionen, einer Spinalkanalstenose und vermehrtem Muskelzucken. Die Klägerin habe häufig Phasen von Niedergeschlagenheit, besonders bei dem Thema "Staatssicherheit". Eine medikamentöse Behandlung der Depression sei wegen des Muskelzuckens beendet worden. Dipl.-Psych. Dr. V. gab am 9. März 2009 an, die Klägerin leide an einer primären Insomnie (Schlafstörungen), einer zur Zeit allerdings weitgehend remittierten rezidivierenden depressiven Störung und an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Letztere beruhe auf der Inhaftierung in der DDR. Aus dem beigefügten Bericht von Dr. W., Universitätsklinikums Mannheim, vom 30. September 2004 ergab sich ferner, dass die Klägerin im Oktober 2003 einen Arbeitsunfall erlitten hatte, bei dem sie auf Kopf und Halswirbelsäule gestürzt und kurzzeitig bewusstlos war. Die Schmerzen hätten sich danach vollständig zurückgebildet, jedoch bestehe nunmehr ein generalisiertes Schwächegefühl in den vier Extremitäten. Ferner gelangte der Bericht des Schlaflabors im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit der Universität Heidelberg, Prof. Dr. D., zur Akte, nach dem keine organische Ursache der Schlafstörungen habe gefunden werden können und in dem - nach Aktenlage erstmals - der Verdacht auf eine PTBS geäußert wurde. Die Klägerin teilte auf Nachfrage noch mit, sie sei vor 1988 und von 1990 bis 1999 nicht wegen psychischer Beeinträchtigungen in Behandlung gewesen.
Im Auftrag des Beklagten erstattete die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O.-P. das Gutachten vom 16. Juli 2009.
Gegenüber dieser Gutachterin gab die Klägerin nach einer Schilderung der Haftbedingungen und ihrer großen Angst während der Inhaftierung an, nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik sei ein unangenehmes Gefühl der Ohnmacht zurückgeblieben. Sie sei immer wieder mit diesen Gefühlen konfrontiert worden. 1993 habe sie sich von ihrem Ehemann getrennt, die Ehe sei eigentlich schon in der DDR zerrüttet gewesen. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens habe sie ihre "Stasi-Akte" angefordert und erfahren müssen, dass ihr Ehemann während der Inhaftierung illoyal gewesen sei und ihr Dinge in die Schuhe geschoben habe, die sie nicht begangen habe. Die neue Partnerschaft, die ein halbes Jahr nach der Trennung von dem Ehemann begonnen habe, bestehe weiterhin. Nach der Scheidung habe sich auch beruflich weiterentwickelt, sei von der Verkäuferin zur Abteilungs- und, nachdem sie wegen einer Bandscheibenoperation 2001 nicht mehr in der Metzgerei habe arbeiten können, zur Filialleiterin in einer Konfiserie aufgestiegen. Nach dem Arbeitsunfall im Oktober 2003 und mehreren gescheiterten Arbeitsversuchen habe sie ihren Arbeitsplatz verloren und allenfalls geringfügig gearbeitet. Seit Oktober 2007 sei sie halbtags in einem Büro tätig. Nach dem Unfall hätten sich die Schlafstörungen und eine Existenzangst entwickelt. Jüngst - im Sommer 2008 - sei sie in den neuen Bundesländern (Rheinsberg) in Urlaub gewesen. Das sei eine Katastrophe gewesen. Es seien viele Bilder wieder hochgekommen. Bislang habe sie gedacht, das sei alles völlig unbelastet. Daraufhin habe sie den Versorgungsantrag gestellt (S. 5 ff. GA).
Die Gutachterin O.-P. führte im Anschluss an diese Anamnese aus, die Klägerin leide an einer hochgradigen Spinalkanalstenose mit Hinweisen auf eine Myelopathie im Segment C4/5 bei Gangataxie, einer Insomnie sowie einer Anpassungsreaktion, wobei Depressivität und Angstsymptomatik mittlerweile wieder rückläufig seien. Eine posttraumatische Belastungsstörung - PTBS - liege nicht vor. Die nach dieser Diagnose zu fordernden Symptome seien nicht innerhalb der zu fordernden Latenzzeit von wenigen Wochen bis Monaten dokumentiert und lägen auch jetzt nicht vor (S. 27 GA). Die Klägerin werde nicht antidepressiv behandelt, das therapeutische Vorgehen betreffe im Wesentlichen die Insomnie. Nur ein Anteil dieser Insomnie sei möglicherweise bzw. wahrscheinlich auf die Hafterfahrungen zurückzuführen, da gesundheitliche Störungen auf Grund der Scheidung, der Einsicht in die Akten der Staatssicherheit (bei der die Klägerin von einem illoyalen Verhalten ihres Ehemannes während der Haft erfahren habe) und auf Grund des Unfalls 2004 (2003) hinzugetreten seien (S. 30 GA). Auch die Anpassungsstörung beruhe wahrscheinlich auf dem schädigenden Ereignis. Dabei sei eine kurz zurückliegende Reise (November 2008) nach Sachsen mit erneuter Konfrontation mit Wahrscheinlichkeit Mitursache (S. 28 ff. GA). Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) betrage 10 (S. 31 GA).
Der Schlussfolgerung von Frau O.-P., die Insomnie als Folge der Inhaftierung anzuerkennen, schloss sich zwar der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten an (Stellungnahme von Versorgungsärztin L. vom 8. Januar 2010 ), nicht jedoch der Beklagte selbst (Aktenvermerk vom 29. März 2010). Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. April 2010 den Antrag der Klägerin "auf Gewährung von Beschädigtenversorgung" ab. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen den vorgebrachten Gesundheitsstörungen und der Inhaftierung. Insbesondere sei der schädigungsbedingte Anteil der Insomnie nicht als wesentlich anzusehen.
Im Widerspruchsverfahren verwies die Klägerin unter anderem auf den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad Frankenhausen vom 29. März 2010 über eine stationäre Therapie vom 6. Januar bis zum 10. Februar 2010, in dem unter anderem eine PTBS als (gesicherte) Diagnose angegeben war. Sie fügte den Bericht von Dr. V. vom 26. November 2009 bei, wonach die Insomnie dank einer guten Compliance habe beseitigt werden können und daher als remittiert gelten könne, dass aber die PTBS fortbestehe, wenngleich die psycho-bio-soziale Gesundheit zurzeit nur geringfügig erschüttert zu sein scheine. Ferner legte sie allgemeine wissenschaftliche Abhandlungen zu gesundheitlichen Schäden als Folge von Inhaftierungen in der DDR vor. Nach Auswertung aller Unterlagen kam der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten zu dem Schluss, eine PTBS liege nicht vor und die - wahrscheinlich - durch die Inhaftierung mit verursachte Insomnie sei geheilt (Stellungnahme von Dr. K.-D. vom 12./25. Oktober 2010). Daraufhin erließ der Beklagte den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2010.
Am 28. Dezember 2010 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, Frau O.-P. genüge nicht dem zu fordernden Qualitätsstandard. Sie verfüge weder über eine besondere Schulung noch besondere Fachkenntnisse auf dem Gebiet "Traumafolgestörungen nach politischer Verfolgung". Das Verfahren ist zunächst unter dem Aktenzeichen S 3 VH 4632/10 geführt worden. Im Hinblick auf ein von der Klägerin angestrengtes Petitionsverfahren vor dem baden-württembergischen Landtag (14/5210) hat das SG sodann das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Nachdem der Petitionsausschuss des Landtags am 8. Juni 2011 beschlossen hat, der Petition nicht abzuhelfen und die Klägerin auf den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens zu verweisen (vgl. LT-Drs. 15/51, S. 18 f. ), hat die Klägerin das ruhende Verfahren bei dem SG am 6. Februar 2012 wieder angerufen. Sie hat nunmehr auf die Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 5. Juni 1997 (VI 1 - 51027, bezogen auf den Entschließungsbeschluss des Deutschen Bundestags vom 14. Mai 1997 zu einem sensiblen Umgang mit den Opfern von Inhaftierungen in der DDR) und vom 9. Mai 2006 (47035/03, bezogen auf das Urteil des BSG vom 12. Juni 2003, B 9 VG 1/02 R) hingewiesen. Ferner hat sie sich auf die Beschlüsse des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin beim BMAS vom 12./13. November 1997 und vom 6./.7. November 2008 (65-50122-2/38) über die Voraussetzungen der Anerkennung einer PTBS sowie auf mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen zu den Folgen von Inhaftierungen in der DDR berufen.
Nach einem Schriftwechsel über die Person des Gerichtssachverständigen und einem letztlich erteilten Einverständnis der Klägerin hat das SG den Chefarzt der Abteilung Allgemeine Psychiatrie am Zentrum für Psychiatrie Nordbaden, Prof. Dr. Sch., mit einer Begutachtung der Klägerin beauftragt.
Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 28. April 2014 seinen Diagnosen die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, Deutsche Fassung 2014 (ICD-10 GM 2014), herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zu Grunde gelegt und daneben Ausführungen zu den Anforderungen des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Auflage, (DSM IV) der American Psychiatric association (APA) gemacht. In diesem Rahmen hat er bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig teilremittiert (F33.8 nach der ICD-10), einen Zustand nach (Z.n.) Anpassungsstörungen mit somatoform-dissoziativen Reaktionsmustern (F43.23Z) sowie eine sonstige Reaktion auf eine schwere Belastung im Sinne einer "subsyndromalen posttraumatischen Belastungsstörung" (F43.8) festgestellt. Die depressive Störung bedinge Ein- und Durchschlafstörungen, eine Alibidinie (Libidoverlust), eine leicht geminderte Konzentration sowie eine etwas erhöhte kognitive Erschöpfbarkeit. Die subsyndromale PTBS führe zu belastenden Wiedererinnerungen und Albträumen in niedriger Frequenz sowie zu einem gewissen Vermeidungsverhalten. Zum jetzigen Zeitpunkt sei keine akute Anpassungsstörung festzustellen. Zur Diagnostik hat Prof. Dr. Sch. ausgeführt, das Vollbild einer PTBS sei nicht festzustellen. Von den dafür notwendigen Kriterien seien erfüllt: ein adäquates Trauma (A-Kriterium), zumindest seit Juni 2008 das B-Kriterium (Wiedererinnerungen) sowie - wenngleich recht dezent ausgeprägt - das C-Kriterium (Vermeidungsverhalten). Das D-Kriterium (Hypersensitivität) sei dagegen nach klinischer Einschätzung bei differenzialdiagnostischer Beachtung der weiteren, nicht schädigungsbedingten psychischen Erkrankungen, nicht erfüllt. Ebenso fehle es an dem E- bzw. Zeit-Kriterium. Die maßgeblichen Symptome seien nicht binnen sechs Monaten nach dem Trauma aufgetreten. Zwar sei auch die Diagnose einer PTBS "mit verzögertem Beginn" bekannt. Bei der Klägerin imponiere aber eine Phase von mehreren Jahren ohne psychiatrisch relevante Diagnose. Auch sei auch jetzt das Vollbild einer PTBS nicht erfüllt. Dies ergebe sich auch aus den Ergebnissen mehrerer Testungen (Impact-of-Event-Scale, posttraumatische Stress-Skala).
Zum Ursachenzusammenhang hat Prof. Dr. Sch. ausgeführt, die Inhaftierung sei mit Wahrscheinlichkeit wesentliche Mitursache für die subsyndromale PTBS. Seine Einschätzung, die depressive Störung und die Anpassungsstörungen seien nicht schädigungsbedingt, hat er auf Angaben der Klägerin sowie auf die Kodierungen bei den Behandlungen im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung der Klägerin entnommen, aus denen sich eine "körperlicher Störung, vermutlich psychogen" im November 1972 sowie eine psychosomatische Behandlung in einer Klinik im Frühjahr 1986 ergeben hätten. Eine Ursache für jene Behandlung, aber auch für psychische Beeinträchtigungen der Klägerin nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik sei in der permanenten Herabwürdigung durch den Ehemann bis zur Trennung im Januar 1993 zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt seien sich nicht nur die psychischen Beeinträchtigungen abrupt remittiert, sondern auch die lange vorbestehenden körperlichen Leiden Asthma, Neurodermitis und belastungsabhängige Rückenschmerzen. Ähnliche Beschwerden auch psychischer Art seien dann erst wieder nach dem Arbeitsunfall im Oktober 2003 aufgetreten. Dass die durch die Inhaftierung ausgelöste Anpassungsstörung in einem relevanten Zeitraum über die Haft fortbestanden habe, dafür bestehe kein Anhalt.
Den GdS hat Prof. Dr. Sch. mit 10 vorgeschlagen. Der schädigungsbedingte Anteil der psychisch vermittelten Funktionsbeeinträchtigungen entspreche einer leichteren psychovegetativen oder psychischen Störung.
Die Klägerin ist den Feststellungen und Schlussfolgerungen von Prof. Dr. Sch. entgegengetreten. Auch dieser Sachverständige gehöre offensichtlich nicht zu den einschlägig geschulten Gutachtern, die das Rundschreiben des BMAS vom 5. Juni 1997 und das BSG in neuerer Rechtsprechung forderten. Entgegen der Rechtsprechung des BSG habe Prof. Dr. Sch. daran festgehalten, dass für die Diagnose einer PTBS Brückensymptome zwischen dem Ende der Belastung und dem Beginn der Erkrankung vorliegen müssten.
Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 10. Oktober 2014 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 15. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2010 verurteilt, als Folge eines vom 9. Februar bis zum 12. November 1987 andauernden schädigenden Ereignisses eine "sonstige Reaktion auf schwere Belastung (subsyndromale posttraumatische Belastungsstörung" anzuerkennen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat ausgeführt, die Asthmaerkrankung habe auch nach den Angaben der Klägerin bereits vor der Inhaftierung bestanden und habe dort auch keine richtungweisende Verschlimmerung erfahren. Die Rückenbeschwerden seien somatisch bedingt und könnten daher nicht auf der Haft beruhen, nachdem die Klägerin selbst angegeben habe, dort nicht geschlagen worden zu sein. Die Insomnie habe eine temporäre Erscheinung dargestellt und sich nach den Angaben der Klägerin erstmals nach dem Unfall im Jahre 2003 entwickelt. Das geltend gemachte Muskelzucken sei offensichtlich eine Nebenwirkung der zwischenzeitlich verwendeten Antidepressiva gewesen, welche die Klägerin daraufhin wieder abgesetzt habe. Im Übrigen hat sich das SG im Wesentlichen auf die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. Sch. gestützt. Danach habe die geringgradige depressive Symptomatik spätestens 2000 eingesetzt und sich nach dem Unfall 2003 verstärkt und könne daher nicht der Inhaftierung zugeordnet werden. Das Gleiche gelte für die Anpassungsstörungen. Insofern ständen der frühe Verlust des Vaters und ängstlich-vermeidende Persönlichkeitszüge sowie weitere Belastungen nach der Übersiedlung im Vordergrund. Dagegen sei die von Prof. Dr. Sch. beschriebene sonstige Reaktion auf schwere Belastung als Schädigungsfolge anzuerkennen. Seinen diesbezüglichen Folgerungen sei beizutreten. Ergänzend hat das SG darauf hingewiesen, dass das Hauptanliegen der Klägerin, eine Beschädigtenrente zu erlangen, auch dann keinen Erfolg haben könne, wenn entgegen den Vorschlägen von Prof. Dr. Sch. eine PTBS als Schädigungsfolge anerkannt würde. Auch dann wäre ein GdS von 25 oder 30 nicht erreicht. Eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit liege nicht vor. Die Klägerin weise einen geregelten ausgefüllten Tagesablauf mit zeitintensivem ehrenamtlichem Engagement auf, ihre Stimmung sei ausgeglichen, die emotionale Schwingungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt, allenfalls beständen geringe konzentrative Einschränkungen, die depressiven Verstimmungszustände seien weitgehend remittiert.
Der Beklagte hat diesen Gerichtsbescheid mit Bescheid vom 20. November 2014 ausgeführt.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. November 2014 Berufung bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Sie wiederholt ihre Einwände gegen die Kompetenz der bislang gehörten Gutachter und die Ausführungen in den Gutachten im Einzelnen. Sie hält an ihrer Einschätzung fest, es bestehe das Vollbild einer - schädigungsbedingten - PTBS und eine solche sei nach dem Rundschreiben des BMAS vom 2. Dezember 2008 (IVc3-46052-2/60) mindestens mit einem GdS von 30 zu bewerten. Sie legt ein Attest von Dr. C. vom 15. Januar 2015 vor, wonach bei ihr am 18. November 2014 eine depressive Phase vorgelegen habe, die durch die Wahlen zum Thüringer Landtag, die alte Erinnerungen an Traumata in der DDR wieder hätten wach werden lassen, ausgelöst worden sei.
Der Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23. Juni 2016 ebenfalls Berufung (Anschlussberufung) eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Oktober 2014, den Bescheid vom 15. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2010 und des Ausführungsbescheids vom 20. November 2014 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Anerkennung der Schädigungsfolgen "posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Schlaflosigkeit" eine Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 zu gewähren,
hilfsweise, sie neurologisch, psychiatrisch und psychotherapeutisch von Amts wegen begutachten zu lassen zu der Frage, ob das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung nach der ICD-10 GM 2016 Nr. F43.1 und/oder dem DSM IV oder dem DSM 5 erfüllt ist bzw. auf Grund der unterschiedlichen Einschätzungen zweier Sachverständiger zur Schwere der Ausprägung der psychischen Erkrankung im Sinne von Teil B Nr. 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sowie zur Feststellung des Grades der sozialen Anpassungsstörungen auf Grund der Unterschiedlichkeit der Sachverständigengutachten,
weiter hilfsweise, ihren Lebensgefährten R. Sch., F.-Weg, M., als -Zeugen zur Feststellung der Symptome der Krankheit, insbesondere der sozialen Anpassungsschwierigkeiten im Bereich Partnerschaft, sonstige soziale Beziehungen und an ihrem Arbeitsplatz zu vernehmen.
Der Beklagte beantragt,
im Wege der Anschlussberufung den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Oktober 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat der Senat das Gutachten vom 28. Mai 2015 bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. Ph. erhoben.
Dieser Sachverständige hat ausgeführt, nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 6./7. November 2008 sei die Diagnose einer PTBS auf Grund einer genauen Orientierung an den von der ICD-10 und (Hervorhebung in dem Beschluss) dem DSM IV-TR zu stellen. Aus den Ausführungen in jenem Beschluss sei zu entnehmen, dass den "anerkanntermaßen strikteren Diagnosekriterien" des DSM IV zu folgen sei. Hiernach seien für das C-Kriterium mindestens drei der dort genannten sieben Unterkriterien und für das D-Kriterium mindestens zwei der dort genannten fünf Unterkriterien zu fordern (zu allem S. 15 GA). Das Latenzkriterium von sechs Monaten (E-Kriterium) werde nur von der ICD-10 gefordert, nicht aber von dem DSM IV. Auch der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim BMAS fordere es nicht (S. 39 GA).
Auf dieser Basis, so Prof. Dr. Ph., liege bei der Klägerin das Vollbild einer PTBS ("F43.1") vor (S. 13 GA). Daneben beständen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, eine Somatisierungsstörung in Remission sowie neurologische, orthopädische, internistische und dermatologische Diagnosen. Die Diagnose einer PTBS sei zu stellen, weil alle zu fordernden Kriterien erfüllt sein. Das Trauma sei ausreichend gewesen (S. 16 ff. GA). Es lägen, in Exploration und Dokumentation belegt, belastende Wiedererinnerungen im Sinne des B-Kriteriums vor (S. 23 ff. GA). Von den sieben Unterkriterien des Vermeidungskriteriums "C" (vgl. S. 26 ff. GA) seien nach den Angaben der Klägerin vier erfüllt, nach den vorliegenden Dokumentationen jedoch nur eines teilweise ("bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die Erinnerungen wachrufen"). Das D-Kriterium "Anhaltende Symptome erhöhter Erregung" sei anzunehmen, da drei der relevanten Unterkriterien (Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen) erfüllt seien, dies ergebe sich aus der Exploration der Klägerin; auch seien diese Symptome dokumentiert, aber nicht auf die PTBS zurückgeführt worden (S. 29 ff. GA).
Zur Verursachung hat Prof. Dr. Ph. ausgeführt, es spreche deutlich mehr dafür als dagegen, dass die PTBS auf die Inhaftierung in der DDR zurückzuführen sei. Das Trauma sei geeignet gewesen. Auf eine Latenz bis zur Entwicklung der Symptome komme es - auch nach einer jüngeren Studie über die Spätfolgen von Inhaftierungen in der DDR - nicht an. Außerdem habe eine deutliche subsyndromale Ausprägung der PTBS bereits in den ersten Wochen nach der Haftentlassung bestanden. Zwar habe die Klägerin weder in den ersten Jahren nach der Haftentlassung noch in den beiden Jahrzehnten danach eine fachspezifische psychiatrische Behandlung durchgeführt, und die erste Behandlung 2000 sei durch die damalige depressive Episode veranlasst gewesen. Diese Umstände riefen normalerweise vernünftige Zweifel an einer klinisch relevanten Gesundheitsstörung hervor. Jedoch habe die Klägerin kein psychisches Krankheitsverständnis gehabt. Dieses Selbstkonzept habe die Klägerin erst unter der Schlaf-Therapie bei Dr. V. und der anschließenden Trauma-Therapie bei Dr. R. 2011 bis 2012 erarbeitet. Aus der genannten Studie ergebe sich, dass auch dieses Verhalten von Opfern von Inhaftierungen in der DDR nicht unüblich sei (S. 49 ff. GA). Die depressive Erkrankung hat auch Prof. Dr. Ph. nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Inhaftierung zurückgeführt (S. 51 ff. GA). Dagegen besteht nach seiner Ansicht ein ausreichend wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen dem Trauma und der von ihm als Somatisierungsstörung in Remission bezeichneten weiteren Erkrankung. Von den körperlichen Symptomen der Klägerin seien das Globusgefühl ("Kloß im Hals"), die Magenschmerzen, die Thoraxschmerzen und die Kopfschmerzen auf die Schädigung zurückzuführen. Diese Symptome hätten bereits in der Haft begonnen und nicht schon davor vorgelegen. Entgegen der Ansicht von Prof. Dr. Sch. habe auch vor der Haft keine erhebliche Neigung zu solchen Reaktionen bestanden. Die Beschwerden hätten sich nach der Übersiedlung zurückgebildet. Diese Remission habe nicht bzw. nicht überwiegend auf der Trennung von dem Ehemann beruht (S. 52 ff. GA). Dagegen könnten die anderen somatischen Beeinträchtigungen der Klägerin (Myelopathie, LWS-Syndrom, Asthma, Hauterkrankung, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen) nicht auf die Haft zurückgeführt werden (S. 55 f. GA).
Zur Schwere der Beeinträchtigungen hat Prof. Dr. Ph. ausgeführt, dass sich die Schwere der PTBS sich zunächst aus der Breite der Symptomatik ergebe, von den 15 Symptomkriterien seien 10 erfüllt (im Einzelnen S. 56 GA), hiervon seien das Wiedererinnern, die Albträume, die Schlafstörungen und die Reizbarkeit als mittelgradig bis schwer, die übrigen Kriterien als mittelgradig einzustufen. Weiterhin sei der Leidensdruck als schwer bzw. mittelgradig bis schwer einzustufen. Von 1987 bis zur Einsicht in die Akten der Staatssicherheit 1993 sei die PTBS insgesamt leicht ausgeprägt gewesen, dafür damals die Somatisierungsstörung mittelgradig. Von 1993 bis zu dem erneut traumatisierenden Urlaub in den neuen Ländern 2008 sei die PTBS mittelgradig, danach als mittelgradig bis schwer einzustufen. Die Somatisierungsstörung sei seit 1993 nicht mehr zu berücksichtigen. Danach ergäben sich mittelgradige Störungen bis 2008 und seitdem mittelgradige bis schwere. Hieraus folge, so Prof. Dr. Ph. abschließend, ein GdS von 30 ab Haftentlassung bis Juni 2008 und mit 40 seitdem und auf Dauer (S. 61 GA).
Die Klägerin hat sich dem Gutachten von Prof. Dr. Ph. angeschlossen. Dagegen ist ihm der Beklagte entgegengetreten. Hierzu hat er die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 23. Juli 2015 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, Prof. Dr. Ph. habe selbst ausführlich dargelegt, dass die Diagnosekriteriengruppen C und D der PTBS auf Dokumentationsebene nicht erfüllt seien. Auf Befundebene nehme das Gutachten Reizbarkeit an, obwohl weder Prof. Dr. Sch. noch Prof. Dr. Ph. selbst in seinem objektiven psychopathologischen Befund eine solche beschrieben hätten. Die Reaktionen der Klägerin auf die Thematisierung der Hafterlebnisse würden unterschiedlich beschrieben, Prof. Dr. Sch. habe kein Unwohlsein festgestellt, Prof. Dr. Ph. eine tiefe affektive Bewegung mit leichtem Fingertremor. Die Einschätzung eines GdS von 40 entspräche einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfreiheit im oberen Ermessensspielraum. Dies sei angesichts der angegebenen Häufigkeit von Albträumen (alle paar Wochen bis einmal im Quartal) und Wiedererinnerungen (einmal pro Woche bzw. einmal pro Monat) und den Angaben zu den Aktivitäten des täglichen Lebens nicht ausreichend nachvollziehbar.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. Januar 2016 zu dem Wahlgutachten hat Amtsgutachter Prof. Dr. Sch. ausgeführt, die Annahme von Prof. Dr. Ph.s, das DSM IV-TR sei "anerkanntermaßen strenger", treffe teilweise zu, teilweise aber auch nicht. Zu der unterschiedlichen diagnostischen Einordnung in beiden Gutachten trügen drei Faktoren bei. Die ICD-10 und das DSM IV-TR unterschieden sich in den Anforderungen an das A-Kriterium (das hier aber unstreitig erfüllt sei). Anders als Prof. Dr. Ph. habe er die zeitweise beschriebenen Ein- und Durchschlafstörungen und Konzentrationsdefizite nicht der posttraumatischen Folgestörung, sondern der depressiven Erkrankung zugeordnet. Dies beruhe darauf, dass die Klägerin eine "Melancholie" als wesentlichen Teil des Beschwerdebildes beschrieben habe und dass die genannten Symptome - im Einklang mit der rezidivierenden Ausprägung der Störung - geschwankt hätten. Auch Prof. Dr. Ph. habe solche Symptome bei seiner Untersuchung nicht gefunden. Letztlich falle auf, dass Prof. Dr. Ph. einzelne Merkmale des D-Kriteriums (Hyperarousal) als erfüllt bewerte, ohne diese befundlich zu sichern. Sowohl zur Reizbarkeit bzw. den Wutausbrüchen als auch zu den (zeitweise aufgetretenen) Konzentrationsschwierigkeiten habe er als Beleg nur die Berichte der Klägerin angegeben. Hiernach sei auch nach dem DSM-IV eine PTBS nicht zu diagnostizieren, weil dann nur noch ein Unterkriterium des D-Kriteriums (Schlafstörungen) erfüllt sei. Zur Kausalität hat Prof. Dr. Sch. eine wesentliche Übereinstimmung mit Prof. Dr. Ph. dargestellt. Die Differenz in der Höhe des vorgeschlagenen GdS, so Prof. Dr. Sch. abschließend, beruhe darauf, dass Prof. Dr. Ph. die Schwere einzelner Symptomkriterien bewertet habe, die aber auch nach dem DSM-IV "anhaltend" sein müssten und nicht nur aus eigenanamnestischen Angaben des Probanden gewonnen werden dürften. Daher könnten die Reizbarkeit und die Konzentrationsstörungen gar nicht berücksichtigt werden. Und inhaltlich sei der Einschätzung, die Wiedererinnerungen, die Albträume und die Schlafstörungen seien mittelgradig oder gar schwer ausgeprägt, entgegenzutreten. Die Angaben der Klägerin bei beiden Begutachtungen ergäben keinen Anlass, den bisherigen Vorschlag eines GdS von 10 substanziell zu ändern.
Am 16. Februar 2016 hat der Senat Hinweise zur Rechtslage und zu einer vorläufigen Würdigung der beiden erhobenen Gerichtsgutachten gegeben.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil sie Sozialleistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und außerdem behördliche Feststellungen begehrt. Die Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere im Sinne von § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht erhoben.
Auch die Berufung des Beklagten ist zulässig. Er hat seine am 23. Juni 2016 zu Protokoll des Senats erhobene Berufung zu Recht als Anschlussberufung bezeichnet. Als selbstständige Berufung wäre das Rechtsmittel verfristet gewesen. Die Zulässigkeitsanforderungen, die demnach an diese Berufung zu stellen sind, liegen vor. Anschlussberufungen sind in entsprechender Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung (hier § 202 SGG i.V.m. § 524 Abs. 1 Satz 1 ZPO) auch in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit möglich (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 143 Rz. 5). Die besonderen Frist- und Formvorschriften aus § 524 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 ZPO - die hier nicht erfüllt wären - gelten für Anschlussberufungen in Verfahren nach dem SGG nicht (Leitherer, a.a.O., Rz. 5), insbesondere reichte es aus, dass der Beklagte seine Berufung erst in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Senats erhoben hat (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. März 1968 – 12 RJ 622/64 –, BSGE 28, 31, SozR Nr. 4 zu § 522a ZPO, juris Rz. 9). Eine Beschwer ist für eine Anschlussberufung nicht erforderlich (Leitherer, a.a.O., Rz. 5a), eine solche liegt hier gleichwohl vor, weil der Beklagte - über den Kostenpunkt hinaus (vgl. dazu § 143 Abs. 4 SGG) - in erster Instanz ebenfalls teilweise unterlegen ist.
Der Senat konnte über die beiderseitigen Berufungen in der Sache entscheiden, ohne weitere Ermittlungen anstellen zu müssen.
Der Sachverhalt ist nach den umfangreichen Angaben der Klägerin zu den Ereignissen während ihrer Inhaftierung in der DDR und ihrer späteren Biografie sowie nach Erhebung insgesamt dreier Gutachten zur medizinischen Würdigung der gesundheitlichen Schädigungsfolgen ausermittelt.
Auch die Hilfsbeweisanträge der Klägerin aus der mündlichen Verhandlung vor dem Senat waren abzulehnen.
Mit ihrem ersten Antrag, ein weiteres Gutachten von Amts wegen (§ 103 SGG) zu ihren Gesundheitsschäden und den daraus folgenden Funktionseinschränkungen einzuholen, zielt die Klägerin in der Sache auf ein so genanntes "Obergutachten". Ein solches gibt es aber im Beweisrecht des SGG und der ZPO nicht. Auch bei einander widerstreitenden Gutachtensergebnissen besteht keine allgemeine Verpflichtung, ein weiteres Gutachten einzuholen; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen. Solange nicht ein Gutachten oder ggfs. mehrere bereits eingeholte Gutachten die grundsätzlichen Anforderungen aus § 412 Abs. 1 ZPO (anwendbar über § 118 Abs. 1 SGG) verfehlen, also verwertbar sind, und das Gericht dieses eine oder eines von mehreren Gutachten für überzeugend hält, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 27. August 2015 – L 6 VG 2141/13 –, Rz. 55, juris; so auch BSG, Beschluss vom 12. Mai 2015 - B 9 SB 93/14 B - zit. nach Juris).
Den zweiten Hilfsbeweisantrag lehnt der Senat ab, weil er das benannte Beweismittel für ungeeignet hält. Eine Ablehnung mit dieser Begründung ist entsprechend den Rechtsgedanken aus § 244 Abs. 3 Strafprozessordnung (StPO) auch im sozialgerichtlichen Verfahren möglich (BSG, Beschluss vom 23. Juli 2015 – B 2 U 78/15 B –, SozR 4-1920 § 52 Nr. 16, juris Rz. 7). Für die Feststellung medizinischer Umstände, seien es Symptome, seien es gar Krankheiten im diagnostischen Sinne, ist nur ein Arzt oder ein sonstiger medizinisch ausgebildeter Behandler ein geeigneter Zeuge, nur er hat die dafür notwendige besondere Sachkunde im Sinne von § 414 ZPO und wird daher als sachverständiger Zeuge vernommen (vgl. zur Feststellung medizinischer Tatsachen (BSG, Urteil vom 28. April 1960 – 5 RKn 12/58 –, Rz. 26, juris, mit Verweis auf BSG, SozR § 162 SGG Da 23 Nr. 87). Dagegen können Zeugenaussagen, jedenfalls die Aussagen solcher Zeugen, die nicht berufen sind, medizinische Sachverhalte zu beurteilen, nicht als ein geeignetes Beweismittel für die Feststellung medizinischer Tatbestände angesehen werden und sind deshalb vom Zeugenbeweis insoweit ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 1967 – 11 RA 152/67 –, juris). Der als Zeuge benannte Lebensgefährte der Klägerin ist aber kein medizinisch ausgebildeter Behandler.
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zwar ist ihre Klage zulässig. Jedoch bestehen in der Sache - zunächst - die geltend gemachten Ansprüche auf Anerkennung einer PTBS im Vollbild, einer Depression und einer Schlaflosigkeit als Folge der Inhaftierung nicht. Weitergehend war auf die Anschlussberufung des Beklagten der teilweise zusprechende Gerichtsbescheid aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen, weil auch eine Verurteilung des Beklagten zur Anerkennung einer "sonstigen Reaktion auf schwere Belastung (subsyndromale posttraumatische Belastungsstörung)" aus mehreren Gründen nicht in Betracht kam. Letztlich besteht für die Klägerin - mangels schädigungsbedingter Gesundheitsschäden, aber auch wegen Fehlens ausreichender Funktionseinbußen - kein Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach einem GdS um 50.
Die Klägerin kann ihre Begehren zulässigerweise mit der erhobenen Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage verfolgen.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist nach der Regelung in § 25 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG (i.V.m. § 25 Abs. 4 und 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG) eröffnet.
Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist eine angreifbare Verwaltungsentscheidung ergangen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) und auch das durchgeführte Vorverfahren betraf alle Ansprüche, die die Klägerin geltend macht. Aus dem angegriffenen Bescheid vom 15. April 2010 geht mit noch hinreichender Deutlichkeit hervor, dass der Beklagte die Anerkennung der jetzt geltend gemachten Gesundheitsschäden und die Gewährung einer Rente abgelehnt hat. Der formelle Tenor des Bescheids führt zwar nur abstrakt aus, dem "Antrag auf Beschädigtenversorgung" könne "nicht entsprochen" werden. Wie der Beklagte später selbst eingeräumt hat (Schriftsatz vom 22. November 2012 an das SG), ist damit aber (nur) der Anspruch auf Grundrente gemeint. Und die Ablehnung der Anerkennung von Gesundheitsschäden als Haftfolgen findet sich zwar erst in dem Abschnitt "II. Begründung" des Bescheids unter den Nummern 3 und 4, aber die dort enthaltenen eindeutigen Formulierungen reichen nach Ansicht des Senats aus, um als Verfügungssätze eingestuft zu werden.
In der Sache sind die Anträge der Klägerin allein nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG und nicht nach dem HHG zu überprüfen. Nach § 23 Abs. 1 StrRehaG wird, wenn Ansprüche aus § 21 StrRehaG mit Ansprüchen aus § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) oder aus anderen Gesetzen zusammentreffen, die - wie § 4 Abs. 1 HHG bei einer gesundheitlichen Schädigung infolge Gewahrsams - eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, die Versorgung unter Berücksichtigung des durch die gesamten Schädigungsfolgen bedingten Grades der Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG gewährt (Urteil des Senats vom 26. Februar 2015 - L 6 VU 4119/14 -, Rz. 34, juris). Eine Ausnahme hiervon besteht nur dann, wenn ein Geschädigter eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG bereits vor dem Inkrafttreten des StrRehaG am 4. November 1992 beantragt und erhalten hat. In diesem Fall kann der Geschädigte nach § 25 Abs. 2 Nr. 1 StrRehaG auch Ansprüche nach diesem Gesetz geltend machen, da die Durchführung eines weiteren Verfahrens nach dem StrRehaG nicht mehr zugemutet werden soll (BT-Drucks. 12/1608 S. 24). Dies beschränkt sich jedoch - unter Anrechnung der Leistungen nach dem HHG - auf Ansprüche nach den §§ 17 bis 19 StrRehaG. Ansprüche auf Beschädigtenversorgung nach dem BVG werden dagegen in diesen Fällen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG nur nachrangig nach den entsprechenden Ansprüchen nach dem HHG gewährt (vgl. zu allem Urteile des Senats vom 23. Februar 2012 – L 6 VU 6118/09 –, Rz. 32 und 26. Februar 2015 - L 6 VU 4119/14, Rz. 32 jeweils juris). Der Klägerin wurde jedoch nie eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG erteilt. Ihr entsprechender Antrag war mit Verfügung vom 2. Mai 1990 bestandskräftig abgelehnt worden. Eine solche Ablehnung dieser Bescheinigung sperrt auch nicht den Weg eines Geschädigten in das StrRehaG. Die Voraussetzungen beider Beschädigtenversorgungen unterscheiden sich, sodass die Ablehnung der Bescheinigung nach dem HHG keine negative Tatbestandswirkung für Ansprüche aus dem StrRehaG entfaltet. Nach dem HHG war eine politische Verfolgung in der DDR notwendig, während eine Versorgung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG lediglich rein formal die Aufhebung einer strafgerichtlichen Verurteilung in der DDR in dem Rehabilitationsverfahren nach § 1 Abs. 1 StrRehaG voraussetzt.
Die erhobenen Anträge auf Anerkennung von Gesundheitsschäden als Folge der Haft in der DDR haben keinen Erfolg.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhalten Betroffene, die infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, wegen der gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Die Versorgung selbst - also wie hier der Anspruch auf eine Grundrente - beruht dabei auf § 31 Abs. 1 BVG. Und Ansprüche auf eine behördliche Anerkennung bestimmter Gesundheitsschäden sind zwar im BVG nicht ausdrücklich geregelt, dem Grunde nach aber anerkannt, zumal § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG in diesen Fällen sogar ausdrücklich eine (allerdings gerichtliche) Feststellung ermöglicht.
Die Tatbestandsmerkmale, die den geltend gemachten Ansprüchen zu Grunde liegen – eine in Folge der rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehung erlittene gesundheitliche Schädigung (Erstschaden) und die gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung – müssen nach den im sozialgerichtlichen Verfahren an die richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen voll bewiesen sein. Dagegen genügt nicht nur zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung, also für die haftungsausfüllende Kausalität (§ 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG), sondern auch bereits für die haftungsbegründende Kausalität zwischen der rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehung und der gesundheitlichen (Erst-)Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16; Urteil des Senats vom 26. Februar 2015 – L 6 VU 4119/14 –, Rz. 34, juris).
Vor diesem Hintergrund kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin eine PTBS (F43.1) vorliegt (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 26. Juni 2014 – L 6 VU 2236/13 ZVW –, Rz. 76, juris).
Der Senat hat sich bei der Beurteilung der Frage, ob eine PTBS vorliegt, in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 - Juris Rn. 34 ff.) an den gängigen Diagnosesystemen entsprechend der Nomenklatur der ICD-10 und der DSM orientiert. Denn die konkret zu bezeichnenden Krankheiten bilden die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens zu beurteilen ist (so auch BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr. 3). Das DSM lag bis 2013 in seiner vierten Ausgabe (DSM-IV-TR) vor. Insoweit konnte es neben der ICD-10 herangezogen werden. Dagegen bestehen gegen die zwischenzeitlich seit Mai 2013 als Nachfolgerin des DSM-IV-TR nunmehr in deutscher Sprache vorliegende 5. Auflage (DSM-5) Bedenken hinsichtlich ihrer Validität (vgl. im Einzelnen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14, Juris Rz. 40, 41 ff.), was jedoch letztlich dahingestellt bleiben kann, weil jedenfalls das auch danach erforderliche Vermeidungsverhalten bei der Klägerin fehlt (dazu unten).
Nach ICD-10 F 43.1 entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, zum Beispiel zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung über.
Nach DSM-IV-TR 309.81 gelten folgende Grundsätze: Das Hauptmerkmal der PTBS ist die Entwicklung charakteristischer Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumatische Ereignis beinhaltet unter anderem das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (Kriterium A1). Die Reaktion der Person auf das Ereignis muss intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfassen (Kriterium A2). Charakteristische Symptome, die aus der Konfrontation mit der extrem traumatischen Situation resultieren, sind das anhaltende Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Form von wiederholten und aufdringlichen Erinnerungen an das Ereignis (Kriterium B1), von wiederkehrenden, quälenden Träumen, in denen das Erlebnis nachgespielt wird oder in anderer Form auftritt (Kriterium B2), von Erleben von oft als "flashbacks" bezeichneten dissoziativen Zuständen, während derer einzelne Bestandteile des Ereignisses wieder erlebt werden (Kriterium B3) oder, wenn die Person mit Ereignissen konfrontiert wird, die sie an Aspekte des traumatischen Ereignisses erinnern oder die diese symbolisieren, in Form von intensiver psychischer Belastung (Kriterium B4) oder physiologischer Reaktionen (Kriterium B5). Charakteristische Symptome sind auch die andauernde Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma assoziiert sind, und eine Abflachung der allgemeinen Reagibilität in der Form, dass die Person im Allgemeinen versucht, Gedanken, Gefühle oder Gespräche über das traumatische Ereignis (Kriterium C1) und Aktivitäten, Situationen oder Personen, welche die Erinnerung an das Ereignis wachrufen (Kriterium C2) absichtlich zu vermeiden, wobei die Vermeidung des Erinnerns die Unfähigkeit mit einschließen kann, sich an einen wichtigen Aspekt des traumatischen Ereignisses zu erinnern (Kriterium C3), oder in Form von verminderter Reaktionsbereitschaft auf die Umwelt, welche üblicherweise sehr bald nach dem traumatischen Erlebnis eintritt (Kriterium C4), eines Gefühls der Isolierung und Entfremdung von Anderen (Kriterium C5) oder einer deutlich reduzierten Fähigkeit, Gefühle zu empfinden (Kriterium C6) oder in der Form, dass betroffene Personen das Gefühl einer eingeschränkten Zukunft haben (Kriterium C7). Charakteristische Symptome sind auch anhaltende Symptome erhöhten Arousals in Form von Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten, die durch wiederholte Albträume, in denen das traumatische Erlebnis wieder erlebt wird, hervorgerufen werden können (Kriterium D1), Hypervigilanz (Kriterium D4) und übertriebener Schreckreaktion (Kriterium D5), wobei manche Personen über Reizbarkeit oder Wutausbrüche (Kriterium D2) oder Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Aufgaben zu vollenden (Kriterium D3), berichten. Das vollständige Symptombild muss länger als einen Monat anhalten (Kriterium E) und die Störung muss in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursachen (Kriterium F). Traumatische Erfahrungen, die direkt erlebt wurden, umfassen insbesondere kriegerische Auseinandersetzungen, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen, schwere Autounfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit. Hinsichtlich Beginn und Dauer der Symptome wird unterschieden zwischen der akuten posttraumatischen Belastungsstörung (wenn die Dauer der Symptome weniger als drei Monate beträgt), der chronischen posttraumatischen Belastungsstörung (wenn die Symptome drei Monate oder länger andauern) und der posttraumatischen Belastungsstörung mit verzögertem Beginn (wenn mindestens sechs Monate zwischen dem traumatischen Ereignis und dem Beginn der Symptome vergangen sind). Die Symptome, wie beispielsweise verminderte affektive Schwingungsfähigkeit, dissoziative Symptome, somatische Beschwerden, Gefühle der Insuffizienz in Form von Hoffnungslosigkeit, sozialer Rückzug, ständiges Gefühl des Bedrohtseins oder beeinträchtigte Beziehung zu anderen oder Veränderung der Persönlichkeit im Vergleich zu früher beginnen normalerweise innerhalb der ersten drei Monate nach dem Trauma, obwohl sich die Ausbildung der Symptome aber auch um Monate oder sogar Jahre verzögern kann. Die Schwere, Dauer und Nähe der Person bei Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis sind die wichtigsten Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit bestimmen, mit der die Störung sich entwickelt. Es gibt Hinweise, dass soziale Unterstützung, Familienanamnese, Kindheitserfahrungen, Persönlichkeitsvariablen und vorbestehende psychische Störungen die Ausbildung einer posttraumatischen Belastungsstörung beeinflussen können. Die Störung kann sich auch bei Personen entwickeln, bei denen zuvor keine besondere Auffälligkeit vorhanden war, besonders dann, wenn es sich um eine besonders extreme Belastung handelt.
Die nach den beiden Klassifikationssystemen notwendigen Kriterien bzw. dafür erforderlichen Unterkriterien müssen im Vollbeweis feststehen, um die Diagnose einer PTBS stellen zu können. Hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen (Kriterien B bis D, ggfs. E und F) bezieht sich diese Anforderung auf den aktuellen Gesundheitszustand des Geschädigten. Nicht zwingend notwendig ist, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen bereits unmittelbar nach dem Ende der Traumatisierung vorgelegen haben oder seitdem ununterbrochen bestanden. Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW -, Rz. 145 juris), dass solche "Brückensymptome" weder nach der ICD-10 noch nach dem DSM-IV zu fordern sind. Zwar ist dann, wenn solche Symptome nicht alsbald nach der Schädigung entstanden und nachweisbar sind, die Zusammenhangfrage besonders sorgfältig zu prüfen und nur anhand eindeutiger objektiver Befunde zu bejahen, was sich auch aus Anforderungen der früheren Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) ergibt (Senat, a.a.O.). Aber diese Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang ist erst zu stellen, wenn die Diagnose positiv feststeht. Diese Ansicht entspricht der Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 2. Dezember 2010 – B 9 VH 3/09 B –, Rz. 14, juris; Beschluss vom 16. Februar 2012 – B 9 V 17/11 B –, Rz. 16, juris).
Vor diesem Hintergrund kann sich der Senat nach beiden Klassifikationssystemen - und damit nach den Anforderungen der Beschlüsse des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 12./ 13. November 1997 und vom 6./7. November 2008 - nicht von einer PTBS überzeugen.
Diese Einschätzung stützt der Senat auf den Inhalt der Akten und vor allem auf die Feststellungen und Schlussfolgerungen in dem vom Beklagten eingeholten Gutachten von Frau O.-P., das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, und in dem von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Sch ... Beide Gutachten sind verwertbar. Insbesondere teilt der Senat nicht die Zweifel der Klägerin an den Qualifikationen von Frau O.-P. und Prof. Dr. Sch ... Die Gutachten weisen, wie ausgeführt, keine Mängel im Sinne von § 412 Abs. 1 ZPO auf (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 16. Februar 2012 – B 9 V 17/11 B). Beide Sachverständige haben die von der Klägerin geschilderten Hafterfahrungen ihrer Beurteilung zu Grunde gelegt, dabei die Feststellung der Diagnose wegen des Fehlens des C bzw. D-Kriteriums verneint, also nicht allein wegen fehlender Brückensymptomatik, wenngleich insbesondere Prof. Dr. Sch. sich insoweit mit den neuesten Publikationen zur PTBS auseinander gesetzt hat. Allein der Umstand, dass beide zu einem anderen Ergebnis als der Wahlgutachter gekommen sind, macht diesen nicht zu einem qualifizierteren.
Zweifel bestehen zunächst an dem von beiden Systemen geforderten "A-Kriterium", dem traumatischen Ereignis. Diese Zweifel hat auch Frau O.-P. angedeutet, indem sie in ihrem Gutachten ausgeführt hat, die berichtete Haftsituation sei "grundsätzlich" in der Lage gewesen, ein von den Klassifikationssystemen für eine PTBS gefordertes Trauma auszulösen.
Nicht jedes Trauma ist indes geeignet, eine PTBS zu verursachen, Traumata führen oft auch nur zu den anderen Anpassungsstörungen, die z.B. in der ICD-10 bei F43.- genannt sind. Für eine PTBS ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine über die bloße Haft hinausgehende, unmittelbar lebensbedrohliche oder vergleichbare Situation (mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß) vonnöten, die bei nahezu jede Person Entsetzen und eine große Verzweiflung auslösen würde (Urteil des Senats vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW - juris, Rz. 125 ff.; abweichend hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Januar 2016 - L 11 VU 37/14 -, juris, Rz. 73 f.). Dies erklärt sich auch daraus, dass die Diagnose insbesondere nach den Erfahrungen des Vietnamkrieges mit entsprechenden Traumaerfahrungen entwickelt wurde. Dass die traumatische Einwirkung lebensbedrohend sein oder zumindest die konkrete Gefahr einer schweren Verletzung mit sich bringen muss, wird in den Anforderungen des DSM-IV noch deutlicher als in der ICD-10; dieses Klassifikationssystem stellt dagegen mehr darauf ab, dass die Situation "für nahezu jeden" so gewirkt haben muss und nicht ggfs. nur für den Betroffenen. Das Erfordernis einer solchen lebens- oder körperbedrohenden Einwirkung besteht im Übrigen auch beim sexuellen Missbrauch, wobei sich der Senat den Hinweis erlaubt, dass in vom dem LSG Berlin-Brandenburg zitierten, angeblich abweichend entschiedenen Fall des Senats (Urteil vom 15. Dezember 2011 - L 6 VG 584/11 – juris), nicht nur die Diagnose unstreitig, sogar vom Beklagten im Schwerbehindertenverfahren ausdrücklich anerkannt war, sondern die erforderliche Gewalt und Lebensbedrohlichkeit von der Mutter bestätigt wurden. Der Senat bezweifelt im Übrigen nicht, dass das Erleben einer zu Unrecht verhängten Haft traumatisch sein kann (so bereits Nr. 71 AHP 2008, wonach die rechtsstaatswidrige Haft in der DDR als Beispiel für eine lang dauernde psychische Belastung, die durch psychische Traumen bedingte Störungen hervorrufen kann, genannt wird), aber nicht muss; das Trauma muss vielmehr - wie sonst auch - im Einzelfall festgestellt werden. Bei der Feststellung des haftbedingten Gesundheitsschadens ist deswegen die Aufklärung des konkreten haftbedingten Schädigungstraumas unverzichtbar (so LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. Juni 2015 - L 7 VE 19/11, juris, Rz. 57). Das zeigt sich auch darin, dass der Gesetzgeber die bloße zu Unrecht erlittene DDR-Haft bereits nach der maßgeblichen Regelungen in § 17a Abs. 1 Satz 1 StrRehaG entschädigt hat. Wenn sich das Trauma aber darin erschöpft, Opfer einer zu Unrecht erfolgten Verurteilung zu sein und deswegen zu Unrecht eine Haftstrafe verbüßt zu haben, ohne dass im Einzelfall Traumaerlebnisse geschildert werden, die eine PTBS auslösen können, so kann dies dann eine andere psychische Erkrankung auslösen wie z. B. eine Anpassungsstörung, was die Sachverständigen O.-P. und Prof. Dr. Sch. bei der Klägerin bejaht, im Ergebnis lediglich die Erkrankung als ausgeheilt angesehen haben. Dass geht auch mit der Diagnose definitionsgemäß einher, denn nach einmaligen psychischen Traumen klingen Anpassungsstörungen im Verlauf von Monaten bis maximal zwei Jahren ab. In vergleichbaren Haft-Fällen wurde deswegen - unstreitig - auch nur eine Depression anerkannt (vgl. z.B. Urteil des Senats vom 21. April 2016 – L 6 VU 97/14).
Solche lebensbedrohlichen oder vergleichbaren Situationen hat die Klägerin nicht geschildert, was der Senat ihren anamnestischen Angaben bei den drei Gutachtern O.-P., Prof. Dr. Sch. und Prof. Dr. Ph. entnimmt. Danach sind die geschilderten körperlichen Untersuchungen (Vermeidung von Schmuggeln in die Haftanstalt), Verhöre vor Verurteilung, der eingeschränkte Kontakt zur Außenwelt während der Untersuchungshaft, die gestörte Nachtruhe (zur Überwachung des Häftlings, vgl. hierzu auch den in der Öffentlichkeit berichteten Fall des Managers Middelhoff) und die bemängelte Ernährung geradezu typische Haftbedingungen, über die sich - gerichtsbekannt - selbst in der Bundesrepublik Deutschland viele Häftlinge beschweren. Einzig herausragendes Ereignis während der Haftzeit, was möglicherweise eine PTBS hätte auslösen können, war danach die Gefängnisrevolte in der Kantine von kriminellen Häftlingen, wobei der Senat darauf hinweist, dass solche Ereignisse auch in den Haftanstalten der BRD nicht ungewöhnlich sind (so wurde beispielsweise in der JVA Hohenleuben durch das SEK am 22. April 2014 eine Geiselnahme verhindert [Quelle: Thüringer Allgemeine] und am 28. März 2015 fand ein Hungerstreik wegen Ärgers über die Verpflegung bis zur Unzufriedenheit mit der sozialen Betreuung [Quelle: Kölnische Rundschau] statt). Nach den ersten Angaben der Klägerin gegenüber der Gutachterin O.-P. war sie daran aber nicht beteiligt und wurde von den Geschehnissen isoliert, so dass für sie selbst keine aktuelle Bedrohungssituation bestand, was der Senat der Anamnese des Gutachtens entnimmt. Gegenüber Prof. Dr. Sch. hat sich dann die Schilderung dahingehend gesteigert, dass sie nun eine Öffnung einer Maschinenpistole direkt vor sich gesehen haben wollte, bei Prof. Dr. Ph. schließlich will sie Todesängste erlitten haben und selbst mit Waffen in Schach gehalten worden sein. Zwar gibt es weder nach dem SGG noch nach der ZPO eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere; im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben und sonstigen Einlassungen zu würdigen. Gleichwohl kann das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung den zeitlich früheren Aussagen aufgrund der Gesichtspunkte, dass die Erinnerung hierbei noch frischer war und sie von irgendwelchen Überlegungen, die darauf abzielen, das Klagebegehren zu begünstigen, noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren zumessen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 41/02 R -, SozR 4-2700 § 4 Nr. 1, Rz. 12; Urteile des Senats vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW - juris, Rz. 144 und vom 21. Mai 2015 - L 6 U 1053/15 -, juris, Rz. 34). Hiervon geht der Senat vorliegend aus, denn wenn die Klägerin tatsächlich mit einer Waffe bedroht worden wäre, dann hätte sie dies ohne Zweifel gleich geäußert, wenn die Gutachterin O.-P. dies nicht erwähnt hätte, wäre dies, wie viele andere Details auch, sofort von der Klägerin moniert worden.
Insoweit kann es sich allenfalls um psychische Belastungen handeln, die mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden sind, wobei die Störungen häufig kurzfristig, vielleicht tief sind, auch durch Symptome der PTBS charakterisiert werden können, ohne diagnostisch auf diese begrenzt zu sein und gelegentlich auch nach einer Latenzzeit auftreten (so Nr. 71 AHP 2008). Dann sind aber die durch das psychische Trauma bedingten Störungen folgerichtig nicht als PTBS, sondern, wie von der Gutachterin O.-P. so angenommen, als Anpassungsstörung (F43.21Z) diagnostisch einzuordnen, die durch den Besuch in der Heimat im November 2008 reaktiviert, ansonsten aber, was der Lebenslauf der Klägerin eindrucksvoll belegt, wieder gut rückläufig war.
Der Senat kann die Frage nach dem Trauma-Kriterium aber letztlich offen lassen, weil es jedenfalls an dem C- oder Vermeidungskriterium sowie an dem D- oder Hypersensitivitätskriterium fehlt.
Auf das Fehlen des C-Kriteriums hat insbesondere die Gutachterin O.-P. hingewiesen. Sie hat nachvollziehbar ausgeführt, das typische und diagnostisch zu fordernde Vermeidungsverhalten sei bei der Klägerin nicht ausgeprägt. Die Klägerin pflegt intensive regelmäßige Kontakte zu Mithäftlingen aus der Zeit ihrer Haft, wodurch sie sich aktiv mit dem Trauma konfrontiert. Dass sie insofern nur eine normale Freundschaft pflegt, ohne das Thema DRR-Haft anzusprechen, hält der Senat ebenso wie die Gutachterin O.-P. für nicht glaubwürdig, was im Übrigen auch eindrucksvoll dadurch belegt wird, dass die Idee zur Geltendmachung von Versorgungsansprüchen aus eben dieser Runde kam, was die Klägerin selbst einräumen musste, dann aber impliziert, dass über die Haft und ihre Folgen gesprochen und die Themen eben nicht vermieden werden. Diese Freundschaften zeigen darüber hinaus auch, dass die Haft für die Klägerin nicht nur negativ belegt sein kann, sich vielmehr aus der damaligen Schicksalsgemeinschaft dauerhafte Freundschaften entwickelt haben. Darüber hinaus war sie in der Lage, in ihre Heimat zu fahren und sich dadurch, wie auch mit der Beschäftigung der Stasi-Akten, mit ihrer Vergangenheit zu konfrontieren. Diese Kontakte ziehen zwar nachvollziehbarerweise eine Wiedererinnerung und damit folgend eine Anpassungsreaktion nach sich, die Klägerin setzt sich diesen aber freiwillig aus und kann sie auch offenbar aushalten, sich dennoch als freundlicher und zugewandter Mensch der Gutachterin und den beiden Sachverständigen präsentieren.
Das Fehlen des D-Kriteriums (Hypersensitivität) ergibt sich letztlich schon aus dem Wahlgutachten von Prof. Dr. Ph ... Dieser hat von den fünf Unterkriterien hierzu bei der Klägerin zwar drei bejaht - nämlich Schlafstörungen, erhöhte Reizbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten -, aber selbst eingeräumt, dass er dies - nur - auf Grund der Exploration, also auf Grund der Angaben der Klägerin tun konnte. Auf Dokumentationsebene seien diese Unterkriterien nicht bzw. nur "teilweise" (so zu den Konzentrationsschwierigkeiten) belegt (S. 33 GA). Wie bereits ausgeführt, reichen aber die eigenanamnestischen Angaben eines Probanden nicht aus, solche medizinischen Umstände festzustellen. Dies gilt insbesondere für Zeiträume in der Vergangenheit, auf die es - wie ausgeführt - im Rahmen der späteren Überprüfung des Ursachenzusammenhangs ankommen kann. Prof. Dr. Sch. hatte in seinem Gutachten sogar nur - auch auf Explorationsebene - Schlafstörungen und - bei seiner Untersuchung - eine leichte Konzentrationsschwäche festgestellt, aber im Gegensatz zu Prof. Dr. Ph. auch keine erhöhte Reizbarkeit. Eine andere Einschätzung insbesondere zur Frage der Reizbarkeit kann auch der Senat nicht gewinnen. Bei der Exploration durch Prof. Dr. Sch. hatte die Klägerin zwar in einem Selbstauskunftsverfahren eine "innere Unruhe" angegeben, die weiteren Testverfahren hatten dazu aber kein "objektivierbares Korrelat" ergeben (S. 55 GA). Auch aus der Vergangenheit hatte die Klägerin eher von "melancholischen" Phasen berichtet (S. 54 GA). Demgegenüber hatte sie bei der - späteren - Untersuchung bei Prof. Dr. Ph. auch von Reizbarkeiten und sogar Wutausbrüchen ab etwa 1993/1994 berichtet, auch aktuell im Kontakt mit ihrem Lebensgefährten (S. 31 f. GA). Diese Angaben einer - dauernden Reizbarkeit - sind aber nicht ausreichend belegt. Auch Prof. Dr. Ph. räumt dies letztlich ein (S. 32 GA), als Dokumentationsstellen führt er lediglich zwei Eigenangaben der Klägerin in den Jahren 2001 und 2012 an. Das Gleiche gilt letztlich für das Unterkriterium einer Konzentrationsschwäche. Die Klägerin hat bei ihrer Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. unter anderem angegeben, sie lese eine bis eineinhalb Stunden täglich, darunter täglich die Tageszeitung, ein wöchentliches Nachrichtenmagazin und gelegentlich Bücher, bis zu zwei Stunden arbeite sie am Computer (S. 41 GA). Diese Beschreibung deutet nicht auf nennenswerte Konzentrationseinbußen hin.
Vor diesem Hintergrund, dass bereits das C- und das D-Kriterium für die Diagnose einer PTBS nicht vorliegen, muss der Senat nicht entscheiden, ob die Unterkriterien des B-Kriteriums (Wiedererinnerung) ausreichend erfüllt sind. Dieses Kriterium hatte - insoweit in Übereinstimmung mit Prof. Dr. Ph. - auch Dr. Sch. angenommen, er hat jedoch dazu ausgeführt, dieses Kriterium sei zum einen erst seit 2008 anzunehmen und auch aktuell "recht dezent" ausgeprägt (S. 62 f. GA).
Als zweite Krankheit in Folge der Schädigung hat die Klägerin eine "Depression" zur Anerkennung beantragt. Dem folgt der Senat ebenfalls nicht. Beide Sachverständigen, also auch der Wahlgutachter Prof. Dr. Ph., haben die bei der Klägerin unstreitig bestehende rezidivierende depressive Episode (F33.x nach der ICD-10, nach Prof. Dr. Sch. zurzeit teilremittiert und daher nach F33.8 zu kodieren) nicht auf die Schädigung zurückgeführt. Auch Prof. Dr. Ph. hat ausgeführt, dass es nach klinischen Maßstäben und Erfahrungen nicht möglich sei, die erstmals 1998 rezidivierend aufgetretenen depressiven Episoden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine 1987 abgeschlossene Einwirkung zurückzuführen. Er hat seine Einschätzung mit dem Hinweis untermauert, dass die späteren depressiven Episoden spontan ohne äußeren Anlass aufgetreten seien (S. 52 GA).
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin zusätzlich die Anerkennung von Schlafstörungen als Schädigungsfolge geltend gemacht. Eine Insomnie ist nur unter besonderen Umständen als eigenständige Krankheit festzustellen, wenn nämlich die Voraussetzungen einer "primären Insomnie" (F53.1 nach der ICD-10) vorliegen. Schlafstörungen sind daneben ein häufiges Symptom anderer Erkrankungen. Sie treten z.B. gerade auch im Rahmen einer PTBS auf, sie bilden dort das Unterkriterium D1 zum Hypersensitivitätskriterium D. Bei der Klägerin lagen zwar Schlafstörungen vor. Diese waren jedoch zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits überwunden und sind auch bis heute nicht wieder aufgetreten. Dies entnimmt der Senat den Angaben von Dr. V. vom 26. November 2009, wonach die früher diagnostizierte primäre Insomnie dank einer guten Compliance habe beseitigt werden können und daher als remittiert gelten könne. Ferner hatte auch zuvor keine eigenständige Schlafkrankheit vorgelegen, sondern diese Beschwerden waren als Symptome weiterreichender psychischer Erkrankungen aufgetreten, etwa den depressiven Episoden. Entsprechend haben auch Prof. Dr. Sch. und Prof. Dr. Ph. keine primäre Insomnie diagnostiziert, auch nicht für vergangene Zeiträume.
Die drei anfangs zusätzlich geltend gemachten Gesundheitsstörungen - Muskelzucken, Asthma und Rückenbeschwerden - hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht weiterverfolgt. Daher ist nur darauf hinzuweisen, dass auch diese Erkrankungen, so sie vorgelegen haben, ebenfalls keine Folge der Schädigung durch die Inhaftierung sind. Ein Muskelzucken hat keiner der beiden Gutachter bei der Klägerin festgestellt. Und hinsichtlich des Asthma und der - orthopädisch, durch das LWS-Syndrom bedingten - Rückenschmerzen haben beide - auch der Wahlgutachter Prof. Dr. Ph. - überzeugend ausgeführt, dass ein Ursachenzusammenhang zu der Inhaftierung nicht besteht. Sowohl Rückenschmerzen als auch das Asthma hatten bei der Klägerin schon vor der Inhaftierung vorgelegen. Dies ergibt sich aus den Angaben der Klägerin und aus den verschlüsselten Diagnosen in dem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung, den die Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegt hatte und die Prof. Dr. Sch. in seinem Gutachten dekodiert und dargestellt hat (S. 1 ff. GA).
Ob die Symptome "Globusgefühl", Magenschmerzen, Thoraxschmerzen und Kopfschmerzen, die zumindest Prof. Dr. Ph. im Rahmen einer Somatisierungsstörung in Remission auf die Schädigung zurückgeführt hat (S. 52 f. GA), wirklich ihre Ursache darin haben, kann offen bleiben. Die Anerkennung solcher Erkrankungen als Schädigungsfolgen hat die Klägerin in ihrem Verurteilungsantrag nicht geltend gemacht.
Wie ausgeführt, war auf die Anschlussberufung des Beklagten hin der erstinstanzliche Gerichtsbescheid aufzuheben.
Dies beruht zum einen auf verfahrensrechtlichen Erwägungen.
Das SG hat zunächst in seinem Gerichtsbescheid keine unzulässige Schädigungsbezeichnung gewählt. Das BSG hat zwar in seinem Urteil vom 9. Mai 2006 (B 2 U 1/05 R; BSGE 96, 196) ausgeführt (Juris, Rz. 22), dass die Feststellung eines Gesundheitsschadens "angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite" aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen soll. Diese Anforderung ist hier aber erfüllt, denn bei der PTBS und der "sonstigen Reaktion auf schwer Belastungen" (allerdings ohne den Zusatz "subsyndromale PTBS") handelt es sich um verschiedene Diagnosen (F43.1 und F43.8 nach der ICD-10).
Es liegt jedoch ein Verstoß gegen § 123 SGG vor; wobei der Senat von einer Zurückverweisung an das SG (vgl. § 159 Abs. 1 SGG) absieht, weil er in der Sache entscheiden kann und weitere Verzögerungen zu vermeiden sind.
Nach dem Grundsatz "ne ultra petita" (vgl. § 123 SGG bzw. § 308 ZPO) darf ein Gericht - unter anderem - nicht etwas anderes zusprechen als beantragt ist (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Kel-ler/Lei¬therer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 123 Rn. 4). Die Klägerin hatte vor dem SG die Anerkennung einer "sonstigen Reaktion" (F43.8 nach ICD-10) als Schädigungsfolge nicht beantragt, sondern ausdrücklich nur die Anerkennung einer PTBS im Vollbild (F43.1). Es mag sein, dass es Fälle gibt, in denen die Feststellung der einen Krankheit als "minus" in einem Antrag auf Feststellung einer anderen Krankheit enthalten ist. Dies kann etwa - auf psychiatrischem Fachgebiet - für die verschiedenen Schweregrade depressiver Episoden (F32.- und F33.- nach ICD-10) gelten, weil hier nach quantitativen Kriterien unterschieden wird. Grundsätzlich dagegen ist eine Krankheit, die eine eigene Codierung nach der ICD-10 oder einem anderen Diagnose- und Klassifizierungssystem hat, etwas anderes als eine andere Krankheit, also ein "aliud". Dies gilt nach Ansicht des Senats auch für die verschiedenen Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43.- nach ICD-10), weil diese Krankheiten qualitativ, nach Symptomen und Auslösern, unterschieden werden.
Zumindest im konkreten Falle durfte das SG jedenfalls nicht davon ausgehen, dass konkludent - auch nur hilfsweise - ein Antrag auf Feststellung einer "sonstigen Reaktion" gestellt war. Der Klägerin ging es während des gesamten Verfahrens ausdrücklich und ausschließlich um die Anerkennung einer PTBS, keiner anderen Krankheit aus der Gruppe der Erkrankungen bei F43.- nach ICD-10. Dies hatte sie auch noch einmal in dem Schriftsatz vom 30. Mai 2014 deutlich gemacht, indem sie dem Vorschlag von Prof. Dr. Sch. zur Anerkennung einer sonstigen Reaktion dezidiert entgegengetreten war.
Dieser Verstoß gegen § 123 SGG ist nicht geheilt.
Zwar wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der gleichlautenden Vorschrift in § 308 ZPO ein Verstoß gegen den Grundsatz "ne ultra petita" geheilt, wenn der Beklagte die zusprechende Entscheidung mit der Berufung (oder Anschlussberufung) anficht und der Kläger daraufhin Zurückweisung dieser Berufung beantragt. In diesem Falle wird davon ausgegangen, dass sich der Kläger die Antragsüberschreitung des erstinstanzlichen Urteils zu Eigen macht und - nachträglich - einen entsprechenden Verurteilungsantrag stellt, ggfs. nur hilfsweise zu seinem weiter aufrecht erhaltenen Hauptantrag (vgl. nur BGH, Urteile vom 24. Juni 1981 - IVb ZR 513/80 - Juris Rz. 9 und vom 6.10.1998 - XI ZR 313/97 - NJW 1999, 61, 62; vgl. bereits Reichsgericht [RG], Urteil vom 26. Januar 1938 - VI 220/37 - RGZ 157, 23, 24).
Jedoch hat das BSG in seinem Urteil vom 23. April 2015 (B 5 RE 23/14 R –, BSGE (vorgesehen) SozR 4-2600 § 2 Nr. 20) die Übernahme dieser Rechtsprechung für das sozialgerichtliche Verfahren abgelehnt; im Gegensatz zur sozialgerichtlichen Literatur (vgl. nur Keller, a.a.O., § 123 Rz. 6). Das BSG hat dort ausgeführt (a.a.O., juris Rz. 12), "hierin" (also in einem Berufungszurückweisungsantrag des Klägers) finde "entgegen dem äußeren Anschein kein eigenständiges Berufungsbegehren Ausdruck". Es ist allerdings unklar, ob das BSG mit diesem Urteil generell von der Rechtsprechung des BGH (und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes) abweichen wollte (in diesem Falle hätte es nach § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl I S. 661), zuletzt geändert durch Artikel 144 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anrufen müssen, was nicht geschehen ist), oder ob jene Entscheidung dem dortigen Einzelfall geschuldet war. In diese Richtung deuten die weiteren Ausführungen des BSG, wonach in dem dortigen "Zu-Eigen-Machen" des erstinstanzlichen Urteils eine echte Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG lag, für die dann - jedenfalls nach Ansicht des BSG - dem Berufungsgericht nach § 29 SGG die instanzielle Zuständigkeit fehlte (anders zu dieser Rechtsfrage LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. September 2015 – L 3 U 209/12 –, juris Rz. 28) und für die außerdem weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen fehlten, weil der neue Streitgegenstand nicht Gegenstand des Verwaltungs- und des Widerspruchsverfahrens gewesen war.
Der erkennende Senat lässt offen, ob die Rechtsprechung des BGH, wonach ein Kläger ein obsiegendes Urteil aus der ersten Instanz, das er gar nicht beantragt hatte, durch den bloßen Antrag auf Zurückweisung der dagegen erhobenen Beklagtenberufung retten kann oder nicht. Zumindest in diesem konkreten Fall liegen auch die Voraussetzungen nicht vor, die der BGH für seine diesbezügliche Rechtsprechung zu § 308 ZPO aufgestellt hat.
Zum einen hat die Klägerin - ganz formal betrachtet - in der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2016 keinen Antrag gestellt, die dort zu Protokoll des Senats erhobene Anschlussberufung zurückzuweisen.
Und zum anderen hat sie - wie schon vor dem SG - durch ihre inhaltlichen Ausführungen im Berufungsverfahren und auch durch ihren Verurteilungsantrag im Rahmen ihrer Berufung deutlich gemacht, dass sie weiterhin nur an der Anerkennung einer PTBS und nicht stattdessen an einer Erkrankung nach F43.8 nach ICD-10 interessiert war. In einem solchen Fall wäre es mit den Grundsätzen der Parteimaxime nicht vereinbar, einem Kläger zu unterstellen, er wolle sich doch die zusprechende, aber nicht beantragte erstinstanzliche Entscheidung zu Eigen machen.
Selbstständig tragend stützt sich der Senat daneben aber auch darauf, dass bei der Klägerin auch keine Gesundheitsschädigung nach F43.8 nach ICD-10 als Folge der Inhaftierung vorliegt.
Es ist zwar davon auszugehen, dass die Klägerin in der Zeit nach der Inhaftierung mehrfach an Anpassungsstörungen litt. Die erste bestand, wie bereits ausgeführt, in der Zeit unmittelbar nach der Inhaftierung bis zur Einreise in die damaligen Bundesrepublik und der Zuweisung nach Baden-Württemberg. Diese Anpassungsstörung war jedoch alsbald ausgeheilt. Weitere Anpassungsreaktionen entstanden im zeitlichen Umfeld zur Einsicht in die Stasi-Akten und der Scheidung von ihrem Ehemann Mitte der 1990-er Jahre, eventuell nach dem Arbeitsunfall 2003 und vor allem auch nach dem (erstmaligen) Urlaubsbesuch in den neuen Ländern im Jahre 2008. Abgesehen davon, dass sich auch diese Anpassungsstörungen alsbald wieder zurückgebildet hatten, beruhen sie nicht mehr - auch nicht im Sinne einer hinreichend wahrscheinlichen wesentlichen (Mit)verursachung - auf dem schädigenden Ereignis.
Bei dieser Bewertung stützt sich der Senat im Wesentlichen auf die überzeugenden Ausführungen und Schlussfolgerungen von Frau O.-P ... Diese Gutachterin hat die Anpassungsreaktion, welche die Klägerin nach dem Besuch in den neuen Ländern 2008 erlitten hatte, als rückläufig bezeichnet (S. 29 GA) und konnte sich dabei auf die Angaben des Behandlers Dr. V. stützen, der in seinem Bericht vom 9. März 2009 angegeben hatte, nach der verhaltenstherapeutischen Behandlung seien die depressiven Symptome "weitgehend remittiert". Von den vorbestehenden Symptomen hatte Frau O.-P. nur die Schlafstörung, die Anlass der psychischen Behandlungen gewesen war, auf die Inhaftierung in der DDR zurückgeführt, und dies auch nur teilweise und nur möglicherweise (S. 28 GA f.). Diese Schlafstörung lag aber, wie ausgeführt, ab 2008 oder 2009 nicht mehr vor.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat auch nicht den Kausalitätserwägungen von Prof. Dr. Sch. aus dem Gutachten vom 28. April 2014 beitreten. Der Gutachter hat selbst ausgeführt, dass jene Symptome, die er seiner Diagnose zu Grunde gelegt hat, erst nach einer "Phase von mehreren Jahren ohne psychiatrisch relevante Diagnosen" (S. 65 GA), nämlich erstmals ab 2008 (S. 70 GA), aufgetreten sind. Dem Gutachter kann zwar darin beigetreten werden, dass die Inhaftierung im rein naturwissenschaftlichen Sinne eine Mitursache für diese ab 2008 aufgetretene Symptomatik war (S. 70 GA). Der Senat folgt ihm jedoch nicht in der rechtlich geprägten Einschätzung, dass das schädigende Ereignis wesentlich zu dieser Erkrankung beigetragen hat. Die akuten Auslöser im Jahre 2008, vor allem der Aufenthalt in den neuen Ländern, standen deutlich im Vordergrund. Dass - wie Prof. Dr. Sch. ausführt - ein "spezifisches inneres Verhältnis" zwischen der Schädigung durch die Inhaftierung und den weiteren Ursachen für das Entstehen der Erkrankung im Jahre 2008 besteht, führt nicht zur Annahme eines wesentlichen Ursachenbeitrags. Es trifft zwar zu, dass ein Besuch in den neuen Ländern bei einem Menschen, der nicht früher in der DDR inhaftiert gewesen war, nicht jene Reaktion hätte verursachen können, die bei der Klägerin aufgetreten ist. Gleichwohl ist der Senat im Rahmen der wertenden Abwägung, der bei unterschiedlichen Ursachenbeiträgen vonnöten ist, zu der Ansicht gelangt, dass - auch angesichts des langen zeitlichen Abstands zwischen dem Ende der Inhaftierung und dem Besuch in den neuen Ländern - der Ursachenbeitrag der Inhaftierung untergeordnet war. Dies reicht für die Bejahung eines Zusammenhangs nicht aus. Das BSG hat jüngst erneut betont, dass gerade im Recht der "SED-Unrechtsbereinigung" (Rehabilitierung) die Verfolgungsmaßnahme versorgungsrechtlich nur dann im Rechtssinn wesentlich und die Schädigungsfolge der Verfolgungsmaßnahme zuzurechnen ist, wenn die Verfolgungsmaßnahme verglichen mit den übrigen Umständen in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs mindestens annähernd gleichwertig ist (Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, SozR 4-7945 § 3 Nr. 1, zit. nach juris; BSG, Urteil vom 20. Juli 2005, B 9a V 1/05 R, zit. nach juris).
Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf eine Beschädigtenversorgung zu.
Dies beruht zum Einen darauf, dass - wie ausgeführt - keine Gesundheitsbeeinträchtigung vorliegt, die als Folge des schädigenden Ereignisses anzuerkennen wäre.
Unabhängig davon weist der Senat auch darauf hin, dass bei der Klägerin auch keine Funktionseinbußen vorliegen, die einen rentenberechtigenden GdS von 30 bzw. 25 begründen könnten.
Der Senat orientiert sich bei der Prüfung des GdS an den Versorgungsmedizinische Grundsätzen (VG) in der Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV), die seit dem 1. Januar 2009 an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) angewandten AHP getreten sind (Urteil des Senats vom 27. August 2015 – L 6 VG 2141/13 –, Rz. 48, juris).
Nach Nr. 3.7 VG ist für Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen im Falle leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen der GdS 0 bis 20. Bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) 30 bis 40. Bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 50 bis 70, mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80-100. Hierbei sind auch die Vorschläge des Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 6./7. November 2008 zu berücksichtigen, wonach ein GdS von wenigstens 30 gerechtfertigt ist, wenn alle Kriterien der PTBS erfüllt sind (S. 3 oben des Beschlusses). Es ist aber darauf hinzuweisen, dass maßgeblich für die Bewertung des GdS die Vorgaben der VG sind, denen Rechtsnormqualität zukommt und die Einschätzung des Beirats nur einen Vorschlag darstellt. Dass eine solche ärztliche Einschätzung nicht zwingend ist, zeigt sich z.B. darin, dass im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), die aus einer PTBS folgt, bei einer im Vollbild ausgeprägten Erkrankung lediglich "bis zu 30" beträgt und nur besonders schwere Formen höher bewertet werden können (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 157; vgl. hierzu auch Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen – AWMF - Stand: 31. März 2012, gültig bis 31. März 2017, S. 82).
Bei der Klägerin ist kein höherer GdS als 20 auf Grund der anerkannten subsyndromalen PTBS festzustellen. Dies gilt selbst nach den genannten Vorschlägen des Beirats, weil eine PTBS im Vollbild nicht besteht. Und auch bei direkter Anwendung der VG zeigt sich, dass jene Funktionseinbußen, die bei der Klägerin aus der schädigungsbedingten Erkrankung folgen - unter Außerachtlassung der Beeinträchtigungen auf Grund der nicht schädigungsbedingten depressiven Erkrankung - noch nicht zu einer "wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit" geführt haben. Hierbei ist auch relevant, dass die Klägerin nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik außerordentlich schnell beruflich Fuß gefasst hat und erfolgreich war, bevor sie auf Grund der Folgen ihres Arbeitsunfalls im Oktober 2003 ihre frühere Stellung verloren hat und seitdem nur mit Unterbrechungen und nur in geringfügigen oder untervollschichtigen Tätigkeiten beschäftigt war. Sie hat es auch geschafft, sich aus einer sie belastenden Ehe zu lösen und eine neue Partnerschaft einzugehen, die nach ihren Angaben bei der Begutachtung bei Prof. Dr. Sch. nach wie vor besteht (S. 41 GA).
Gegen eine nennenswerte Einschränkung spricht, dass die Klägerin sich allen Sachverständigen gegenüber als allseits orientiert und freundlich-zugewandt/aufgeschlossen bei ausgeglichener emotionaler Schwingungsfähigkeit gezeigt hat, nur ein themenspezifischer bedrückter Affekt imponierte, so dass der Ausschluss einer eigentlichen Depressivität für den Senat gut nachvollziehbar war. Eine Traumatherapie hat sie nie durchgeführt, die kurzzeitige Psychotherapie war allein durch die Insomnie veranlasst, worauf die Gutachterin O.-P. zurecht hingewiesen hat.
Auch das Bild, dass die Klägerin nach ihren Angaben bei den beiden Gerichtssachverständigen von sich gezeichnet hat, zeigt einen strukturierten Tagesablauf und eine fortbestehende soziale Einbindung, belegt somit keine nennenswerte Einschränkung. Bis vor einiger Zeit war die Klägerin für mehrere Stunden täglich, über der zeitlichen Inanspruchnahme durch eine Halbtagstätigkeit, als Begleitperson für körperlich behinderte Kinder berufstätig bzw. ehrenamtlich tätig. In der Zeit zwischen den beiden Arbeitsschichten morgens und nachmittags erledigte sie ihren Haushalt. Nachmittags kocht sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten. Sie ist in Vereine eingebunden. Abends geht sie insgesamt dreimal wöchentlich zum Sport, darunter einmal zum Schwimmen (S. 41 GA). Ferner liest die Klägerin, wie ausgeführt, eine bis eineinhalb Stunden am Tag und arbeitet am Computer. Daneben treibt sie regelmäßig Sport. Die Einschränkungen, die sie im Bereich der Mobilität geschildert hat - eine Gehfähigkeit von 400 m bis zu zwei oder drei Stunden, Fahrradfahren bis zu 10 oder 12 km - sind geringfügig, beruhen auch auf den somatischen Beeinträchtigungen und nicht auf der anerkannten Schädigungsfolge. Dass die Klägerin nach ihren Angaben weniger ausgeht als früher (S. 42 GA), liegt in der schlechten gesundheitlichen Verfassung des Lebensgefährten begründet. Letztlich bestehen ausreichende soziale Kontakte, nicht nur zu dem Freund, sondern neben der Familie auch zu einer Freundin in Mannheim und in der Interessengruppe der ehemaligen DDR-Gefangenen. Hiernach stellen die Einbußen der Klägerin in der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft noch eine "leichtere Störung" im Sinne von Teil B Nr. 3.7 VG dar.
Vor diesem Hintergrund folgt der Senat den Vorschlägen von Prof. Dr. Sch. und der Gutachterin O.-P., die einen GdS unter 20 gesehen haben. Nicht überzeugend war dagegen der Vorschlag von Prof. Dr. Ph., der ab Haftentlassung bis Juni 2008 einen GdS von 30 und seitdem einen solchen von 40 vorgeschlagen hat. Prof. Dr. Ph. hat stark auf den - medizinischen - Schweregrad (Ausprägungsgrad) der PTBS bzw. ihrer Symptome abgestellt, auf den es aber - wie ausgeführt - nach den VG vorrangig nicht ankommt. Auf die hiernach maßgeblichen Funktionseinbußen der Klägerin ist Prof. Dr. Ph. nicht tiefer eingegangen. Er hat insoweit nur abstrakt "körperliche Schmerzen, Beeinträchtigung von Aktivität und Teilhabe, "Leidensdruck" genannt (S. 58 GA), aber dies nicht an einzelne, konkreten Einbußen im Alltag der Klägerin auf physischer, psychischer und vor allem sozialer Leidensebene festgemacht. Insoweit finden sich in seinem Gutachten nur Abgrenzungen zu den Vorschlägen der Gutachterin O.-P. und Prof. Dr. Sch., aber keine eigene Würdigung.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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