Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 35 AL 1844/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 68/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2016 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 9. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2015 wird aufgehoben, soweit die Beklagte darin eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Umfang von 135 Tagen verlautbart hat.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Sperrzeit nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags.
Die 1957 geborene Klägerin war seit 1982 bis 31. März 2014 bei der B AG (im Folgenden: Arbeitgeberin) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 12. Dezember 2013 schloss sie mit ihrer Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag, der das bestehende Arbeitsverhältnis wegen struktureller Anpassungsmaßnahmen, von denen auch der Arbeitsplatz der Klägerin betroffen sei, mit Ablauf des 31. März 2014 beendete. Eine anderweitige Beschäftigung im Unternehmen sei nicht möglich. Die Klägerin erhielt eine Abfindung iHv 225.454,46 EUR. Laut der Arbeitsbescheinigung vom 9. März 2015 galt für die Klägerin eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende; ferner heißt es dort weiter, die Arbeitgeberin hätte das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt.
Nach einer Arbeitslosmeldung und Antragstellung auf Arbeitslosengeld (Alg) am 26. Februar 2015 bewilligte die Beklagte mWv 26. Februar 2015 vorläufig Alg für 540 Kalendertage (bis 12. April 2016) iH eines täglichen Leistungsbetrages von 53,51 EUR. Über die vorläufige Minderung im Umfang von 135 Tagen ergehe noch eine abschließende Entscheidung (Bescheid vom 16. März 2015). Mit Bescheiden vom 9. April 2015 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen vom 1. April 2014 bis 23. Juni 2014 fest und verminderte die Dauer des Leistungsanspruchs um ein Viertel der Anspruchsdauer, mithin um 135 Tage. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags ohne wichtigen Grund selbst gelöst. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2015).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Aufhebung der Sperrzeit gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. März 2016 abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Beklagte habe zu Recht eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe vom 1. April 2014 bis 23. Juni 2014 verhängt. Eine betriebsbedingte Kündigung habe der Klägerin zum Beendigungszeitpunkt nicht gedroht. Hiergegen spreche schon die Kündigungsfrist.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Auf die Berufungsbegründung vom 13. Mai 2016, mit der die Klägerin im Wesentlichen auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. Mai 2012 (- B 11 AL 6/11 R -) Bezug nimmt, wird verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2016 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2015 aufzuheben, soweit darin eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe vom 1. April 2014 bis 23. Juni 2014 festgestellt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
Die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, mit der diese sich bei verständiger Würdigung ihres Begehrens (vgl § 103 SGG) sowohl gegen den Sperrzeitbescheid vom 9. April 2015 als auch den weiteren Bescheid vom 9. April 2015 über die Alg-Bewilligung für die Zeit vom 26. Februar 2015 bis 12. April 2016 unter Minderung des Anspruches um 135 Tage wendet – beide Bescheide bilden eine "Bescheideinheit" (st Rspr, vgl BSG, Beschluss vom 10. Juli 2016 – B 11 AL 30/16 B – juris – mwN aus der Rspr des BSG) -, ist begründet. Der Minderung des Alg-Anspruchs steht § 148 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – SGB III – in der ab 1. April 2012 geltenden und hier anwendbaren Fassung entgegen. Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Klägerin ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses mit Ablauf des 31. März 2014 nicht zur Seite gestanden hat und deshalb eine Sperrzeit vom 1. April 2014 bis 23. Juni 2014 (zwölf Wochen) eingetreten ist. Der mWv 26. Februar 2015 und damit weniger als ein Jahr erstmals nach dem sperrzeitbegründenden Ereignis (1. April 2014) entstandene Alg-Anspruch war indes nicht um ein Viertel der Anspruchsdauer von 540 Kalendertagen, also um 135 Tage, zu mindern (§ 148 Abs. 1 Nr 4 Halbs 2 SGB III). Denn die Klägerin ist im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte sie ihren Alg-Antrag erst am 2. April 2015 und damit zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem der Eintritt der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nicht mehr zu einer Minderung der Anspruchsdauer geführt hätte, weil das sperrzeitbegründende Ereignis länger als ein Jahr zurückgelegen hätte.
Rechtsgrundlage einer - allein in Betracht kommenden - Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ist § 159 SGB III. Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III ua vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe).
Die Klägerin hat das Beschäftigungsverhältnis dadurch gelöst hat, dass sie mit ihrer Arbeitgeberin am 12. Dezember 2013 mW zum 31. März 2014 einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat. Damit hat sie ihre Arbeitslosigkeit auch zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, führt er nach der Rspr des BSG seine Arbeitslosigkeit jedenfalls grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (vgl BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 10 Rn 14 mwN; BSG, Urteil vom 2. Mai 2012 – B 11 AL 6/11 R = SozR 4-4300 § 144 Nr 23 Rn 15). Eine solche Aussicht hatte die Klägerin nicht.
Die Klägerin hatte für ihr Verhalten keinen wichtigen Grund. Unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung steht der Abschluss eines Aufhebungsvertrags bei drohender betriebsbedingter Kündigung des Arbeitgebers zwar auch bei Vereinbarung einer Abfindung der Annahme eines wichtigen Grunds nicht entgegen. Dabei ist in entsprechender Anwendung des § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht zu prüfen, ob die drohende Arbeitgeberkündigung rechtmäßig ist (vgl BSG, Urteil vom 2. Mai 2012 – B 11 AL 6/11 R – Rn 16 ff). Nach der stRspr des BSG ist über das Vorliegen eines wichtigen Grunds unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese soll die Versichertengemeinschaft vor Risikofällen schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, sondern ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss objektiv gegeben sein (vgl BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 21 Rn 12; BSGE 99, 154 = SozR 4-4300 § 144 Nr 17 Rn 35; BSG aaO Rn 17).
Einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags hat der Arbeitnehmer nach der genannten BSG-Rspr, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, dann, wenn der Arbeitgeber mit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum gleichen Beendigungszeitpunkt gedroht hat und dem Arbeitnehmer die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten war (vgl BSG aaO Rn 18, 19; BSGE 97, 1, 3 f = SozR 4-4300 § 144 Nr 13, Rn 13 ff; BSGE 89, 243, 248 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24). Die genannten Voraussetzungen für die Annahme eines wichtigen Grundes sind vorliegend schon deshalb nicht erfüllt, weil eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. März 2014 zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages nicht gedroht hat. Die Arbeitgeberin hatte – wie sich aus der Arbeitsbescheinigung ergibt - keine entsprechende Kündigungsabsicht zum 31. März 2014. Dem hätte im Übrigen auch die anwendbare Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende widersprochen. Auch die Klägerin hat eine drohende Kündigung zum 31. März 2014 nicht plausibel behauptet. Vielmehr hat sie in ihrer Berufungsbegründung ausgeführt, die Arbeitgeberin hätte sie wegen des Wegfalls des Arbeitsplatzes andernfalls in eine andere Abteilung "ohne festen Arbeitsplatz" versetzt ("offener Pool"), so dass sie sich gezwungen gesehen habe, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen.
Die Sperrzeit beginnt mit dem die Sperrzeit begründenden Ereignis (Ende des Arbeitsverhältnisses) und beläuft sich auf zwölf Wochen (§ 159 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Sie läuft vorliegend somit vom 1. April 2014 bis 23. Juni 2014. Eine Verkürzung auf sechs Wochen gemäß § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr 2b SGB III kommt nicht in Betracht, weil eine besondere Härte nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen hier für die Klägerin nicht ersichtlich ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der der Klägerin zustehende Alg-Anspruch wegen der Sperrzeit nicht ruhte, weil Alg-Leistungen ohnehin erst für eine Zeit nach Ablauf der Sperrzeit in Streit stehen.
Die Klägerin hätte im vorliegenden Fall allerdings den Eintritt der Minderung (§ 148 Abs. 1 Nr 4 Halbs 2 SGB III), wenn sie den Antrag auf Alg erst für die Zeit ab 2. April 2014 gestellt hätte. Denn nach § 148 Abs. 2 Satz 2 SGB III entfällt die Anspruchsminderung bei Sperrzeiten wegen Arbeitsaufgabe, wenn das die Sperrzeit begründende Ereignis bei Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg länger als ein Jahr zurückliegt. Das sperrzeitbegründende Ereignis ist - wie ausgeführt – am 1. April 2014 eingetreten. Die Jahresfrist der vorgenannten Bestimmung endete gemäß § 26 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) iVm § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) demzufolge am 1. April 2015. Hätte die Klägerin ihren Antrag auf Alg mithin auf den 2. April 2015 verschoben, so hätte ihr ein Anspruch auf Alg für 540 Tage, dh ohne Minderung zustehen können, soweit auch die anderen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg gemäß zum 2. April 2015 und für die gesamte Anspruchsdauer vorgelegen hätten. Insbesondere wäre auch die Anwartschaftszeit bei einer Verschiebung des Antrags auf den 2. April 2015 noch erfüllt gewesen, weil die Klägerin in der Rahmenfrist (vgl § 143 SGB III) von zwei Jahren vom 1. April 2015 bis 31. März 2013 mindestens zwölf Monate einem Versicherungspflichtverhältnis stand. Die Klägerin ist im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs entsprechend zu behandeln.
Dieser Anspruch hat zunächst zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - SGB I -), verletzt hat. Auch wenn die Klägerin nicht konkret um eine Beratung bei der Beklagten nachgesucht hätte, war diese von sich aus verpflichtet, die Klägerin auf die Möglichkeit eines weiteren Aufschubs ihres Alg-Antrags hinzuweisen. Die Beklagte ist auch von Amts wegen gehalten, Leistungsempfänger bei Vorliegen eines konkreten Anlasses von sich aus "spontan" auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nutzen würde (vgl zur vorliegenden Fallgestaltung BSG, Urteil vom 5. August 1999 – B 7 AL 38/98 R = SozR 3-4100 § 110 Nr 2; ferner BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 12 mwN; BSGE 60, 79, 86 = SozR 4100 § 100 Nr 11; BSGE 46, 124, 126 = SozR 2200 § 1290 Nr 11; BSGE 41, 126, 128 = SozR 7610 § 242 Nr 5). Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage tritt, allein nach den objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 16, S 50; BSG SozR 5070 § 10 Nr 25, S 56 mwN).
Nach dem im Februar 2015 gestellten Alg-Antrag und der Arbeitsbescheinigung vom 9. März 2015 war für die Beklagte offenkundig, dass die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag beendet und anlässlich der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2014 eine Abfindung iHv 233.846,21 EUR erhalten hatte. Weiterhin war offenkundig, dass die Klägerin ihren Alg-Antrag bereits aufgeschoben hatte und damit ua erreichen wollte, Nachteile für ihren Alg-Anspruch (durch ein Ruhen aufgrund der Abfindung) abzuwenden. Für die Beklagte war deshalb auch ohne weiteres erkennbar, dass die Klägerin aufgrund der Höhe der erhaltenen Abfindung und ihrer günstigen Einkommenssituation vor der Arbeitslosigkeit ohne weiteres eine weitere Arbeitslosigkeit von etwas mehr als einem Monat (bis 1. April 2015) finanziell hätte überbrücken können. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte zu der (richtigen) rechtlichen Einschätzung kam, der Anspruch der Klägerin auf Alg mindere sich wegen des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit um ein Viertel, hätte sich die Beklagte deshalb gedrängt sehen müssen, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass bei einem weiteren Aufschub ihres Antrag auf die Zeit nach dem 1. April 2015 eine Minderung der Anspruchsdauer entfalle (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 5. August 1999 – B 7 AL 38/98 R -). Eine entsprechende Beratung ist nicht ersichtlich.
Auch die weitere Voraussetzung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, dass der erlittene Nachteil (durch die "verfrühte" Antragstellung) mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden kann (BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 14, S 56; BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSGE 51, 89, 52 = SozR 2200 § 381 Nr 44), ist erfüllt. Eine fehlende Arbeitslosmeldung ist wegen ihrer spezifischen Funktion zwar nicht ersetzbar. Hier hatte die Klägerin sich jedoch bereits am 26. Februar 2015 bereits arbeitslos gemeldet und auch einen Antrag auf Alg gestellt, wobei nur der Zeitpunkt der Antragstellung für sie ungünstig war. Deshalb stellt sich lediglich die Frage, inwieweit der bereits gestellte Antrag hätte zulässigerweise zurückgenommen werden können, bzw inwieweit dessen Wirksamkeit als materielle Anspruchsvoraussetzung (hierzu BSGE 42, 199, 202 = SozR 4100 § 151 Nr 5) auf einen späteren Zeitpunkt hätte verschoben werden können. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Antrag auf Alg bis zum Wirksamwerden der Entscheidung über die Bewilligung (§ 39 Abs. 1 SGB X) widerrufen werden, weil er so lange ohne Außenwirkung geblieben ist (vgl BSG, Urteil vom 5. August 1999 – B 7 AL 38/98 R – mwN aus der Rspr des BSG). Es bestehen auch keine Bedenken gegen eine Verschiebung des Datums der Antragstellung bei einem bereits vorliegenden wirksamen Antrag im Wege des Herstellungsanspruchs (vgl BSG aaO).
Zwischen der Pflichtverletzung der Beklagten und dem Nachteil für die Klägerin besteht auch der erforderliche ursächliche Zusammenhang. Denn es ist davon auszugehen, dass die Klägerin wie jeder verständige Versicherte in einer gleichartigen Situation - die entsprechende Beratung der Beklagten unterstellt - tatsächlich im Februar 2015 die Antragstellung auf den 2. April 2015 verschoben und auf Alg für die relativ kurze Zeit bis zu diesem Termin verzichtet hätte, um der Minderung des Alg-Anspruchs um 135 Tage zu entgehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Sperrzeit nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags.
Die 1957 geborene Klägerin war seit 1982 bis 31. März 2014 bei der B AG (im Folgenden: Arbeitgeberin) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 12. Dezember 2013 schloss sie mit ihrer Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag, der das bestehende Arbeitsverhältnis wegen struktureller Anpassungsmaßnahmen, von denen auch der Arbeitsplatz der Klägerin betroffen sei, mit Ablauf des 31. März 2014 beendete. Eine anderweitige Beschäftigung im Unternehmen sei nicht möglich. Die Klägerin erhielt eine Abfindung iHv 225.454,46 EUR. Laut der Arbeitsbescheinigung vom 9. März 2015 galt für die Klägerin eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende; ferner heißt es dort weiter, die Arbeitgeberin hätte das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt.
Nach einer Arbeitslosmeldung und Antragstellung auf Arbeitslosengeld (Alg) am 26. Februar 2015 bewilligte die Beklagte mWv 26. Februar 2015 vorläufig Alg für 540 Kalendertage (bis 12. April 2016) iH eines täglichen Leistungsbetrages von 53,51 EUR. Über die vorläufige Minderung im Umfang von 135 Tagen ergehe noch eine abschließende Entscheidung (Bescheid vom 16. März 2015). Mit Bescheiden vom 9. April 2015 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen vom 1. April 2014 bis 23. Juni 2014 fest und verminderte die Dauer des Leistungsanspruchs um ein Viertel der Anspruchsdauer, mithin um 135 Tage. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags ohne wichtigen Grund selbst gelöst. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2015).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Aufhebung der Sperrzeit gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. März 2016 abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Beklagte habe zu Recht eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe vom 1. April 2014 bis 23. Juni 2014 verhängt. Eine betriebsbedingte Kündigung habe der Klägerin zum Beendigungszeitpunkt nicht gedroht. Hiergegen spreche schon die Kündigungsfrist.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Auf die Berufungsbegründung vom 13. Mai 2016, mit der die Klägerin im Wesentlichen auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. Mai 2012 (- B 11 AL 6/11 R -) Bezug nimmt, wird verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2016 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2015 aufzuheben, soweit darin eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe vom 1. April 2014 bis 23. Juni 2014 festgestellt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
Die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, mit der diese sich bei verständiger Würdigung ihres Begehrens (vgl § 103 SGG) sowohl gegen den Sperrzeitbescheid vom 9. April 2015 als auch den weiteren Bescheid vom 9. April 2015 über die Alg-Bewilligung für die Zeit vom 26. Februar 2015 bis 12. April 2016 unter Minderung des Anspruches um 135 Tage wendet – beide Bescheide bilden eine "Bescheideinheit" (st Rspr, vgl BSG, Beschluss vom 10. Juli 2016 – B 11 AL 30/16 B – juris – mwN aus der Rspr des BSG) -, ist begründet. Der Minderung des Alg-Anspruchs steht § 148 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – SGB III – in der ab 1. April 2012 geltenden und hier anwendbaren Fassung entgegen. Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Klägerin ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses mit Ablauf des 31. März 2014 nicht zur Seite gestanden hat und deshalb eine Sperrzeit vom 1. April 2014 bis 23. Juni 2014 (zwölf Wochen) eingetreten ist. Der mWv 26. Februar 2015 und damit weniger als ein Jahr erstmals nach dem sperrzeitbegründenden Ereignis (1. April 2014) entstandene Alg-Anspruch war indes nicht um ein Viertel der Anspruchsdauer von 540 Kalendertagen, also um 135 Tage, zu mindern (§ 148 Abs. 1 Nr 4 Halbs 2 SGB III). Denn die Klägerin ist im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte sie ihren Alg-Antrag erst am 2. April 2015 und damit zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem der Eintritt der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nicht mehr zu einer Minderung der Anspruchsdauer geführt hätte, weil das sperrzeitbegründende Ereignis länger als ein Jahr zurückgelegen hätte.
Rechtsgrundlage einer - allein in Betracht kommenden - Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ist § 159 SGB III. Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III ua vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe).
Die Klägerin hat das Beschäftigungsverhältnis dadurch gelöst hat, dass sie mit ihrer Arbeitgeberin am 12. Dezember 2013 mW zum 31. März 2014 einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat. Damit hat sie ihre Arbeitslosigkeit auch zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, führt er nach der Rspr des BSG seine Arbeitslosigkeit jedenfalls grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (vgl BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 10 Rn 14 mwN; BSG, Urteil vom 2. Mai 2012 – B 11 AL 6/11 R = SozR 4-4300 § 144 Nr 23 Rn 15). Eine solche Aussicht hatte die Klägerin nicht.
Die Klägerin hatte für ihr Verhalten keinen wichtigen Grund. Unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung steht der Abschluss eines Aufhebungsvertrags bei drohender betriebsbedingter Kündigung des Arbeitgebers zwar auch bei Vereinbarung einer Abfindung der Annahme eines wichtigen Grunds nicht entgegen. Dabei ist in entsprechender Anwendung des § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht zu prüfen, ob die drohende Arbeitgeberkündigung rechtmäßig ist (vgl BSG, Urteil vom 2. Mai 2012 – B 11 AL 6/11 R – Rn 16 ff). Nach der stRspr des BSG ist über das Vorliegen eines wichtigen Grunds unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese soll die Versichertengemeinschaft vor Risikofällen schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, sondern ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss objektiv gegeben sein (vgl BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 21 Rn 12; BSGE 99, 154 = SozR 4-4300 § 144 Nr 17 Rn 35; BSG aaO Rn 17).
Einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags hat der Arbeitnehmer nach der genannten BSG-Rspr, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, dann, wenn der Arbeitgeber mit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum gleichen Beendigungszeitpunkt gedroht hat und dem Arbeitnehmer die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten war (vgl BSG aaO Rn 18, 19; BSGE 97, 1, 3 f = SozR 4-4300 § 144 Nr 13, Rn 13 ff; BSGE 89, 243, 248 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24). Die genannten Voraussetzungen für die Annahme eines wichtigen Grundes sind vorliegend schon deshalb nicht erfüllt, weil eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. März 2014 zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages nicht gedroht hat. Die Arbeitgeberin hatte – wie sich aus der Arbeitsbescheinigung ergibt - keine entsprechende Kündigungsabsicht zum 31. März 2014. Dem hätte im Übrigen auch die anwendbare Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende widersprochen. Auch die Klägerin hat eine drohende Kündigung zum 31. März 2014 nicht plausibel behauptet. Vielmehr hat sie in ihrer Berufungsbegründung ausgeführt, die Arbeitgeberin hätte sie wegen des Wegfalls des Arbeitsplatzes andernfalls in eine andere Abteilung "ohne festen Arbeitsplatz" versetzt ("offener Pool"), so dass sie sich gezwungen gesehen habe, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen.
Die Sperrzeit beginnt mit dem die Sperrzeit begründenden Ereignis (Ende des Arbeitsverhältnisses) und beläuft sich auf zwölf Wochen (§ 159 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Sie läuft vorliegend somit vom 1. April 2014 bis 23. Juni 2014. Eine Verkürzung auf sechs Wochen gemäß § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr 2b SGB III kommt nicht in Betracht, weil eine besondere Härte nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen hier für die Klägerin nicht ersichtlich ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der der Klägerin zustehende Alg-Anspruch wegen der Sperrzeit nicht ruhte, weil Alg-Leistungen ohnehin erst für eine Zeit nach Ablauf der Sperrzeit in Streit stehen.
Die Klägerin hätte im vorliegenden Fall allerdings den Eintritt der Minderung (§ 148 Abs. 1 Nr 4 Halbs 2 SGB III), wenn sie den Antrag auf Alg erst für die Zeit ab 2. April 2014 gestellt hätte. Denn nach § 148 Abs. 2 Satz 2 SGB III entfällt die Anspruchsminderung bei Sperrzeiten wegen Arbeitsaufgabe, wenn das die Sperrzeit begründende Ereignis bei Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg länger als ein Jahr zurückliegt. Das sperrzeitbegründende Ereignis ist - wie ausgeführt – am 1. April 2014 eingetreten. Die Jahresfrist der vorgenannten Bestimmung endete gemäß § 26 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) iVm § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) demzufolge am 1. April 2015. Hätte die Klägerin ihren Antrag auf Alg mithin auf den 2. April 2015 verschoben, so hätte ihr ein Anspruch auf Alg für 540 Tage, dh ohne Minderung zustehen können, soweit auch die anderen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg gemäß zum 2. April 2015 und für die gesamte Anspruchsdauer vorgelegen hätten. Insbesondere wäre auch die Anwartschaftszeit bei einer Verschiebung des Antrags auf den 2. April 2015 noch erfüllt gewesen, weil die Klägerin in der Rahmenfrist (vgl § 143 SGB III) von zwei Jahren vom 1. April 2015 bis 31. März 2013 mindestens zwölf Monate einem Versicherungspflichtverhältnis stand. Die Klägerin ist im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs entsprechend zu behandeln.
Dieser Anspruch hat zunächst zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - SGB I -), verletzt hat. Auch wenn die Klägerin nicht konkret um eine Beratung bei der Beklagten nachgesucht hätte, war diese von sich aus verpflichtet, die Klägerin auf die Möglichkeit eines weiteren Aufschubs ihres Alg-Antrags hinzuweisen. Die Beklagte ist auch von Amts wegen gehalten, Leistungsempfänger bei Vorliegen eines konkreten Anlasses von sich aus "spontan" auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nutzen würde (vgl zur vorliegenden Fallgestaltung BSG, Urteil vom 5. August 1999 – B 7 AL 38/98 R = SozR 3-4100 § 110 Nr 2; ferner BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 12 mwN; BSGE 60, 79, 86 = SozR 4100 § 100 Nr 11; BSGE 46, 124, 126 = SozR 2200 § 1290 Nr 11; BSGE 41, 126, 128 = SozR 7610 § 242 Nr 5). Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage tritt, allein nach den objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 16, S 50; BSG SozR 5070 § 10 Nr 25, S 56 mwN).
Nach dem im Februar 2015 gestellten Alg-Antrag und der Arbeitsbescheinigung vom 9. März 2015 war für die Beklagte offenkundig, dass die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag beendet und anlässlich der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2014 eine Abfindung iHv 233.846,21 EUR erhalten hatte. Weiterhin war offenkundig, dass die Klägerin ihren Alg-Antrag bereits aufgeschoben hatte und damit ua erreichen wollte, Nachteile für ihren Alg-Anspruch (durch ein Ruhen aufgrund der Abfindung) abzuwenden. Für die Beklagte war deshalb auch ohne weiteres erkennbar, dass die Klägerin aufgrund der Höhe der erhaltenen Abfindung und ihrer günstigen Einkommenssituation vor der Arbeitslosigkeit ohne weiteres eine weitere Arbeitslosigkeit von etwas mehr als einem Monat (bis 1. April 2015) finanziell hätte überbrücken können. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte zu der (richtigen) rechtlichen Einschätzung kam, der Anspruch der Klägerin auf Alg mindere sich wegen des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit um ein Viertel, hätte sich die Beklagte deshalb gedrängt sehen müssen, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass bei einem weiteren Aufschub ihres Antrag auf die Zeit nach dem 1. April 2015 eine Minderung der Anspruchsdauer entfalle (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 5. August 1999 – B 7 AL 38/98 R -). Eine entsprechende Beratung ist nicht ersichtlich.
Auch die weitere Voraussetzung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, dass der erlittene Nachteil (durch die "verfrühte" Antragstellung) mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden kann (BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 14, S 56; BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSGE 51, 89, 52 = SozR 2200 § 381 Nr 44), ist erfüllt. Eine fehlende Arbeitslosmeldung ist wegen ihrer spezifischen Funktion zwar nicht ersetzbar. Hier hatte die Klägerin sich jedoch bereits am 26. Februar 2015 bereits arbeitslos gemeldet und auch einen Antrag auf Alg gestellt, wobei nur der Zeitpunkt der Antragstellung für sie ungünstig war. Deshalb stellt sich lediglich die Frage, inwieweit der bereits gestellte Antrag hätte zulässigerweise zurückgenommen werden können, bzw inwieweit dessen Wirksamkeit als materielle Anspruchsvoraussetzung (hierzu BSGE 42, 199, 202 = SozR 4100 § 151 Nr 5) auf einen späteren Zeitpunkt hätte verschoben werden können. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Antrag auf Alg bis zum Wirksamwerden der Entscheidung über die Bewilligung (§ 39 Abs. 1 SGB X) widerrufen werden, weil er so lange ohne Außenwirkung geblieben ist (vgl BSG, Urteil vom 5. August 1999 – B 7 AL 38/98 R – mwN aus der Rspr des BSG). Es bestehen auch keine Bedenken gegen eine Verschiebung des Datums der Antragstellung bei einem bereits vorliegenden wirksamen Antrag im Wege des Herstellungsanspruchs (vgl BSG aaO).
Zwischen der Pflichtverletzung der Beklagten und dem Nachteil für die Klägerin besteht auch der erforderliche ursächliche Zusammenhang. Denn es ist davon auszugehen, dass die Klägerin wie jeder verständige Versicherte in einer gleichartigen Situation - die entsprechende Beratung der Beklagten unterstellt - tatsächlich im Februar 2015 die Antragstellung auf den 2. April 2015 verschoben und auf Alg für die relativ kurze Zeit bis zu diesem Termin verzichtet hätte, um der Minderung des Alg-Anspruchs um 135 Tage zu entgehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved