Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 1/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 65/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 22/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 07.09.2015 und seine weitergehende Anträge werden zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Auszahlung des ansonsten ihm zustehenden vertragsärztlichen Honorars an einen Dritten.
Er nahm in der Zeit vom 01.03.2007 bis zum 31.08.2007 mit Vertragszahnarztsitz in E der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Am 09.01.2008 wurde über sein Vermögen durch das Amtsgericht (AG) Dortmund das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Insolvenzverwalterin erklärte zum 01.07.2010 die Freigabe seiner Praxis aus der Insolvenzmasse und wies die Beklagte darauf hin, dass ab dem 01.07.2010 Honorarzahlungen wieder an den Kläger zu leisten seien.
In der Zeit vom 01.07.2010 bis zum 30.09.2012 nahm der Kläger mit Praxissitz in H erneut an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Am 09.01.2013 erging ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) durch das AG Dortmund in der Zwangsvollstreckungssache M Zahntechnik GmbH über eine Forderung i.H.v. 25.961,44 EUR zuzüglich etwaiger Zinsen. Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 01.02.2013 den Eingang des PfÜB, erkannte die Pfändung an und teilte mit, dass keine weiteren Forderungen und Abtretungen anderer Gläubiger anhängig seien.
Aufgrund des PfÜB zahlte die Beklagte am 29.04.2013 einen Betrag i.H.v. 2.766,59 EUR (Restzahlung Honorar für das Quartal IV/2012) und am 21.05.2013 i.H.v. 12,83 EUR (Auszahlung Sprechstundenbedarf 2012) an die Pfändungsgläubigerin aus. Diese Zahlungen wurden in der Vierteljahresabrechnung I/2013 vom 29.07.2013 ausgewiesen. Der Kläger erhob keinen Widerspruch.
Am 27.01.2014 führte die Beklagte aufgrund des PfÜB einen in der Vierteljahresabrechnung III/2013 vom 27.01.2014 ausgewiesenen weiteren Betrag von 359,44 EUR an die Pfändungsgläubigerin ab. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger keinen Widerspruch.
Mit Beschluss vom 04.06.2014 erteilte das AG Dortmund dem Kläger die Restschuldbefreiung und stellte fest, dass die ausgenommenen Forderungen gemäß § 302 Insolvenzordnung (InsO) von der Restschuldbefreiung nicht erfasst werden.
Im Rahmen der Vierteljahresabrechnung IV/2013 vom 28.04.2014 wurde zur Buchungsposition 045 "Restz.-Einbehalt Pfändung" in der Rubrik "Gutschrift" und zur Buchungsposition 106 "Überw. an Dritte Restz.-Einbeh" in der Rubrik "Lastschrift" der am 27.01.2014 ausgezahlte Betrag i.H.v. 359,44 EUR erneut ausgewiesen. Die Beklagte wies den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 17.12.2014) und führte aus, sie habe im Rahmen der Erklärungspflicht gemäß § 840 Zivilprozessordnung (ZPO) geprüft, ob ggf. andere Ansprüche an die Forderung gerichtet seien und wie sich die Insolvenz auf die Pfändung auswirke. Infolge der Freigabeerklärung zum 01.07.2010 hätten alle Zahlungen an den Kläger gerichtet und Verbindlichkeiten direkt gegenüber ihm geltend gemacht werden müssen. Daher habe sie davon ausgehen können und müssen, dass zum Zeitpunkt der Zustellung des PfÜB keine Hinderungsgründe durch das Insolvenzverfahren vorgelegen hätten.
Der Kläger hat am 05.01.2015 Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Restschuldbefreiung vom 04.06.2014 habe ihn nach § 286 InsO von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten seiner Gläubiger befreit. Nach § 300a InsO gehöre das Vermögen, das er nach Ende der Abtretungszeit erwerbe, nicht mehr zur Insolvenzmasse.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 28.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag i.H.v. 755,66 EUR an ihn zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Aufgrund des wirksamen PfÜB sei sie verpflichtet gewesen, die gepfändeten Honorarforderungen an die Pfändungsgläubigerin auszuzahlen.
Mit Urteil vom 07.09.2015 hat das Sozialgericht (SG) Münster die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da der Kläger durch den Bescheid vom 28.04.2014 nicht beschwert sei. Dabei handele es sich um eine sog. wiederholende Verfügung, die sich nur auf den Bescheid vom 27.01.2014 beziehe und die dort getroffene Regelung lediglich aus buchungstechnischen Gründen wiederhole. Selbst wenn man die Vierteljahresabrechnung vom 28.04.2014 als belastenden Verwaltungsakt ansehe und damit die Klage zulässig wäre, hätte sie keinen Erfolg. Die Beklagte sei berechtigt und verpflichtet gewesen, das gepfändete Honorar an die Pfändungsgläubigerin auszuzahlen. Die Restschuldbefreiung erfasse nicht die Forderung der M Zahntechnik GmbH. Nach § 268 InsO werde eine natürliche Person als Schuldner durch die Restschuldbefreiung von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern nach Maßgabe der §§ 287 bis 303 InsO befreit. Ausweislich des eindeutigen Wortlauts erfasse die Restschuldbefreiung nur die im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern. Die M Zahntechnik GmbH zähle jedoch nicht zu den Insolvenzgläubigern und die im Vollstreckungsbescheid vom 13.12.2012 titulierte Forderung gehöre nicht zur Insolvenzmasse, weil die Insolvenzverwalterin zum 01.07.2010 eine Freigabeerklärung für die Praxis des Klägers erteilt habe. Die auf § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO gestützte Freigabeerklärung habe zur Folge gehabt, dass der Insolvenzbeschlag bezogen auf die freigegebene Praxis erloschen sei und dass die freigegebenen Vermögensgegenstände aus der Insolvenzmasse ausgeschieden seien. Im Gegenzug hätte das nicht von der Insolvenzmasse erfasste Vermögen des Klägers den Gläubigern zu Verfügung gestanden, deren Forderungen nach der Freigabeerklärung entstanden seien. Der Kläger habe auf Befragen in der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2015 eingeräumt, dass sich der Anspruch der M Zahntechnik GmbH aus der nach der Freigabeerklärung ab dem 01.07.2010 ausgeübten vertragzahnsärztlichen Tätigkeit ergeben habe. Da diese Forderung ebenso wie seine Honoraransprüche nicht zur Insolvenzmasse zähle, werde sie auch nicht von der Restschuldbefreiung erfasst. Selbst wenn sie erfasst würde, könnte dem Klagebegehren wegen der mit dem PfÜB verbundenen Rechtsfolgen nicht entsprochen werden. Wirksamkeitsvoraussetzung für einen PfÜB sei gemäß § 829 Abs. 2 Satz 1 ZPO dessen Zustellung an die Beklagte als Drittschuldnerin. Diese sei am 01.02.2013 erfolgt. Aber auch wenn der PfÜB gegen ein Pfändungsverbot verstoße, führe das nicht zur Nichtigkeit sondern nur zu dessen Anfechtbarkeit im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO. Soweit und solange der PfÜB nicht aufgehoben sei, müsse er von Schuldner und Drittschuldner beachtet werden. Dem über den Betrag von 359,44 EUR hinausgehenden Klagebegehren könne ebenfalls nicht entsprochen werden, denn darüber hinausgehendes Honorar sei weder am 27.01.2014 noch in der Folgezeit an die Pfändungsgläubigerin ausgezahlt worden.
Gegen das ihm am 11.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.09.2015 Berufung eingelegt. Die Insolvenzordnung und hier die §§ 89, 300a und 301 InsO schütze den Schuldner vor ungesetzlichen Gläubigerzugriffen in der sogenannten Abtretungsfrist und nach Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Schuldner sei nicht verpflichtet, die diesbezüglichen Paragraphen zu kennen, der Gerichtsvollzieher, der Insolvenzverwalter, die Beklagte als Drittschuldner und das Sozialgericht sehr wohl. Er werfe der Beklagten Gläubigerbegünstigung nach § 283c Strafgesetzbuch vor.
Wörtlich beantragt der Kläger,
1. Urteilsrevision wegen Rechtsbeugung in der Sache (§ 839 BGB, Artikel 34 Grundgesetz) und wegen Besorgnis der richterlichen Befangenheit (§ 42 ZPO, Art. 103 Grundgesetz)
2. Auszahlung der besagten Euro 755,66 plus versagte Fahrtkostenerstattung Euro 23,50 an meine Person
3. Übernahme der Gerichtskosten (Münster, Essen) durch den Klageverursacher (Zahntechnik M, KZV Münster, Gericht Münster).
Die Beklagte beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung, denen sie sich anschließt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers, mit der er
"Urteilsrevision wegen Rechtsbeugung in der Sache (§ 839 BGB, Artikel 103 Grundgesetz)" (dazu unter 1.), "Auszahlung der besagten Euro 755,66 plus versagte Fahrtkostenerstattung Euro 23,50 an meine Person" (dazu unter 2.) sowie "Übernahme der Gerichtskosten (Münster, Essen) durch die Klageverursacher (Zahntechnik M, KZV Münster, Gericht Münster)" (dazu unter 3. und 4.)
begehrt, hat keinen Erfolg.
1. Die Anträge des Klägers bedürfen der Auslegung.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ungeachtet der Hinweise des Senats an seinem Antrag "Urteilsrevision wegen Rechtsbeugung in der Sache (§ 839 BGB, Artikel 103 Grundgesetz)" festgehalten. Dieser Antrag ist dahingehend auszulegen, dass er mit der Berufung eine möglichst umfangreiche Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils auf seine Rechtmäßigkeit begehrt. Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Prozesshandlungen (wie z.B. Klageanträge) sind nach Maßgabe des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszulegen (Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 20.11.2014 - IV R 47/11 -; Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 13.03.1991 - 6 RKa 20/89 - und 22.03.1988 - 8/5a RKn 11/87 - ). Danach ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, der sich aus den sonstigen Umständen, etwa aus Schriftsätzen oder protokollierten Erklärungen ergeben kann (Humpert in Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 123 Rdn. 4). Berücksichtigt werden können jedoch nur solche Umstände, die für das Gericht und für die anderen Prozessbeteiligten erkennbar sind (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 25.03.1980 - 2 BvL 9/79 - und 2 BvL 10/79; BSG, Urteil vom 22.03.1988 - 8/5a RKn 11/87 -). Dabei sind alle bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 20.11.2014 - IV R 47/11 -). Bei der Auslegung des Klageantrags ist im Zweifel wegen des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör das als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2016 - II ZR 305/14 -; Beschluss vom 20.01.2016 - I ZB 102/14 -; Beschluss vom 27.1.2015 - II ZR 191/13 -; BFH, Urteil vom 20.11.2014 - IV R 47/11 -).
Hier beantragt der Kläger "Urteilsrevision wegen Rechtsbeugung in der Sache". Das ist rechtlich widersinnig und bedarf der Auslegung. Grundsätzlich bedeutet "Revision" "Durchsicht; Prüfung; Änderung" (Duden, 26. Auflage, 2013). Im Rechtssinne bedeutet "Revision" eine "Überprüfung eines Urteils" (Duden, a.a.O.). Dass der Kläger eine inhaltliche Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils begehrt, ergibt sich auch aus seinem weiteren Vorbringen in seiner Berufungsschrift vom 21.09.2015. Zur Begründung trägt er vor:
"Die Insolvenzordnung, hier die §§ 89 (Vollstreckungsverbot), 300a und 301, schützt den Schuldner vor ungesetzlichen Gläubigerzugriffen in der sogenannten Abtretungsfrist und durch Erteilung der Restschuldbefreiung (09.01.14)!
Der Schuldner ist nicht verpflichtet, die diesbezüglichen Gesetzparagraphen zu kennen; Der Gerichtsvollzieher, der Insolvenzverwalter, der Drittschuldner KZV und das Sozialgericht aber sehr wohl.
Der deutsche Bürger kann erwarten, dass vor allem staatliche Institutionen diese Gesetze (Insolvenzrecht) respektieren und richtig anwenden.
In meinem Fall ist das leider nicht geschehen. Wo kommen wir hin, wenn Rechtsregeln nur noch wirkungslos auf dem Papier stehen?
Darüberhinaus werfe ich der KZV Münster nach § 283c StGB Gläubigerbegünstigung vor. Die KZV (Bestandteil der Zahnärztekammer) hat meine zahnärztlichen Interessen zu vertreten. Zahntechniker gehören der Handwerkskammer an!!!"
Mithin hat der Kläger in seinem Antrag trotz der Nennung des § 839 BGB nicht zum Ausdruck gebracht, über eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils hinaus einen weitergehenden (Zahlungs-)anspruch in Form eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 BGB geltend zu machen. Hierzu ergibt sich auch nichts aus seinen weiteren Schriftsätzen oder aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung am 26.10.2016. Vielmehr hat er unter dem 04.03.2016 dem Senat mitgeteilt:
". die Berufung des Münsteraner Schandurteils bleibt aufrecht erhalten.
Begründung: Ich sehe mich weiterhin voll im Recht! Die bislang verweigerten 800 Euro zahnärztliches Honorar zuzüglich Fahrtkosten nach Münster (und zurück) von 25 Euro stehe mit nach gültigen Insolvenzrecht (hier: Restschuldbefreiung rückwirkend) zu!! Jede andere Entscheidung wäre Rechtsbeugung und zöge eine Revisionsklage vor der nächsten Instanz (Bundessozialgericht) nach sich."
Eine möglichst umfangreiche Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils kann der Kläger im Wege der Berufung gemäß § 143 SGG erhalten. Nach § 157 SGG prüft das Landessozialgericht den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.
2. Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
a) Entgegen der Auffassung des SG ist die Klage zulässig. Soweit die Klage den Widerspruchsbescheid vom 17.12.2014 anficht, ist sie jedenfalls als isolierte Anfechtungsklage statthaft. Der Widerspruchsbescheid enthält mit der Zurückweisung des Widerspruchs gegen die Vierteljahresabrechnung IV/2013 vom 28.04.2014 eine eigenständige Regelung mit Verwaltungsaktqualität (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 13.03.2013 - L 2 AL 27/12 -).
b) Allerdings ist die Klage nicht begründet. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 23.12.2015 (Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags) dargelegt dass die Beklagte jedenfalls an den PfÜB des AG Dortmund vom 22.01.2013 - 233 M 83/13 - gebunden und daher verpflichtet war, an die Löger Zahntechnik GmbH zu zahlen. Hierauf wird Bezug genommen. Im Übrigen gilt:
Mit dem PfÜB wurde dem Drittschuldner (der Beklagten) - soweit die Forderung gepfändet war - verboten, an den Schuldner (Kläger) zu zahlen (vgl. § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Gleichzeitig wurde der Drittschuldner verpflichtet, die gepfändete Forderung an den (Vollstreckungs-)gläubiger zu zahlen. Der PfÜB war auch wirksam. Er ist nicht etwa - aufgrund von Rechtsbehelfen des Klägers - gerichtlich aufgehoben worden und gilt daher nach § 836 Abs. 2 ZPO zugunsten des Drittschuldners (der Beklagten) dem Schuldner (Kläger) gegenüber als rechtsbeständig, selbst wenn er - wofür kein Anhaltspunkt besteht - zu Unrecht erlassen worden sein sollte (Senat, Urteil vom 25.11. 2015 - L 11 KA 18/14 - m.w.N.; Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 27.11.2013 - 8 Sa 218/13 -; Verwaltungsgericht München, Urteil vom 06.12.2004 - M 12 K 03.4720 -). Die Wirkung eines PfÜB bleibt nach § 836 Abs. 2 ZPO ungeachtet seiner möglichen Unzulässigkeit solange bestehen, bis er aufgehoben wird und die Aufhebung zur Kenntnis des Drittschuldners gelangt (BSG, Urteil vom 12.06.1992 - 11 RAr 139/90 -; Senat, Urteil vom 25.11.2015 - L 11 KA 18/14 - m.w.N.).
Bei einem Verstoß gegen ein Pfändungsverbot oder eine Pfändungsbeschränkung, der keine Nichtigkeit bewirkt, ist lediglich die Anfechtung möglich (Landgericht Lüneburg, Urteil vom 19.06.2008 - 1 S 22/08 -). Der anfechtbare PfÜB ist bis zu seiner Aufhebung wirksam. Den Drittschuldner schützt § 836 Abs. 2 ZPO; zu seinen Gunsten gilt der zu Unrecht erlassene Überweisungsbeschluss bis zu seiner Aufhebung als rechtsgültig (Oberlandesgericht Thüringen, Beschluss vom 12.04.2012 - 1 UF 648/11 -). Soweit der Kläger den PfÜB für rechtswidrig hält, hätte er sich mithin mit Rechtsbehelfen an das AG Dortmund wenden müssen.
c) Soweit der Kläger die Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 23,50 EUR beantragt, ist das SG zuständig. Der Antrag wurde ausweislich Blatt 25 des Kostenheftes bereits mit Schreiben vom 05.10.2015 an das zuständige SG weitergeleitet. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. Zuständig ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 JVEG das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist, hier also das SG. Der Senat hat hierüber nicht zu entscheiden.
3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Verfahrenskosten durch "die Klageverursacher (Zahntechnik M, KZV Münster, Gericht Münster)". Zu Recht hat ihm das SG gemäß § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Kosten des Verfahrens auferlegt. Nach dieser Regelung trägt der unterliegende Teil, hier also der Kläger, die Kosten des Verfahrens.
Auch musste das SG nicht prüfen, ob es die Kosten des Verfahrens nach § 192 Abs. 1 SGG der Beklagten ganz oder teilweise hätte auferlegen müssen. Diese Vorschrift ist hier nicht anwendbar. Für das Verfahren sind gemäß § 197a Abs. 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes zu erheben, weil weder der Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. In diesem Fall finden nach § 197a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz die §§ 184 bis 195 SGG - und damit § 192 SGG - keine Anwendung. Auch die Voraussetzungen des nach § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Halbsatz anwendbaren § 155 Abs. 4 VwGO, wonach die Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligen entstanden sind, diesem auferlegt werden können, liegen nicht vor. Die Beklagte hat keine Kosten verschuldet.
4. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Gemäß § 154 Abs. 2 VwGO fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Rechtsmittelführer ist der Kläger, die Berufung wird zurückgewiesen und ist damit erfolglos.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Auszahlung des ansonsten ihm zustehenden vertragsärztlichen Honorars an einen Dritten.
Er nahm in der Zeit vom 01.03.2007 bis zum 31.08.2007 mit Vertragszahnarztsitz in E der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Am 09.01.2008 wurde über sein Vermögen durch das Amtsgericht (AG) Dortmund das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Insolvenzverwalterin erklärte zum 01.07.2010 die Freigabe seiner Praxis aus der Insolvenzmasse und wies die Beklagte darauf hin, dass ab dem 01.07.2010 Honorarzahlungen wieder an den Kläger zu leisten seien.
In der Zeit vom 01.07.2010 bis zum 30.09.2012 nahm der Kläger mit Praxissitz in H erneut an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Am 09.01.2013 erging ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) durch das AG Dortmund in der Zwangsvollstreckungssache M Zahntechnik GmbH über eine Forderung i.H.v. 25.961,44 EUR zuzüglich etwaiger Zinsen. Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 01.02.2013 den Eingang des PfÜB, erkannte die Pfändung an und teilte mit, dass keine weiteren Forderungen und Abtretungen anderer Gläubiger anhängig seien.
Aufgrund des PfÜB zahlte die Beklagte am 29.04.2013 einen Betrag i.H.v. 2.766,59 EUR (Restzahlung Honorar für das Quartal IV/2012) und am 21.05.2013 i.H.v. 12,83 EUR (Auszahlung Sprechstundenbedarf 2012) an die Pfändungsgläubigerin aus. Diese Zahlungen wurden in der Vierteljahresabrechnung I/2013 vom 29.07.2013 ausgewiesen. Der Kläger erhob keinen Widerspruch.
Am 27.01.2014 führte die Beklagte aufgrund des PfÜB einen in der Vierteljahresabrechnung III/2013 vom 27.01.2014 ausgewiesenen weiteren Betrag von 359,44 EUR an die Pfändungsgläubigerin ab. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger keinen Widerspruch.
Mit Beschluss vom 04.06.2014 erteilte das AG Dortmund dem Kläger die Restschuldbefreiung und stellte fest, dass die ausgenommenen Forderungen gemäß § 302 Insolvenzordnung (InsO) von der Restschuldbefreiung nicht erfasst werden.
Im Rahmen der Vierteljahresabrechnung IV/2013 vom 28.04.2014 wurde zur Buchungsposition 045 "Restz.-Einbehalt Pfändung" in der Rubrik "Gutschrift" und zur Buchungsposition 106 "Überw. an Dritte Restz.-Einbeh" in der Rubrik "Lastschrift" der am 27.01.2014 ausgezahlte Betrag i.H.v. 359,44 EUR erneut ausgewiesen. Die Beklagte wies den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 17.12.2014) und führte aus, sie habe im Rahmen der Erklärungspflicht gemäß § 840 Zivilprozessordnung (ZPO) geprüft, ob ggf. andere Ansprüche an die Forderung gerichtet seien und wie sich die Insolvenz auf die Pfändung auswirke. Infolge der Freigabeerklärung zum 01.07.2010 hätten alle Zahlungen an den Kläger gerichtet und Verbindlichkeiten direkt gegenüber ihm geltend gemacht werden müssen. Daher habe sie davon ausgehen können und müssen, dass zum Zeitpunkt der Zustellung des PfÜB keine Hinderungsgründe durch das Insolvenzverfahren vorgelegen hätten.
Der Kläger hat am 05.01.2015 Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Restschuldbefreiung vom 04.06.2014 habe ihn nach § 286 InsO von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten seiner Gläubiger befreit. Nach § 300a InsO gehöre das Vermögen, das er nach Ende der Abtretungszeit erwerbe, nicht mehr zur Insolvenzmasse.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 28.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag i.H.v. 755,66 EUR an ihn zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Aufgrund des wirksamen PfÜB sei sie verpflichtet gewesen, die gepfändeten Honorarforderungen an die Pfändungsgläubigerin auszuzahlen.
Mit Urteil vom 07.09.2015 hat das Sozialgericht (SG) Münster die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da der Kläger durch den Bescheid vom 28.04.2014 nicht beschwert sei. Dabei handele es sich um eine sog. wiederholende Verfügung, die sich nur auf den Bescheid vom 27.01.2014 beziehe und die dort getroffene Regelung lediglich aus buchungstechnischen Gründen wiederhole. Selbst wenn man die Vierteljahresabrechnung vom 28.04.2014 als belastenden Verwaltungsakt ansehe und damit die Klage zulässig wäre, hätte sie keinen Erfolg. Die Beklagte sei berechtigt und verpflichtet gewesen, das gepfändete Honorar an die Pfändungsgläubigerin auszuzahlen. Die Restschuldbefreiung erfasse nicht die Forderung der M Zahntechnik GmbH. Nach § 268 InsO werde eine natürliche Person als Schuldner durch die Restschuldbefreiung von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern nach Maßgabe der §§ 287 bis 303 InsO befreit. Ausweislich des eindeutigen Wortlauts erfasse die Restschuldbefreiung nur die im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern. Die M Zahntechnik GmbH zähle jedoch nicht zu den Insolvenzgläubigern und die im Vollstreckungsbescheid vom 13.12.2012 titulierte Forderung gehöre nicht zur Insolvenzmasse, weil die Insolvenzverwalterin zum 01.07.2010 eine Freigabeerklärung für die Praxis des Klägers erteilt habe. Die auf § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO gestützte Freigabeerklärung habe zur Folge gehabt, dass der Insolvenzbeschlag bezogen auf die freigegebene Praxis erloschen sei und dass die freigegebenen Vermögensgegenstände aus der Insolvenzmasse ausgeschieden seien. Im Gegenzug hätte das nicht von der Insolvenzmasse erfasste Vermögen des Klägers den Gläubigern zu Verfügung gestanden, deren Forderungen nach der Freigabeerklärung entstanden seien. Der Kläger habe auf Befragen in der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2015 eingeräumt, dass sich der Anspruch der M Zahntechnik GmbH aus der nach der Freigabeerklärung ab dem 01.07.2010 ausgeübten vertragzahnsärztlichen Tätigkeit ergeben habe. Da diese Forderung ebenso wie seine Honoraransprüche nicht zur Insolvenzmasse zähle, werde sie auch nicht von der Restschuldbefreiung erfasst. Selbst wenn sie erfasst würde, könnte dem Klagebegehren wegen der mit dem PfÜB verbundenen Rechtsfolgen nicht entsprochen werden. Wirksamkeitsvoraussetzung für einen PfÜB sei gemäß § 829 Abs. 2 Satz 1 ZPO dessen Zustellung an die Beklagte als Drittschuldnerin. Diese sei am 01.02.2013 erfolgt. Aber auch wenn der PfÜB gegen ein Pfändungsverbot verstoße, führe das nicht zur Nichtigkeit sondern nur zu dessen Anfechtbarkeit im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO. Soweit und solange der PfÜB nicht aufgehoben sei, müsse er von Schuldner und Drittschuldner beachtet werden. Dem über den Betrag von 359,44 EUR hinausgehenden Klagebegehren könne ebenfalls nicht entsprochen werden, denn darüber hinausgehendes Honorar sei weder am 27.01.2014 noch in der Folgezeit an die Pfändungsgläubigerin ausgezahlt worden.
Gegen das ihm am 11.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.09.2015 Berufung eingelegt. Die Insolvenzordnung und hier die §§ 89, 300a und 301 InsO schütze den Schuldner vor ungesetzlichen Gläubigerzugriffen in der sogenannten Abtretungsfrist und nach Erteilung der Restschuldbefreiung. Der Schuldner sei nicht verpflichtet, die diesbezüglichen Paragraphen zu kennen, der Gerichtsvollzieher, der Insolvenzverwalter, die Beklagte als Drittschuldner und das Sozialgericht sehr wohl. Er werfe der Beklagten Gläubigerbegünstigung nach § 283c Strafgesetzbuch vor.
Wörtlich beantragt der Kläger,
1. Urteilsrevision wegen Rechtsbeugung in der Sache (§ 839 BGB, Artikel 34 Grundgesetz) und wegen Besorgnis der richterlichen Befangenheit (§ 42 ZPO, Art. 103 Grundgesetz)
2. Auszahlung der besagten Euro 755,66 plus versagte Fahrtkostenerstattung Euro 23,50 an meine Person
3. Übernahme der Gerichtskosten (Münster, Essen) durch den Klageverursacher (Zahntechnik M, KZV Münster, Gericht Münster).
Die Beklagte beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung, denen sie sich anschließt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers, mit der er
"Urteilsrevision wegen Rechtsbeugung in der Sache (§ 839 BGB, Artikel 103 Grundgesetz)" (dazu unter 1.), "Auszahlung der besagten Euro 755,66 plus versagte Fahrtkostenerstattung Euro 23,50 an meine Person" (dazu unter 2.) sowie "Übernahme der Gerichtskosten (Münster, Essen) durch die Klageverursacher (Zahntechnik M, KZV Münster, Gericht Münster)" (dazu unter 3. und 4.)
begehrt, hat keinen Erfolg.
1. Die Anträge des Klägers bedürfen der Auslegung.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ungeachtet der Hinweise des Senats an seinem Antrag "Urteilsrevision wegen Rechtsbeugung in der Sache (§ 839 BGB, Artikel 103 Grundgesetz)" festgehalten. Dieser Antrag ist dahingehend auszulegen, dass er mit der Berufung eine möglichst umfangreiche Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils auf seine Rechtmäßigkeit begehrt. Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Prozesshandlungen (wie z.B. Klageanträge) sind nach Maßgabe des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszulegen (Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 20.11.2014 - IV R 47/11 -; Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 13.03.1991 - 6 RKa 20/89 - und 22.03.1988 - 8/5a RKn 11/87 - ). Danach ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, der sich aus den sonstigen Umständen, etwa aus Schriftsätzen oder protokollierten Erklärungen ergeben kann (Humpert in Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 123 Rdn. 4). Berücksichtigt werden können jedoch nur solche Umstände, die für das Gericht und für die anderen Prozessbeteiligten erkennbar sind (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 25.03.1980 - 2 BvL 9/79 - und 2 BvL 10/79; BSG, Urteil vom 22.03.1988 - 8/5a RKn 11/87 -). Dabei sind alle bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 20.11.2014 - IV R 47/11 -). Bei der Auslegung des Klageantrags ist im Zweifel wegen des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör das als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2016 - II ZR 305/14 -; Beschluss vom 20.01.2016 - I ZB 102/14 -; Beschluss vom 27.1.2015 - II ZR 191/13 -; BFH, Urteil vom 20.11.2014 - IV R 47/11 -).
Hier beantragt der Kläger "Urteilsrevision wegen Rechtsbeugung in der Sache". Das ist rechtlich widersinnig und bedarf der Auslegung. Grundsätzlich bedeutet "Revision" "Durchsicht; Prüfung; Änderung" (Duden, 26. Auflage, 2013). Im Rechtssinne bedeutet "Revision" eine "Überprüfung eines Urteils" (Duden, a.a.O.). Dass der Kläger eine inhaltliche Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils begehrt, ergibt sich auch aus seinem weiteren Vorbringen in seiner Berufungsschrift vom 21.09.2015. Zur Begründung trägt er vor:
"Die Insolvenzordnung, hier die §§ 89 (Vollstreckungsverbot), 300a und 301, schützt den Schuldner vor ungesetzlichen Gläubigerzugriffen in der sogenannten Abtretungsfrist und durch Erteilung der Restschuldbefreiung (09.01.14)!
Der Schuldner ist nicht verpflichtet, die diesbezüglichen Gesetzparagraphen zu kennen; Der Gerichtsvollzieher, der Insolvenzverwalter, der Drittschuldner KZV und das Sozialgericht aber sehr wohl.
Der deutsche Bürger kann erwarten, dass vor allem staatliche Institutionen diese Gesetze (Insolvenzrecht) respektieren und richtig anwenden.
In meinem Fall ist das leider nicht geschehen. Wo kommen wir hin, wenn Rechtsregeln nur noch wirkungslos auf dem Papier stehen?
Darüberhinaus werfe ich der KZV Münster nach § 283c StGB Gläubigerbegünstigung vor. Die KZV (Bestandteil der Zahnärztekammer) hat meine zahnärztlichen Interessen zu vertreten. Zahntechniker gehören der Handwerkskammer an!!!"
Mithin hat der Kläger in seinem Antrag trotz der Nennung des § 839 BGB nicht zum Ausdruck gebracht, über eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils hinaus einen weitergehenden (Zahlungs-)anspruch in Form eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 BGB geltend zu machen. Hierzu ergibt sich auch nichts aus seinen weiteren Schriftsätzen oder aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung am 26.10.2016. Vielmehr hat er unter dem 04.03.2016 dem Senat mitgeteilt:
". die Berufung des Münsteraner Schandurteils bleibt aufrecht erhalten.
Begründung: Ich sehe mich weiterhin voll im Recht! Die bislang verweigerten 800 Euro zahnärztliches Honorar zuzüglich Fahrtkosten nach Münster (und zurück) von 25 Euro stehe mit nach gültigen Insolvenzrecht (hier: Restschuldbefreiung rückwirkend) zu!! Jede andere Entscheidung wäre Rechtsbeugung und zöge eine Revisionsklage vor der nächsten Instanz (Bundessozialgericht) nach sich."
Eine möglichst umfangreiche Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils kann der Kläger im Wege der Berufung gemäß § 143 SGG erhalten. Nach § 157 SGG prüft das Landessozialgericht den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.
2. Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
a) Entgegen der Auffassung des SG ist die Klage zulässig. Soweit die Klage den Widerspruchsbescheid vom 17.12.2014 anficht, ist sie jedenfalls als isolierte Anfechtungsklage statthaft. Der Widerspruchsbescheid enthält mit der Zurückweisung des Widerspruchs gegen die Vierteljahresabrechnung IV/2013 vom 28.04.2014 eine eigenständige Regelung mit Verwaltungsaktqualität (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 13.03.2013 - L 2 AL 27/12 -).
b) Allerdings ist die Klage nicht begründet. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 23.12.2015 (Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags) dargelegt dass die Beklagte jedenfalls an den PfÜB des AG Dortmund vom 22.01.2013 - 233 M 83/13 - gebunden und daher verpflichtet war, an die Löger Zahntechnik GmbH zu zahlen. Hierauf wird Bezug genommen. Im Übrigen gilt:
Mit dem PfÜB wurde dem Drittschuldner (der Beklagten) - soweit die Forderung gepfändet war - verboten, an den Schuldner (Kläger) zu zahlen (vgl. § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Gleichzeitig wurde der Drittschuldner verpflichtet, die gepfändete Forderung an den (Vollstreckungs-)gläubiger zu zahlen. Der PfÜB war auch wirksam. Er ist nicht etwa - aufgrund von Rechtsbehelfen des Klägers - gerichtlich aufgehoben worden und gilt daher nach § 836 Abs. 2 ZPO zugunsten des Drittschuldners (der Beklagten) dem Schuldner (Kläger) gegenüber als rechtsbeständig, selbst wenn er - wofür kein Anhaltspunkt besteht - zu Unrecht erlassen worden sein sollte (Senat, Urteil vom 25.11. 2015 - L 11 KA 18/14 - m.w.N.; Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 27.11.2013 - 8 Sa 218/13 -; Verwaltungsgericht München, Urteil vom 06.12.2004 - M 12 K 03.4720 -). Die Wirkung eines PfÜB bleibt nach § 836 Abs. 2 ZPO ungeachtet seiner möglichen Unzulässigkeit solange bestehen, bis er aufgehoben wird und die Aufhebung zur Kenntnis des Drittschuldners gelangt (BSG, Urteil vom 12.06.1992 - 11 RAr 139/90 -; Senat, Urteil vom 25.11.2015 - L 11 KA 18/14 - m.w.N.).
Bei einem Verstoß gegen ein Pfändungsverbot oder eine Pfändungsbeschränkung, der keine Nichtigkeit bewirkt, ist lediglich die Anfechtung möglich (Landgericht Lüneburg, Urteil vom 19.06.2008 - 1 S 22/08 -). Der anfechtbare PfÜB ist bis zu seiner Aufhebung wirksam. Den Drittschuldner schützt § 836 Abs. 2 ZPO; zu seinen Gunsten gilt der zu Unrecht erlassene Überweisungsbeschluss bis zu seiner Aufhebung als rechtsgültig (Oberlandesgericht Thüringen, Beschluss vom 12.04.2012 - 1 UF 648/11 -). Soweit der Kläger den PfÜB für rechtswidrig hält, hätte er sich mithin mit Rechtsbehelfen an das AG Dortmund wenden müssen.
c) Soweit der Kläger die Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 23,50 EUR beantragt, ist das SG zuständig. Der Antrag wurde ausweislich Blatt 25 des Kostenheftes bereits mit Schreiben vom 05.10.2015 an das zuständige SG weitergeleitet. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. Zuständig ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 JVEG das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist, hier also das SG. Der Senat hat hierüber nicht zu entscheiden.
3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Verfahrenskosten durch "die Klageverursacher (Zahntechnik M, KZV Münster, Gericht Münster)". Zu Recht hat ihm das SG gemäß § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Kosten des Verfahrens auferlegt. Nach dieser Regelung trägt der unterliegende Teil, hier also der Kläger, die Kosten des Verfahrens.
Auch musste das SG nicht prüfen, ob es die Kosten des Verfahrens nach § 192 Abs. 1 SGG der Beklagten ganz oder teilweise hätte auferlegen müssen. Diese Vorschrift ist hier nicht anwendbar. Für das Verfahren sind gemäß § 197a Abs. 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes zu erheben, weil weder der Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. In diesem Fall finden nach § 197a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz die §§ 184 bis 195 SGG - und damit § 192 SGG - keine Anwendung. Auch die Voraussetzungen des nach § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Halbsatz anwendbaren § 155 Abs. 4 VwGO, wonach die Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligen entstanden sind, diesem auferlegt werden können, liegen nicht vor. Die Beklagte hat keine Kosten verschuldet.
4. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Gemäß § 154 Abs. 2 VwGO fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Rechtsmittelführer ist der Kläger, die Berufung wird zurückgewiesen und ist damit erfolglos.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
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