Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 1221/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2385/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.06.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob in den nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) festgestellten gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eine derartige wesentliche Änderung eingetreten ist, dass ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festzustellen ist.
Bei der am 29.07.1961 geborenen Klägerin stellte das Landratsamt R.– Versorgungsamt (LRA) zuletzt mit Bescheid vom 18.05.2012 (Bl. 105 der Verwaltungsakte) in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 12.04.2013 (Bl. 137 der Verwaltungsakte) in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.10.2013 (Bl. 146/147 der Verwaltungsakte) wegen eines Fibromyalgiesyndroms, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden (GdB 30), einer Hüft-, Sprunggelenks- und Großzehenarthrose (GdB 10), einem Bluthochdruck (GdB 10), einem hyperreagiblen Bronchialsystem (GdB 10), einer Mittelnervendruckschädigung links – Carpaltunnelsyndrom, Gefühlsstörungen im Bereich beider Arme sowie einer Fingerpolyarthrose (GdB 10) einen Gesamt-GdB von 30 seit dem 13.02.2012 fest.
Am 30.09.2014 stellte die Klägerin beim LRA einen Antrag auf Erhöhung des Grades der Behinderung wegen Verschlimmerung der bisher berücksichtigten bzw. neu aufgetretenen Gesundheitsstörungen (Bl. 154/155 der Verwaltungsakte).
Das LRA zog Befundunterlagen von dem Facharzt für Innere Medizin Z. (Bl. 157/170 der Verwaltungsakte) sowie der Median Klinik G. – Psychiatrische Institutsambulanz (Bl. 173/174 der Verwaltungsakte) bei und ließ diese versorgungsmedizinisch auswerten.
Entsprechend der versorgungsärztlichen Empfehlung des Dr. S.vom 28.11.2014 stellte das LRA mit Bescheid vom 23.12.2014 (Bl. 178 der Verwaltungsakte) wegen eines Fibromyalgiesyndroms, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden (GdB 30), einer Hüft-, Sprunggelenks- und Großzehenarthrose (GdB 10), einem Bluthochdruck (GdB 10), einem hyperreagiblen Bronchialsystem (GdB 10), einer Mittelnervendruckschädigung links – Carpaltunnelsyndrom, Gefühlsstörungen im Bereich beider Arme, einer Fingerpolyarthrose (GdB 10) sowie einer seelischen Störung und einem chronischen Schmerzsyndrom (GdB 20) einen Gesamt-GdB von 40 seit dem 30.09.2014 fest.
Am 30.12.2014 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch (Bl. 182 der Verwaltungsakte) und führte zur Begründung an, die bei ihr bestehende Depression sei nicht berücksichtigt worden. Sie stehe seit ca. 2 Jahren in regelmäßiger Behandlung bei Dr. J. in der Median Klinik G ... Der GdB müsse mindestens 50 betragen.
Das LRA zog daraufhin einen Befundschein bei der Median Klinik G.(Dr. J.) bei. Dr. J. teilte mit Schreiben vom 13.02.2015 (Bl. 187/188 der Verwaltungsakte) mit, die Klägerin leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung (gegenwärtig mittelgradige Episode) und einer Somatisierungsstörung.
Entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. O. vom 13.03.2015 wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2015 (Bl. 192/193 der Verwaltungsakte) zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 13.04.2015 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe. Sie sei mit der Bewertung nicht einverstanden. Sie leide wegen ihrer Schmerzen an einer Depression und müsse starke Tabletten einnehmen.
Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG Beweis durch Befragung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. H. gab an (Auskunft vom 01.06.2015 – Bl. 17 ff. der SG-Akte), bei der Klägerin bestünden folgende Diagnosen: chronisches Schmerzsyndrom, FMS, chronisches (rez.) Cerviko-Thorako-Lumbalsyndrom, WS-Fehlstatik, muskuläre Dysbalance, Knick-Senk-Fuß beidseits. Neurologische Ausfälle lägen nicht vor. Die Klägerin habe sich letztmalig am 26.05.2014 vorgestellt. Facharzt für Innere Medizin Z. teilte mit (Auskunft vom 08.06.2015 – Bl. 18 ff. der SG-Akte), die Klägerin befinde sich intermittierend seit 2005 in seiner Betreuung. Der letzte Kontakt habe am 29.05.2015 stattgefunden. In dem erfragten Zeitraum seien objektivierbare Verschlechterungen nicht nachzuweisen. Ein GdB von 50 erscheine sinnvoll. Kardiologe Prof. Dr. S. gab an (Auskunft vom 12.06.2015 – Bl. 27 der SG-Akte), die Klägerin sei nur einmalig am 10.10.2013 bei ihm vorstellig geworden. Die Klägerin leide unter einer Hypertonie und einer Adipositas. Auf seinem Fachgebiet sei kein GdB festzustellen. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, sowie für Neurologie J. – Median Klinik G. (Auskunft vom 25.06.2015 – Bl. 28 ff., 43 ff. der SG-Akte) teilte mit, die Klägerin stünde seit September 2013 in seiner Behandlung. Sie leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, die schwer von den chronischen Schmerzbeschwerden zu trennen sei. Auf seinem Fachgebiet bestehe ein GdB von 50. Ärztin für Anästhesie und Schmerztherapie Dr. H. gab an (Auskunft vom 13.07.2015 – Bl. 36 ff. der SG-Akte), die Klägerin befinde sich seit Februar 2012 regelmäßig in ihrer schmerztherapeutischen Mitbehandlung. Sie komme alle sechs Monate in die Sprechstunde, zuletzt habe sie sie am 24.03.2015 gesehen. Hauptdiagnose seien die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule im Bereich der HWS und der LWS. Diese bewirkten eine Radikulopathie im Sinne eines Schulter-Arm-Syndroms sowie einer Lumboischialgie beidseits, rechts betont. Die Beschwerden hätten zugenommen, genauso wie die depressive Verstimmung. Der GdB sei daher mit 40, eher 50 festzustellen.
Mit Urteil vom 20.06.2016 wies das SG die Klage ab. Für die Wirbelsäulenschäden sei der von dem Beklagten angenommene Teil-GdB von 30 nicht sachgerecht. Ein pathologischer Befund liege insoweit nicht vor. Schwere funktionelle Auswirkungen seien nicht nachgewiesen. Es sei daher ein Teil-GdB von 20 anzunehmen. Die seelische Störung sei hingegen mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Die übrigen Erkrankungen bedingten einen Teil-GdB von 10. Der Gesamt-GdB betrage 40.
Gegen das der Klägerin am 25.06.2016 zugestellte Urteil hat diese am 28.06.2016 Berufung bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Sie habe Tag und Nacht starke Schmerzen, weswegen sie unter einer Depression leide. Es müsse ein höherer GdB festgestellt werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.06.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 07.04.2015 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Gutachtens der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O.-P. vom 19.10.2016 (Bl. 18 ff. der Senatsakte), die die Klägerin am 13.09.2016 persönlich untersucht hat. Die akut depressive Symptomatik sei abgeklungen. Es habe sich in der Begutachtung ein freundlich zugewandtes, schwingungsfähiges Bild gefunden. Es hätten sich keine krankheitswertigen hirnorganischen Einschränkungen, keine kognitiven Defizite und keine krankheitswertige psychomotorische Hemmung gezeigt. Auf ihrem Fachgebiet bestehe ein GdB von 30. Insgesamt betrage der GdB 40. Am 30.11.2016 hat ein Erörterungstermin stattgefunden, der Anlass zu ergänzenden Ermittlungen gegeben hat.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat den Befundbericht der Radiologie B.-B. vom 31.05.2016 (Bl. 79/80 der Senatsakte) beigezogen. Danach besteht bei der Klägerin eine flachbogige, linkskonvexe Skoliose, eine Streckfehlhaltung in der LWS sowie residuale Schmorl’sche Knötchen bei Zustand nach Morbus Scheuermann in den Segmenten Th10 bis Th12.
Mit richterlicher Verfügung vom 01.02.2017 sind die Klägerin und der Beklagte darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, über die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu entscheiden und ist ihnen Gelegenheit gegeben worden, bis 28.02.2017 zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ein Einverständnis der Beteiligten ist hierfür nicht Voraussetzung. So liegt der Fall hier. Das Sozialgericht hat nicht mit Gerichtsbescheid, sondern mit Urteil vom 20.06.2016 entschieden. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 01.02.2017 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des LRA vom 23.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt vom 07.04.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 40. Das Urteil des SG vom 20.06.2016 ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktions-systemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Hiervon ausgehend steht für den Senat fest, dass bei der Klägerin eine wesentliche Änderung ihres im letzten Feststellungsbescheid vom 18.05.2012 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.10.2013 mit einem GdB von 30 berücksichtigten Behinderungszustand insoweit eingetreten ist, dass die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen nunmehr einen GdB von 40 bedingen, wie der Beklagte mit Bescheid vom 23.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 07.04.2015 zutreffend festgestellt hat. Eine Änderung dahingehend, dass nunmehr ein Gesamt-GdB von mindestens 50 festzustellen wäre, liegt zur Überzeugung des Senats hingegen nicht vor, wie auch das SG im angefochtenen Urteil zutreffend entschieden hat.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, war ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen.
Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11, juris).
Bei der Klägerin besteht eine Zervikobrachialgie und eine Lumboischialgie. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. H. vom 04.05.2015 (Bl. 23 der SG-Akte). Bei der Untersuchung durch Dr. H. fanden sich muskuläre Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich. Die Rotation war endgradig schmerzhaft eingeschränkt. Im unteren LWS-Bereich bestand ein Bewegeschmerz. Die Klägerin gab Sensibilitätsstörungen an, ein Nervendehnungsschmerz fand sich nicht. Entsprechend der Mitteilung des Dr. H. handelt es sich dabei um Beschwerden bei Übergewicht und leichter Wirbelsäulenfehlstatik. Die degenerativen Veränderungen waren als altersentsprechend einzustufen. Diese Beurteilung deckt sich auch mit den Angaben im Entlassbericht des Klinikums M. vom 13.02.2015 (Bl. 20 der SG-Akte), wonach ein dort am 11.02.2015 gefertigtes MR keinen pathologischen Befund zeigte. Sensomotorische Ausfälle zeigten sich nicht. Bei der Untersuchung durch Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O.-P. am 13.09.2016 fanden sich diskrete Wurzelreizzeichen L5.
Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen ist bei der Klägerin im Funktionssystem des Rumpfes ein Einzel-GdB von 20 festzustellen. Eine schwere funktionelle Einschränkung, die einen GdB von 30 rechtfertigen würde, ist hingegen nicht nachgewiesen. An dieser Beurteilung ändert auch der Befundbericht der Radiologie B.-B. vom 31.05.2016 nichts, wonach bei dem dort durchgeführten MRT im Vergleich zur Voruntersuchung im Juni 2012 im Wesentlichen eine Befundkonstanz bestand. Soweit darin eine höhergradige Spondylarthrose angegeben wird, ändert auch dies nichts an der Beurteilung. Nach den VG (Teil B 18.1) kommt allein dem Vorliegen degenerativer Veränderungen der Haltungs- und Bewegungsorgane für die Bewertung des Teil-GdB nicht die ausschlaggebende Bedeutung zu, sondern der dadurch hervorgerufenen Funktionsbehinderung. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z.B. degenerativer Art) rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Auch die zeugenschaftliche Auskunft der Ärztin für Anästhesie und Schmerztherapie Dr. H. führt zu keinem anderen Ergebnis. Soweit Dr. H. angegeben hat, bei der Untersuchung im März 2015 sei das Laségue-Zeichen bei 30° positiv gewesen, fand sich entsprechendes bei der Untersuchung durch Dr. H. am 04.05.2015 nicht. Eine höhere Bewertung kommt danach nicht in Betracht.
Im Funktionssystem des Gehirn einschließlich der Psyche konnte der Senat einen Einzel-GdB von 30 feststellen.
Nach Teil B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.
Bei der Klägerin besteht eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und damit verbundenen rezidivierenden depressiven Episoden. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der Ärztin O.-P. vom 19.10.2016, die die Klägerin am 13.09.2016 persönlich untersucht hat. Bei der Untersuchung war die Klägerin wach und orientiert mit ungestörter Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit sowie ungestörter Auffassungsgabe. Es zeigten sich keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen. Wahrnehmung und Ich-Bewusstsein waren ungestört. In Antrieb und Motorik zeigte sich ein leicht gebundenes Bild. Affektiv imponierte eine freundlich zugewandte, schwingungsfähige Klägerin, die etwas klagsam auftrat und eher anamnestisch über Herabstimmung berichtete. Es fand sich ein Verdeutlichungsverhalten. Ihre bei der Untersuchung gemachten Angaben lassen eine unauffällige ausreichende Tagesstruktur mit Berufstätigkeit , Hausarbeit, Pflege von Hobbys, wie Stricken und Gartenarbeit, Treffen mit Freuden zum Grillen etc. (S. 39 und 40 des Gutachten) erkennen.
Bei der Klägerin liegt danach unter Berücksichtigung der medikamentös therapierten Schmerzstörung eine Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor, die mit einem GdB von 30 nicht zu niedrig bewertet ist. Befunde, die einen höheren GdB bedingen bzw. für eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sprechen, hat die Ärztin O.-P. im Rahmen ihres Gutachtens vom 19.10.2016, dem der Senat folgt, nicht erhoben. Die akut-depressive Symptomatik ist abgeklungen. Bei der Begutachtung fand sich ein freundlich zugewandtes, schwingungsfähiges Bild. Es fanden sich keine hirnorganischen Einschränkungen, keine kognitiven Defizite und keine krankheitswertige psychomotorische Hemmung. Die Klägerin schilderte soziale Kontakte. Die Integrität der psychischen Funktionen liegt vor. Die Klägerin hat einen strukturierten Tagesablauf und ein Zeitmanagement, hat soziale und Alltagskompetenzen und zeigt eine Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens. Die Lebens-, Alltags- und Freizeitgestaltung ist aktiv. Die Klägerin gab insoweit an, eine schöne Ehe zu führen, sich mit ihrem Mann zu verstehen, mit ihm spazieren zu gehen und zusammen Fernsehen zu schauen. Am Wochenende besuche sie gemeinsam mit ihrem Mann den Schrebergarten, wo sie einen Gemüse- und Blumengarten habe, da das eigene Gemüse besser schmecke. Sie verfüge über einen Freundeskreis, mit welchem sie auch telefoniere, sich im Garten treffe und spazieren gehe. Die letzte Urlaubsreise sei 2016 nach Russland erfolgt, wo sie auch Klassenkameraden getroffen habe. Ein stärkerer sozialer Rückzug ist mithin nicht erkennbar.
Nach alledem sind die Funktionsbeeinträchtigungen bei der Klägerin nicht derart ausgeprägt, dass für das seelische Leiden in der Längsschnittbetrachtung ein Teil-GdB von mehr als 30 anzunehmen wäre. Auch wenn, wie die Ärztin Oßwald-Petschl für den Senat nachvollziehbar darlegt, davon auszugehen ist, dass es unter belastenden Situationen sowohl zu einer Schmerzzunahme wie auch zu einer Zunahme der Herabstimmung bei akzentuierten Persönlichkeitszügen kommt, ändert dies an der Beurteilung nichts. Es ist zu berücksichtigen, dass nach Teil A Nr. 2 lit. 3 VG Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist. Dies bedeutet: Wenn bei einem Leiden der Verlauf durch sich wiederholende Besserungen und Verschlechterungen des Gesundheitszustandes geprägt ist, können die zeitweiligen Verschlechterungen – aufgrund der anhaltenden Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung – nicht als vorübergehende Gesundheitsstörungen betrachtet werden. Dementsprechend muss in solchen Fällen bei der GdB-Beurteilung von dem "durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden. Daher ist – wie oben ausgeführt – vorliegend in der Längsschnittbetrachtung von einem Teil-GdB von 30 auszugehen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der zeugenschaftlichen Auskunft des Dr. J. vom 25.06.2015. Soweit er die Beeinträchtigungen auf seinem Fachgebiet mit einem GdB von 50 bewertet, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar stellte Dr. J. eine depressive Symptomatik im Sinne einer mittelgradigen depressiven Störung sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Symptomen fest. Entscheidend für die GdB-Bewertung sind jedoch nicht die Diagnosen, sondern die vorliegenden Funktionseinbußen sowie die konkreten Einschränkungen in der Alltagsgestaltung. Angaben hierzu finden sich in dem Auskunft des Dr. J. jedoch nicht. Insbesondere lassen sich auch aus den Angaben des Dr. J. keine Anhaltspunkte für eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen ableiten, die Voraussetzung für eine Bewertung mit einem GdB von 50 wären.
Weitere GdB-relevante Einschränkungen finden sich im Funktionssystem des Gehirn einschließlich der Psyche nicht. Dies gilt insbesondere für die im Rahmen der Untersuchung bei der Ärztin O.-P. angegebenen Kopfschmerzen. Eine Migräne-Erkrankung wird insoweit nicht mitgeteilt. Eine gezielte Vorbeugung wird nicht durchgeführt, ein Schmerzkalender besteht nicht. Ein GdB ist daher nicht festzustellen.
Im Funktionssystem der Atmung konnte der Senat einen Einzel-GdB von 10 feststellen.
Nach Teil B Nr. 8.2 der VG ist eine chronische Bronchitis als eigenständige Krankheit und ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion bei einer leichten Form (symptomfreie Intervalle über mehrere Monate, wenig Husten, geringer Auswurf) mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewerten. Eine schwere Form (fast kontinuierlich ausgiebiger Husten und Auswurf, häufig akute Schübe) rechtfertigt einen GdB von 20 bis 30.
Bei der Klägerin besteht ein hyperreagibles Bronchialsyndrom. Dies entnimmt der Senat der zeugenschaftlichen Auskunft des Facharztes für Innere Medizin Z. vom 08.06.2015. Dieser hat insoweit mitgeteilt, das hyperreagible Bronchialsyndrom mit Neigung zu Reizhusten habe sich bei den insgesamt zwei Erkältungen im Winter deutlich verschlechtert. Eine kontinuierliche Einschränkung außerhalb der Erkältungen im Winter lässt sich seinen Angaben hingegen nicht entnehmen. Eine höhere Bewertung als mit einem GdB von 10 kommt mithin nicht in Betracht.
Im Funktionssystem Herz-Kreislauf ergibt sich ebenfalls ein Einzel-GdB von 10.
Bei der Klägerin besteht insoweit eine Hypertonie. Dies entnimmt der Senat der zeugenschaftlichen Auskunft des Prof. Dr. S. sowie des Arztes Z ... Die Hypertonie (Bluthochdruck) ist nach Teil B Nr. 9.3 VG als leichte Form - keine oder geringe Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) mit einem GdB von 0 bis 10, mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Au-genhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus I-II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mm Hg trotz Behand-lung, je nach Leistungsbeeinträchtigung mit einem GdB von 20 bis 40, schwere Form mit Betei-ligung mehrerer Organe (schwere Augenhintergrundveränderungen und Beeinträchtigung der Herzfunktion, der Nierenfunktion und/oder der Hirndurchblutung) je nach Art und Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigung mit einem GdB von 50 bis 100 und als maligne Form, diastolischer Blutdruck konstant über 130 mm Hg; Fundus hypertonicus III-IV (Papillenödem, Venenstauung, Exsudate, Blutungen, schwerste arterielle Gefäßveränderungen); unter Einschluss der Organbe-teiligung (Herz, Nieren, Gehirn) mit einem GdB von 100 zu bewerten.
Die bei der Klägerin vorliegende Hypertonie ist nach Prof. Dr. S. als geringgradig einzuschätzen. Insbesondere ist sie – laut Auskunft des Arztes Z. – medikamentös gut eingestellt. Entsprechend lag der Blutdruck auch bei der Untersuchung durch die Ärztin O.-P. in der Norm. Ein höherer GdB als 10 ist daher nicht anzunehmen.
Im Funktionssystem der Harnorgane ist jedenfalls ein höherer GdB als 10 nicht feststellen.
Nach Teil B Nr. 12.2.4 VG bedingt eine relative Harninkontinenz mit leichtem Harnabgang bei Belastung (z.B. Stressinkontinenz Grad I) einen GdB von 0 bis 10, eine solche mit Harnabgang tags und nachts einen GdB von 20 bis 40.
Bei der Klägerin besteht eine Dranginkontinenz sowie eine Belastungsinkontinenz Grad I. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht der Ärztin für Urologie Dr. S.vom 16.01.2015 (Bl. 24 der SG-Akte). Bei der Untersuchung durch Dr. S. gab die Klägerin an, es bestehe gelegentlicher Urinverlust. Sie benötige zwei Vorlage pro Tag. Nachts würden keine Vorlagen benötigt. Auch bei Zugrundelegung der eigenen Angaben der Klägerin ist damit ein höherer GdB als 10 nicht festzustellen. Eine überdauernde urologische Behandlung lässt sich den Angaben der Klägerin nicht entnehmen.
Soweit die Klägerin darüber hinaus unter einer Polyarthrose leidet, die mehrere Funktionssysteme betrifft, rechtfertigt dies jedenfalls keinen höheren GdB als 10, wie von dem Beklagten angenommen. Eine Verschlimmerung ist hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Weitere Gesundheitsstörungen, die einen Teil-GdB von 10 bedingen, sind weder vorgetragen noch konnte der Senat solche feststellen. Dies gilt insbesondere für die bislang berücksichtigte Mittelnervendruckschädigung, die jedoch bei der Untersuchung durch die Ärztin O.-P. nicht mehr nachzuweisen war. Die periphere Polyneuropathie bedingt keine motorischen Ausfälle, so dass auch hierfür kein GdB festzustellen ist. Gleiches gilt für die Meralgia parästhetica als Zeichen einer rein sensiblen Reizung eines Hautnervens im rechten Oberschenkel, die ebenfalls ohne funktionelle Einschränkungen bleibt.
Der Sachverhalt ist mithin vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und dem Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Damit ist bei der Klägerin ein höherer Gesamt-GdB als 40 nicht festzustellen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie auf-grund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB – nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder ein anderer Wert – fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind - z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von
• 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche • 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Atmung • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Herz-Kreislauf • 10 für die Funktionsbeeinträchtigung im Funktionssystem der Harnorgane • 10 für die verschiedene Funktionssysteme betreffende Polyarthrose
wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken (Teil A Nr. 3 lit. d, ee VG). Die Feststellung eines höheren GdB als 40 kommt derzeit damit nicht in Betracht.
Vorliegend spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule (bei der Klägerin bestehen mittelgradige Bewegungseinschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt) oder schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (bei der Klägerin besteht eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit) beeinträchtigen. Auch in ihrer Zusammenschau liegen bei der Klägerin derartig schwere Funktionsstörungen nicht vor, weshalb ein GdB von 50 vorliegend nicht gerechtfertigt ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin erhebliche Überschneidungen zwischen der Funktionsbeeinträchtigung im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche sowie dem Funktionssystem des Rumpfes vorliegen. Eine rechtlich wesentliche Änderung ist damit nicht eingetreten.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob in den nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) festgestellten gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eine derartige wesentliche Änderung eingetreten ist, dass ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festzustellen ist.
Bei der am 29.07.1961 geborenen Klägerin stellte das Landratsamt R.– Versorgungsamt (LRA) zuletzt mit Bescheid vom 18.05.2012 (Bl. 105 der Verwaltungsakte) in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 12.04.2013 (Bl. 137 der Verwaltungsakte) in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.10.2013 (Bl. 146/147 der Verwaltungsakte) wegen eines Fibromyalgiesyndroms, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden (GdB 30), einer Hüft-, Sprunggelenks- und Großzehenarthrose (GdB 10), einem Bluthochdruck (GdB 10), einem hyperreagiblen Bronchialsystem (GdB 10), einer Mittelnervendruckschädigung links – Carpaltunnelsyndrom, Gefühlsstörungen im Bereich beider Arme sowie einer Fingerpolyarthrose (GdB 10) einen Gesamt-GdB von 30 seit dem 13.02.2012 fest.
Am 30.09.2014 stellte die Klägerin beim LRA einen Antrag auf Erhöhung des Grades der Behinderung wegen Verschlimmerung der bisher berücksichtigten bzw. neu aufgetretenen Gesundheitsstörungen (Bl. 154/155 der Verwaltungsakte).
Das LRA zog Befundunterlagen von dem Facharzt für Innere Medizin Z. (Bl. 157/170 der Verwaltungsakte) sowie der Median Klinik G. – Psychiatrische Institutsambulanz (Bl. 173/174 der Verwaltungsakte) bei und ließ diese versorgungsmedizinisch auswerten.
Entsprechend der versorgungsärztlichen Empfehlung des Dr. S.vom 28.11.2014 stellte das LRA mit Bescheid vom 23.12.2014 (Bl. 178 der Verwaltungsakte) wegen eines Fibromyalgiesyndroms, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden (GdB 30), einer Hüft-, Sprunggelenks- und Großzehenarthrose (GdB 10), einem Bluthochdruck (GdB 10), einem hyperreagiblen Bronchialsystem (GdB 10), einer Mittelnervendruckschädigung links – Carpaltunnelsyndrom, Gefühlsstörungen im Bereich beider Arme, einer Fingerpolyarthrose (GdB 10) sowie einer seelischen Störung und einem chronischen Schmerzsyndrom (GdB 20) einen Gesamt-GdB von 40 seit dem 30.09.2014 fest.
Am 30.12.2014 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch (Bl. 182 der Verwaltungsakte) und führte zur Begründung an, die bei ihr bestehende Depression sei nicht berücksichtigt worden. Sie stehe seit ca. 2 Jahren in regelmäßiger Behandlung bei Dr. J. in der Median Klinik G ... Der GdB müsse mindestens 50 betragen.
Das LRA zog daraufhin einen Befundschein bei der Median Klinik G.(Dr. J.) bei. Dr. J. teilte mit Schreiben vom 13.02.2015 (Bl. 187/188 der Verwaltungsakte) mit, die Klägerin leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung (gegenwärtig mittelgradige Episode) und einer Somatisierungsstörung.
Entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. O. vom 13.03.2015 wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2015 (Bl. 192/193 der Verwaltungsakte) zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 13.04.2015 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe. Sie sei mit der Bewertung nicht einverstanden. Sie leide wegen ihrer Schmerzen an einer Depression und müsse starke Tabletten einnehmen.
Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG Beweis durch Befragung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. H. gab an (Auskunft vom 01.06.2015 – Bl. 17 ff. der SG-Akte), bei der Klägerin bestünden folgende Diagnosen: chronisches Schmerzsyndrom, FMS, chronisches (rez.) Cerviko-Thorako-Lumbalsyndrom, WS-Fehlstatik, muskuläre Dysbalance, Knick-Senk-Fuß beidseits. Neurologische Ausfälle lägen nicht vor. Die Klägerin habe sich letztmalig am 26.05.2014 vorgestellt. Facharzt für Innere Medizin Z. teilte mit (Auskunft vom 08.06.2015 – Bl. 18 ff. der SG-Akte), die Klägerin befinde sich intermittierend seit 2005 in seiner Betreuung. Der letzte Kontakt habe am 29.05.2015 stattgefunden. In dem erfragten Zeitraum seien objektivierbare Verschlechterungen nicht nachzuweisen. Ein GdB von 50 erscheine sinnvoll. Kardiologe Prof. Dr. S. gab an (Auskunft vom 12.06.2015 – Bl. 27 der SG-Akte), die Klägerin sei nur einmalig am 10.10.2013 bei ihm vorstellig geworden. Die Klägerin leide unter einer Hypertonie und einer Adipositas. Auf seinem Fachgebiet sei kein GdB festzustellen. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, sowie für Neurologie J. – Median Klinik G. (Auskunft vom 25.06.2015 – Bl. 28 ff., 43 ff. der SG-Akte) teilte mit, die Klägerin stünde seit September 2013 in seiner Behandlung. Sie leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, die schwer von den chronischen Schmerzbeschwerden zu trennen sei. Auf seinem Fachgebiet bestehe ein GdB von 50. Ärztin für Anästhesie und Schmerztherapie Dr. H. gab an (Auskunft vom 13.07.2015 – Bl. 36 ff. der SG-Akte), die Klägerin befinde sich seit Februar 2012 regelmäßig in ihrer schmerztherapeutischen Mitbehandlung. Sie komme alle sechs Monate in die Sprechstunde, zuletzt habe sie sie am 24.03.2015 gesehen. Hauptdiagnose seien die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule im Bereich der HWS und der LWS. Diese bewirkten eine Radikulopathie im Sinne eines Schulter-Arm-Syndroms sowie einer Lumboischialgie beidseits, rechts betont. Die Beschwerden hätten zugenommen, genauso wie die depressive Verstimmung. Der GdB sei daher mit 40, eher 50 festzustellen.
Mit Urteil vom 20.06.2016 wies das SG die Klage ab. Für die Wirbelsäulenschäden sei der von dem Beklagten angenommene Teil-GdB von 30 nicht sachgerecht. Ein pathologischer Befund liege insoweit nicht vor. Schwere funktionelle Auswirkungen seien nicht nachgewiesen. Es sei daher ein Teil-GdB von 20 anzunehmen. Die seelische Störung sei hingegen mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Die übrigen Erkrankungen bedingten einen Teil-GdB von 10. Der Gesamt-GdB betrage 40.
Gegen das der Klägerin am 25.06.2016 zugestellte Urteil hat diese am 28.06.2016 Berufung bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Sie habe Tag und Nacht starke Schmerzen, weswegen sie unter einer Depression leide. Es müsse ein höherer GdB festgestellt werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.06.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 07.04.2015 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Gutachtens der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O.-P. vom 19.10.2016 (Bl. 18 ff. der Senatsakte), die die Klägerin am 13.09.2016 persönlich untersucht hat. Die akut depressive Symptomatik sei abgeklungen. Es habe sich in der Begutachtung ein freundlich zugewandtes, schwingungsfähiges Bild gefunden. Es hätten sich keine krankheitswertigen hirnorganischen Einschränkungen, keine kognitiven Defizite und keine krankheitswertige psychomotorische Hemmung gezeigt. Auf ihrem Fachgebiet bestehe ein GdB von 30. Insgesamt betrage der GdB 40. Am 30.11.2016 hat ein Erörterungstermin stattgefunden, der Anlass zu ergänzenden Ermittlungen gegeben hat.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat den Befundbericht der Radiologie B.-B. vom 31.05.2016 (Bl. 79/80 der Senatsakte) beigezogen. Danach besteht bei der Klägerin eine flachbogige, linkskonvexe Skoliose, eine Streckfehlhaltung in der LWS sowie residuale Schmorl’sche Knötchen bei Zustand nach Morbus Scheuermann in den Segmenten Th10 bis Th12.
Mit richterlicher Verfügung vom 01.02.2017 sind die Klägerin und der Beklagte darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, über die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu entscheiden und ist ihnen Gelegenheit gegeben worden, bis 28.02.2017 zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ein Einverständnis der Beteiligten ist hierfür nicht Voraussetzung. So liegt der Fall hier. Das Sozialgericht hat nicht mit Gerichtsbescheid, sondern mit Urteil vom 20.06.2016 entschieden. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 01.02.2017 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des LRA vom 23.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt vom 07.04.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 40. Das Urteil des SG vom 20.06.2016 ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktions-systemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Hiervon ausgehend steht für den Senat fest, dass bei der Klägerin eine wesentliche Änderung ihres im letzten Feststellungsbescheid vom 18.05.2012 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.10.2013 mit einem GdB von 30 berücksichtigten Behinderungszustand insoweit eingetreten ist, dass die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen nunmehr einen GdB von 40 bedingen, wie der Beklagte mit Bescheid vom 23.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 07.04.2015 zutreffend festgestellt hat. Eine Änderung dahingehend, dass nunmehr ein Gesamt-GdB von mindestens 50 festzustellen wäre, liegt zur Überzeugung des Senats hingegen nicht vor, wie auch das SG im angefochtenen Urteil zutreffend entschieden hat.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, war ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen.
Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11, juris).
Bei der Klägerin besteht eine Zervikobrachialgie und eine Lumboischialgie. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. H. vom 04.05.2015 (Bl. 23 der SG-Akte). Bei der Untersuchung durch Dr. H. fanden sich muskuläre Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich. Die Rotation war endgradig schmerzhaft eingeschränkt. Im unteren LWS-Bereich bestand ein Bewegeschmerz. Die Klägerin gab Sensibilitätsstörungen an, ein Nervendehnungsschmerz fand sich nicht. Entsprechend der Mitteilung des Dr. H. handelt es sich dabei um Beschwerden bei Übergewicht und leichter Wirbelsäulenfehlstatik. Die degenerativen Veränderungen waren als altersentsprechend einzustufen. Diese Beurteilung deckt sich auch mit den Angaben im Entlassbericht des Klinikums M. vom 13.02.2015 (Bl. 20 der SG-Akte), wonach ein dort am 11.02.2015 gefertigtes MR keinen pathologischen Befund zeigte. Sensomotorische Ausfälle zeigten sich nicht. Bei der Untersuchung durch Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O.-P. am 13.09.2016 fanden sich diskrete Wurzelreizzeichen L5.
Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen ist bei der Klägerin im Funktionssystem des Rumpfes ein Einzel-GdB von 20 festzustellen. Eine schwere funktionelle Einschränkung, die einen GdB von 30 rechtfertigen würde, ist hingegen nicht nachgewiesen. An dieser Beurteilung ändert auch der Befundbericht der Radiologie B.-B. vom 31.05.2016 nichts, wonach bei dem dort durchgeführten MRT im Vergleich zur Voruntersuchung im Juni 2012 im Wesentlichen eine Befundkonstanz bestand. Soweit darin eine höhergradige Spondylarthrose angegeben wird, ändert auch dies nichts an der Beurteilung. Nach den VG (Teil B 18.1) kommt allein dem Vorliegen degenerativer Veränderungen der Haltungs- und Bewegungsorgane für die Bewertung des Teil-GdB nicht die ausschlaggebende Bedeutung zu, sondern der dadurch hervorgerufenen Funktionsbehinderung. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z.B. degenerativer Art) rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Auch die zeugenschaftliche Auskunft der Ärztin für Anästhesie und Schmerztherapie Dr. H. führt zu keinem anderen Ergebnis. Soweit Dr. H. angegeben hat, bei der Untersuchung im März 2015 sei das Laségue-Zeichen bei 30° positiv gewesen, fand sich entsprechendes bei der Untersuchung durch Dr. H. am 04.05.2015 nicht. Eine höhere Bewertung kommt danach nicht in Betracht.
Im Funktionssystem des Gehirn einschließlich der Psyche konnte der Senat einen Einzel-GdB von 30 feststellen.
Nach Teil B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.
Bei der Klägerin besteht eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und damit verbundenen rezidivierenden depressiven Episoden. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der Ärztin O.-P. vom 19.10.2016, die die Klägerin am 13.09.2016 persönlich untersucht hat. Bei der Untersuchung war die Klägerin wach und orientiert mit ungestörter Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit sowie ungestörter Auffassungsgabe. Es zeigten sich keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen. Wahrnehmung und Ich-Bewusstsein waren ungestört. In Antrieb und Motorik zeigte sich ein leicht gebundenes Bild. Affektiv imponierte eine freundlich zugewandte, schwingungsfähige Klägerin, die etwas klagsam auftrat und eher anamnestisch über Herabstimmung berichtete. Es fand sich ein Verdeutlichungsverhalten. Ihre bei der Untersuchung gemachten Angaben lassen eine unauffällige ausreichende Tagesstruktur mit Berufstätigkeit , Hausarbeit, Pflege von Hobbys, wie Stricken und Gartenarbeit, Treffen mit Freuden zum Grillen etc. (S. 39 und 40 des Gutachten) erkennen.
Bei der Klägerin liegt danach unter Berücksichtigung der medikamentös therapierten Schmerzstörung eine Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor, die mit einem GdB von 30 nicht zu niedrig bewertet ist. Befunde, die einen höheren GdB bedingen bzw. für eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sprechen, hat die Ärztin O.-P. im Rahmen ihres Gutachtens vom 19.10.2016, dem der Senat folgt, nicht erhoben. Die akut-depressive Symptomatik ist abgeklungen. Bei der Begutachtung fand sich ein freundlich zugewandtes, schwingungsfähiges Bild. Es fanden sich keine hirnorganischen Einschränkungen, keine kognitiven Defizite und keine krankheitswertige psychomotorische Hemmung. Die Klägerin schilderte soziale Kontakte. Die Integrität der psychischen Funktionen liegt vor. Die Klägerin hat einen strukturierten Tagesablauf und ein Zeitmanagement, hat soziale und Alltagskompetenzen und zeigt eine Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens. Die Lebens-, Alltags- und Freizeitgestaltung ist aktiv. Die Klägerin gab insoweit an, eine schöne Ehe zu führen, sich mit ihrem Mann zu verstehen, mit ihm spazieren zu gehen und zusammen Fernsehen zu schauen. Am Wochenende besuche sie gemeinsam mit ihrem Mann den Schrebergarten, wo sie einen Gemüse- und Blumengarten habe, da das eigene Gemüse besser schmecke. Sie verfüge über einen Freundeskreis, mit welchem sie auch telefoniere, sich im Garten treffe und spazieren gehe. Die letzte Urlaubsreise sei 2016 nach Russland erfolgt, wo sie auch Klassenkameraden getroffen habe. Ein stärkerer sozialer Rückzug ist mithin nicht erkennbar.
Nach alledem sind die Funktionsbeeinträchtigungen bei der Klägerin nicht derart ausgeprägt, dass für das seelische Leiden in der Längsschnittbetrachtung ein Teil-GdB von mehr als 30 anzunehmen wäre. Auch wenn, wie die Ärztin Oßwald-Petschl für den Senat nachvollziehbar darlegt, davon auszugehen ist, dass es unter belastenden Situationen sowohl zu einer Schmerzzunahme wie auch zu einer Zunahme der Herabstimmung bei akzentuierten Persönlichkeitszügen kommt, ändert dies an der Beurteilung nichts. Es ist zu berücksichtigen, dass nach Teil A Nr. 2 lit. 3 VG Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist. Dies bedeutet: Wenn bei einem Leiden der Verlauf durch sich wiederholende Besserungen und Verschlechterungen des Gesundheitszustandes geprägt ist, können die zeitweiligen Verschlechterungen – aufgrund der anhaltenden Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung – nicht als vorübergehende Gesundheitsstörungen betrachtet werden. Dementsprechend muss in solchen Fällen bei der GdB-Beurteilung von dem "durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden. Daher ist – wie oben ausgeführt – vorliegend in der Längsschnittbetrachtung von einem Teil-GdB von 30 auszugehen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der zeugenschaftlichen Auskunft des Dr. J. vom 25.06.2015. Soweit er die Beeinträchtigungen auf seinem Fachgebiet mit einem GdB von 50 bewertet, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar stellte Dr. J. eine depressive Symptomatik im Sinne einer mittelgradigen depressiven Störung sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Symptomen fest. Entscheidend für die GdB-Bewertung sind jedoch nicht die Diagnosen, sondern die vorliegenden Funktionseinbußen sowie die konkreten Einschränkungen in der Alltagsgestaltung. Angaben hierzu finden sich in dem Auskunft des Dr. J. jedoch nicht. Insbesondere lassen sich auch aus den Angaben des Dr. J. keine Anhaltspunkte für eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen ableiten, die Voraussetzung für eine Bewertung mit einem GdB von 50 wären.
Weitere GdB-relevante Einschränkungen finden sich im Funktionssystem des Gehirn einschließlich der Psyche nicht. Dies gilt insbesondere für die im Rahmen der Untersuchung bei der Ärztin O.-P. angegebenen Kopfschmerzen. Eine Migräne-Erkrankung wird insoweit nicht mitgeteilt. Eine gezielte Vorbeugung wird nicht durchgeführt, ein Schmerzkalender besteht nicht. Ein GdB ist daher nicht festzustellen.
Im Funktionssystem der Atmung konnte der Senat einen Einzel-GdB von 10 feststellen.
Nach Teil B Nr. 8.2 der VG ist eine chronische Bronchitis als eigenständige Krankheit und ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion bei einer leichten Form (symptomfreie Intervalle über mehrere Monate, wenig Husten, geringer Auswurf) mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewerten. Eine schwere Form (fast kontinuierlich ausgiebiger Husten und Auswurf, häufig akute Schübe) rechtfertigt einen GdB von 20 bis 30.
Bei der Klägerin besteht ein hyperreagibles Bronchialsyndrom. Dies entnimmt der Senat der zeugenschaftlichen Auskunft des Facharztes für Innere Medizin Z. vom 08.06.2015. Dieser hat insoweit mitgeteilt, das hyperreagible Bronchialsyndrom mit Neigung zu Reizhusten habe sich bei den insgesamt zwei Erkältungen im Winter deutlich verschlechtert. Eine kontinuierliche Einschränkung außerhalb der Erkältungen im Winter lässt sich seinen Angaben hingegen nicht entnehmen. Eine höhere Bewertung als mit einem GdB von 10 kommt mithin nicht in Betracht.
Im Funktionssystem Herz-Kreislauf ergibt sich ebenfalls ein Einzel-GdB von 10.
Bei der Klägerin besteht insoweit eine Hypertonie. Dies entnimmt der Senat der zeugenschaftlichen Auskunft des Prof. Dr. S. sowie des Arztes Z ... Die Hypertonie (Bluthochdruck) ist nach Teil B Nr. 9.3 VG als leichte Form - keine oder geringe Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) mit einem GdB von 0 bis 10, mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Au-genhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus I-II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mm Hg trotz Behand-lung, je nach Leistungsbeeinträchtigung mit einem GdB von 20 bis 40, schwere Form mit Betei-ligung mehrerer Organe (schwere Augenhintergrundveränderungen und Beeinträchtigung der Herzfunktion, der Nierenfunktion und/oder der Hirndurchblutung) je nach Art und Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigung mit einem GdB von 50 bis 100 und als maligne Form, diastolischer Blutdruck konstant über 130 mm Hg; Fundus hypertonicus III-IV (Papillenödem, Venenstauung, Exsudate, Blutungen, schwerste arterielle Gefäßveränderungen); unter Einschluss der Organbe-teiligung (Herz, Nieren, Gehirn) mit einem GdB von 100 zu bewerten.
Die bei der Klägerin vorliegende Hypertonie ist nach Prof. Dr. S. als geringgradig einzuschätzen. Insbesondere ist sie – laut Auskunft des Arztes Z. – medikamentös gut eingestellt. Entsprechend lag der Blutdruck auch bei der Untersuchung durch die Ärztin O.-P. in der Norm. Ein höherer GdB als 10 ist daher nicht anzunehmen.
Im Funktionssystem der Harnorgane ist jedenfalls ein höherer GdB als 10 nicht feststellen.
Nach Teil B Nr. 12.2.4 VG bedingt eine relative Harninkontinenz mit leichtem Harnabgang bei Belastung (z.B. Stressinkontinenz Grad I) einen GdB von 0 bis 10, eine solche mit Harnabgang tags und nachts einen GdB von 20 bis 40.
Bei der Klägerin besteht eine Dranginkontinenz sowie eine Belastungsinkontinenz Grad I. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht der Ärztin für Urologie Dr. S.vom 16.01.2015 (Bl. 24 der SG-Akte). Bei der Untersuchung durch Dr. S. gab die Klägerin an, es bestehe gelegentlicher Urinverlust. Sie benötige zwei Vorlage pro Tag. Nachts würden keine Vorlagen benötigt. Auch bei Zugrundelegung der eigenen Angaben der Klägerin ist damit ein höherer GdB als 10 nicht festzustellen. Eine überdauernde urologische Behandlung lässt sich den Angaben der Klägerin nicht entnehmen.
Soweit die Klägerin darüber hinaus unter einer Polyarthrose leidet, die mehrere Funktionssysteme betrifft, rechtfertigt dies jedenfalls keinen höheren GdB als 10, wie von dem Beklagten angenommen. Eine Verschlimmerung ist hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Weitere Gesundheitsstörungen, die einen Teil-GdB von 10 bedingen, sind weder vorgetragen noch konnte der Senat solche feststellen. Dies gilt insbesondere für die bislang berücksichtigte Mittelnervendruckschädigung, die jedoch bei der Untersuchung durch die Ärztin O.-P. nicht mehr nachzuweisen war. Die periphere Polyneuropathie bedingt keine motorischen Ausfälle, so dass auch hierfür kein GdB festzustellen ist. Gleiches gilt für die Meralgia parästhetica als Zeichen einer rein sensiblen Reizung eines Hautnervens im rechten Oberschenkel, die ebenfalls ohne funktionelle Einschränkungen bleibt.
Der Sachverhalt ist mithin vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und dem Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Damit ist bei der Klägerin ein höherer Gesamt-GdB als 40 nicht festzustellen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie auf-grund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB – nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder ein anderer Wert – fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind - z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von
• 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche • 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Atmung • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Herz-Kreislauf • 10 für die Funktionsbeeinträchtigung im Funktionssystem der Harnorgane • 10 für die verschiedene Funktionssysteme betreffende Polyarthrose
wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken (Teil A Nr. 3 lit. d, ee VG). Die Feststellung eines höheren GdB als 40 kommt derzeit damit nicht in Betracht.
Vorliegend spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule (bei der Klägerin bestehen mittelgradige Bewegungseinschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt) oder schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (bei der Klägerin besteht eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit) beeinträchtigen. Auch in ihrer Zusammenschau liegen bei der Klägerin derartig schwere Funktionsstörungen nicht vor, weshalb ein GdB von 50 vorliegend nicht gerechtfertigt ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin erhebliche Überschneidungen zwischen der Funktionsbeeinträchtigung im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche sowie dem Funktionssystem des Rumpfes vorliegen. Eine rechtlich wesentliche Änderung ist damit nicht eingetreten.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
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