L 27 R 124/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 231/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 124/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte wird unter Änderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Januar 2015 und ihres Bescheides vom 14. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2014 verpflichtet, ihren Bescheid vom 21. April 2011 zu ändern und zugunsten des Klägers weiteres Arbeitsentgelt in Gestalt von Jahresendprämien für die Jahre 1975 bis 1979 und 1981 bis 1989 in Höhe von insgesamt 14.225,63 Mark der DDR im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten festzustellen und dabei folgende Zuordnung vorzunehmen: Mark der DDR 1975 821,99 1976 857,27 1977 871,19 1978 997,16 1979 1084,74 1981 1191,51 1982 963,76 1983 1176,98 1984 1159,16 1985 1143,90 1986 1101,70 1987 880,18 1988 973,23 1989 1002,86 Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten für das Verfahren in beiden Instanzen zu 2/3 zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten nach einem Überprüfungsantrag des Klägers über die Verpflichtung der Beklagten, weitere Entgelte des Klägers in Form von Jahresendprämien für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der Technischen Intelligenz festzustellen.

Der 1939 geborene Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum als Ingenieur beim VEB Braunkohlewerk Cottbus beschäftigt. Mit Bescheid vom 21. April 2011 stellte die Beklagte fest, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) erfüllt seien für die Zeit vom 17. Juli 1961 bis zum 30. Juni 1990. Zugleich stellte die Beklagte das in diesem Zeitraum zu berücksichtigende Arbeitsentgelt fest, ohne dabei jedoch Jahresendprämien zu berücksichtigen.

Am 27. November 2013 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 21. April 2011 und die Feststellung höherer jährlicher Entgelte unter Berücksichtigung von Jahresendprämien. Mit Bescheid vom 14. Januar 2014, bestätigt mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2014, lehnte die Beklage die Feststellung zusätzlichen Entgelts in Form von Jahresendprämien ab und führte zur Begründung aus, der Kläger habe nicht nachweisen können, dass die Zahlung einer Jahresendprämie im Betriebskollektivvertrag vereinbart gewesen sei, das betreffende Arbeitskollektiv und der Kläger selbst die darin vorgegebenen Leistungskriterien erfüllt hätten und ihm schließlich im jeweiligen Jahr auch die geltend gemachte Jahresendprämie zugeflossen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Bescheide Bezug genommen.

Mit seiner am 17. April 2014 erhobenen Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes in Form von Jahresendprämien für die Jahre 1970 bis 1. Halbjahr 1990 im Wege der Glaubhaftmachung nach § 6 Abs. 6 AAÜG begehrt, ohne jedoch konkret geltend gemachte Beträge für konkrete Jahre zu benennen. Er ist der Ansicht, die Höhe der jeweiligen Jahresendprämie und deren Zahlung sei glaubhaft gemacht, insbesondere hat er sich insoweit auf eine Erklärung des ehemaligen Generaldirektors des Volkseigenen Betriebes Braunkohle-Kombinat Senftenberg vom 11./26. April 2010 und des ehemaligen Direktors der Sozialökonomie des betreffenden Betriebes Dr. W vom selben Tag bezogen. Darüber hinaus hat er sich auf eine Zeugenerklärung seines ehemaligen Vorgesetzten gegenüber der Beklagten vom 25. September 2014 bezogen, in der dieser angegeben hatte, er sei selbst mit der Auszahlung der Jahresendprämie befasst gewesen und könne daher aus eigener Kenntnis und eigenem Erinnerungsvermögen die Angaben des Klägers zum Erhalt der Jahresendprämien bestätigen.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2015 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe die Zahlung der von ihm beanspruchten zusätzlichen Entgelte in Form von Jahresendprämien weder im Sinne von § 23 Abs. 1 bis 6 SGB X nachgewiesen noch gemäß § 6 Abs. 6 AAÜG glaubhaft gemacht. Aus keiner der vorgelegten Unterlagen ergebe sich die Zahlung einer Jahresendprämie oder deren konkrete Höhe. Zwar sei es dem Kläger gelungen, eine Zahlung als wahrscheinlich darzustellen, es fehle aber an einem Nachweis des tatsächlichen Zuflusses jeder einzelnen Zahlung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid Bezug genommen, der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30. Januar 2015 zugestellt worden ist.

Mit der am 26. Februar 2015 eingelegten Berufung hat der Kläger sein Begehren zunächst weiterverfolgt, unterdessen aber die Klage zurückgenommen, soweit sie sich auf die Jahresendprämienzahlungen in den Jahren 1970 bis 1974 sowie 1980 und 1990 bezieht. Er beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Januar 2015 und ihres Bescheides vom 14. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2014 zu verpflichten, ihren Bescheid vom 21. April 2011 zu ändern und zugunsten des Klägers weiteres Arbeitsentgelt in Gestalt von Jahresendprämien für die Jahre 1975 bis 1979 und 1981 bis 1989 in Höhe von insgesamt 14.489,75 Mark der DDR, im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten festzustellen und dabei folgende Zuordnung vorzunehmen. Mark der DDR 1975 863,29 1976 991,41 1977 901,43 1978 1018,31 1979 1121,99 1981 1191,51 1982 963,76 1983 1176,98 1984 1159,16 1985 1143,90 1986 1101,70 1987 880,18 1988 973,27 1989 1002,86

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält nach wie vor weder die Höhe noch den Zufluss der geltend gemachten Jahresendprämie für nachgewiesen oder glaubhaft gemacht. Sie führt hierzu an, auch die im Verwaltungsverfahren vorgelegte Erklärung des ehemaligen Generaldirektors, in der dieser die Zahlung von Jahresendprämien durchgängig in Höhe festgestellter Prozentsätze vom monatlichen Bruttogehalt bestätigte, sei zur nötigen Glaubhaftmachung unzureichend. Insbesondere bestünden an deren Richtigkeit erhebliche Zweifel, nachdem ihr aus anderen Verfahren bekannte konkrete Nachweise über die Zahlung von Jahresendprämien von den prozentualen Angaben des ehemaligen Generaldirektors P deutlich abwichen. Darüber hinaus widersprächen die in der genannten Erklärung angeführten Prozentsätze auch den Grundsätzen des Politbüro-Beschlusses vom 22. Mai 1982, wonach die gezahlten Jahresendprämien nicht weiter erhöht werden sollten. Auch auf den Hinweis des Senats zu seinem Urteil vom 22. Februar 2017 in Bezug auf den konkreten Beschäftigungsbetrieb des Klägers hat die Beklagte die angeregte Abgabe eines Teilanerkenntnisses abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist hinsichtlich des nach Teilrücknahme der Klage noch verbliebenen Streitgegenstandes überwiegend begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage hinsichtlich des noch streitgegenständlichen Zeitraums größtenteils zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 14. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte die Änderung des Bescheides vom 21.April 2011 und die Festsetzung zusätzlicher Entgelte in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang abgelehnt hat. Dieser Bescheid ist nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) zu ändern, denn der Kläger kann beanspruchen, dass die Beklagte zu seinen Gunsten Jahresendprämien für die Jahre 1970 bis 1989 in Höhe von insgesamt 14.225,63 Mark der DDR als zusätzliche Entgelte, die jeweils den Kalenderjahren zuzuordnen sind, im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten feststellt.

Nach § 8 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) hat der Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt derjenigen Mitteilung bekannt zu geben, die dem an diese Mitteilung gebundenen, für die Erfüllung der Aufgaben der Rentenversicherung zuständigen Rentenversicherungsträger zu übermitteln ist, d.h. neben Zeiten der Zugehörigkeit des Berechtigten zu einem Zusatzversorgungssystem insbesondere das daraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt.

Jahresendprämien sind grundsätzlich als einmalige Einkünfte aus einer Beschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV und damit als Arbeitsentgelt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG berücksichtigungsfähig, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebes für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung gehandelt hat. Das Bundessozialgericht (BSG) führt im Urteil vom 23. August 2007 (- B 4 RS 4/06 R -, Rn. 19, 30 bei juris) hierzu aus:

Der Gesetzestext besagt nur, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) u.a. das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist.

In der DDR konnten die Werktätigen (= Arbeitnehmer im Sinne des bundesdeutschen Rechts) unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. –entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung". Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag (nachfolgend: BKV; vergleichbar mit dem Firmentarifvertrag des bundesdeutschen Rechts) vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen und damit auch für die Jahresendprämie.

Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war deshalb auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie (Arbeitsrecht - Lehrbuch, herausgegeben von einem Autorenkollektiv, Staatsverlag der DDR, Berlin 1983, S 194). Nach § 117 Abs. 1 Arbeitsgesetzbuch der DDR (nachfolgend: AGB-DDR) vom 16.6.1977 (GBl I 185; mit nachfolgenden Änderungen) bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im BKV vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war.

Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hängt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts davon ab, dass der Empfänger seinerzeit die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür trägt er die objektive Beweislast (vgl. BSG a.a.O. Rn. 42).

Der Kläger hat nicht bewiesen, dass er als Empfänger von Jahresendprämien die nach den Rechtsvorschriften der DDR notwendigen Voraussetzungen für die Zahlung einer Jahresendprämie in jedem einzelnen Jahr, für das er eine solche Prämie geltend macht, erfüllt hat.

Der Senat konnte auch nicht die Überzeugung gewinnen (§ 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), dass der Kläger mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit überhaupt die Jahresentgeltprämien erhalten hat. Quittungen o.ä. hat er nicht vorgelegt. Unterlagen des Arbeitgebers über Zahlungen dieser Prämien sind nicht (mehr) vorhanden. Die Rechtsnachfolgerin sah sich nicht in der Lage, hierzu genauere Angaben zu machen.

Allerdings sieht das Gesetz, wie sich aus § 6 Abs. 6 AAÜG ergibt, die Möglichkeit der Glaubhaftmachung weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien vor:

Wird ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht, wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

In Fällen, in denen – wie vorliegend – der Zufluss und die Höhe eines Teils des Verdienstes im Wege des Vollbeweises nachgewiesen sind, erlaubt diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut und systematischen Zusammenhang, die Möglichkeit der Glaubhaftmachung auch auf den Grund weiterer Entgeltzahlungen zu erstrecken.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, dies auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", d. h. es reicht aus, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 BSozR 3-3900 § 15 Nr. 4).

An diesen Maßstäben gemessen hat der Kläger vorliegend glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 AGB-DDR) für den Bezug einer Jahresendprämie in den geltend gemachten Jahren vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

Er war in den Jahren 1970 bis 1989 jeweils während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB Braunkohlenwerk Cottbus (§ 117 Abs. 1 Spiegelstrich 3 AGB-DDR). Glaubhaft gemacht ist weiter, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Spiegelstrich 1 AGB-DDR). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR zwingend vorgeschrieben. Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 AGB-DDR die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Schließlich ergibt sich aus der Erklärung vom 11./26. April 2010 die "gute Möglichkeit" im o.g. Sinne, dass er und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Spiegelstrich 2 AGB-DDR) und deshalb in den streitgegenständlichen Jahren tatsächlich Jahresendprämien erhalten hat. Der ehemalige Generaldirektors des VE BKK Senftenberg P und der ehemalige Direktors Sozialökonomie des VE BKK Senftenberg Dr. W haben unter dem 11./26. April 2010 an Eides statt versichert, dass j e d e m der im Stammbetrieb VE Braunkohlenkombinat Senftenbergund in den Kombinatsbetrieben – auch im VEB Braunkohlenwerk Cottbus – Beschäftigten für die Jahre 1969 bis 1989 eine Jahresendprämie gezahlt wurde. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte geht der Senat von der Authentizität des Schreibens aus, die auch von der Beklagten nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. In inhaltlicher Hinsicht tragen die Erklärungen nach einer Gesamtwürdigung die Einschätzung, sei es wahrscheinlicher, dass der Kläger in den streitgegenständlichen Jahren 1970 bis 1989 die Jahresendprämie erhalten hat, als dass er sie nicht erhalten hat. Der Hinweis der Beklagten aus anderen vor dem Senat geführten Verfahren, dass H P den Posten eines Generaldirektors erst seit Februar/März 1990 innehatte, ist nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit dessen Erklärung zu erschüttern. Wie er in seiner – dem Senat aus anderen Verfahren bekannten - ergänzenden Erklärung vom 13. Februar 2012 darlegte, beruhen seine Angaben auf den Ermittlungen des – inzwischen verstorbenen – ehemaligen Hauptbuchhalters des VE Braunkohlenkombinat Senftenberg R E, auf die er sich ausdrücklich bezog. Zusätzlich gestützt wird die Einschätzung des Senates auch durch die sog. "Zeugenerklärung" des ehemaligen Vorgesetzten des Klägers W F vom 25. September 2014, in der dieser die Angaben des Klägers bestätigt und angibt, selbst mit der Auszahlung der Jahresendprämie befasst gewesen zu sein.

Der Kläger trägt die objektive Beweislast nicht allein für den Zufluss als solchen (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R –, Rn. 42 bei juris), sondern auch für die Höhe der ihm gewährten Jahresendprämien.

Der Kläger hat nicht bewiesen, in welcher Höhe ihm ein jeweils konkret bestimmter Betrag als Jahresendprämie in den streitbefangenen Jahren tatsächlich zugeflossen ist, da – wie dargelegt – der Senat schon nicht die Überzeugung gewinnen konnte, dass der Kläger mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit überhaupt die Jahresentgeltprämien erhalten hat.

Die Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 6 AAÜG ermöglicht jedoch unter den genannten Voraussetzungen die Glaubhaftmachung der Höhe eines Teils des Verdienstes. Darüber hinausgehende Erleichterungen in Gestalt einer Schätzung sind dagegen nicht vorgesehen und auch unzulässig (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 1. Juni 2017, B 5 RS 2/17 R, juris, Rn. 30). Die streitigen Zahlungen betreffen zudem ersichtlich keinen "Schaden" im Sinne von § 287 Abs. 1 ZPO. Auch kann die auf gesetzlicher Ermächtigung beruhende "entsprechende Anwendung" der Norm auf der Grundlage von § 287 Abs. 2 ZPO von vornherein nur in Betracht kommen, wenn für den in Frage stehenden Rechtsbereich keine abschließende vorrangige Regelung besteht. Zudem würde die entsprechende Anwendung von § 287 Abs. 1 ZPO in Fällen der vorliegenden Art zunächst die rechtsgrundlose Erweiterung von dessen Anwendungsbereich auf Fallkonstellationen mit ungeklärter Haftungsgrundlage erfordern, obwohl die insofern einschlägigen tatsächlichen Umstände gerade zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen müssen (§ 286 ZPO). Schließlich stieße die praktische Umsetzung eines derart methodisch fragwürdigen Tuns auf das Problem, dass sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch hinsichtlich der Höhe Erwägungen zu unterschiedlichen Graden der Wahrscheinlichkeit anzustellen wären. Deren Überlagerung müsste jedoch letztlich zu bloßen Möglichkeiten und damit zu einer Verfehlung auch der Rechtsfolge von § 287 ZPO führen.

Die konkrete Höhe und der ihm für die Jahre 1970 bis 1989 jeweils gewährten Jahresendprämie hat der Kläger glaubhaft gemacht. Der Senat hält es für überwiegend wahrscheinlich, dass die in den Erklärungen vom 11./26. April 2010 dargelegte Berechnungsmethode auch im Fall des Klägers zur Anwendung gelangte. Danach wurde, ausgehend von dem in dem jeweiligen Jahr erzielten Produktionsergebnissen des Kombinats ein bestimmter Prozentsatz ermittelt, der in den hier streitgegenständlichen Jahren 1970 bis 1981 differierte, in den Jahren 1982 bis 1989 gleich blieb. Bezugsgröße dieses Prozentsatzes war dabei das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt des Beschäftigten des vorangegangenen Jahres, also 1/12 des Jahresbruttoverdienstes. Die Richtigkeit der Erklärungen vom 11./26. April 2010 zur Jahresendprämie wird auch dadurch gestützt, dass die in den genannten Schreiben weiter enthaltenen Angaben zur Zahlung und zur Höhe der sog. Bergmannsprämie sich nicht nur allgemein, sondern gerade auch im Falle des Klägers als zutreffend erwiesen haben. So werden die Angaben zur Höhe der Bergmannsprämie voll inhaltlich durch die der Beklagten gegenüber abgegebenen Einkommensbescheinigungen der Fa. Vattenfall Europe Mining vom 22. Februar 2011 bestätigt. Demgegenüber hat die Beklagte weder mit ihrem Einwand zu einem ihres Erachtens abweichenden Beschluss des Politbüros vom 25. Mai 1982 noch mit der Behauptung, aus anderen ihr bekannten Verfahren mit Nachweisen tatsächlich gezahlter Jahresendprämien hätten sich die Angaben über die prozentuale Berechnung der Jahresendprämie als unzutreffend erwiesen, durchgreifende Zweifel beim Senat erzeugen können. Vielmehr ergibt sich aus dem genannten Beschluss des Politbüros, dass nach seiner Ziffer 8. Sichergestellt werden sollte, dass die Werktätigen bei Erfüllung ihrer Leistungskriterien eine Jahresendprämie annähernd in gleicher Höhe wie im Vorjahr erhalten. Die durchschnittlich bisher in den Betrieben gezahlte Jahresendprämie solle im Prinzip nicht weiter erhöht werden. Mit dieser Formulierung stünde nur dann die hier angenommene Praxis nicht im Einklang wenn tatsächlich nicht die prozentuale, sondern die absolute Höhe der Jahresendprämie angesprochen wäre. Dafür sieht der Senat indes keine Anhaltspunkte. Bei prozentualer Betrachtungsweise steht die sich aus den Erklärungen vom 11./26. April 2010 ergebende Höhe der Jahresendprämien hingegen mit dem genannten Politbürobeschluss in völliger Übereinstimmung, da seit 1982 eine Veränderung des jeweiligen Prozentsatzes nicht mehr vorgenommen wurde, sich eine Steigerung der Jahresendprämie also ausschließlich aus einer Lohnsteigerung ergeben hat. Soweit die Beklagte Abweichungen behauptet und sich hierzu auf andere ihr bekannte Verfahren bezieht, ist ihr Vortrag in jeder Hinsicht substanzlos und für den Senat nicht nachvollziehbar. Weder werden die angeblich vorliegenden Unterlagen, aus denen sich die Abweichungen ergeben sollen, vorgelegt, noch wird auch nur im Ansatz dargelegt, wie hoch die Abweichungen seien und ob sie sich zugunsten oder zuungunsten des jeweiligen Zusatzversorgungsberechtigten auswirkten.

In Bezug auf die Höhe des jeweiligen prozentualen Anteils hält der Senat in Übereinstimmung mit seinem rechtskräftigen Urteil vom 22. Februar 2017 (L 27 R 540/15) ebenfalls die Angaben aus den Erklärungen vom 11./26. April 2010 für glaubhaft gemacht. Soweit sich der Kläger für die Jahre 1975 bis 1979 und 1981 hingegen darauf beruft, es sei ein höherer Anteil der Vorjahresbezugsgröße als Jahresendprämie gezahlt worden, sieht der Senat dies nicht als glaubhaft gemacht an. Zum einen widersprechen die Angaben des Klägers insoweit jenen des Generaldirektors und des Direktors für Sozialökonomie, zum anderen ist die Zeugenerklärung des ehemaligen Vorgesetzten des Klägers, auf die er sich beruft, hinsichtlich der konkreten Prämienhöhe unergiebig. Soweit der Kläger für die Jahre ab 1982 eine geringere Jahresendprämie geltend macht, als nach den Erklärungen vom 11./16. April 2010 unterliegt dies seiner Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand.

Hinsichtlich der Höhe des jeweils einzusetzenden Bruttomonatsgehalts geht der Senat grundsätzlich von den – insoweit von dem Kläger nicht in Frage gestellten – Feststellungen der Beklagten im Bescheid vom 21. April 2011 aus, die der Bescheinigung vom 22. Februar 2011 entspricht. Allerdings ist vom jeweiligen jährlichen Gesamt-Bruttoverdienst die Bergmannsprämie in Abzug zu bringen, da auch für diese nach der Erklärung vom 11./26. April 2010 die Bemessungsgröße der jährliche Bruttoverdienst war, sie mithin im Sinne einer Prämienberechnung nicht selbst als Bestandteil des Bruttoverdienstes zu Grunde gelegt wurde. Die betreffenden Beträge für die Jahre 1970 bis 1989 sind jeweils durch 12 (Monate) zu teilen.

Von den sich hieraus ergebenden Beträgen ist nach § 6 Abs. 6 AAÜG ein Abzug in Höhe eines Sechstels vorzunehmen, da der Kläger den Zufluss und die Höhe der Jahresendprämien nicht bewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht hat. Im Ergebnis sind zu Gunsten des Klägers Zahlungen der Jahresendprämien für die Jahre 1975 bis 1979 und 1981 bis 1990 wie folgt zu berücksichtigen:

Zeitraum Arbeitsentgelt Vorjahr ohne Bergmannsprämie (BP) monatlich Vorjahr ohne BP Prozent-Satz JEP Errechnete JEP nach Abzug 1/6 Geltend gemacht zuzuerkennen 1975 12789,44 1065,79 92,55% 986,39 821,99 863,29 821,99 1976 13847,04 1153,92 89,15% 1028,72 857,27 991,41 857,27 1977 13395,85 1116,32 93,65% 1045,43 871,19 901,43 871,19 1978 15227,04 1268,92 94,30% 1196,59 997,16 1018,31 997,16 1979 16604,94 1383,75 94,07% 1301,69 1084,74 1121,99 1084,74 1981 18875,45 1572,95 91,94% 1446,17 1205,14 1191,51 1191,51 1982 15471,78 1289,32 89,85% 1158,45 965,37 963,76 963,76 1983 19000,62 1583,39 89,85% 1422,68 1185,57 1176,98 1176,98 1984 19186,03 1598,84 89,85% 1436,56 1197,13 1159,16 1159,16 1985 19243,22 1603,60 89,85% 1440,83 1200,69 1143,90 1143,90 1986 19160,03 1596,67 89,85% 1434,61 1195,51 1101,70 1101,70 1987 17244,35 1437,03 89,85% 1291,17 1075,98 880,18 880,18 1988 19711,88 1642,66 89,85% 1475,93 1229,94 973,27 973,23 1989 20689,41 1724,12 89,85% 1549,12 1290,93 1002,86 1002,86 insgesamt 15454,03 14225,63

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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