Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 460/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4097/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 19.10.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Die am 1961 geborene türkischstämmige Klägerin erlernte nach eigenen Angaben keinen Beruf und war ab 1977 - mit Unterbrechungen - im Bundesgebiet als Produktionshelferin bzw. Küchenhilfe sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Mai 2015 trat bei ihr Arbeitsunfähigkeit ein; ihr letztes Arbeitsverhältnis endete sodann Ende Mai 2015. Seither ist sie ohne Beschäftigung und arbeitsuchend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Versicherungskonto der Klägerin hinterlegten Versicherungszeiten verwiesen (s. Aufstellung Bl. 85 ff. Senats-Akte).
Im April/Mai 2015 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum Bad D. - Klinik H. (Abt. für Psychosomatik) teil, aus der sie arbeitsunfähig und mit einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde (Diagnosen: posttraumatische Belastungsstörung - PTBS -, Hypertonie, Iris-Melanom, monokulärer Visusverlust, schädlicher Nikotiongebrauch).
Am 18.05.2015 beantragte die Klägerin (erneut) die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte holte das Gutachten des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. H. ein (Diagnosen nach Untersuchung bei ausgeprägter Aggravation: Hinweise auf Dysthymie - differentialdiagnostisch länger andauernde und rezidivierende Anpassungsstörung, keine leistungsrelevante PTBS, angegebenes Stimmenhören, Somatisierung, Visusminderung links mit Zustand nach Geschwulstbehandlung des linken Auges; Leistungsvermögen: leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Nachtschicht, ohne erhöhten Zeitdruck, ohne Verantwortung für Personen und unter Beachtung des monokularen Sehens sechs Stunden und mehr täglich) und lehnte den Rentenantrag gestützt auf das Gutachten mit Bescheid vom 08.07.2015 und Widerspruchsbescheid vom 03.02.2016 ab. Die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein und sei im Sinne der gesetzlichen Regelungen daher nicht erwerbsgemindert.
Hiergegen hat die Klägerin am 10.02.2016 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und insbesondere geltend gemacht, die Beklagte habe die Erheblichkeit ihrer psychischen Leiden verkannt. Sie leide mindestens an einer mittelschweren Depression und im Übrigen auch an einer PTBS mit einer erheblichen Störung der Anpassungsfähigkeit. Sie könne nicht mehr drei Stunden täglich arbeiten, wovon auch die Ärzte der Klinik H. ausgegangen seien.
Das SG hat sodann die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich angehört. Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutin Dr. C. hat von einer PTBS und einer mittelgradigen depressiven Episode mit teils psychotischen Symptomen sowie einer akuten Verschlechterung dieser Erkrankungen berichtet. Sie hat ferner die Einschätzung geäußert, dass die Klägerin derzeit keine leichten Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Allgemeinmedizinerin Dr. H. , die Hausärztin der Klägerin, hat u.a. mitgeteilt, dass die maßgeblichen Leiden der Klägerin "eindeutig" auf psychiatrischem Fachgebiet lägen und dass sich die bei der Klägerin bestehenden psychischen Symptome (unter Angabe der Diagnosen PTBS, schwere depressive Episode, Pseudodemenz, soziale Phobie) seit etwa Mitte 2015 deutlich verschlechtert hätten; eine Leistungsfähigkeit über drei Stunden bestehe nicht, die Klägerin sei zu berenten. Augenarzt Dr. S. hat über ein Irisimplantat links wegen eines Melanoms mit Visusminderung berichtet. Dies sei in qualitativer Leistungshinsicht zu berücksichtigen; leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin gleichwohl noch mindestens sechs Stunden täglich möglich.
Nach stationärem Aufenthalt der Klägerin in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik - O. des Klinikums Schloss W. im Mai/Juni 2016 hat das SG das Sachverständigengutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. D. eingeholt, der bei der Klägerin nach Untersuchung auf nervenärztlichem Fachgebiet eine Dysthymia diagnostiziert hat. Bei dem von der Klägerin berichteten Stimmenhören handele es sich allenfalls um eine dissoziative Symptomatik bei histrionischer Persönlichkeitsakzentuierung. Eine PTBS könne zum aktuellen Zeitpunkt nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden. Die psychische Belastbarkeit und die Stresstoleranz der Klägerin seien gleichwohl reduziert. Dem könne aber mit qualitativen Leistungseinschränkungen begegnet werden (keine taktgebundenen Arbeiten, z.B. keine Akkordtätigkeiten, keine Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht, keine Tätigkeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr). Eine zeitliche Leistungseinschränkung bestehe nicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. gestützt.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 24.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 08.11.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und insbesondere geltend gemacht, dass der Leistungseinschätzung der behandelnden Psychiaterin und der Ärzte der Klinik H. zu folgen sei. Auch ergebe sich aus dem Entlassungsbericht der Ärzte des Klinikums Schloss W. (vgl. Bl. 16a ff. Senats-Akte), dass bei ihr eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen und eine PTBS vorlägen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 19.10.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2016 zu verurteilen, ihr ab dem 01.05.2015 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat bei Dr. D. eine ergänzende Stellungnahme eingeholt (vgl. Bl. 111 f. Senats-Akte), in der der Sachverständige u.a. mitgeteilt hat, dass neben der von ihm diagnostizierten Dysthymia auch die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig (teil-) remittiert, i.S. einer doppelten Depression gestellt werden könne, gleichwohl bestehe auch im Hinblick auf den endgültigen Entlassungsbericht der Ärzte des Klinikums Schloss W. keine Veranlassung zu einer abweichenden Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin, zumal ihm der vorläufige Entlassungsbericht zum Zeitpunkt der Begutachtung vorgelegen habe.
Nach erneuter stationärer Behandlung der Klägerin im Klinikum Schloss W. sowie in der S. A. , Fachkrankenhaus und Rehabilitationsklinik für Internistische Psychosomatik und Psychotherapie, hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapeut und Suchtmediziner Dr. B. eingeholt, der die Klägerin Mitte August 2018 untersucht hat. Der Sachverständige hat von nervenärztlicher Seite eine wiederkehrende depressive Störung in derzeit allenfalls (vgl. Bl. 103 Senats-Akte) mittelgradiger Ausprägung, zusätzlich eine Dysthymia (sog. double Depression), rezidivierende Panikattacken, eine Koversionsneurose mit Stimmenhören sowie eine Sedativa- und Nikotinabhängigkeit diagnostiziert (vgl. Bl. 105 Senats-Akte). Es bestünden deutliche Anzeichen für eine Aggravation mit sekundärem Krankheitsgewinn sowie ein ausgeprägtes Rentenbegehren. Dr. B. hat die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte bis mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, wobei Arbeiten in Nachtschicht, mit erhöhtem Zeittakt, mit Verantwortung für gefährliche Maschinen und mit erhöhten Ansprüchen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen nicht mehr leidensgerecht seien. Im Hinblick auf die stattgehabte Melanom-Operation des linken Auges kämen zudem Arbeiten mit hohen Anforderungen an das binokulare Sehen nicht mehr in Betracht.
Zuletzt hat die Klägerseite die Arztbriefe der Dr. C. von Ende November 2017 (vgl. Bl. 115 der Senats-Akte), von Anfang August 2017 (vgl. Bl. 117 Senats-Akte) und von Mitte Juli 2018 (vgl. Blatt 116 Senats-Akte) vorgelegt, auf die hier verwiesen wird.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 08.07.2015 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weshalb ihr eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nicht zusteht.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen der von der Klägerin beanspruchten Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) im Einzelnen dargelegt sowie zutreffend und ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen bei der Klägerin keine zeitliche Leistungseinschränkung vorliegt. Es hat insbesondere darauf hingewiesen, dass der vom Sachverständigen Dr. D. erhobene psychopathologische Befund in Übereinstimmung mit dem Alltagsverhalten der Klägerin keine Hinweise auf schwerwiegendere depressive Zustände ergeben hat und dass die Beschwerdeschilderungen der Klägerin im mehrfacher Hinsicht inkonsistent gewesen sind. In Übereinstimmung mit dem SG und aus den von ihm dargelegten Gründen gelangt auch der Senat zu der Überzeugung, dass bei der Klägerin keine seelischen Zustände vorliegen, die über das Ausmaß einer allenfalls mittelgradigen Störung hinaus gehen, sodass die Klägerin in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu arbeiten. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Zu ergänzen ist, dass die bei der Klägerin bestehenden Beeinträchtigungen zu qualitativen Leistungseinschränkungen führen. Der Senat legt dabei zugunsten der Klägerin die von den Sachverständigen Dres. B. und D. sowie die vom Gutachter Dr. H. von psychiatrischer Seite beschriebenen Einschränkungen (keine Arbeiten in Nacht- und Wechselschicht, keine Arbeiten unter erhöhtem Zeitdruck bzw. im Akkord, keine Verantwortung für Personen und gefährliche Maschinen, keine Arbeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr, keine Arbeiten mit erhöhten Ansprüchen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen) zu Grunde, ebenso wie die in ophthalmologischer Hinsicht bestehende qualitative (vgl. Auskunft des Dr. S. , Bl. 94 SG-Akte) Leistungseinschränkung (keine Arbeiten mit hohen Anforderungen an das binokulare Sehen, vgl. Gutachten Dr. B. , Bl. 108 Senats-Akte, Gutachten Dr. D. , Bl. 143 SG-Akte und Gutachten des Dr. H. , Bl. M9 der Renten-Verwaltungsakte).
Soweit die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel unter Hinweis auf die Entlassungsberichte über ihre stationären Krankenhausbehandlungen geltend macht, sie leide nicht nur an einer Dysthymia, sondern auch an einer schweren depressiven Erkrankung, folgt dem der Senat nicht. Unabhängig davon, dass für die vorliegend zu beurteilende Frage, inwieweit die Klägerin durch die psychische Erkrankung in der beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, weniger von Bedeutung ist, welchem Krankheitsbild die psychische Erkrankung zuzuordnen ist, als vielmehr, welche konkreten funktionellen Einschränkungen hieraus resultieren und inwieweit diese der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit entgegenstehen, haben auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren nicht bestätigt, dass die Klägerin an einer schwereren seelischen Störung leidet.
Der Sachverständige Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat unter Würdigung des (endgültigen) Entlassungsberichtes der Ärzte des Klinikums Schloss W. über die dortige stationäre Behandlung der Klägerin im Mai/Juni 2016 (vgl. Bl. 16 ff. Senats-Akte) - also knapp zwei Monate vor der Untersuchung durch Dr. D. - und unter Bezugnahme auf sein Gutachten überzeugend dargelegt, dass bei der Klägerin u.a. von einer "double Depression" - also einer durch rezidivierende depressive Episoden unterschiedlichen Schweregrades überlagerter Dysthymia - auszugehen ist, die sich jedoch unter Medikamenteneinnahme in (Teil-)Remission befindet und dass der psychiatrische Zustand nicht derart schwerwiegend ist, dass eine von seinem Gutachten abweichende Leistungsbeurteilung in Betracht kommt.
Auch der Sachverständige Dr. B. hat in seinem Gutachten, gegen das sich die Klägerin im weiteren Verfahren nicht gewandt hat, nach Untersuchung und unter Würdigung der nachfolgenden Entlassungsberichte überzeugend dargelegt, dass bei der Klägerin keine schwerwiegendere seelische Erkrankung vorliegt. Er ist - ebenso wie bereits Dr. D. - namentlich von einer "double Depression" in allenfalls mittelgradiger Ausprägung ausgegangen und hat unter Berücksichtigung der übrigen psychiatrischen Beeinträchtigungen (rezidivierende Panikattacken, Konversionsneurose mit Stimmenhören, Sedativa- und Nikotinabhängigkeit bei Aggravation mit sekundärem Krankheitsgewinn und ausgeprägtem Rentenbegehren) - ebenfalls in Übereinstimmung mit Dr. D. - überzeugend dargelegt, dass eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht besteht und dass den Leiden von nervenärztlicher Seite mit den o.a. qualitativen Leistungseinschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dem folgt der Senat auf Grundlage des von Dr. B. erhobenen psychopathologischen Befundes (pünktlich zur Untersuchung erschienen, wach, bewusstseinsklar, in allen Qualitäten voll orientiert, im Verlauf der Untersuchung aufhellbar mit teilweisem Lächeln, keine inhaltlichen Denkstörungen, während der mehrstündigen Exploration keine Störungen der Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassung, Altgedächtnis intakt, Merkfähigkeit altersentsprechend, kein Anhalt für ein amnestisches Syndrom, erhaltene Tagesstruktur, vgl. Bl. 98 Senats-Akte).
Soweit die Klägerin geltend macht, bei ihr bestehe zudem eine PTBS, kann sich der Senat davon nicht überzeugen, nachdem sowohl der Sachverständige Dr. D. (zuletzt in seiner Stellungnahme gegenüber dem Senat, vgl. Bl. 28 f.) als auch der Sachverständige Dr. B. (vgl. Bl. 104 Senats-Akte) - und zuvor bereits Gutachter Dr. H. - eine solche Erkrankung nicht bestätigt haben. Soweit in den vorliegenden Entlassungsberichten die Diagnose einer PTBS aufgeführt ist, hat bereits Dr. D. (vgl. Bl. 27 Senat-Akte) darauf hingewiesen, dass sich den Berichten - und auch den Auskünften der Dres. C. und H. - Symptome einer PTBS auf Grundlage der internationalen Klassifikationsschemata nicht entnehmen lassen, die Klägerin derartige Symptome auch bei der von ihm durchgeführten Untersuchung nicht angegeben hat (vgl. Bl. 29 Senats-Akte) und dass erhebliche Überschneidungen zwischen den Symptomen einer PTBS und einer - bei der Klägerin vorliegenden - depressiven Störung bestünden. Der Sachverständige Dr. B. hat ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine PTBS (vgl. Bl. 104 Senats-Akte) gefunden und auf Inkonsistenzen bei der Diagnoseerhebung auf Grundlage der aktenkundigen Befunde verwiesen (vgl. Bl. 105 Senats-Akte). Ungeachtet dessen sind für die rentenrechtliche Bewertung auch Art und Anzahl der gestellten Diagnosen nicht maßgeblich. Denn im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung kommt es nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung oder Bezeichnung von Befunden an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris Rdnr. 15), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Dem entsprechend kommt es auch auf die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht an (BSG, a.a.O.).
Soweit die Klägerin meint, die Entlassungsberichte über ihre stationären Krankenhausbehandlungen würden belegen, dass sie nicht mehr arbeiten könne, verkennt sie, dass diese Berichte schon keine sozialmedizinischen Leistungsbeurteilungen enthalten und dass sie aus den Behandlungen jeweils mit deutlich stabilerer Stimmung, normalisiertem Antrieb und Schlafverhalten sowie deutlich gebesserter innerer Unruhe entlassen worden ist und dass sie auf die kombinierte psycho-pharmakologisch-psychotherapeutische Behandlung angesprochen hat, was Dr. D. zutreffend dargelegt hat (vgl. Bl. 28 f. Senats-Akte). Auch Dr. B. hat auf die Stabilisierung im Rahmen der stationären Aufenthalte hingewiesen und ausgeführt, dass auch in den stattgehabten Phasen, die zu den Aufenthalten geführt hätten, lediglich von einer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit habe ausgegangen werden können - so auch bereits Dr. D. (vgl. Bl. 143 SG-Akte) -, nicht jedoch von einem aufgehobenen Leistungsvermögen (vgl. Bl. 105 Senats-Akte). Die Frage des Bestehens von Arbeitsunfähigkeit ist indes für die hier zu beurteilende Frage der Erwerbsminderung nicht von entscheidender Bedeutung. Denn während sich die Arbeitsunfähigkeit nach der arbeitsvertraglich geschuldeten, zuletzt ausgeübten Arbeit richtet (BSG, Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R in SozR 4-2500 § 44 Nr. 7), sind Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei es ausreicht, wenn leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden können (§ 43 SGB VI). Deshalb kommt es für die Frage der Erwerbsminderung nicht darauf an, ob wegen Krankheit oder Behinderung Behandlungsbedürftigkeit oder - auch häufige - Arbeitsunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 31.10.2002, B 13 R 107/12 B in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19).
Unter Zugrundelegung dessen kann sich der Senat auch nicht davon überzeugen, dass die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt im hier relevanten Streitzeitraum voll bzw. teilweise erwerbsgemindert gewesen ist. Auf Grundlage der vorliegenden Gutachten, der zeitlichen Abfolge der stattgehabten gutachterlichen Prüfungen und der beschriebenen Stabilisierungen während der stationären Aufenthalte vermag der Senat vielmehr überdauernde schwere seelische Beeinträchtigungen der Klägerin nicht zu erkennen.
Soweit sich die Klägerin im Berufungsverfahren noch auf die Leistungseinschätzung der Ärzte der Klinik H. beruft, überzeugt dies den Senat schon deshalb nicht, weil Dr. H. knapp anderthalb Monate nach der Rehabilitationsmaßnahme auf Grundlage des von ihm erhobenen psychopathologischen Befundes (ordentlich gekleidet, unauffällige Mimik, prompte Fragenbeantwortung, in allen Qualitäten voll orientiert, kein Wahn, keine Ich-Störungen, kein manisches Erleben, keine Anhaltspunkte für ein hirnorganisches Psychosyndrom oder eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, keine Minussymptomatik, keine Dissoziation, ausreichende mnestische und intellektuelle Fähigkeiten, keine Affektlabilität, keine Agitation, keine Hemmung, ausgeprägte Aggravation) die Leistungseinschätzung der Ärzte der Klinik H. nicht hat nachvollziehen können. Auch insoweit vermag der Senat überdauernde schwere seelische Beeinträchtigungen der Klägerin nicht zu erkennen, zumal sich alle Gutachter - auch der Sachverständige Dr. D. (vgl. Bl. 27 Senats-Akte) - mit den aktenkundigen Vorbefunden, also auch dem Reha-Entlassungsbericht, auseinandergesetzt haben.
In Ansehung all dessen vermag der Senat, ebenso wie das SG, auch der Leistungseinschätzung der behandelnden Psychiaterin bzw. der Hausärztin in ihren Auskünften gegenüber dem SG nicht zu folgen, zumal die Einschätzungen auch nicht weiter begründet wurden und eine besondere Kompetenz der Allgemeinmedizinerin Dr. H. auf psychiatrischem Fachgebiet ohnehin nicht ersichtlich ist. Die von der Klägerin zuletzt übersandten Arztbriefe der Dr. C. rechtfertigen schon deshalb keine andere Beurteilung, weil in ihnen über einzelne Behandlungen der Klägerin vor der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. B. berichtet wird und sie objektiv-klinische Befunde ohnehin nicht enthalten (sondern im Wesentlichen die subjektiven Beschwerdeschilderungen der Klägerin).
Schließlich ist das SG unter Zugrundelegung der Auskunft des Dr. S. auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Sehbeeinträchtigung des linken Auges der Klägerin nicht zu einer quantitativen Leistungsminderung führt. Dieser kann vielmehr - wie oben bereits ausgeführt - in qualitativer Hinsicht ausreichend Rechnung getragen werden. Dass die verminderte Sehfähigkeit links die Klägerin im besonderen Maße in ihrer Leistungsfähigkeit behindert, ist weder vorgebracht worden, noch sonst ersichtlich, zumal die Klägerin ausweislich des Entlassungsberichtes der Ärzte der S.-Klinik dort lediglich von einer "reduzierten Sehkraft" berichtet hat (vgl. Bl. 62 Senats-Akte), nach eigenen Angaben Auto fährt und überdies mitgeteilt hat, sie habe sich auf dem Weg nach A. bis nach Salzburg verfahren (vgl. Bl. 63 Senats-Akte); auf Letzteres hat auch der Sachverständige Dr. B. hingewiesen (vgl. Bl. 105 Senats-Akte).
Anders als von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Bezug auf die stationären Aufenthalte angesprochen, haben in der Vergangenheit auch keine auf die Verschlossenheit des Arbeitsmarkten hindeutenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Dies wäre nur der Fall (BSG, Beschluss vom 31.10.2012, B 13 R 107/12 B in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19) wenn der Versicherte seine Arbeitsleistung für einen Zeitraum von mehr als 26 Wochen (sechs Monate bzw. die Hälfte) im Jahr gesundheitsbedingt nicht mehr erbringen kann. Ein derartiges Ausmaß haben die im Tatbestand festgestellten stationären Aufenthalte bei Weitem nicht erreicht (ca. drei Wochen im Jahr 2016, eineinhalb Monate im März/April 2017, drei Tage im November 2017).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Die am 1961 geborene türkischstämmige Klägerin erlernte nach eigenen Angaben keinen Beruf und war ab 1977 - mit Unterbrechungen - im Bundesgebiet als Produktionshelferin bzw. Küchenhilfe sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Mai 2015 trat bei ihr Arbeitsunfähigkeit ein; ihr letztes Arbeitsverhältnis endete sodann Ende Mai 2015. Seither ist sie ohne Beschäftigung und arbeitsuchend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Versicherungskonto der Klägerin hinterlegten Versicherungszeiten verwiesen (s. Aufstellung Bl. 85 ff. Senats-Akte).
Im April/Mai 2015 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum Bad D. - Klinik H. (Abt. für Psychosomatik) teil, aus der sie arbeitsunfähig und mit einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde (Diagnosen: posttraumatische Belastungsstörung - PTBS -, Hypertonie, Iris-Melanom, monokulärer Visusverlust, schädlicher Nikotiongebrauch).
Am 18.05.2015 beantragte die Klägerin (erneut) die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte holte das Gutachten des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. H. ein (Diagnosen nach Untersuchung bei ausgeprägter Aggravation: Hinweise auf Dysthymie - differentialdiagnostisch länger andauernde und rezidivierende Anpassungsstörung, keine leistungsrelevante PTBS, angegebenes Stimmenhören, Somatisierung, Visusminderung links mit Zustand nach Geschwulstbehandlung des linken Auges; Leistungsvermögen: leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Nachtschicht, ohne erhöhten Zeitdruck, ohne Verantwortung für Personen und unter Beachtung des monokularen Sehens sechs Stunden und mehr täglich) und lehnte den Rentenantrag gestützt auf das Gutachten mit Bescheid vom 08.07.2015 und Widerspruchsbescheid vom 03.02.2016 ab. Die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein und sei im Sinne der gesetzlichen Regelungen daher nicht erwerbsgemindert.
Hiergegen hat die Klägerin am 10.02.2016 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und insbesondere geltend gemacht, die Beklagte habe die Erheblichkeit ihrer psychischen Leiden verkannt. Sie leide mindestens an einer mittelschweren Depression und im Übrigen auch an einer PTBS mit einer erheblichen Störung der Anpassungsfähigkeit. Sie könne nicht mehr drei Stunden täglich arbeiten, wovon auch die Ärzte der Klinik H. ausgegangen seien.
Das SG hat sodann die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich angehört. Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutin Dr. C. hat von einer PTBS und einer mittelgradigen depressiven Episode mit teils psychotischen Symptomen sowie einer akuten Verschlechterung dieser Erkrankungen berichtet. Sie hat ferner die Einschätzung geäußert, dass die Klägerin derzeit keine leichten Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Allgemeinmedizinerin Dr. H. , die Hausärztin der Klägerin, hat u.a. mitgeteilt, dass die maßgeblichen Leiden der Klägerin "eindeutig" auf psychiatrischem Fachgebiet lägen und dass sich die bei der Klägerin bestehenden psychischen Symptome (unter Angabe der Diagnosen PTBS, schwere depressive Episode, Pseudodemenz, soziale Phobie) seit etwa Mitte 2015 deutlich verschlechtert hätten; eine Leistungsfähigkeit über drei Stunden bestehe nicht, die Klägerin sei zu berenten. Augenarzt Dr. S. hat über ein Irisimplantat links wegen eines Melanoms mit Visusminderung berichtet. Dies sei in qualitativer Leistungshinsicht zu berücksichtigen; leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin gleichwohl noch mindestens sechs Stunden täglich möglich.
Nach stationärem Aufenthalt der Klägerin in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik - O. des Klinikums Schloss W. im Mai/Juni 2016 hat das SG das Sachverständigengutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. D. eingeholt, der bei der Klägerin nach Untersuchung auf nervenärztlichem Fachgebiet eine Dysthymia diagnostiziert hat. Bei dem von der Klägerin berichteten Stimmenhören handele es sich allenfalls um eine dissoziative Symptomatik bei histrionischer Persönlichkeitsakzentuierung. Eine PTBS könne zum aktuellen Zeitpunkt nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden. Die psychische Belastbarkeit und die Stresstoleranz der Klägerin seien gleichwohl reduziert. Dem könne aber mit qualitativen Leistungseinschränkungen begegnet werden (keine taktgebundenen Arbeiten, z.B. keine Akkordtätigkeiten, keine Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht, keine Tätigkeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr). Eine zeitliche Leistungseinschränkung bestehe nicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. gestützt.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 24.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 08.11.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und insbesondere geltend gemacht, dass der Leistungseinschätzung der behandelnden Psychiaterin und der Ärzte der Klinik H. zu folgen sei. Auch ergebe sich aus dem Entlassungsbericht der Ärzte des Klinikums Schloss W. (vgl. Bl. 16a ff. Senats-Akte), dass bei ihr eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen und eine PTBS vorlägen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 19.10.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2016 zu verurteilen, ihr ab dem 01.05.2015 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat bei Dr. D. eine ergänzende Stellungnahme eingeholt (vgl. Bl. 111 f. Senats-Akte), in der der Sachverständige u.a. mitgeteilt hat, dass neben der von ihm diagnostizierten Dysthymia auch die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig (teil-) remittiert, i.S. einer doppelten Depression gestellt werden könne, gleichwohl bestehe auch im Hinblick auf den endgültigen Entlassungsbericht der Ärzte des Klinikums Schloss W. keine Veranlassung zu einer abweichenden Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin, zumal ihm der vorläufige Entlassungsbericht zum Zeitpunkt der Begutachtung vorgelegen habe.
Nach erneuter stationärer Behandlung der Klägerin im Klinikum Schloss W. sowie in der S. A. , Fachkrankenhaus und Rehabilitationsklinik für Internistische Psychosomatik und Psychotherapie, hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapeut und Suchtmediziner Dr. B. eingeholt, der die Klägerin Mitte August 2018 untersucht hat. Der Sachverständige hat von nervenärztlicher Seite eine wiederkehrende depressive Störung in derzeit allenfalls (vgl. Bl. 103 Senats-Akte) mittelgradiger Ausprägung, zusätzlich eine Dysthymia (sog. double Depression), rezidivierende Panikattacken, eine Koversionsneurose mit Stimmenhören sowie eine Sedativa- und Nikotinabhängigkeit diagnostiziert (vgl. Bl. 105 Senats-Akte). Es bestünden deutliche Anzeichen für eine Aggravation mit sekundärem Krankheitsgewinn sowie ein ausgeprägtes Rentenbegehren. Dr. B. hat die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte bis mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, wobei Arbeiten in Nachtschicht, mit erhöhtem Zeittakt, mit Verantwortung für gefährliche Maschinen und mit erhöhten Ansprüchen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen nicht mehr leidensgerecht seien. Im Hinblick auf die stattgehabte Melanom-Operation des linken Auges kämen zudem Arbeiten mit hohen Anforderungen an das binokulare Sehen nicht mehr in Betracht.
Zuletzt hat die Klägerseite die Arztbriefe der Dr. C. von Ende November 2017 (vgl. Bl. 115 der Senats-Akte), von Anfang August 2017 (vgl. Bl. 117 Senats-Akte) und von Mitte Juli 2018 (vgl. Blatt 116 Senats-Akte) vorgelegt, auf die hier verwiesen wird.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 08.07.2015 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weshalb ihr eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nicht zusteht.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen der von der Klägerin beanspruchten Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) im Einzelnen dargelegt sowie zutreffend und ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen bei der Klägerin keine zeitliche Leistungseinschränkung vorliegt. Es hat insbesondere darauf hingewiesen, dass der vom Sachverständigen Dr. D. erhobene psychopathologische Befund in Übereinstimmung mit dem Alltagsverhalten der Klägerin keine Hinweise auf schwerwiegendere depressive Zustände ergeben hat und dass die Beschwerdeschilderungen der Klägerin im mehrfacher Hinsicht inkonsistent gewesen sind. In Übereinstimmung mit dem SG und aus den von ihm dargelegten Gründen gelangt auch der Senat zu der Überzeugung, dass bei der Klägerin keine seelischen Zustände vorliegen, die über das Ausmaß einer allenfalls mittelgradigen Störung hinaus gehen, sodass die Klägerin in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu arbeiten. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Zu ergänzen ist, dass die bei der Klägerin bestehenden Beeinträchtigungen zu qualitativen Leistungseinschränkungen führen. Der Senat legt dabei zugunsten der Klägerin die von den Sachverständigen Dres. B. und D. sowie die vom Gutachter Dr. H. von psychiatrischer Seite beschriebenen Einschränkungen (keine Arbeiten in Nacht- und Wechselschicht, keine Arbeiten unter erhöhtem Zeitdruck bzw. im Akkord, keine Verantwortung für Personen und gefährliche Maschinen, keine Arbeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr, keine Arbeiten mit erhöhten Ansprüchen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen) zu Grunde, ebenso wie die in ophthalmologischer Hinsicht bestehende qualitative (vgl. Auskunft des Dr. S. , Bl. 94 SG-Akte) Leistungseinschränkung (keine Arbeiten mit hohen Anforderungen an das binokulare Sehen, vgl. Gutachten Dr. B. , Bl. 108 Senats-Akte, Gutachten Dr. D. , Bl. 143 SG-Akte und Gutachten des Dr. H. , Bl. M9 der Renten-Verwaltungsakte).
Soweit die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel unter Hinweis auf die Entlassungsberichte über ihre stationären Krankenhausbehandlungen geltend macht, sie leide nicht nur an einer Dysthymia, sondern auch an einer schweren depressiven Erkrankung, folgt dem der Senat nicht. Unabhängig davon, dass für die vorliegend zu beurteilende Frage, inwieweit die Klägerin durch die psychische Erkrankung in der beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, weniger von Bedeutung ist, welchem Krankheitsbild die psychische Erkrankung zuzuordnen ist, als vielmehr, welche konkreten funktionellen Einschränkungen hieraus resultieren und inwieweit diese der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit entgegenstehen, haben auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren nicht bestätigt, dass die Klägerin an einer schwereren seelischen Störung leidet.
Der Sachverständige Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat unter Würdigung des (endgültigen) Entlassungsberichtes der Ärzte des Klinikums Schloss W. über die dortige stationäre Behandlung der Klägerin im Mai/Juni 2016 (vgl. Bl. 16 ff. Senats-Akte) - also knapp zwei Monate vor der Untersuchung durch Dr. D. - und unter Bezugnahme auf sein Gutachten überzeugend dargelegt, dass bei der Klägerin u.a. von einer "double Depression" - also einer durch rezidivierende depressive Episoden unterschiedlichen Schweregrades überlagerter Dysthymia - auszugehen ist, die sich jedoch unter Medikamenteneinnahme in (Teil-)Remission befindet und dass der psychiatrische Zustand nicht derart schwerwiegend ist, dass eine von seinem Gutachten abweichende Leistungsbeurteilung in Betracht kommt.
Auch der Sachverständige Dr. B. hat in seinem Gutachten, gegen das sich die Klägerin im weiteren Verfahren nicht gewandt hat, nach Untersuchung und unter Würdigung der nachfolgenden Entlassungsberichte überzeugend dargelegt, dass bei der Klägerin keine schwerwiegendere seelische Erkrankung vorliegt. Er ist - ebenso wie bereits Dr. D. - namentlich von einer "double Depression" in allenfalls mittelgradiger Ausprägung ausgegangen und hat unter Berücksichtigung der übrigen psychiatrischen Beeinträchtigungen (rezidivierende Panikattacken, Konversionsneurose mit Stimmenhören, Sedativa- und Nikotinabhängigkeit bei Aggravation mit sekundärem Krankheitsgewinn und ausgeprägtem Rentenbegehren) - ebenfalls in Übereinstimmung mit Dr. D. - überzeugend dargelegt, dass eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht besteht und dass den Leiden von nervenärztlicher Seite mit den o.a. qualitativen Leistungseinschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dem folgt der Senat auf Grundlage des von Dr. B. erhobenen psychopathologischen Befundes (pünktlich zur Untersuchung erschienen, wach, bewusstseinsklar, in allen Qualitäten voll orientiert, im Verlauf der Untersuchung aufhellbar mit teilweisem Lächeln, keine inhaltlichen Denkstörungen, während der mehrstündigen Exploration keine Störungen der Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassung, Altgedächtnis intakt, Merkfähigkeit altersentsprechend, kein Anhalt für ein amnestisches Syndrom, erhaltene Tagesstruktur, vgl. Bl. 98 Senats-Akte).
Soweit die Klägerin geltend macht, bei ihr bestehe zudem eine PTBS, kann sich der Senat davon nicht überzeugen, nachdem sowohl der Sachverständige Dr. D. (zuletzt in seiner Stellungnahme gegenüber dem Senat, vgl. Bl. 28 f.) als auch der Sachverständige Dr. B. (vgl. Bl. 104 Senats-Akte) - und zuvor bereits Gutachter Dr. H. - eine solche Erkrankung nicht bestätigt haben. Soweit in den vorliegenden Entlassungsberichten die Diagnose einer PTBS aufgeführt ist, hat bereits Dr. D. (vgl. Bl. 27 Senat-Akte) darauf hingewiesen, dass sich den Berichten - und auch den Auskünften der Dres. C. und H. - Symptome einer PTBS auf Grundlage der internationalen Klassifikationsschemata nicht entnehmen lassen, die Klägerin derartige Symptome auch bei der von ihm durchgeführten Untersuchung nicht angegeben hat (vgl. Bl. 29 Senats-Akte) und dass erhebliche Überschneidungen zwischen den Symptomen einer PTBS und einer - bei der Klägerin vorliegenden - depressiven Störung bestünden. Der Sachverständige Dr. B. hat ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine PTBS (vgl. Bl. 104 Senats-Akte) gefunden und auf Inkonsistenzen bei der Diagnoseerhebung auf Grundlage der aktenkundigen Befunde verwiesen (vgl. Bl. 105 Senats-Akte). Ungeachtet dessen sind für die rentenrechtliche Bewertung auch Art und Anzahl der gestellten Diagnosen nicht maßgeblich. Denn im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung kommt es nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung oder Bezeichnung von Befunden an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris Rdnr. 15), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Dem entsprechend kommt es auch auf die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht an (BSG, a.a.O.).
Soweit die Klägerin meint, die Entlassungsberichte über ihre stationären Krankenhausbehandlungen würden belegen, dass sie nicht mehr arbeiten könne, verkennt sie, dass diese Berichte schon keine sozialmedizinischen Leistungsbeurteilungen enthalten und dass sie aus den Behandlungen jeweils mit deutlich stabilerer Stimmung, normalisiertem Antrieb und Schlafverhalten sowie deutlich gebesserter innerer Unruhe entlassen worden ist und dass sie auf die kombinierte psycho-pharmakologisch-psychotherapeutische Behandlung angesprochen hat, was Dr. D. zutreffend dargelegt hat (vgl. Bl. 28 f. Senats-Akte). Auch Dr. B. hat auf die Stabilisierung im Rahmen der stationären Aufenthalte hingewiesen und ausgeführt, dass auch in den stattgehabten Phasen, die zu den Aufenthalten geführt hätten, lediglich von einer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit habe ausgegangen werden können - so auch bereits Dr. D. (vgl. Bl. 143 SG-Akte) -, nicht jedoch von einem aufgehobenen Leistungsvermögen (vgl. Bl. 105 Senats-Akte). Die Frage des Bestehens von Arbeitsunfähigkeit ist indes für die hier zu beurteilende Frage der Erwerbsminderung nicht von entscheidender Bedeutung. Denn während sich die Arbeitsunfähigkeit nach der arbeitsvertraglich geschuldeten, zuletzt ausgeübten Arbeit richtet (BSG, Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R in SozR 4-2500 § 44 Nr. 7), sind Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei es ausreicht, wenn leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden können (§ 43 SGB VI). Deshalb kommt es für die Frage der Erwerbsminderung nicht darauf an, ob wegen Krankheit oder Behinderung Behandlungsbedürftigkeit oder - auch häufige - Arbeitsunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 31.10.2002, B 13 R 107/12 B in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19).
Unter Zugrundelegung dessen kann sich der Senat auch nicht davon überzeugen, dass die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt im hier relevanten Streitzeitraum voll bzw. teilweise erwerbsgemindert gewesen ist. Auf Grundlage der vorliegenden Gutachten, der zeitlichen Abfolge der stattgehabten gutachterlichen Prüfungen und der beschriebenen Stabilisierungen während der stationären Aufenthalte vermag der Senat vielmehr überdauernde schwere seelische Beeinträchtigungen der Klägerin nicht zu erkennen.
Soweit sich die Klägerin im Berufungsverfahren noch auf die Leistungseinschätzung der Ärzte der Klinik H. beruft, überzeugt dies den Senat schon deshalb nicht, weil Dr. H. knapp anderthalb Monate nach der Rehabilitationsmaßnahme auf Grundlage des von ihm erhobenen psychopathologischen Befundes (ordentlich gekleidet, unauffällige Mimik, prompte Fragenbeantwortung, in allen Qualitäten voll orientiert, kein Wahn, keine Ich-Störungen, kein manisches Erleben, keine Anhaltspunkte für ein hirnorganisches Psychosyndrom oder eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, keine Minussymptomatik, keine Dissoziation, ausreichende mnestische und intellektuelle Fähigkeiten, keine Affektlabilität, keine Agitation, keine Hemmung, ausgeprägte Aggravation) die Leistungseinschätzung der Ärzte der Klinik H. nicht hat nachvollziehen können. Auch insoweit vermag der Senat überdauernde schwere seelische Beeinträchtigungen der Klägerin nicht zu erkennen, zumal sich alle Gutachter - auch der Sachverständige Dr. D. (vgl. Bl. 27 Senats-Akte) - mit den aktenkundigen Vorbefunden, also auch dem Reha-Entlassungsbericht, auseinandergesetzt haben.
In Ansehung all dessen vermag der Senat, ebenso wie das SG, auch der Leistungseinschätzung der behandelnden Psychiaterin bzw. der Hausärztin in ihren Auskünften gegenüber dem SG nicht zu folgen, zumal die Einschätzungen auch nicht weiter begründet wurden und eine besondere Kompetenz der Allgemeinmedizinerin Dr. H. auf psychiatrischem Fachgebiet ohnehin nicht ersichtlich ist. Die von der Klägerin zuletzt übersandten Arztbriefe der Dr. C. rechtfertigen schon deshalb keine andere Beurteilung, weil in ihnen über einzelne Behandlungen der Klägerin vor der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. B. berichtet wird und sie objektiv-klinische Befunde ohnehin nicht enthalten (sondern im Wesentlichen die subjektiven Beschwerdeschilderungen der Klägerin).
Schließlich ist das SG unter Zugrundelegung der Auskunft des Dr. S. auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Sehbeeinträchtigung des linken Auges der Klägerin nicht zu einer quantitativen Leistungsminderung führt. Dieser kann vielmehr - wie oben bereits ausgeführt - in qualitativer Hinsicht ausreichend Rechnung getragen werden. Dass die verminderte Sehfähigkeit links die Klägerin im besonderen Maße in ihrer Leistungsfähigkeit behindert, ist weder vorgebracht worden, noch sonst ersichtlich, zumal die Klägerin ausweislich des Entlassungsberichtes der Ärzte der S.-Klinik dort lediglich von einer "reduzierten Sehkraft" berichtet hat (vgl. Bl. 62 Senats-Akte), nach eigenen Angaben Auto fährt und überdies mitgeteilt hat, sie habe sich auf dem Weg nach A. bis nach Salzburg verfahren (vgl. Bl. 63 Senats-Akte); auf Letzteres hat auch der Sachverständige Dr. B. hingewiesen (vgl. Bl. 105 Senats-Akte).
Anders als von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Bezug auf die stationären Aufenthalte angesprochen, haben in der Vergangenheit auch keine auf die Verschlossenheit des Arbeitsmarkten hindeutenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Dies wäre nur der Fall (BSG, Beschluss vom 31.10.2012, B 13 R 107/12 B in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19) wenn der Versicherte seine Arbeitsleistung für einen Zeitraum von mehr als 26 Wochen (sechs Monate bzw. die Hälfte) im Jahr gesundheitsbedingt nicht mehr erbringen kann. Ein derartiges Ausmaß haben die im Tatbestand festgestellten stationären Aufenthalte bei Weitem nicht erreicht (ca. drei Wochen im Jahr 2016, eineinhalb Monate im März/April 2017, drei Tage im November 2017).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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