Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 1083/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1059/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über den Fortbestand der Familienversicherung und die rückwirkende Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung.
Der Ehemann der Klägerin ist freiwilliges Mitglied der zu 1 beklagten Krankenkasse. Die Klägerin wurde seit Januar 2000 als familienversichertes Mitglied bei der Beklagten zu 1 geführt. Seit Januar 2003 war die Klägerin bei ihrem Ehemann geringfügig beschäftigt. Am 1. November 2016 nahm sie im Betrieb ihres Ehemannes eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf.
Die Beklagte zu 1 übersandte dem Ehemann der Klägerin regelmäßig Fragebögen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin. In dem am 16. November 2009 bei der Beklagten zu 1 eingegangenen Fragebogen für die Zeit ab 1. Januar 2008 gab er an, die Klägerin habe Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von monatlich EUR 400,00 erzielt ("bis auf Weiteres"). Weitere Einkünfte gab er nicht an. In dem am 12. November 2010 bei der Beklagten zu 1 eingegangenen Fragebogen gab er für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 an, die Klägerin habe über keinerlei Einkünfte verfügt. Entsprechendes gab er im Formular für 2010 an. Im Formular für 2011 wies er Einkünfte der Klägerin aus Verpachtung in Höhe von monatlich EUR 32,00 aus. Im Fragebogen für 2012 (Eingang am 21. November 2013) sowie in den folgenden Fragebögen bis 2015 gab er jeweils Einkünfte der Klägerin aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe von EUR 400,00 bzw. ab 1. November 2013 in Höhe von EUR 450,00 an. Weitere Einkünfte wurden nicht aufgeführt.
Im Einkommenssteuerbescheid der Eheleute für 2008 vom 23. Oktober 2009 (ohne Eingangsstempel der Beklagten) sind keine Einkünfte der Klägerin ausgewiesen. Aus dem Einkommenssteuerbescheid der Eheleute für 2009 vom 15. Oktober 2010 (eingegangen bei der Beklagten zu 1 am 22. November 2010) ergeben sich Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen in Höhe von EUR 392,00. In den Einkommenssteuerbescheiden der Jahre 2010 bis 2015 (jeweils vorgelegt mit den Fragebögen) sind jeweils Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen bzw. Verpachtung in Höhe von EUR 248,00 (2010), EUR 393,00 (2011), EUR 372,00 (2012), EUR 367,00 (2013), EUR 410,00 (2014), EUR 419,00 (2015) ausgewiesen.
Nach Einholung einer Auskunft der Minijobzentrale vom 14. November 2016 stellte die Beklagte zu 1 mit dem an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 23. November 2016 fest, dass ihre Familienversicherung zum 31. Oktober 2010 geendet habe, weil die Einkommensgrenzen seit 2009 überschritten worden seien.
Hiergegen legten die Klägerin und ihr Ehemann am 10. Dezember 2016 Widerspruch ein. Die rückwirkende Kündigung sei nicht gerechtfertigt. Sie hätten ihr Einkommen jährlich durch Übersendung des aktuellen Einkommenssteuerbescheids bekannt gegeben. Es sei Aufgabe der Beklagten zu 1 etwaige Unstimmigkeiten zeitnah aufzuklären. Eine rückwirkende Umwandlung der Familienversicherung in eine freiwillige Versicherung führe zu einer Doppelbelastung, weil im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung bereits ein Pauschalbeitrag in Höhe von 13 % an Beiträgen entrichtet worden sei.
Mit Bescheid vom 27. Dezember 2016 erhob die Beklagte zu 1 für die Zeit vom 1. Dezember 2011 bis 31. Oktober 2016 Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt EUR 9.450,30. Für die Zeit vom 1. November 2010 bis 31. Oktober 2016 werde eine Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) durchgeführt. Für den noch nicht verjährten Zeitraum seien Beiträge nachzuentrichten. Die Beiträge seien unter Zugrundelegung der (aus der Anlage zum Bescheid ersichtlichen) monatlichen Mindestbemessungsgrenze berechnet worden.
Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein (Schreiben vom 3. Januar 2017). Mit Schreiben vom 12. Januar 2017 erläuterte die Beklagte zu 1 ihre Entscheidungen nochmals ausführlich. Die Klägerin teilte daraufhin mit, an ihren Widersprüchen festzuhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2017 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten – auch im Namen der Beklagten zu 2 – die Widersprüche der Klägerin zurück.
Am 5. Mai 2017 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage und trug zur Begründung vor, der Beklagten zu 1 hätten die Einkommenssteuerbescheide vorgelegen. Sie (die Klägerin) wende deshalb Vertrauensschutz ein. Sie habe sich nach Übersendung der Einkommenssteuerbescheide darauf verlassen können, dass die Beitragsberechnung und die Einschätzung des Status richtig sei und auch so bestehen bleibe. Alle Vermögens- und Lebensdispositionen hätten sich darauf ausgerichtet und könnten nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Mit Urteil vom 15. Februar 2018 wies das SG die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Beklagte (zu 1) habe zu Recht festgestellte, dass die Familienversicherung zum 31. Oktober 2010 geendet habe. Aufgrund der Auskunft der Minijobzentrale vom 14. November 2016 stehe fest, dass die Klägerin in den Jahren 2009 bis 2012 ein Entgelt aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe der jeweiligen Einkommensgrenze für die Familienversicherung bezogen habe. Aus den Einkommenssteuerbescheiden ergebe sich zusätzlich, dass die Klägerin über Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw. Verpachtung verfügt habe, sodass die Einkommensgrenzen überschritten worden seien. Dies sei zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Ein feststellender Verwaltungsakt über das Bestehen einer Familienversicherung sei gegenüber der Klägerin offensichtlich nicht ergangen. Die Voraussetzungen für die Rücknahme von Verwaltungsakten nach §§ 45 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien daher nicht zu prüfen. Die Beklagte (zu 1) sei somit nicht gehindert gewesen, die Beendigung rückwirkend festzustellen. Sie sei ebenfalls berechtigt gewesen, unter Beachtung der Verjährung, rückwirkend ab dem 1. Dezember 2011 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erheben. Es sei eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V eingetreten. Die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung der Klägerin sei jedenfalls im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden. Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes seien die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Die Angaben in den Fragebögen seien unvollständig gewesen. Selbst wenn die Beklagte (zu 1) einen Abgleich mit den Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2009 bis 2011 vorgenommen hätte, hätte sie die Überschreitung der Einkommensgrenze nicht erkennen können, weil die Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung in den Einkommenssteuerbescheiden nicht aufgeführt seien. Verwirkung sei nicht eingetreten. Die Beklagte (zu 1) habe nicht durch ein konkretes Verhalten das Vertrauen erweckt, sie werde sich auf die Überschreitung der Einkommensgrenzen für die Familienversicherung nicht berufen. Zwar hätten ihr die Einkommensgrenzen vorgelegen. Gleichwohl sei sie berechtigt gewesen, sich bei der Durchführung der Familienversicherung auf die Angaben in den Fragebögen zur Datenpflege zu verlassen.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigen am 2. März 2018 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 7. März 2018 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ihre Argumentation aus der ersten Instanz wiederholt. Die Beklagte zu 1 habe durchgängig Kenntnis davon gehabt, dass sie einen Minijob im Betrieb ihres Ehemannes ausübe. Die Einkommenssteuerbescheide seien immer umgehend vorgelegt worden. Zudem sei keine ordnungsgemäße Anhörung der Klägerin erfolgt. Es bestehe außerdem die Vermutung, dass Teile der Einkünfte der Klägerin wenigstens zum Teil auf die beitragspflichtigen Einkünfte des Ehemannes übertragen worden seien und deshalb schon verbeitragt seien. Die Verwaltungsakte des Ehemannes sei beizuziehen. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass Pauschalbeiträge im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung gezahlt worden seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. Februar 2018 und die Bescheide der Beklagten vom 23. November 2016 und vom 27. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2017 aufzuheben.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Berichterstatterin hat die Rechts- und Sachlage mit den Beteiligten am 17. Oktober 2018 erörtert und darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
2. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 143 SGG statthaft und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auch nicht der Zulassung, weil sich die Klägerin (unter anderem) gegen die Zahlung von Beiträgen in Höhe von EUR 9.450,30 wendet, so dass der Beschwerdewert von EUR 750,00 übertroffen ist.
3. Obwohl die Klägerin ursprünglich nur die zu 1 beklagte Krankenkasse als Klagegegnerin bezeichnete, richtete sich ihre Klage von vornherein auch gegen die zu 2 beklagte Pflegekasse. Der angefochtene Bescheid vom 27. Dezember 2016 betrifft nicht nur Beiträge zur Krankenversicherung, sondern auch zur Pflegeversicherung. Die Klägerin wandte sich von Anfang an gegen den gesamten Bescheid. Deshalb ist eine Berichtigung des Rubrums auf Beklagtenseite – auch noch im Berufungsverfahren – möglich und keine Klageänderung im Sinne von § 99 SGG gegeben (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Urteil vom 12. September 2014 – L 4 KR 75/14 – juris, Rn. 17; Urteil vom 20. Januar 2017 – L 4 KR 872/16 – nicht veröffentlicht).
4. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide vom 23. November 2016 und 27. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
a) Die Bescheide sind formell rechtmäßig. Die nach § 28 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung wurde im Widerspruchsverfahren nachgeholt. Die Beklagte hat im Schreiben vom 12. Januar 2017 ihre Entscheidungen ausführlich erläutert und der Klägerin nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Damit wurde der durch die zunächst unterbliebene Anhörung vor Erlass der belastenden Entscheidungen entstandene Verfahrensfehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt.
b) Die Beklagte zu 1 hat mit Bescheid vom 23. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2017 zutreffend die Beendigung der Familienversicherung zum 31. Oktober 2010 festgestellt.
Ob zu einem späteren Zeitpunkt erneut die Voraussetzungen für die Familienversicherung eingetreten waren, ist demgegenüber unbeachtlich. Denn die Beklagte zu 1 hat keine Entscheidung über die Familienversicherung der Klägerin ad infinitum getroffen. Gegenstand ihrer Entscheidung war nur die Feststellung, dass über den 31. Oktober 2010 hinaus keine Familienversicherung mehr bestand. Dieser Bescheid hat keine Dauerwirkung. Es wird lediglich das Nicht(fort)bestehen eines Versicherungsverhältnisses festgestellt. Damit wird die Rechtslage nur einmalig gestaltet und das Bestehen eines Rechtsverhältnisses gerade verneint (vgl. zur Leistungsablehnung BSG, Urteil vom 30. Januar 1985 – 1 RJ 2/84 – juris, Rn. 16; Urteil des Senats vom 27. März 2015 – L 4 P 2196/14 – juris, Rn. 33; Brandenburg: in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 Rn. 52).
aa) Rechtsgrundlage der Entscheidung der Beklagten zu 1 ist § 10 SGB V. Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 23. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2017 ist nicht an §§ 45, 48 SGB X zu messen.
Ein Verwaltungsakt der Beklagten zu 1 über das Bestehen der Familienversicherung ist nicht ergangen. Die Klägerin hat sich auf eine entsprechende ausdrückliche Entscheidung der Beklagten zu 1 nicht berufen. Die bloße Durchführung der Familienversicherung enthält keine Regelung des Versicherungsverhältnisses. Auch aus der jährlichen Abfrage in den Fragebögen zur Datenpflege zur Familienversicherung ist nichts ersichtlich, was auf eine Regelung zur Familienversicherung schließen lassen könnte (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2013 – L 11 KR 1983/12 – in juris, Rn. 32). In dem Aushändigen von Krankenscheinen oder der Krankenversichertenkarte (§§ 15, 291 SGB V) ist ebenfalls kein Verwaltungsakt zu sehen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 35 m.w.N.). Liegt damit ein entgegenstehender Verwaltungsakt nicht vor, ist die Krankenkasse nicht gehindert, rückwirkend festzustellen, dass ab einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt eine Familienversicherung nicht bestanden hat; sie unterliegt dabei nicht den Grenzen der §§ 45, 48 SGB X (dazu näher BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – in juris, Rn. 33 ff. m.w.N.; BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R – juris, Rn. 25; ebenso Urteil des Senats vom 20. Oktober 2015 – L 4 KR 2417/15, nicht veröffentlicht; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2013 – L 11 KR 1983/12 – in juris, Rn. 32;).
bb) Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier anzuwendenden, seit 30. März 2005 geltenden Fassung von Art. 4 des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 21. März 2005 (BGBl. I, S. 818) sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern versichert (Familienversicherung), wenn diese Familienangehörigen (1.) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, (2.) nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 bis 8, 11 oder 12 SGB V oder nicht freiwillig versichert sind, (3.) nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind, wobei die Versicherungsfreiheit nach § 7 SGB V außer Betracht bleibt, (4.) nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und (5.) kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8a SGB IV beträgt das zulässige Gesamteinkommen EUR 400,00.
Unter dem Gesamteinkommen im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ist das Gesamteinkommen des § 16 SGB IV zu verstehen. Danach ist das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts (Halbsatz 1). Es umfasst insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen (Halbsatz 2). Nach § 2 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegen sieben Einkunftsarten der Einkommensteuer, darunter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG). Einkünfte sind nach § 2 Abs. 2 EStG bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit der Gewinn (§§ 4 bis 7k und 13a EStG), bei den übrigen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten im Sinne von §§ 8 bis 9a EStG. Auf diesen Begriff der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG wird in § 16 Halbsatz 1 SGB IV Bezug genommen. Das gilt auch, soweit das Gesamteinkommen für den Ausschluss aus der Familienversicherung nach § 10 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB V Bedeutung hat (BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R – juris, Rn. 16 m.w.N.). Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens sind von den Einkünften Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) und Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) nicht abzuziehen (BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R – juris, Rn. 168).
cc) Das danach maßgebliche Gesamteinkommen der Klägerin überschritt regelmäßig im Monat das nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V zulässige Gesamteinkommen.
Das Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung ist bei der Ermittlung des Gesamteinkommens im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V zu berücksichtigen, auch wenn dieses Einkommen für die Klägerin einkommensteuerfrei war, weil eine Pauschalversteuerung durch den Arbeitgeber erfolgte (vgl. § 40a Abs. 2 EStG). Dass Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung ebenfalls zu berücksichtigen ist, ergibt sich schon aus § 10 Abs. 1 Satz Nr. 5 SGB V selbst: Die dort normierte Anhebung der maßgeblichen Gesamteinkommensgrenze für geringfügig Beschäftigte würde sonst keinen Sinn ergeben.
Neben dem Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung erzielte die Klägerin Einkünfte aus Kapitalvermögen. Der Einkommensteuerbescheid vom 15. Oktober 2010 für das Jahr 2009 betraf das zum streitigen Zeitpunkt (1. November 2010) zeitnächste Steuerjahr. Aus dem Einkommenssteuerbescheid ergaben sich jährliche Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen in Höhe von EUR 392,00. Dies ergibt einen monatlichen Betrag von EUR 32,67. Die Ermittlung des monatlichen Einkommens durch die Division des Jahresbetrages durch zwölf ist jedenfalls dann vorzunehmen, wenn der Betroffene – wie hier – keinerlei substantiierte Angaben dazu macht, dass sich der Gesamtbetrag aus höchst unterschiedlichen Monatsbeträgen zusammensetzt (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – in juris, Rn. 15; Beschluss des Senats vom 12. Juni 2015 – L 4 KR 4882/12 – nicht veröffentlicht). Ob die Einkünfte der Klägerin – wie sie behauptet – zu Unrecht bei der Verbeitragung ihres Ehemannes berücksichtigt wurden, kann dahin gestellt bleiben. Die Frage, ob die Klägerin familienversichert war, bleibt von einem etwaigen Mangel in der Berechnung der vom Ehemann zu zahlenden Beiträge unberührt.
Mit somit regelmäßigen monatlichen Einkünften in Höhe von insgesamt EUR 432,67 überschritt die Klägerin die maßgebliche Einkommensgrenze für die Familienversicherung. Die Beklagte stellte für die Feststellung des Gesamteinkommens der Klägerin für die Zeit ab November 2010 zu Recht auf das im Einkommensteuerbescheid vom 15. Oktober 2010 für 2009 ausgewiesene Gesamteinkommen ab. Für das Gesamteinkommen ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 29 f) auch bei rückwirkender Feststellung eine vorausschauende Betrachtungsweise zugrunde zu legen.
Die spätere Entwicklung ist für die Aufhebungsentscheidung nicht maßgeblich. Abgesehen davon, überschritt die Klägerin auch in den Folgejahren die maßgebliche Einkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, weil sie durchgängig bis 31. Oktober 2016 geringfügig beschäftigt war und EUR 400,00 bzw. ab dem 1. November 2013 EUR 450,00 verdiente sowie laut Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2015 über Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw. Verpachtung in Höhe von jährlich zumindest EUR 248,00 (monatlich 20,67 EUR) verfügte.
Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der rückwirkenden Feststellung der Beendigung der Familienversicherung nicht entgegen, dass die Beklagte möglicherweise früher die Überschreitung der Einkommensgrenze hätte erkennen können. Allein die kraft Gesetzes eingetretene materiell-rechtliche Beendigung der Familienversicherung berechtigt auch zur nachträglichen Feststellung durch die Beklagte zu 1 (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 31). Abgesehen davon, hat die Klägerin in den Fragebögen unzutreffende Angaben gemacht.
c) Die Beklagte zu 1 hat mit Bescheid vom 27. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2017 (hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2) zutreffend die Versicherungspflicht der Klägerin vom 1. November 2010 bis 31. Oktober 2016 festgestellt und die für die Zeit vom 1. Dezember 2011 bis 31. Oktober 2016 von der Klägerin zu zahlenden Beiträge in zutreffender Höhe festgesetzt.
aa) Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und (a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder (b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 6 Abs. 1 und 2 SGB V genannten (versicherungsfreien) Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Die den Versicherungspflichttatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ergänzende Bestimmung in § 5 Abs. 8a SGB V schließt die Versicherungspflicht für bestimmte Fälle aus und konkretisiert damit zugleich das Merkmal "anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall" in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Danach ist (u.a.) nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig, wer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 SGB V versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V (Familienversicherung) versichert ist (Satz 1). Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sind nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies sind nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI Personen, die, weil sie bisher keinen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatten, nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Krankenversicherungspflicht unterliegen.
Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in der Zeit vom 1. November 2010 bis 31. Oktober 2016. Sie war bis zum 31. Oktober 2010 familienversichert und damit zuletzt bei der Beklagten zu 1 gesetzlich krankenversichert. Die Beklagten sind deshalb für die Durchführung der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI zuständige Kranken- und Pflegekasse (§ 174 Abs. 5 SGB V, § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Die Klägerin hatte ab dem 1. November 2010 keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB V ist nicht gem. § 5 Abs. 8a SGB V ausgeschlossen. Sie war insbesondere nicht familienversichert. Die Voraussetzungen des § 10 SGB V lagen nicht vor (s.o.). Erst ab dem 1. November 2016 war sie aufgrund ihrer Beschäftigung versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V.
Die Versicherungspflicht begann mit dem ersten Tag ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, also am 1. November 2010. Die Klägerin ist gem. § 174 Abs. 5 SGB V (wieder) Mitglied der Beklagten zu 1 geworden. Entsprechendes gilt für die Pflegeversicherung bei der Beklagten zu 2.
Damit bestand gleichzeitig Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 12 SGB XI.
bb) Die Klägerin schuldet aufgrund der Versicherungspflicht Beiträge für jeden Tag der Mitgliedschaft. Denn nach § 223 Abs. 1 SGB V, § 54 Abs. 2 Satz 2 SGB XI sind Beiträge für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen. Die Klägerin hat die Beiträge nach § 250 Abs. 3 SGB V, § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI allein zu tragen. Die Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung erfolgt nach § 227 in Verbindung mit § 240 SGB V. Für die soziale Pflegeversicherung gelten die Regelungen für die Beitragserhebung entsprechend (§ 57 Abs. 1 SGB XI). Als beitragspflichtige Einnahmen gilt nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Die Mindesteinnahmengrenze des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V darf auch in Härtefällen nicht unterschritten werden, etwa dann, wenn die beitragsrelevanten tatsächlichen Einnahmen des Versicherten wesentlich unter dieser Grenze liegen oder Einkommen überhaupt nicht vorhanden ist (vgl. zB BSG, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 RR 1/94 - SozR 3-2500 § 240 Nr. 29).
Die Beklagte zu 1 hat (hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2) unter Anwendung dieser Normen die Beitragshöhe zutreffend festgesetzt. Sie hat jeweils den neuzigsten Teil der Bezugsgröße (EUR 2.555 für 2011, EUR 2.625 für 2012, EUR 2.695 für 2013, EUR 2.765 für 2014, EUR 2.835 für 2015) herangezogen und den so errechneten Betrag mal 30 genommen, weil der Monat mit 30 Kalendertagen anzusetzen ist (§ 223 Abs. 2 Satz 2 SGB V, § 54 Abs. 2 Satz 3 SGB XI). Daraus ergeben sich die beitragspflichtigen Mindesteinnahmen, die der Beitragsforderung zugrunde gelegt wurden. Rechenfehler zuungunsten der Klägerin sind nicht ersichtlich.
cc) Die geltend gemachten Beiträge für die Zeit vom 1. Dezember 2011 bis 31. Oktober 2016 sind nicht verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 SGB V verjähren Ansprüche auf Beiträge vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 der auf Grundlage des § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V vom GKV-Spitzenverband erlassenen "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) sind Beiträge bis zum 15. des dem Beitragsmonat folgenden Monats zu zahlen. Der Beitrag für den Monat Dezember 2011 ist am 15. des Folgemonats, also am 15. Januar 2012, fällig gewesen. Bei Erlass des Bescheids vom 27. Dezember 2016 war mithin noch keine Verjährung eingetreten.
Anhaltspunkte für eine Verwirkung der Beitragsforderungen liegen nicht vor. Besondere Umstände, die eine Verwirkung auslösen, liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Anspruchstellers berechtigt (Verwirkungsverhalten) vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 5 RJ 52/94, juris, Rn. 18 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es fehlt hier bereits an einer Vertrauensgrundlage zugunsten der Klägerin. Das bloße Nichtstun der Beklagten zu 1 reicht als Verwirkungsverhalten nicht aus. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte zu 1 in Kenntnis der tatsächlichen Umstände gegenüber der Klägerin oder ihrem Ehemann deutlich gemacht hätte, auf ihr Recht zu verzichten. Sie hatte aufgrund der unvollständigen Angaben in den Fragebögen zur Datenpflege der Familienversicherung schon keine Kenntnis davon, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine Familienversicherung nicht mehr erfüllte. Selbst wenn die Beklagte zu 1 einen Abgleich mit den Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2009 bis 2011 vorgenommen hätte, hätte sie die Überschreitung der Einkommensgrenze nicht erkennen können, weil die Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung in den Einkommenssteuerbescheiden nicht aufgeführt waren. Die Angaben im Fragebogen für das Jahr 2008, die Klägerin habe "bis auf Weiteres" Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung, war mit der ausdrücklichen Verneinung von Einkünften der Klägerin im Fragebogen für das Jahr 2009 überholt. Die Beklagte zu 1 musste die Richtigkeit dieser Angaben nicht in Zweifel ziehen. Erstmals durch einen Abgleich des Fragebogens für 2012 mit dem Einkommenssteuerbescheid für 2012, die beide im November 2013 bei der Beklagten zu 1 eingingen, hätte die Beklagte zu 1 erkennen können, dass die Einkommensgrenzen ab 2013 überschritten waren. Das Risiko, dass die falschen Angaben in den Fragebögen längere Zeit unentdeckt blieben, trägt jedoch (innerhalb der Grenzen der Verjährung) nicht die Beklagte zu 1, sondern die Klägerin, die sich die falschen Angaben ihres Ehemannes in den Fragebögen zurechnen lassen muss.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
6. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über den Fortbestand der Familienversicherung und die rückwirkende Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung.
Der Ehemann der Klägerin ist freiwilliges Mitglied der zu 1 beklagten Krankenkasse. Die Klägerin wurde seit Januar 2000 als familienversichertes Mitglied bei der Beklagten zu 1 geführt. Seit Januar 2003 war die Klägerin bei ihrem Ehemann geringfügig beschäftigt. Am 1. November 2016 nahm sie im Betrieb ihres Ehemannes eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf.
Die Beklagte zu 1 übersandte dem Ehemann der Klägerin regelmäßig Fragebögen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin. In dem am 16. November 2009 bei der Beklagten zu 1 eingegangenen Fragebogen für die Zeit ab 1. Januar 2008 gab er an, die Klägerin habe Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von monatlich EUR 400,00 erzielt ("bis auf Weiteres"). Weitere Einkünfte gab er nicht an. In dem am 12. November 2010 bei der Beklagten zu 1 eingegangenen Fragebogen gab er für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 an, die Klägerin habe über keinerlei Einkünfte verfügt. Entsprechendes gab er im Formular für 2010 an. Im Formular für 2011 wies er Einkünfte der Klägerin aus Verpachtung in Höhe von monatlich EUR 32,00 aus. Im Fragebogen für 2012 (Eingang am 21. November 2013) sowie in den folgenden Fragebögen bis 2015 gab er jeweils Einkünfte der Klägerin aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe von EUR 400,00 bzw. ab 1. November 2013 in Höhe von EUR 450,00 an. Weitere Einkünfte wurden nicht aufgeführt.
Im Einkommenssteuerbescheid der Eheleute für 2008 vom 23. Oktober 2009 (ohne Eingangsstempel der Beklagten) sind keine Einkünfte der Klägerin ausgewiesen. Aus dem Einkommenssteuerbescheid der Eheleute für 2009 vom 15. Oktober 2010 (eingegangen bei der Beklagten zu 1 am 22. November 2010) ergeben sich Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen in Höhe von EUR 392,00. In den Einkommenssteuerbescheiden der Jahre 2010 bis 2015 (jeweils vorgelegt mit den Fragebögen) sind jeweils Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen bzw. Verpachtung in Höhe von EUR 248,00 (2010), EUR 393,00 (2011), EUR 372,00 (2012), EUR 367,00 (2013), EUR 410,00 (2014), EUR 419,00 (2015) ausgewiesen.
Nach Einholung einer Auskunft der Minijobzentrale vom 14. November 2016 stellte die Beklagte zu 1 mit dem an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 23. November 2016 fest, dass ihre Familienversicherung zum 31. Oktober 2010 geendet habe, weil die Einkommensgrenzen seit 2009 überschritten worden seien.
Hiergegen legten die Klägerin und ihr Ehemann am 10. Dezember 2016 Widerspruch ein. Die rückwirkende Kündigung sei nicht gerechtfertigt. Sie hätten ihr Einkommen jährlich durch Übersendung des aktuellen Einkommenssteuerbescheids bekannt gegeben. Es sei Aufgabe der Beklagten zu 1 etwaige Unstimmigkeiten zeitnah aufzuklären. Eine rückwirkende Umwandlung der Familienversicherung in eine freiwillige Versicherung führe zu einer Doppelbelastung, weil im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung bereits ein Pauschalbeitrag in Höhe von 13 % an Beiträgen entrichtet worden sei.
Mit Bescheid vom 27. Dezember 2016 erhob die Beklagte zu 1 für die Zeit vom 1. Dezember 2011 bis 31. Oktober 2016 Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt EUR 9.450,30. Für die Zeit vom 1. November 2010 bis 31. Oktober 2016 werde eine Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) durchgeführt. Für den noch nicht verjährten Zeitraum seien Beiträge nachzuentrichten. Die Beiträge seien unter Zugrundelegung der (aus der Anlage zum Bescheid ersichtlichen) monatlichen Mindestbemessungsgrenze berechnet worden.
Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein (Schreiben vom 3. Januar 2017). Mit Schreiben vom 12. Januar 2017 erläuterte die Beklagte zu 1 ihre Entscheidungen nochmals ausführlich. Die Klägerin teilte daraufhin mit, an ihren Widersprüchen festzuhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2017 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten – auch im Namen der Beklagten zu 2 – die Widersprüche der Klägerin zurück.
Am 5. Mai 2017 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage und trug zur Begründung vor, der Beklagten zu 1 hätten die Einkommenssteuerbescheide vorgelegen. Sie (die Klägerin) wende deshalb Vertrauensschutz ein. Sie habe sich nach Übersendung der Einkommenssteuerbescheide darauf verlassen können, dass die Beitragsberechnung und die Einschätzung des Status richtig sei und auch so bestehen bleibe. Alle Vermögens- und Lebensdispositionen hätten sich darauf ausgerichtet und könnten nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Mit Urteil vom 15. Februar 2018 wies das SG die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Beklagte (zu 1) habe zu Recht festgestellte, dass die Familienversicherung zum 31. Oktober 2010 geendet habe. Aufgrund der Auskunft der Minijobzentrale vom 14. November 2016 stehe fest, dass die Klägerin in den Jahren 2009 bis 2012 ein Entgelt aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe der jeweiligen Einkommensgrenze für die Familienversicherung bezogen habe. Aus den Einkommenssteuerbescheiden ergebe sich zusätzlich, dass die Klägerin über Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw. Verpachtung verfügt habe, sodass die Einkommensgrenzen überschritten worden seien. Dies sei zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Ein feststellender Verwaltungsakt über das Bestehen einer Familienversicherung sei gegenüber der Klägerin offensichtlich nicht ergangen. Die Voraussetzungen für die Rücknahme von Verwaltungsakten nach §§ 45 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien daher nicht zu prüfen. Die Beklagte (zu 1) sei somit nicht gehindert gewesen, die Beendigung rückwirkend festzustellen. Sie sei ebenfalls berechtigt gewesen, unter Beachtung der Verjährung, rückwirkend ab dem 1. Dezember 2011 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erheben. Es sei eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V eingetreten. Die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung der Klägerin sei jedenfalls im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden. Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes seien die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Die Angaben in den Fragebögen seien unvollständig gewesen. Selbst wenn die Beklagte (zu 1) einen Abgleich mit den Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2009 bis 2011 vorgenommen hätte, hätte sie die Überschreitung der Einkommensgrenze nicht erkennen können, weil die Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung in den Einkommenssteuerbescheiden nicht aufgeführt seien. Verwirkung sei nicht eingetreten. Die Beklagte (zu 1) habe nicht durch ein konkretes Verhalten das Vertrauen erweckt, sie werde sich auf die Überschreitung der Einkommensgrenzen für die Familienversicherung nicht berufen. Zwar hätten ihr die Einkommensgrenzen vorgelegen. Gleichwohl sei sie berechtigt gewesen, sich bei der Durchführung der Familienversicherung auf die Angaben in den Fragebögen zur Datenpflege zu verlassen.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigen am 2. März 2018 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 7. März 2018 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ihre Argumentation aus der ersten Instanz wiederholt. Die Beklagte zu 1 habe durchgängig Kenntnis davon gehabt, dass sie einen Minijob im Betrieb ihres Ehemannes ausübe. Die Einkommenssteuerbescheide seien immer umgehend vorgelegt worden. Zudem sei keine ordnungsgemäße Anhörung der Klägerin erfolgt. Es bestehe außerdem die Vermutung, dass Teile der Einkünfte der Klägerin wenigstens zum Teil auf die beitragspflichtigen Einkünfte des Ehemannes übertragen worden seien und deshalb schon verbeitragt seien. Die Verwaltungsakte des Ehemannes sei beizuziehen. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass Pauschalbeiträge im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung gezahlt worden seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. Februar 2018 und die Bescheide der Beklagten vom 23. November 2016 und vom 27. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2017 aufzuheben.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Berichterstatterin hat die Rechts- und Sachlage mit den Beteiligten am 17. Oktober 2018 erörtert und darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
2. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 143 SGG statthaft und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auch nicht der Zulassung, weil sich die Klägerin (unter anderem) gegen die Zahlung von Beiträgen in Höhe von EUR 9.450,30 wendet, so dass der Beschwerdewert von EUR 750,00 übertroffen ist.
3. Obwohl die Klägerin ursprünglich nur die zu 1 beklagte Krankenkasse als Klagegegnerin bezeichnete, richtete sich ihre Klage von vornherein auch gegen die zu 2 beklagte Pflegekasse. Der angefochtene Bescheid vom 27. Dezember 2016 betrifft nicht nur Beiträge zur Krankenversicherung, sondern auch zur Pflegeversicherung. Die Klägerin wandte sich von Anfang an gegen den gesamten Bescheid. Deshalb ist eine Berichtigung des Rubrums auf Beklagtenseite – auch noch im Berufungsverfahren – möglich und keine Klageänderung im Sinne von § 99 SGG gegeben (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Urteil vom 12. September 2014 – L 4 KR 75/14 – juris, Rn. 17; Urteil vom 20. Januar 2017 – L 4 KR 872/16 – nicht veröffentlicht).
4. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide vom 23. November 2016 und 27. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
a) Die Bescheide sind formell rechtmäßig. Die nach § 28 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung wurde im Widerspruchsverfahren nachgeholt. Die Beklagte hat im Schreiben vom 12. Januar 2017 ihre Entscheidungen ausführlich erläutert und der Klägerin nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Damit wurde der durch die zunächst unterbliebene Anhörung vor Erlass der belastenden Entscheidungen entstandene Verfahrensfehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt.
b) Die Beklagte zu 1 hat mit Bescheid vom 23. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2017 zutreffend die Beendigung der Familienversicherung zum 31. Oktober 2010 festgestellt.
Ob zu einem späteren Zeitpunkt erneut die Voraussetzungen für die Familienversicherung eingetreten waren, ist demgegenüber unbeachtlich. Denn die Beklagte zu 1 hat keine Entscheidung über die Familienversicherung der Klägerin ad infinitum getroffen. Gegenstand ihrer Entscheidung war nur die Feststellung, dass über den 31. Oktober 2010 hinaus keine Familienversicherung mehr bestand. Dieser Bescheid hat keine Dauerwirkung. Es wird lediglich das Nicht(fort)bestehen eines Versicherungsverhältnisses festgestellt. Damit wird die Rechtslage nur einmalig gestaltet und das Bestehen eines Rechtsverhältnisses gerade verneint (vgl. zur Leistungsablehnung BSG, Urteil vom 30. Januar 1985 – 1 RJ 2/84 – juris, Rn. 16; Urteil des Senats vom 27. März 2015 – L 4 P 2196/14 – juris, Rn. 33; Brandenburg: in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 Rn. 52).
aa) Rechtsgrundlage der Entscheidung der Beklagten zu 1 ist § 10 SGB V. Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 23. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2017 ist nicht an §§ 45, 48 SGB X zu messen.
Ein Verwaltungsakt der Beklagten zu 1 über das Bestehen der Familienversicherung ist nicht ergangen. Die Klägerin hat sich auf eine entsprechende ausdrückliche Entscheidung der Beklagten zu 1 nicht berufen. Die bloße Durchführung der Familienversicherung enthält keine Regelung des Versicherungsverhältnisses. Auch aus der jährlichen Abfrage in den Fragebögen zur Datenpflege zur Familienversicherung ist nichts ersichtlich, was auf eine Regelung zur Familienversicherung schließen lassen könnte (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2013 – L 11 KR 1983/12 – in juris, Rn. 32). In dem Aushändigen von Krankenscheinen oder der Krankenversichertenkarte (§§ 15, 291 SGB V) ist ebenfalls kein Verwaltungsakt zu sehen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 35 m.w.N.). Liegt damit ein entgegenstehender Verwaltungsakt nicht vor, ist die Krankenkasse nicht gehindert, rückwirkend festzustellen, dass ab einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt eine Familienversicherung nicht bestanden hat; sie unterliegt dabei nicht den Grenzen der §§ 45, 48 SGB X (dazu näher BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – in juris, Rn. 33 ff. m.w.N.; BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R – juris, Rn. 25; ebenso Urteil des Senats vom 20. Oktober 2015 – L 4 KR 2417/15, nicht veröffentlicht; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2013 – L 11 KR 1983/12 – in juris, Rn. 32;).
bb) Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier anzuwendenden, seit 30. März 2005 geltenden Fassung von Art. 4 des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 21. März 2005 (BGBl. I, S. 818) sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern versichert (Familienversicherung), wenn diese Familienangehörigen (1.) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, (2.) nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 bis 8, 11 oder 12 SGB V oder nicht freiwillig versichert sind, (3.) nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind, wobei die Versicherungsfreiheit nach § 7 SGB V außer Betracht bleibt, (4.) nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und (5.) kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8a SGB IV beträgt das zulässige Gesamteinkommen EUR 400,00.
Unter dem Gesamteinkommen im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ist das Gesamteinkommen des § 16 SGB IV zu verstehen. Danach ist das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts (Halbsatz 1). Es umfasst insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen (Halbsatz 2). Nach § 2 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegen sieben Einkunftsarten der Einkommensteuer, darunter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG). Einkünfte sind nach § 2 Abs. 2 EStG bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit der Gewinn (§§ 4 bis 7k und 13a EStG), bei den übrigen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten im Sinne von §§ 8 bis 9a EStG. Auf diesen Begriff der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG wird in § 16 Halbsatz 1 SGB IV Bezug genommen. Das gilt auch, soweit das Gesamteinkommen für den Ausschluss aus der Familienversicherung nach § 10 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB V Bedeutung hat (BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R – juris, Rn. 16 m.w.N.). Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens sind von den Einkünften Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) und Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) nicht abzuziehen (BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R – juris, Rn. 168).
cc) Das danach maßgebliche Gesamteinkommen der Klägerin überschritt regelmäßig im Monat das nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V zulässige Gesamteinkommen.
Das Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung ist bei der Ermittlung des Gesamteinkommens im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V zu berücksichtigen, auch wenn dieses Einkommen für die Klägerin einkommensteuerfrei war, weil eine Pauschalversteuerung durch den Arbeitgeber erfolgte (vgl. § 40a Abs. 2 EStG). Dass Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung ebenfalls zu berücksichtigen ist, ergibt sich schon aus § 10 Abs. 1 Satz Nr. 5 SGB V selbst: Die dort normierte Anhebung der maßgeblichen Gesamteinkommensgrenze für geringfügig Beschäftigte würde sonst keinen Sinn ergeben.
Neben dem Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung erzielte die Klägerin Einkünfte aus Kapitalvermögen. Der Einkommensteuerbescheid vom 15. Oktober 2010 für das Jahr 2009 betraf das zum streitigen Zeitpunkt (1. November 2010) zeitnächste Steuerjahr. Aus dem Einkommenssteuerbescheid ergaben sich jährliche Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen in Höhe von EUR 392,00. Dies ergibt einen monatlichen Betrag von EUR 32,67. Die Ermittlung des monatlichen Einkommens durch die Division des Jahresbetrages durch zwölf ist jedenfalls dann vorzunehmen, wenn der Betroffene – wie hier – keinerlei substantiierte Angaben dazu macht, dass sich der Gesamtbetrag aus höchst unterschiedlichen Monatsbeträgen zusammensetzt (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – in juris, Rn. 15; Beschluss des Senats vom 12. Juni 2015 – L 4 KR 4882/12 – nicht veröffentlicht). Ob die Einkünfte der Klägerin – wie sie behauptet – zu Unrecht bei der Verbeitragung ihres Ehemannes berücksichtigt wurden, kann dahin gestellt bleiben. Die Frage, ob die Klägerin familienversichert war, bleibt von einem etwaigen Mangel in der Berechnung der vom Ehemann zu zahlenden Beiträge unberührt.
Mit somit regelmäßigen monatlichen Einkünften in Höhe von insgesamt EUR 432,67 überschritt die Klägerin die maßgebliche Einkommensgrenze für die Familienversicherung. Die Beklagte stellte für die Feststellung des Gesamteinkommens der Klägerin für die Zeit ab November 2010 zu Recht auf das im Einkommensteuerbescheid vom 15. Oktober 2010 für 2009 ausgewiesene Gesamteinkommen ab. Für das Gesamteinkommen ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 29 f) auch bei rückwirkender Feststellung eine vorausschauende Betrachtungsweise zugrunde zu legen.
Die spätere Entwicklung ist für die Aufhebungsentscheidung nicht maßgeblich. Abgesehen davon, überschritt die Klägerin auch in den Folgejahren die maßgebliche Einkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, weil sie durchgängig bis 31. Oktober 2016 geringfügig beschäftigt war und EUR 400,00 bzw. ab dem 1. November 2013 EUR 450,00 verdiente sowie laut Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2015 über Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw. Verpachtung in Höhe von jährlich zumindest EUR 248,00 (monatlich 20,67 EUR) verfügte.
Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der rückwirkenden Feststellung der Beendigung der Familienversicherung nicht entgegen, dass die Beklagte möglicherweise früher die Überschreitung der Einkommensgrenze hätte erkennen können. Allein die kraft Gesetzes eingetretene materiell-rechtliche Beendigung der Familienversicherung berechtigt auch zur nachträglichen Feststellung durch die Beklagte zu 1 (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 31). Abgesehen davon, hat die Klägerin in den Fragebögen unzutreffende Angaben gemacht.
c) Die Beklagte zu 1 hat mit Bescheid vom 27. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2017 (hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2) zutreffend die Versicherungspflicht der Klägerin vom 1. November 2010 bis 31. Oktober 2016 festgestellt und die für die Zeit vom 1. Dezember 2011 bis 31. Oktober 2016 von der Klägerin zu zahlenden Beiträge in zutreffender Höhe festgesetzt.
aa) Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und (a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder (b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 6 Abs. 1 und 2 SGB V genannten (versicherungsfreien) Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Die den Versicherungspflichttatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ergänzende Bestimmung in § 5 Abs. 8a SGB V schließt die Versicherungspflicht für bestimmte Fälle aus und konkretisiert damit zugleich das Merkmal "anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall" in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Danach ist (u.a.) nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig, wer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 SGB V versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V (Familienversicherung) versichert ist (Satz 1). Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sind nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies sind nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI Personen, die, weil sie bisher keinen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatten, nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Krankenversicherungspflicht unterliegen.
Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in der Zeit vom 1. November 2010 bis 31. Oktober 2016. Sie war bis zum 31. Oktober 2010 familienversichert und damit zuletzt bei der Beklagten zu 1 gesetzlich krankenversichert. Die Beklagten sind deshalb für die Durchführung der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI zuständige Kranken- und Pflegekasse (§ 174 Abs. 5 SGB V, § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Die Klägerin hatte ab dem 1. November 2010 keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB V ist nicht gem. § 5 Abs. 8a SGB V ausgeschlossen. Sie war insbesondere nicht familienversichert. Die Voraussetzungen des § 10 SGB V lagen nicht vor (s.o.). Erst ab dem 1. November 2016 war sie aufgrund ihrer Beschäftigung versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V.
Die Versicherungspflicht begann mit dem ersten Tag ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, also am 1. November 2010. Die Klägerin ist gem. § 174 Abs. 5 SGB V (wieder) Mitglied der Beklagten zu 1 geworden. Entsprechendes gilt für die Pflegeversicherung bei der Beklagten zu 2.
Damit bestand gleichzeitig Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 12 SGB XI.
bb) Die Klägerin schuldet aufgrund der Versicherungspflicht Beiträge für jeden Tag der Mitgliedschaft. Denn nach § 223 Abs. 1 SGB V, § 54 Abs. 2 Satz 2 SGB XI sind Beiträge für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen. Die Klägerin hat die Beiträge nach § 250 Abs. 3 SGB V, § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI allein zu tragen. Die Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung erfolgt nach § 227 in Verbindung mit § 240 SGB V. Für die soziale Pflegeversicherung gelten die Regelungen für die Beitragserhebung entsprechend (§ 57 Abs. 1 SGB XI). Als beitragspflichtige Einnahmen gilt nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Die Mindesteinnahmengrenze des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V darf auch in Härtefällen nicht unterschritten werden, etwa dann, wenn die beitragsrelevanten tatsächlichen Einnahmen des Versicherten wesentlich unter dieser Grenze liegen oder Einkommen überhaupt nicht vorhanden ist (vgl. zB BSG, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 RR 1/94 - SozR 3-2500 § 240 Nr. 29).
Die Beklagte zu 1 hat (hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2) unter Anwendung dieser Normen die Beitragshöhe zutreffend festgesetzt. Sie hat jeweils den neuzigsten Teil der Bezugsgröße (EUR 2.555 für 2011, EUR 2.625 für 2012, EUR 2.695 für 2013, EUR 2.765 für 2014, EUR 2.835 für 2015) herangezogen und den so errechneten Betrag mal 30 genommen, weil der Monat mit 30 Kalendertagen anzusetzen ist (§ 223 Abs. 2 Satz 2 SGB V, § 54 Abs. 2 Satz 3 SGB XI). Daraus ergeben sich die beitragspflichtigen Mindesteinnahmen, die der Beitragsforderung zugrunde gelegt wurden. Rechenfehler zuungunsten der Klägerin sind nicht ersichtlich.
cc) Die geltend gemachten Beiträge für die Zeit vom 1. Dezember 2011 bis 31. Oktober 2016 sind nicht verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 SGB V verjähren Ansprüche auf Beiträge vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 der auf Grundlage des § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V vom GKV-Spitzenverband erlassenen "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) sind Beiträge bis zum 15. des dem Beitragsmonat folgenden Monats zu zahlen. Der Beitrag für den Monat Dezember 2011 ist am 15. des Folgemonats, also am 15. Januar 2012, fällig gewesen. Bei Erlass des Bescheids vom 27. Dezember 2016 war mithin noch keine Verjährung eingetreten.
Anhaltspunkte für eine Verwirkung der Beitragsforderungen liegen nicht vor. Besondere Umstände, die eine Verwirkung auslösen, liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Anspruchstellers berechtigt (Verwirkungsverhalten) vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 5 RJ 52/94, juris, Rn. 18 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es fehlt hier bereits an einer Vertrauensgrundlage zugunsten der Klägerin. Das bloße Nichtstun der Beklagten zu 1 reicht als Verwirkungsverhalten nicht aus. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte zu 1 in Kenntnis der tatsächlichen Umstände gegenüber der Klägerin oder ihrem Ehemann deutlich gemacht hätte, auf ihr Recht zu verzichten. Sie hatte aufgrund der unvollständigen Angaben in den Fragebögen zur Datenpflege der Familienversicherung schon keine Kenntnis davon, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine Familienversicherung nicht mehr erfüllte. Selbst wenn die Beklagte zu 1 einen Abgleich mit den Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2009 bis 2011 vorgenommen hätte, hätte sie die Überschreitung der Einkommensgrenze nicht erkennen können, weil die Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung in den Einkommenssteuerbescheiden nicht aufgeführt waren. Die Angaben im Fragebogen für das Jahr 2008, die Klägerin habe "bis auf Weiteres" Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung, war mit der ausdrücklichen Verneinung von Einkünften der Klägerin im Fragebogen für das Jahr 2009 überholt. Die Beklagte zu 1 musste die Richtigkeit dieser Angaben nicht in Zweifel ziehen. Erstmals durch einen Abgleich des Fragebogens für 2012 mit dem Einkommenssteuerbescheid für 2012, die beide im November 2013 bei der Beklagten zu 1 eingingen, hätte die Beklagte zu 1 erkennen können, dass die Einkommensgrenzen ab 2013 überschritten waren. Das Risiko, dass die falschen Angaben in den Fragebögen längere Zeit unentdeckt blieben, trägt jedoch (innerhalb der Grenzen der Verjährung) nicht die Beklagte zu 1, sondern die Klägerin, die sich die falschen Angaben ihres Ehemannes in den Fragebögen zurechnen lassen muss.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
6. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved