L 10 R 4458/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 3879/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4458/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26.10.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die am 1958 geborene Klägerin absolvierte nach eigenen Angaben von Sommer 1973 bis Sommer 1975 eine Ausbildung zur Schuhverkäuferin und war - mit Unterbrechungen - von September 1975 bis September 1996 als Verkäuferin bzw. Montagearbeiterin beschäftigt. Ab Anfang 1999 arbeitete sie sozialversicherungspflichtig als Kassiererin (zuletzt 15 Std./Woche) in einem Erlebnisbad mit Eissportanlage, war ab Ende Februar 2014 arbeitsunfähig und bezog ab Anfang April 2014 zunächst Krankengeld und anschließend Arbeitslosengeld. Nach eigenen Angaben (vgl. Klägerangaben im Reha-Entlassungsbericht, Bl. 40 Senats-Akte) hat sie die Tätigkeit als Kassiererin im Jahr 2017 im Erlebnisbad wieder aufgenommen und bis Februar 2018 ausgeübt; seither ist sie erneut arbeitsunfähig (vgl. erneut Bl. 40 Senats-Akte).

Im Januar 2015 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der R.Klinik - Abt. Orthopädie - in N.teil, aus der sie ausweislich des Entlassungsberichtes zwar arbeitsunfähig, aber mit einem Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten von sechs Stunden und mehr täglich entlassen wurde (Diagnosen: HWS-Syndrom, links führend, sowie Depression; qualitative Leistungseinschränkungen: Möglichkeit eines Haltungswechsels, keine Zwangshaltungen bzw. Haltearbeiten, kein Bewegen von schweren und mittelschweren Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, keine regelmäßige Erschütterungs-/Vibrationsbelastung, kein ungeschütztes Arbeiten in Kälte oder Nässe).

Am 12.05.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung und begründete ihren Antrag mit "Rückenproblemen", "Schmerzen, überall an den Tenderpoints", "genereller Erschöpfung", "Herzrasen" und Konflikten am Arbeitsplatz ("Mobbing"). Die Beklagte zog medizinische Befundunterlagen bei, holte sodann das Gutachten der Internistin, Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. B. ein (Diagnosen auf Grund Untersuchung der Klägerin: Angst und Depressionen mit leicht- bis mittelgradigem Syndrom unter niedrigdosierter antidepressiver Medikation und ohne Psychotherapie, chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren vom Fibromyalgietyp, degenerative Erkrankung der HWS mit Cervikobrachialgien bei Protrusionen der Halswirbelkörper - HWK - 5/6 und Spondylarthrose in diesem Segment, flache Protrusionen bei Lenden- und Sakralwirbelkörper LWK 3/4/5, SWK 1 ohne Kompressionseffekt mit chronischen Lumbalgien, Nikotinmissbrauch; leichte bis mittelschwere Wechseltätigkeiten ohne Kälte-, Nässe- und Zugluftexposition und ohne Nachtschicht mehr als sechs Stunden täglich möglich) und lehnte den Rentenantrag gestützt auf das Gutachten und den Reha-Entlassungsbericht mit Bescheid vom 28.07.2015 und Widerspruchsbescheid vom 01.12.2015 ab. Die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein und sei im Sinne der gesetzlichen Regelungen daher nicht erwerbsgemindert.

Hiergegen hat die Klägerin am 14.12.2015 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage mit dem Begehren der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung erhoben und insbesondere geltend gemacht, dass bei ihr eine somatoforme Schmerzstörung vorliege (Hinweis auf den Arztbrief der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapeutin Dr. M. , Bl. 12 der SG-Akte), sie eine Psychotherapie begonnen habe und dass sie mit der Leistungsbeurteilung der Beklagten nicht einverstanden sei. Einer nennenswerten Erwerbstätigkeit könne sie nicht mehr nachgehen (Hinweis auf den Arztbrief der Internistin und Rheumatologin Dr. R. , Bl. 22 der SG-Akte).

Das SG hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Sachverständigengutachten der Internistin und Rheumatologin Dr. L. (Abt. für Innere Medizin des Kreiskrankenhauses L. ) eingeholt, die bei der Klägerin nach Untersuchung ein Fibromyalgie-Syndrom, ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, Angst und Depression gemischt, ein degeneratives HWS-Syndrom bei Unkarthrose mit Protrusion der HWK 5/6, Spondylarthrose der HWK 5/6 linksseitig mit Einengung des Neuroforamens und Wurzelirritation C6/7 links, eine Radikulopathie im Lumbalbereich sowie ein degeneratives LWS-Syndrom diagnostiziert hat. Hinweise auf ein entzündliches rheumatischen Geschehen bestünden nicht. Die Klägerin könne unter Beachtung im Einzelnen genannter qualitativer Leistungseinschränkungen "ca." drei Stunden täglich arbeiten.

Nach sozialmedizinischer Stellungnahme der Beklagten durch Obermedizinalrat (OMR) F. (Bl. 34 f. SG-Akte) hat das SG die Klage mit Urteil vom 26.10.2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf den Reha-Entlassungsbericht und auf das Gutachten der Dr. B. gestützt. Die Leistungseinschätzung der Dr. L. hat es für nicht nachvollziehbar erachtet, zumal die Behandlungsmöglichkeiten bei der Klägerin auch nicht ausgeschöpft seien.

Gegen das den klägerischen Prozessbevollmächtigten am 03.11.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05.12.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Mit ihrem Rechtsmittel macht sie im Wesentlichen geltend, dass das SG die bei ihr bestehende Schmerzerkrankung mit dauerhaften Nackenschmerzen, Schmerzen in den Armen, Fingern, Füßen, im Becken und in der Hüfte nicht ausreichend berücksichtigt habe (sie könne höchstens noch eine Stunde Haushaltsarbeiten erledigen, manche davon überhaupt nicht mehr, sie könne kaum noch laufen, die Hände schmerzten, jeder Griff täte weh), zumal Dr. L. eine Begutachtung auf psychosomatischem Fachgebiet für erforderlich erachtet habe. Außerdem hat sie auf die Arztbriefe der Dr. R. (Bl. 15 f., 29 f. Senats-Akte) und des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. R. (Bl. 16 Senats-Akte) verwiesen. Es müsse zumindest noch medizinisch ermittelt werden.

Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin sodann im August/September 2018 an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme mit Berufsorientierung in der F. Bad B. teilgenommen, aus der sie - wegen der fortbestehenden Arbeitsplatzkonflikte (vgl. Bl. 38 Senats-Akte) - arbeitsunfähig, aber mit einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte körperliche Arbeiten (ohne Nachtschicht, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und ohne Überkopfarbeiten) entlassen worden ist (Diagnosen: Fibromyalgie-Syndrom, chronisches Cervicobrachialsyndrom links bei Bandscheibenprotrusion HWK 5/6/7 und Spondylarthrosen, Dysthymia, Verdacht auf Posttraumatische Belastungsstörung - PTBS -, chronisches Lumbalsyndrom bei Bandscheibenprotrusionen L3/4/5/S1, seronegative rheumatoide Arthritis).

Nachdem die Klägerin zunächst noch hilfsweise die Einholung eines "Sachverständigengutachtens auf psychiatrisch-psychotherapeutischem bzw. neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet" von Amts wegen und weiter hilfsweise die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 Abs. 1 SGG, dieses Mal bei Prof. Dr. G. , U. , beantragt hatte (vgl. Schriftsatz Bl. 27 Senats-Akte), hat sie daran nach Vorlage des Reha-Entlassungsberichtes der Ärzte in Bad B. und (erneutem) Hinweis des Senats, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen (auch) im Hinblick auf den jüngsten Reha-Entlassungsbericht nicht angezeigt seien, dass die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 Abs. 1 SGG nicht in Betracht komme und dass (weiterhin) beabsichtigt sei, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden (vgl. Verfügung Bl. 45 f. Senats-Akte), nicht mehr festgehalten (vgl. Bl. 48 Senats-Akte).

Die Klägerin beantragt (vgl. Bl. 12a Senats-Akte),

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26.10.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.12.2015 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2015 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 28.07.2015 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 01.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen nicht voll erwerbsgemindert, weshalb ihr die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zusteht.

Rechtsgrundlage für die hier alleine begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - u.a. - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Denn die Klägerin ist in dem dargelegten Sinne nicht erwerbsgemindert. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die bei der Klägerin vorliegenden Beeinträchtigungen vorwiegend auf psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet keine quantitative Leistungsminderung zur Folge haben, sodass sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Zu ergänzen ist, dass die bei der Klägerin bestehenden Beeinträchtigungen zu qualitativen Leistungseinschränkungen führen. Der Senat legt dabei zugunsten der Klägerin die von den Ärzten der R.Klinik, von Dr. B. und von den Ärzten in Bad B. beschriebenen Einschränkungen (keine schweren und mittelschweren Tätigkeiten, kein Bewegen von schweren oder mittelschweren Lasten ohne mechanische Hilfsmittel über 12,5 kg, wechselnde Körperhaltungen ohne Zwangshaltungen bzw. ohne Halte- respektive Überkopfarbeiten, kein häufiges Bücken, keine regelmäßige Erschütterungs-/Vibrationsbelastung, keine Arbeiten unter Kälte-, Nässe- und Zugluftexposition, keine Nachtschicht) zu Grunde.

Ebenso wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin in ihrem beruflichen Leistungsvermögen in erster Linie durch Erkrankungen von Seiten des psychiatrischen und orthopädischen Fachgebietes eingeschränkt ist, die hieraus resultierenden funktionellen Beeinträchtigungen jedoch nicht so schwerwiegend sind, dass sie der Ausübung einer leichten, den oben dargelegten Anforderungen Rechnung tragenden beruflichen Tätigkeit entgegenstehen. Dabei lässt sich insbesondere aus den von der Klägerin auch im Berufungsverfahren in den Vordergrund gerückten psychischen Leiden keine rentenbegründende Leistungsminderung herleiten.

Von psychiatrischer Seite besteht bei der Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren ("Fibromyalgiesyndrom") sowie ein leicht bis allenfalls mittelgradig gemischt ängstlich-depressives Syndrom bzw. eine Dysthymia bei mittelgradig depressiver Episode. Der Senat stützt sich dabei - ebenso wie das SG - auf das von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholte ausführliche Gutachten der Dr. B. und zusätzlich auf den Entlassungsbericht der Ärzte in Bad B ... Auch Dr. M. (vgl. Bl. 12 SG-Akte) und Dr. R. (vgl. Bl. 16 Senats-Akte) haben über eine somatoforme Schmerzstörung (Dr. M. ) bzw. Angst und Depression gemischt (Dr. R. ) bei der Klägerin berichtet. Dabei kann, worauf OMR F. zutreffend hingewiesen hat (vgl. Bl. 34 SG-Akte), dahinstehen, ob es sich bei dem chronischen Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren (auch) um eine somatoforme Schmerzstörung bzw. - soweit nicht das rheumatologische Fachgebiet betreffend (dazu noch unten) - um ein "Fibromyalgiesyndrom" handelt. Denn für die vorliegend zu beurteilende Frage, inwieweit die Klägerin durch die psychischen Erkrankungen in der beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, ist weniger von Bedeutung, welchem Krankheitsbild die psychische Erkrankung zuzuordnen und wie diese zu bezeichnen ist, als vielmehr, welche konkreten funktionellen Einschränkungen hieraus resultieren und inwieweit diese der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit entgegenstehen (vgl. BSG, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH in juris Rdnr. 15). Aus den nämlichen Gründen kann auch dahinstehen, ob mit dem Schmerzsyndrom ein (allenfalls) mittelgradig gemischt ängstlich-depressives Syndrom (so Gutachterin Dr. B. ) oder eine Dysthymia bei mittelgradig depressiver Episode (so die Ärzte in Bad B. , vgl. Bl. 44 Senats-Akte) einhergeht. Nicht davon überzeugen kann sich der Senat, dass bei der Klägerin - wie von den Ärzten in Bad B. diagnostiziert - auch eine PTBS vorliegt, wobei die Ärzte ihre Diagnose (vgl. Bl. 37 Senats-Akte) ersichtlich als bloße Verdachtsdiagnose verstanden wissen wollen (vgl. Bl. 44 Senats-Akte). Worauf diese Verdachtsdiagnose gründet - genannt werden in diesem Zusammenhang die von der Klägerin geklagten Arbeitsplatzkonflikte - und ob bzw. inwieweit die Voraussetzungen nach der entsprechenden ICD-Klassifikation erfüllt sein sollen (vgl. F43.1 ICD-10-GM: "verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde"), lässt sich dem Entlassungsbericht nicht entnehmen. Auch darauf kommt es indes nicht streiterheblich an, denn zum einen sind - wie dargelegt - Diagnosen als solche rentenrechtlich ohne Relevanz, zum anderen haben die Ärzte in Bad B. die Klägerin selbst unter Annahme des Verdachts einer PTBS für noch vollschichtig leistungsfähig erachtet.

Dass es bei der Klägerin seit der Untersuchung durch Dr. B. zu einer wesentlichen Verschlimmerung des psychischen Gesundheitszustands (einschließlich der Schmerzzustände) gekommen ist, ist nicht erkennbar. Dem Arztbrief der Dr. M. (Bl. 12 SG-Akte) lässt sich bereits deshalb nichts Abweichendes entnehmen, weil er hinsichtlich der psychiatrischen Erkrankungen keinen objektiv-klinischen Befund enthält. Auch aus den übrigen medizinischen Unterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der seelischen Leiden. Namentlich das Gutachten des Dr. L. dokumentiert vielmehr, dass die Klägerin, die zu den Untersuchungen jeweils gepflegt erschienen ist, weiterhin (vgl. die entsprechenden, von Dr. B.in ihrem Gutachten dokumentierten Angaben der Klägerin) Haushaltstätigkeiten (kochen, aufräumen, Wäsche waschen) verrichtet, gemeinsam mit ihrem Lebenspartner einkauft, regelmäßig mit ihrem Hund spazieren geht, e-Bike und Auto fährt sowie regelmäßig die Sauna besucht (vgl. Bl. 28 SG-Akte). Außerdem hat Dr. L. darüber berichtet, dass die bei der Klägerin - bei der eine "depressive Verstimmung" vorzuliegen scheine - durchgeführte dreimonatige ambulante psychotherapeutische Behandlung bereits im März 2016 beendet worden ist. Aus dem von der Klägerin im Berufungsverfahren eingereichten Arztbrief des Dr. R. (vgl. Bl. 16 Senats-Akte) ergibt sich ebenfalls kein wesentlich auffälliger psychiatrischer Befund (regelgerecht orientiert, formalgedanklich geordnet, keine inhaltlichen Denkstörungen, altersentsprechende Mnestik, lediglich etwas reduzierter Antrieb und etwas eingeschränkte Schwingungsfähigkeit bei sub- bis depressiver Stimmungslage, ähnlich wie zuvor bei Dr. B. , vgl. S. 8 und 12 ihres Gutachtens, unblattiert im Ärztlichen Teil der Renten-VerwA), zumal Dr. R. in psychiatrischer Hinsicht nur noch eine Depression und Angst gemischt - also eine Erkrankung, bei der keine der beiden Störungen eindeutig vorherrscht und keine für sich genommen eine eigenständige Diagnose rechtfertigt (vgl. F41.2 ICD-10-GM) - diagnostiziert hat. Dem entspricht es auch, dass die Klägerin seither bei ihm nicht mehr in Behandlung steht.

Zur Reha-Maßnahme in Bad B. ist die Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts wiederum pünktlich, bewusstseinsklar, allseits orientiert und im Kontakt offen und mitteilsam bei einem altersentsprechend unauffälligem Allgemein- und gutem Ernährungsstand erschienen. Ihre Stimmung ist zwar deutlich hypothym bei verminderter emotionaler Schwingungsfähigkeit gewesen, inhaltliche und formale Denkstörungen haben sich aber ebenso wenig gezeigt wie Halluzinationen, Aufmerksamkeits-, Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen. Auch gegenüber den Ärzten in Bad B. hat sie angegeben, Spaziergänge mit ihrem Hund zu unternehmen, gerne zu schwimmen und in die Sauna zu gehen, Verwandte zu besuchen, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen - die ihr "Halt" gäben - sowie Alkohol "in Gesellschaft" zu konsumieren (vgl. Bl. 40 Senats-Akte). Im beruflichen Orientierungsgespräch, in dessen Rahmen sie freundlich, offen, kommunikativ und am Ende auch "positiv gestimmt" gewesen ist, hat die Klägerin bekundet, sich durchaus einen Arbeitsplatzwechsel vorstellen zu können und diesen "mittelfristig" auch anzustreben (vgl. Bl. 43 Senats-Akte). Die Ärzte in Bad B. haben zudem - vorher auch bereits Dr. L. (vgl. Bl. 92 SG-Akte) - darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin die therapeutischen Maßnahmen nicht ausgeschöpft seien (keine ambulante Psychotherapie, keine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung, auch keine nichtmedikamentöse, vgl. Bl. 44 Senats-Akte), was nicht für einen erheblichen seelischen Leidensdruck spricht.

In Ansehung all dessen besteht zur Überzeugung des Senats mangels Verschlechterung des seelischen Gesundheitszustands der Klägerin keine Veranlassung, von der von Dr. B. geäußerten Leistungseinschätzung (mehr als sechs Stunden täglich bei Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen) abzuweichen, zumal auch die Ärzte in Bad B. in psychiatrischer Hinsicht auf Grundlage des von ihnen erhobenen psychischen Befundes schlüssig und nachvollziehbar von einem Leistungsvermögen der Klägerin von mehr als sechs Stunden täglich für jedenfalls leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Kassiererin ausgegangen sind. Dafür spricht nicht zuletzt die bei der Klägerin ersichtlich erhaltene Tages- und Alltagsstruktur (vgl. deren Angaben gegenüber Dr. B. , Dr. L. und den Ärzten in Bad B. ). Den bei der Klägerin bestehenden seelischen Funktionsbeeinträchtigungen kann - so übereinstimmend Dr. B. und die Ärzte in Bad B. - in qualitativer Hinsicht (nur noch leichte Arbeiten, keine Nachtschicht) Rechnung getragen werden, wobei ohnehin - insoweit wiederum Dr. B. , die Ärzte in Bad B. und auch Dr. L. übereinstimmend - die Konflikte der Klägerin an ihrem konkreten Arbeitsplatz ganz im Vordergrund stehen. Der konkrete, tatsächlich innegehabte Arbeitsplatz des Versicherten ist rentenrechtlich indes nicht maßgeblich, sondern alleine das Leistungsvermögen des Versicherten "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes".

Soweit die Sachverständige Dr. L. ein nur noch "ca." dreistündiges Leistungsvermögen angenommen hat, ist dies für den Senat schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Einschätzung einer zeitlichen Leistungslimitierung nicht weiter begründet worden ist. Auch beruht die Annahme der Sachverständigen - worauf OMR F. bereits hingewiesen hat - wesentlich auf den subjektiven Angaben der Klägerin und den geschilderten Arbeitsplatzkonflikten, was beides nicht maßgeblich ist. Überdies hat die Sachverständige ausgeführt, dass die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin nur "gering bis mäßig eingeschränkt sei" (Bl. 90 SG-Akte). Ihre Leistungseinschätzung beruht damit im Wesentlichen auf psychischen Faktoren (vgl. Bl. 91 f. SG-Akte), obgleich die Sachverständige selbst einräumt, die seelischen Beeinträchtigungen auf Grund ihrer (fachfremden) Ausbildung nicht einschätzen zu können (vgl. wiederum Bl. 90 SG-Akte). Damit aber ist ihre Leistungseinschätzung in Ansehung des Gutachtens der Dr. B. und des ausführlichen Entlassungsberichtes der Ärzte in Bad B. nicht überzeugend.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend macht, die bei ihr bestehende Schmerzerkrankung sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, ist dies schon unzutreffend, weil sowohl die Gutachterin Dr. B. (mit der expliziten Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms) als auch die Ärzte in Bad B. (vgl. Bl. 44 Senats-Akte) die von der Klägerin geklagten Schmerzen ausdrücklich bei ihrer Leistungseinschätzung berücksichtigt haben. Ungeachtet dessen kann sich der Senat auch nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin außergewöhnliche, zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führende Schmerzzustände bestehen, da weder die von Dr. B. und den Ärzten in Bad B. erhobenen objektiv-klinischen Befunde Derartiges hergeben, noch die klägerische Tagesstruktur mit diversen Freizeit- und Alltagsaktivitäten und auch nicht der Umstand, dass die Klägerin sich keiner speziellen (schmerz-)therapeutischen Behandlung unterzieht. Sie hat darüber hinaus gegenüber den Ärzten in Bad B. selbst angegeben, dass es bei ihr nach Verordnung von Kortison zu einer gewissen Schmerzlinderung gekommen sei (Bl. 40 Senats-Akte), was sich insbesondere mit dem von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Arztbriefen der Dr. R. deckt ("Darunter sind die Schmerzen etwas besser geworden", Bl. 15 Senats-Akte; "Darunter ging es ihr deutlich besser", "deutliche Befundbesserung", Bl. 29 f. Senats-Akte). Ohnehin hat sich die Klägerin zu dem Entlassungsbericht der Ärzte in Bad B. nicht mehr geäußert.

Von orthopädischer Seite leidet die Klägerin an einem HWS-Syndrom nach Bandscheibenprotrusionen der HWK 5/6 mit Spondylarthrosen und Cervikobrachialgien sowie an einem chronischen Lumbalsyndrom bei Bandscheibenprotrusionen L3/4/5/S1 ohne sensomotorische Defizite. Dies stützt der Senat auf den Entlassungsbericht der Ärzte in N. , das Gutachten der Dr. B. sowie auf den Entlassungsbericht der Ärzte in Bad B ... Aus dem Gutachten der Dr. L. ergibt sich in orthopädischer Hinsicht nichts Abweichendes.

Wie für das SG haben sowohl die Ärzte in N. , als auch Dr. B. für den Senat auf Grund der von ihnen jeweils erhobenen Befunde schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die orthopädischen Leiden der Klägerin alleine zu quantitativen Einschränkungen (keine schweren und mittelschweren Tätigkeiten, kein Bewegen von schweren oder mittelschweren Lasten ohne mechanische Hilfsmittel über 12,5 kg, wechselnde Körperhaltungen ohne Zwangshaltungen bzw. ohne Halte- respektive Überkopfarbeiten, kein häufiges Bücken, keine regelmäßige Erschütterungs-/ Vibrationsbelastung, keine Arbeiten unter Kälte-, Nässe- und Zugluftexposition) führen, nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung. Auch Dr. L. hat - wie bereits oben dargelegt -, die somatischen Einschränkungen lediglich als "gering bis mäßig" eingestuft.

Ersichtlich ist auch insoweit nicht, dass es bei der Klägerin zu einer wesentlichen Verschlimmerung der orthopädischen Leiden seit der Reha-Maßnahme in N. bzw. der Begutachtung durch Dr. B. gekommen ist. Bei der Untersuchung durch Dr. L. haben die klägerischen Gelenke keine Bewegungseinschränkungen gezeigt, was dem knappen körperlichen Untersuchungsbefund der Sachverständigen zu entnehmen ist (vgl. Bl. 28 SG-Akte). Bei der Aufnahme in Bad B. haben ausweislich des Entlassungsberichtes keine Hypästhesie im Bereich des linken Oberschenkels und auch keine sensomotorischen Defizite vorgelegen (Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar, Lasègue-Zeichen beidseits negativ; vgl. Bl. 40 Senats-Akte). Die unteren Extremitäten haben einen altersentsprechend unauffälligen Gelenk- und Muskelstatus gezeigt, die oberen Extremitäten sind ebenfalls im Wesentlichen altersentsprechend gewesen (Fingerstreckung und Faustschluss beidseits vollständig, keine synovitischen Schwellungen, bloße Angabe eines Spannungsgefühls beim Faustschluss; vgl. Bl. 41 Senats-Akte). Unter Zugrundelegung dessen ist die Leistungseinschätzung der Ärzte in Bad B. (leichte Arbeiten zumindest sechs Stunden arbeitstäglich unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen) auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin geklagten Schmerzen (Angabe von Nackenschmerzen mit Ausstrahlung bis in die Finger, Taubheitsgefühle in den Fingern der linken Hand, Beschwerden im Bereich der Fußsohlen und Waden, vgl. Bl. 44 Senats-Akte) für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar; diesen angegebenen Leiden wird mit den oben aufgeführten qualitativen Einschränkungen hinreichend Rechnung getragen.

Soweit sich die Klägerin auf die Einschätzung der Dr. R. beruft (Arztbrief Bl. 15 Senats-Akte), ist diese nicht geeignet, die Überzeugungskraft der Leistungsbeurteilung der Gutachterin Dr. B. und die der Ärzte in Bad B. zu erschüttern. Denn Dr. R. hat ihre Einschätzung schon nicht weiter begründet und im Übrigen verkannt, dass es vorliegend nicht um "einen Wiederbeginn der Arbeitstätigkeit als Kassiererin" geht. Entscheidend ist alleine, dass die Klägerin zumindest noch leichte körperliche Arbeiten unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Davon ist der Senat aus den dargelegten Gründen überzeugt.

Schließlich ist auch nicht entscheidend, dass die Klägerin - im Hinblick auf die von ihr geklagten Arbeitsplatzkonflikte (vgl. Bl. 38 Senats-Akte) - weiterhin arbeitsunfähig ist. Denn die Frage des Bestehens von Arbeitsunfähigkeit ist für die hier zu beurteilende Frage der Erwerbsminderung nicht von entscheidender Bedeutung. Während sich die Arbeitsunfähigkeit nach der arbeitsvertraglich geschuldeten, zuletzt ausgeübten Arbeit richtet (BSG, Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R in SozR 4-2500 § 44 Nr. 7), sind Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung - wie oben bereits dargelegt - die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei es ausreicht, wenn leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden können (§ 43 SGB VI). Deshalb kommt es für die Frage der Erwerbsminderung nicht darauf an, ob wegen Krankheit oder Behinderung Behandlungsbedürftigkeit oder - auch häufige - Arbeitsunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 31.10.2002, B 13 R 107/12 B in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19).

Auf Grund der somit überzeugenden Leistungsbeurteilungen im Gutachten von Dr. B. und in den Reha-Entlassungsberichten ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt. Der Senat sieht daher keinen Anlass, von Amts wegen ein weiteres ärztliches Gutachten einzuholen, wie dies die Klägerin ursprünglich beantragt hat. Da die Klägerin weder diesen Antrag noch jenen nach § 109 Abs. 1 SGG aufrecht erhalten hat (vgl. Bl. 48 Senats-Akte auf den Hinweis Bl. 45 Senats-Akte), muss der Senat hierüber auch nicht mehr formell entscheiden. Lediglich am Rande ist darauf hinzuweisen, dass der Senat beide Anträge abgelehnt hätte, den ersten, weil der Sachverhalt geklärt ist, den zweiten, weil dieses Antragsrecht verbraucht ist (vgl. die Verfügung Bl. 25 Senats-Akte). Daran ändert der Umstand nichts, dass das SG bereits keine Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt hat. Denn die vorliegenden Leistungsbeurteilungen von Dr. B. und der Ärzte der Reha-Kliniken reichen als Entscheidungsgrundlage aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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