L 2 RJ 64/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 98/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RJ 64/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 15. Januar 2002 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Sozialgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der im ... 1953 geborene Kläger ist niederländischer Staatsangehöriger, verbrachte sein bisheriges Versicherungsleben jedoch in Deutschland. Er absolvierte von April 1969 bis März 1972 eine abgeschlossene Ausbildung zum Maurer (Gesellenbrief vom 09. März 1972) und war in diesem Beruf zunächst bis April 1973 tätig. Danach arbeitete er als Chemiewerker (Mai bis Juni 1973), Maurer (Juni 1973 bis März 1974), Kraftfahrer (Juli 1974 bis Mai 1975), Maurer (Mai 1975 bis September 1975), Tiefbauwerker (März 1976 bis Juni 1978), Verkaufsfahrer (Juni 1978 bis Mai 1979), Kraftfahrer (Mai 1979 bis März 1980), Tiefbauwerker (April 1980) und Kraftfahrer (April 1980 bis September 1983). Für die anschließende Zeit bis 1988 hat der Kläger keine Angaben gemacht; aus einem Versicherungsverlauf zum Rentenbescheid vom 09. Januar 1996 ist ersichtlich, dass er in dieser Zeit überwiegend arbeitslos war. Von Januar 1989 bis Juni 1990 absolvierte er eine Umschulung zum Bürokaufmann (Zeugnis des Berufsförderungswerkes H. GmbH vom 07. Juni 1990). Von September 1990 bis Juli 1991 verrichtete der Kläger einfache Büroarbeiten, bevor er von August 1991 bis Februar 1994 erneut z. T. als Maurer beschäftigt war. Zuletzt arbeitete er von August 1994 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 28. November 1994 als Lkw-Kraftfahrer.

Auf einen im Juli 1995 wegen eines seit November 1994 bestehenden Bandscheibenvorfalls mit Rückenschmerzen gestellten Rentenantrag bewilligte ihm die Landesversicherungsanstalt (LVA) Schleswig Holstein mit Bescheid vom 09. Januar 1996 auf der Grundlage eines am 28. November 1994 eingetretenen Leistungsfalles Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 01. Juni 1995 bis 31. Juli 1996.

Nachdem die LVA Schleswig Holstein auf den Weiterzahlungsantrag von März 1996 zunächst mit Bescheid vom 03. Juli 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit weiter bis 30. September 1996 gewährt hatte, lehnte sie eine darüber hinausgehende Bewilligung mit Bescheid vom 14. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Februar 1997 ab: Trotz weiterbestehender Restbeschwerden nach Operation eines Bandscheibenvorfalles bei L 4/5, eines Genussmittelmissbrauchs, einer chronischen unkomplizierten Bronchitis und eines geringen Leberschadens könne der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten und häufiges Bücken verrichten. Damit könne er zwar nicht mehr als Mauer arbeiten. Er müsse sich als Facharbeiter jedoch auf die Tätigkeiten eines Auslieferungsfahrers, Telefonisten oder Bürokaufmann verweisen lassen. Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Itzehoe mit Urteil vom 24. Juni 1998 nach Einholung des Gutachtens des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. B. vom 20. Mai 1998 und des berufskundlichen Gutachtens des Manfred Langhoff vom 24. Juni 1998 ab: Bisheriger Beruf des Klägers sei der des Maurers, denn von ihm habe er sich durch die lediglich viermonatige Beschäftigung als Kraftfahrer von August bis Dezember 1994 nicht gelöst. Diesen Beruf, der der Gruppe mit dem Leitbild des Facharbeiters zuzuordnen sei, könne er nicht mehr ausüben. Aufgrund der 1990 abgeschlossenen Umschulung zum Bürokaufmann sei er jedoch in der Lage, innerhalb einer Einarbeitungszeit von drei Monaten Registratur- oder Karteiarbeiten oder Zuarbeiten für die Sachbearbeitung auf Anlernebene zu verrichten. Mit den bei ihm festgestellten Leistungseinschränkungen sei er diesem Beruf gewachsen. Es bestehe auch kein Zweifel daran, dass die 1990 erfolgreich abgeschlossene Umschulung zum Bürokaufmann jedenfalls noch insoweit verwertbar sei, als dem Kläger damit die Einarbeitung in Bürotätigkeiten auf Anlernebene innerhalb von drei Monaten ermöglicht werde. Die Anforderungen hätten sich seit 1990 in diesem Berufsfeld nicht so grundlegend geändert, dass die vom Kläger erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt nicht mehr verwertbar wären.

Im August 2000 beantragte der Kläger erneut wegen seit 1994 bestehenden Rückenschmerzen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte zog verschiedene ärztliche Unterlagen, u. a. die Entlassungsberichte der Fachklinik Aukrug vom 18. Februar 1999 und 16. Juni 1999 sowie den weiteren Entlassungsbericht der LVA-Klinik L. vom 14. März 2000 bei und veranlasste die Gutachten des Arztes für Chirurgie und Sozialmedizin G. vom 10. Oktober 2000 und der Fachärztin für Nervenheilkunde W. vom 08. November 2000.

Mit Bescheid vom 10. November 2000 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab: Trotz eines Zustandes nach lumbaler Bandscheibenoperation mit nachfolgender dorsoventraler Spondylodese von L 4 bis S 1 und eines zur Zeit abstinenten Alkoholismus könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten noch vollschichtig ausüben. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2001 zurück: Mit den festgestellten Gesundheitsstörungen könne der Kläger noch vollschichtig mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten ohne Leiter- und Gerüstarbeiten und besonderem Zeitdruck auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben. Er habe zwar einen Beruf erlernt. Von diesem Beruf habe er sich jedoch gelöst. Die zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Kraftfahrer sei dem unteren Bereich der Angelernten zuzuordnen, so dass er zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei. Damit liege weder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, noch eine Erwerbsminderung vor.

Dagegen hat der Kläger am 18. April 2001 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben und vorgetragen:

Seit 1972 sei es immer wieder zu auftretenden Rückenschmerzen und dann 1995 zu einem Bandscheibenvorfall bei L 4/5 gekommen. Seither sei er zu keiner Zeit mehr beschwerdefrei gewesen. Eine weitere Verschlechterung sei nach Erlass des Urteils des Sozialgericht Itzehoe eingetreten. Wegen einer Fußheberparese und starken Schmerzen im linken Bein sei er im März und April 1999 stationär behandelt worden. Es bestehe eine eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule mit teilweiser Steife der Lendenwirbelsäule. Trotz weiterer Behandlungen sei es seit September 1999 zu einer deutlichen Verstärkung der Beschwerden gekommen. Längere Gehstrecken könne er nicht mehr zurücklegen. Nach dem für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) erstatteten Gutachten vom 19. Juli 2000 bestehe im Berufsleben ein aufgehobenes Leistungsvermögen. Im Februar 1994 sei ihm von seinem behandelnden Arzt Schiele wegen der schweren Wirbelsäulenschäden zur Aufgabe des Berufs des Maurers geraten worden. Er habe sich gleichwohl um eine entsprechende Arbeitsstelle bemüht, eine solche wegen seines Gesundheitszustandes jedoch nicht bekommen. Deswegen habe er die Arbeit eines Kraftfahrers aufgenommen. Der Kläger hat verschiedene ärztliche Unterlagen vorgelegt.

Das Sozialgericht hat die Auskünfte der H. T. & S. GmbH vom 09. Mai 2001 und des Fuhrbetriebes D. vom 10. Mai 2001 sowie den Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin G. vom 11. Mai 2001 eingeholt und nach Beiziehung berufskundlicher Literatur zum Kraftfahrzeugführer (Berufsinformationskarte - BIK - BO 714/715) und zum Maurer Beweis erhoben durch das schriftliche Gutachten des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. B. vom 08. August 2001.

Der Kläger hat gegen dieses Gutachten vorgebracht: Obwohl der Sachverständige und das MDK-Gutachten vom 19. Juli 2000 von ähnlichen Untersuchungsergebnissen ausgingen, kämen beide jedoch zu völlig abweichenden Beurteilungen. Das Gutachten sei zum Teil widersprüchlich. Der Kläger hat den Bericht des Facharztes für Anästhesiologie Dr. T. vom 25. Mai 2001 vorgelegt.

Nachdem der Sachverständige Dr. B. dazu unter dem 09. November 2001 Stellung genommen hatte, hat der Kläger eine weitere Stellungnahme des Dr. T. vom 19. Dezember 2001 vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2001 hat der Kläger beantragt, den Arzt Dr. T. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gutachtlich zu hören.

In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts am 15. Januar 2002 hat das Sozialgericht den Antrag des Klägers auf gutachterliche Anhörung des Dr. T. mit der Begründung abgelehnt, der Sachverhalt sei ausreichend ermittelt und eine weitere Beweiserhebung in der Sache nicht geboten. Gleichzeitig hat es mit Urteil vom 15. Januar 2002 die Klage abgewiesen: Der Kläger könne zwar weder seinen Hauptberuf als Maurer noch die von ihm zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer aus gesundheitlichen Gründen ausüben. Er sei jedoch in der Lage, als Bürokaufmann bzw. Sachbearbeiter im Büro vollschichtig tätig zu sein. Es handele sich hierbei nach Kenntnis der Kammer um eine körperlich leichte Tätigkeit, welche überwiegend im Sitzen verrichtet werden könne, zeitweise aber auch Stehen und Gehen beinhalte, in Tagesarbeit und zeitweise unter Zeitdruck ausgeübt werde. Da der Kläger von Januar 1989 bis Juni 1990 erfolgreich zum Bürokaufmann ausgebildet worden sei und diese Ausbildung auch erfolgreich mit einer Prüfung abgeschlossen habe, bestünden hier die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung dieses Berufes. Die Verweisung auf eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sei, sei gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 a. F. Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) stets zumutbar. Der Kläger sei ausreichend begutachtet worden. Die Kammer habe keinen Anlass zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gesehen.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 27. März 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. April 2002 eingelegte Berufung des Klägers, mit der nur noch Rente wegen Berufsunfähigkeit begehrt wird.

Der Kläger ist der Ansicht, dass eine weitere Sachverhaltsaufklärung geboten gewesen sei. Er habe mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2001 einen Antrag nach § 109 SGG zur Anhörung des Dr. T. gestellt, dem das Sozialgericht unter Hinweis auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 08. August 2001 nicht nachgekommen sei. Dr. T. sei seit März 2001 der behandelnde Schmerztherapeut und habe ihn mehrfach untersucht. Die Untersuchung bei Dr. B. sei erfolgt, als es ihm besser gegangen sei. Zwischenzeitlich sei eine weitere Verschlechterung aufgetreten. Es bestünden akrale Durchblutungsstörungen beider Hände mit anfallsweisem Kälte- und Taubheitsgefühl. Als Bürokaufmann könne er nicht vollschichtig arbeiten, insbesondere auch deswegen nicht, weil er sich nicht längere Zeit konzentrieren könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 15. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 10. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2001 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat die Auskünfte der H. T. & S. GmbH vom 23. Juli 2002, des Fuhrbetriebes D. vom 23. Juli 2002 und der B. W., Inhaberin der insolventen Firma R. Massivhaus, vom 29. Juli

2002, die Schwerbehindertenakte (81 03126 1) des Amtes für Soziales und Versorgung Frankfurt (Oder) sowie die Befundberichte des Arztes für Neurologie Dr. F. vom 02. August 2002, des Facharztes für Chirurgie Dr. T. vom 12. August 2002, der Fachärztin für Allgemeinmedizin G. vom 13. August 2002, der Fachärztin für Orthopädie Dr. P. vom 20. August 2002 und des Arztes für Anästhesiologie Dr. T. vom 10. September 2002 eingeholt.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird u. a. auf Blatt 194 bis 221 und 230 bis 232 der Gerichtsakten verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ( ...), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.

Das erstinstanzliche Verfahren leidet an wesentlichen Mängeln, die nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG die Zurückverweisung rechtfertigen. Zum einen hat das Sozialgericht die Amtsermittlungspflicht verletzt, denn es hat einen Berufsschutz als Facharbeiter angenommen und den Beruf des Bürokaufmanns bzw. Sachbearbeiters im Büro als gesundheitlich und fachlich zumutbare Verweisungstätigkeit angesehen, ohne dazu die erforderlichen Ermittlungen angestellt zu haben. Zum anderen hat es den Antrag nach § 109 SGG rechtsfehlerhaft abgelehnt und damit gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung verstoßen.

Als Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Leistung kommt auch weiterhin § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der Fassung vor dem am 01. Januar 2001 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM-Reformgesetz) vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I 2000, 1827) in Betracht. Nach § 300 Abs. 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Dies ist vorliegend der Fall, denn der maßgebende Antrag wurde bereits im August 2000 gestellt.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind und weitere - beitragsbezogene - Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 43 Abs. 2 SGB VI).

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Dies ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste ist (Bundessozialgericht - BSG - SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 94, 130). Allerdings bleibt eine frühere versicherungspflichtige Beschäftigung maßgeblicher Beruf, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurde (vgl. BSGE 2, 181, 187; BSG SozR RVO § 1246 Nrn. 33, 57 und 94; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 158).

Als maßgebenden Beruf hat das Sozialgericht den des Maurers angesehen.

Es handelt sich hierbei um die qualitativ höchste Beschäftigung, die der Kläger bisher ausübte. Für diesen Beruf wurde er von April 1969 bis März 1972 erfolgreich ausgebildet (Gesellenbrief vom 09. März 1972).

Der Kläger verfügt zwar auch über eine abgeschlossene Ausbildung zum Bürokaufmann (Zeugnis des Berufsförderungswerkes Hamm GmbH vom 07. Juni 1990). Als Bürokaufmann war er jedoch wohl nie tätig, obwohl er solches in seinem Rentenantrag vom 19. Juli 1995 angab. In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. Juni 1998 teilte er insoweit mit, dass er nach der Umschulung (von September 1990 bis Juli 1991) keine qualifizierten, sondern lediglich einfache Büroarbeiten verrichtet habe. Der Beruf des Bürokaufmanns kann deswegen nicht maßgeblicher Beruf sein.

Im somit qualitativ höchsten Beruf des Maurers war der Kläger allerdings nicht zuletzt tätig. Vielmehr arbeitete er von August 1994 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 28. November 1994 als Lkw-Kraftfahrer. Nach der Auskunft des Fuhrbetriebes Danielsen vom 18. November 1996 gegenüber der LVA Schleswig-Holstein sei für diese Tätigkeit der Führerschein Klasse II Voraussetzung gewesen; es habe sich um ungelernte Arbeit gehandelt, die nach Tarifgruppe K/II im Nahverkehr entlohnt worden sei. Nach den weiteren Auskünften dieses Betriebes vom 10. Mai 2001 und 23. Juli 2002 war der Kläger im Baustellennahverkehr eingesetzt, wobei auch kleinere Wartungs- und Pflegearbeiten zu seinem Aufgabenbereich gehörten. Er sei wie ein angelernter Arbeiter entlohnt worden. Obwohl keine Tarifbindung bestanden habe, sei der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer des Verkehrsgewerbes Schleswig-Holstein entsprechend angewandt worden. Im Ergebnis dieser Ermittlungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit des Lkw-Kraftfahrers qualitativ an die des Maurers heranreicht.

Eine zuletzt ausgeübte Beschäftigung ist jedoch - auch unabhängig davon, ob eine frühere Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben werden musste - nicht notwendigerweise maßgebender Hauptberuf. Eine nur vorübergehend ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit hat nämlich außer Betracht zu bleiben. Ob eine Tätigkeit von einem Versicherten nur vorübergehend ausgeübt wird, ist nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, wobei auch der Wille des Versicherten, soweit er sich nachträglich feststellen lässt, zu berücksichtigen ist. Daher bleibt eine Beschäftigung im Rahmen einer regelmäßig einjährigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Beurteilung des maßgebenden Berufes unberücksichtigt (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130). Das gleiche gilt für von vornherein befristete Arbeitsverhältnisse im selben zeitlichen Umfang. Schließlich dürften auch solche Beschäftigungen unbeachtlich sein, bei denen zu Beginn bereits feststeht, dass sie innerhalb des genannten Zeitraumes aus nicht in der Person des Versicherten liegenden Umständen enden. Den genannten Sachverhalten ist gemeinsam, dass sich für den Versicherten diese Beschäftigungen als nicht auf Dauer ausgerichtet darstellen. Die Kürze einer Beschäftigung allein ist hingegen noch kein Kriterium, welches eine bestimmte Beschäftigung als maßgeblichen Beruf ausschließt (so aber offensichtlich das Sozialgericht Itzehoe im Urteil vom 24. Juni 1998), denn welchem Beruf sich ein Versicherter auf Dauer zuwenden will, hängt in erster Linie von dessen Willen ab (vgl. auch BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 158; SozR RVO § 1246 Nr. 33).

Der Fuhrbetrieb D. hat in der Auskunft vom 10. Mai 2001 darauf hingewiesen, dass es sich um einen Saisonbetrieb gehandelt habe und deswegen das Arbeitsverhältnis seinerzeit gelöst worden sei. In der weiteren Auskunft vom 23. Juli 2002 ist mitgeteilt, dass die Saison spätestens am 23. Dezember jeden Jahres zu Ende sei und dies bei Einstellung von Beschäftigten immer klargestellt worden sei.

Wenn somit das Sozialgericht die Tätigkeit eines Lkw-Kraftfahrers bei der Bestimmung des maßgebenden Berufes außer Acht gelassen hat, so erweist sich dies auf der Grundlage der zwischenzeitlich durchgeführten Ermittlungen als gerechtfertigt. Es ist daher - insoweit - nach Ansicht des Senats nicht erforderlich, dem Vortrag des Klägers nachzugehen, er habe sich im Februar 1994 wegen der schweren Wirbelsäulenschäden, also aus gesundheitlichen Gründen, vom Beruf des Maurers abwenden müssen.

Der Kläger arbeitete von Oktober 1993 bis Februar 1994 als Maurer. Diesen Beruf kann er nicht mehr ausüben. Dies folgt aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 08. August 2001.

Danach bestehen beim Kläger ein Zustand nach lumbaler perkutaner Bandscheibenoperation in der Etage L 4/5, ein Zustand nach lumbaler Spondylodese in der Etage L 4/S 1 mit verbleibenden Restbeschwerden im Sinne eines chronifizierten Lumbalsyndroms bei Ausschluss einer schwerwiegenden Nervenwurzelreizsymptomatik und ein chronischer Alkoholabusus im Stadium der Abstinenz. Die von dem Sachverständigen durchgeführte Untersuchung hat funktionelle Einschränkungen im Bereich des Lendenwirbelsäulenabschnittes ergeben, wobei die Seitwärtsneigung und die Vornüberbeugung deutlich eingeschränkt gewesen ist. Daneben haben sich anhaltende lumbale Reizzustände mit Verspannung der paravertebralen Muskulatur lumbal bei geringfügigen sensiblen Empfindungsstörungen an der Außenseite des linken Unterschenkels gezeigt. Die Röntgenuntersuchung der Lendenwirbelsäule hat einen Zustand nach durchgeführter dorsoventraler Spondylodese bei regelrecht implantiertem Fixateur intern sowie eine Osteochondrose und Verschmälerung der Zwischenwirbelräume von L 4 bis S 1 erbracht. Die Alkoholkrankheit hat der Sachverständige als insofern erfolgreich behandelt angesehen, als der Kläger nunmehr keinen Alkohol mehr zu sich nimmt. Daraus resultierende Folgezustände, insbesondere gravierende Persönlichkeitsveränderungen oder Störungen im neurologischen Fachgebiet hat seine Untersuchung nicht aufdecken können. Die vom Sachverständigen aus dem Zustand der Lendenwirbelsäule gefolgerte Einschränkung der Arbeitsleistung ist, bedingt durch deren reduzierte Belastbarkeit, nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere, soweit der Sachverständige u. a. nur noch leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel der Körperhaltungen unter Ausschluss von Arbeiten in ständigen Zwangshaltungen oder überwiegend einseitigen Körperhaltungen für zumutbar erachtet hat.

Mit diesen Einschränkungen ist der Kläger dem Beruf eines Maurers nicht mehr gewachsen. Nach der vom Sozialgericht beigezogenen berufskundlichen Literatur fällt in diesem Beruf überwiegend mittelschwere bis schwere körperliche Arbeit im Stehen und Gehen bei Einnahme von Zwangshaltungen an.

Die Unfähigkeit des Klägers, als Maurer zu arbeiten, begründet jedoch noch keine Berufsunfähigkeit.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI können Versicherten grundsätzlich solche Tätigkeiten zugemutet werden, die in ihrer Wertigkeit dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50 m. w. N.). Nach dem vom BSG zur Bestimmung der Wertigkeit eines Berufes entwickelten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe in vier Gruppen eingeteilt, nämlich die des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters (Einarbeitung bzw. Einweisung von weniger als drei Monaten). Im Rahmen dieses Mehrstufenschemas dürfen Versicherte, ausgehend von einer hiernach erfolgten Einstufung ihres bisherigen Berufes, nur auf die jeweils nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden. Die Stufe des angelernten Arbeiters wird, da es sich um eine vielschichtige und inhomogene Gruppe handelt, in einen oberen Bereich (mit einer Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten bis zu zwei Jahren) und einen unteren Bereich (mit einer Anlernzeit von drei Monaten bis zu zwölf Monaten) unterteilt (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Dem Angelernten, der innerhalb seiner Gruppe dem oberen Bereich angehört, ist mindestens eine in Betracht kommende Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen, denn einem solchen Arbeiter sind nur Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar, die sich hieraus durch Qualitätsmerkmale, z. B. durch das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder durch die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, herausheben (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 132; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45).

Die vom Kläger als Maurer zu verrichtenden Aufgaben setzten nach den Auskünften der H. T. & S. GmbH vom 27. November 1996 und 09. Mai 2001 eine entsprechende dreijährige Maurerlehre voraus. Nach erstgenannter Auskunft wie auch nach der vom Senat veranlassten weiteren Auskunft dieses Betriebes vom 23. Juli 2002 konnte der Kläger allerdings die fachlichen Anforderungen als Maurer nicht erfüllen; die Arbeiten seien vielfach fehlerhaft und mit Qualitätsmängeln behaftet gewesen. Insoweit stellt sich die Frage, ob der Kläger überhaupt vollwertig Arbeiten eines Maurers verrichtet hatte. Um dies beurteilen zu können, ist zu klären, welchen fachlichen Anforderungen (Aufgaben) eines Maurers im Einzelnen der Kläger nicht gerecht werden konnte. Eine aus Nachlässigkeit resultierende minderwertige Arbeitsleistung, wofür der Kläger objektiv beweisbelastet ist, bei weiterem Vorhandensein der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Maurers wäre für den Berufsschutz allerdings unschädlich. Die Auskunft der H. T. & S. GmbH vom 23. Juli 2002 gibt keine Antwort dazu, welche Aufgaben eines Maurers der Kläger aus fachlichen Gründen nicht verrichten konnte, so dass sich aufdrängt, den dort bezeichneten Meister als Zeugen zu vernehmen. Ergibt sich, dass und welche Aufgaben eines Maurers der Kläger nicht erfüllen konnte, wäre weiterhin aufzuklären, ob der Kläger gleichwohl gegenüber anderen gelernten Maurern wettbewerbsfähig einsetzbar war. Dies ist davon abhängig, in welchem Umfang dem Kläger erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten eines Maurers fehlten. Ist der Mangel erheblich, wird sich dies gegebenenfalls bereits durch die Vernehmung des genannten Zeugen ermitteln lassen; ansonsten wäre hierzu die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens erforderlich.

Dies könnte allerdings dann entbehrlich sein, wenn der Kläger während der Zeit von Oktober 1993 bis Februar 1994 aus gesundheitlichen Gründen gar nicht mehr in der Lage war, als Maurer vollwertig zu arbeiten. Entsprechende Hinweise dafür ergeben sich nicht nur aus dem Umstand, dass der Kläger schon einmal umgeschult wurde, sondern auch aus der Auskunft der Baugeschäft S. GmbH vom 05. Januar 1997. Darin wird eine Beschäftigung als Maurerfacharbeiter von August 1991 bis Mai 1993 nach Berufsgruppe III des Tarifvertrages für das Baugewerbe mitgeteilt, die der Kläger wegen Krankheit aufgegeben habe. Die von ihm danach von Mai 1993 bis September 1993 ausgeführte Tätigkeit war jedenfalls keine Maurertätigkeit, sondern wird in der Auskunft der Firma R. Massivhaus B. Werner vom 10. Februar 1996 (97) als Servicearbeiten mit einem Pkw-Kleinbus bezeichnet.

Ob der Kläger schon seit Mai 1993 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, als Maurer zu arbeiten, lässt sich erst nach weiterer Beweiserhebung, insbesondere nach Beiziehung aller ärztlichen Unterlagen aus den genannten Zeiträumen, insbesondere des Arztes Eggert Schiele, beurteilen.

Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Verletzung dieser Pflicht stellt einen Verfahrensmangel dar, wenn sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen aus seiner rechtlichen Sicht hätte gedrängt fühlen müssen (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 7. Auflage, § 144 Rdnr. 33 m.w.N.).

Die dargestellten Ermittlungen hätten sich aus der Sicht des Sozialgerichts aufdrängen müssen, denn von deren Ergebnis ist abhängig, ob der Kläger den Berufsschutz eines Facharbeiters beanspruchen und auf welche Tätigkeiten er verwiesen werden kann. Daraus folgt zugleich, dass die unterlassene Sachverhaltsaufklärung wesentlich ist. Wesentlich ist der Mangel dann, wenn das Urteil des Sozialgerichts auf ihm beruhen kann.

Ergibt die weitere Beweisaufnahme, dass der Kläger die Tätigkeit eines Maurers entweder im Februar 1994 noch wettbewerbsfähig hat ausführen können oder er diese Tätigkeit im Mai 1993 aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, kommt ihm Berufsschutz als Facharbeiter zu. Ansonsten kann er höchstens der Gruppe der angelernten Arbeiter des oberen Bereiches zugeordnet werden, so dass er auf alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Benennung einer konkreten Tätigkeit verweisbar ist.

Kommt dem Kläger Berufsschutz als Facharbeiter zu, sind ihm lediglich Tätigkeiten auf der Stufe der angelernten Arbeiter zumutbar. Das Sozialgericht hat - wie oben dargelegt - ohne hinreichende Grundlage einen Berufsschutz als Facharbeiter angenommen und davon ausgehend die Tätigkeit als Bürokaufmann bzw. Sachbearbeiter im Büro für gesundheitlich, sozial und fachlich zumutbar angesehen. Es hat allerdings dazu ebenfalls keinerlei Ermittlungen angestellt und deswegen auch insoweit gegen den Grundsatz der Amtsermittlung verstoßen.

Das Sozialgericht hat im Urteil ausgeführt, es handele sich "nach Kenntnis der Kammer" bei dem Beruf des Sachbearbeiters/Bürokaufmanns um eine körperlich leichte Tätigkeit, welche überwiegend im Sitzen verrichtet werden könnte, zeitweise aber auch Stehen und Gehen beinhalte, in Tagesarbeit und zeitweise unter Zeitdruck ausgeübt werde. Woher das Sozialgericht diese Kenntnis hat, wird im Urteil nicht mitgeteilt. Das Belastungsprofil der Verweisungstätigkeit ergibt sich auch nicht aus der für das Sozialgericht Itzehoe gefertigten berufskundlichen Stellungnahme des Manfred Langhoff vom 24. Juni 1998. Ist das Belastungsprofil der Verweisungstätigkeit nicht bekannt, kann auch nicht beurteilt werden, ob der Kläger in gesundheitlicher Hinsicht für eine solche Tätigkeit in Betracht kommt.

Dieser Mangel der Sachverhaltsaufklärung wird auch nicht dadurch geheilt, dass der Sachverständige Dr. B. den Kläger für fähig gehalten hat, den Beruf des Bürokaufmanns, auf den sich die Beweisanordnung des Sozialgerichts vom 21. Juni 2001 im Übrigen überhaupt nicht erstreckt hat, vollschichtig auszuüben. Nach dem Gutachten vom 08. August 2001 bleibt offen, woher der Sachverständige die entsprechenden berufskundlichen Kenntnisse hat. Es kann regelmäßig nicht unterstellt werden, ein medizinischer Sachverständiger verfüge über solche Kenntnisse (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 29 m.w.N.). Soweit dies ausnahmsweise der Fall sein sollte, hat der medizinische Sachverständige seine Erkenntnisquellen offen zu legen, so dass die Beteiligten sich dazu äußern können. Geschieht dies nicht und stützt das Gericht darauf gleichwohl sein Urteil, liegt ein Mangel der Sachaufklärung vor.

Auf die vom Sozialgericht benannte Verweisungstätigkeit ist der Kläger im Übrigen auch nur dann verweisbar, wenn er die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten (noch) besitzt. Dies erscheint schon unter Berücksichtigung des berufskundlichen Gutachtens des Manfred Langhoff vom 24. Juni 1998, das im Verfahren beim Sozialgericht Itzehoe eingeholt wurde, zweifelhaft. Der damalige Sachverständige führte insoweit aus, dass die Umschulung zum Bürokaufmann, verbunden mit einer dreimonatigen tätigkeitsbezogenen Einarbeitung, eine Eingliederungschance biete. Nach dieser Einarbeitungszeit seien zumindest Zuarbeiten auf der Anlernebene möglich. Konkret könne es sich hierbei um Registratur- oder Karteiarbeiten bzw. um Zuarbeiten für die Sachbearbeitung handeln.

Der Sachverständige Langhoff nahm somit einen vollwertigen Einsatz als Bürokaufmann gerade nicht an, denn beim Beruf des Bürokaufmanns dürfte es sich nicht um eine Tätigkeit auf Anlernebene, sondern um eine Tätigkeit mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung handeln. Wenn das Sozialgericht demgegenüber im Urteil ausgeführt hat, der Kläger sei von Januar 1989 bis Juni 1990 erfolgreich zum Bürokaufmann ausgebildet worden, so dass hier die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung dieses Berufes bestünden, sind die insoweit erforderlichen Tatsachenfeststellungen nicht ersichtlich. Der Umstand, dass das Gericht den Kläger ohne Weiteres für fähig gehalten hat, die Tätigkeit eines Bürokaufmanns innerhalb einer höchstens dreimonatigen Einarbeitungszeit vollwertig auszuüben, zeigt im Übrigen, dass es offensichtlich die berufskundliche Stellungnahme des Manfred Langhoff vom 24. Juni 1998 nicht zur Kenntnis genommen hat. Unklar bleibt nach dem Urteil des Sozialgerichts außerdem, ob die von ihm benannte Tätigkeit eines Sachbearbeiters im Büro lediglich ein Synonym für den Beruf des Bürokaufmanns darstellt oder ob das Sozialgericht dies als weiteren Beruf angesehen hat. Soweit Letzteres zutrifft, fehlt es an einer typisierenden Arbeitsplatzbeschreibung über die fachlichen Anforderungen (vgl. BSG Urteil vom 17. Juni 1993 - 13 RJ 33/92), die das Sozialgericht ebenfalls nicht ermittelt hat.

Soweit der Sachverständige Langhoff in seiner berufskundlichen Aussage vom 24. Juni 1998 Registratur- oder Karteiarbeiten bzw. Zuarbeiten für die Sachbearbeitung auf Anlernebene für möglich hielt - so dass das Vorhandensein von sozial zumutbaren Bürotätigkeiten auf Anlernebene nicht von vornherein ausgeschlossen ist - , bleibt nach diesem Gutachten allerdings offen, um welche Arbeiten es sich bei den letztgenannten im Einzelnen handelt und insbesondere weshalb die bezeichneten Arbeiten insgesamt über reine Bürohilfstätigkeiten, die dem ungelernten allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnen sind, hinausgehen. Dass die von ihm genannten Tätigkeiten der Anlernebene zuzuordnen sind, kann zudem nicht anhand von Tatsachen nachvollzogen werden, weil der Sachverständige eine Zuordnung zu einer bestimmten Gehaltsgruppe eines Tarifvertrages nicht vorgenommen hat. Das Gutachten des Sachverständigen Langhoff vom 24. Juni 1998 ist somit unzureichend, um eine sozial zumutbare Verweisungstätigkeit auf der Anlernebene benennen zu können.

Soweit dem Kläger nach den zu treffenden Feststellungen Berufsschutz als Facharbeiter zukommt, ist wegen der in Betracht zu ziehenden Möglichkeit einer Verweisungstätigkeit im Bürobereich - oder wegen eines noch von der Beklagten zu benennenden anderen Verweisungsberufes (vgl. dazu BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 13, 14) - eine Beweiserhebung in berufskundlicher Hinsicht erforderlich.

Soweit das Sozialgericht die aufgezeigte Beweiserhebung unterlassen hat, stellt dies einen wesentlichen Verfahrensmangel der Sachaufklärung dar, denn von deren Ergebnis wird es abhängen, ob der Kläger berufsunfähig ist. Das Urteil des Sozialgerichts kann mithin auf diesem Mangel beruhen.

Der Senat weist an dieser Stelle darauf hin, dass keine Bedenken bestehen, zunächst aufzuklären, ob es für den Kläger eine Verweisungstätigkeit im Bürobereich gibt, die auf der Anlernebene angesiedelt, ihm gesundheitlich zumutbar und der er fachlich gewachsen ist. In diesem - positiven - Fall kann nämlich dahinstehen, ob der maßgebliche Beruf des Klägers der Gruppe der Facharbeiter oder der der angelernten Arbeiter zuzuordnen ist. Im Hinblick auf die im Entlassungsbericht der LVA - Klinik L. vom 14. März 2000 mitgeteilten Befunde wird das Sozialgericht, falls der Kläger grundsätzlich für eine Verweisungstätigkeit im Bürobereich auf der Anlernebene in Betracht kommt, die Einholung eines entsprechenden Gutachtens zu erwägen haben, um festzustellen, ob er den dortigen Anforderungen psychisch gewachsen ist. Im genannten Entlassungsbericht ist ausgeführt: Der Kläger sei nur bedingt reflektionsfähig. Einem instabilen Selbstgefühl und einem ungenügenden Reizschutz des Ichs begegne er mit einer Bindung an psychosomatischen Prozessen und primitiven Abwehrmechanismen der Idealisierung und Verleugnung. Trotz seiner trostlosen Situation verleugne er die Realität, insbesondere im Gebrauch seines Suchtmittels. Er sei chronischer Alkoholiker mit einer unreifen infantilen Persönlichkeit, fehlender Autonomieentwicklung und stark gestörter sozialer Kompetenz. Seine Ängstlichkeit und Hilflosigkeit im sozialen Kontakt versuche er zu kompensieren, indem er sich an das Gegebene anzupassen versuche. Neben diesem ausgeprägten Anpassungsbedürfnis und der damit verbundenen Lebensuntüchtigkeit falle eine massive Autodestruktivität auf, verbunden mit einem narzisstischen Rückzug aus den fragilen Objektbeziehungen in die innere Welt und der Verleugnung der äußeren Realität. Bei Entlassung habe er einen Zugang zu seinem Konflikt zwischen Versorgung und Autarkie erarbeiten können. Einen deutlichen Schritt in Richtung Abstinenz habe er in der Kontaktaufnahme mit einer Beratungsstelle gemacht. Auch wenn sich der chronische Alkoholabusus nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B. im Stadium der Abstinenz befindet, könnten die im oben genannten Entlassungsbericht erwähnten Befunde geeignet sein, zumindest eine Bürotätigkeit auf der Anlernebene zu beeinträchtigen. Dem steht nicht notwendigerweise das Gutachten der Fachärztin für Nervenheilkunde W. vom 08. November 2000 entgegen, wonach sich keine Einschränkungen der Konzentration bzw. der kognitiven Fähigkeiten ergeben haben. Bürotätigkeiten auf Anlernebene spielten bei diesem Gutachten noch keine Rolle.

Schließlich begründet die Ablehnung des Antrages nach § 109 SGG einen weiteren wesentlichen Verfahrensmangel, den der Senat vornehmlich zum Anlass genommen hat, den Rechtsstreit zurückzuverweisen.

Der Berücksichtigung dieses Verfahrensmangels steht nicht entgegen, dass der entsprechende Beschluss nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann. Nach § 172 Abs. 2 SGG können Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen nicht mit diesem Rechtsmittel angefochten werden. Die Anfechtung ist jedoch mit dem Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Hauptsache gegeben (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 109 Rdnr. 20).

Der Kläger hat mit der Berufung die Ablehnung des Antrages nach § 109 SGG gerügt, so dass dahinstehen kann, ob auch ohne ausdrückliche Rüge dieser Verfahrensmangel im Rahmen des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG zu berücksichtigen ist (zu § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 109 Rdnr. 20).

Nach § 109 SGG muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt (Abs. 1). Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist (Abs. 2).

Auf § 109 Abs. 2 SGG hat das Sozialgericht seine Entscheidung nicht gestützt. Da dies eine Ermessensentscheidung wäre und das Sozialgericht davon aber keinen Gebrauch gemacht hat, kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 SGG überhaupt vorliegen.

Das Sozialgericht ist deswegen nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG verpflichtet gewesen, das beantragte Gutachten einzuholen.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger beantragt hat, ihn von der Pflicht zum Kostenvorschuss zu befreien (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 109 Rdnr. 6 m.w.N.). Obwohl der Kläger auf seine Bedürftigkeit hingewiesen hat, ist zudem keineswegs sicher, dass der Kläger einen angeforderten Vorschuss nicht zahlen wird (vgl. dazu Meyer-Ladewig, a.a.O., § 109 Rdnr. 11 a). Davon ist offensichtlich auch das Sozialgericht ausgegangen, denn darauf hat es die Ablehnung des Antrages ebenfalls nicht gestützt.

Mit der von ihm gegebenen Begründung, der Sachverhalt sei ausreichend ermittelt und eine weitere Beweiserhebung in der Sache nicht geboten, hat es den Antrag nicht ablehnen dürfen. Dies stellt eine vorweg genommene Beweiswürdigung dar, die nicht zulässig ist (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 109 Rdnr. 12) und begründet einen wesentlichen Verfahrensmangel (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 144 Rdnr. 33), denn das Urteil des Sozialgerichts kann hierauf beruhen. Die beantragte Beweiserhebung ist dem Grunde nach geeignet, den Nachweis eines ausreichend geminderten Leistungsvermögens zu erbringen.

Bei seiner Entscheidung, ob der Senat den Rechtsstreit bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG an das Sozialgericht zurückverweist, hat er berücksichtigt, dass wesentliche Tatsachen für die Entscheidung auf Rente wegen Berufsunfähigkeit durch das Sozialgericht bisher nicht geprüft worden sind und den Beteiligten insoweit, wenn der Senat selbst entscheiden würde, eine zweite Tatsacheninstanz verloren ginge. Demgegenüber überwiegt das Interesse der Beteiligten an einer möglichst raschen und endgültigen Erledigung ihres Rechtsstreites nicht. Dies gilt hinsichtlich des Klägers bereits deshalb, weil er selbst die Zurückverweisung beantragt und damit sein Interesse am Erhalt einer weiteren Tatsacheninstanz zum Ausdruck gebracht hat. Da auch der Senat, wenn er den Rechtsstreit nicht an das Sozialgericht verweisen würde, weitere Ermittlungen anstellen müsste, würde die Beklagte auch ohne Zurückverweisung nicht wesentlich früher ein Urteil erhalten. Damit wird ihr Interesse an einer möglichst raschen Entscheidung durch die Zurückverweisung jedenfalls nicht erheblich tangiert.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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