L 8 AL 252/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 122/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 252/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Erstattung von Leistungen (Alg in Höhe von 24.129,15 DM = 12.337,03 EUR und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 7.914,85 DM = 4.046,80 EUR) streitig.

Der 1935 geborene Kläger, österreichischer Staatsangehöriger, meldete sich am 10.11.1997 mit Wirkung zum 01.12.1997 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Dabei gab er als Wohnanschrift "L.Straße in B." an. Mit Bescheid vom 09.12.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß Alg mit einer Anspruchsdauer von 832 Tagen. Mit Veränderungsanzeige vom 02.07.1998 teilte der Kläger unter Angabe seiner bekannten Adresse in B. der Beklagten mit, "ab Dezember 1998 bei der BfA" Rente beantragt zu haben. Der Versuch der Beklagten, dem Kläger unter der Anschrift in B. zu erreichen, schlug fehl. Der Kläger wurde am 07.10.1998 nicht angetroffen. Im Bericht eines Außendienstmitarbeiters der Beklagten vom 07.10.1998 heißt es: "Die ehemalige Vermieterin - Frau W. - teilte mit, dass Herr S. im letzten Jahr (genauer Zeitpunkt nicht mehr bekannt) hier ausgezogen und in seine Heimat zurückgekehrt ist. Die ist: A R. (Kärnten). Falls Post für ihn ankommt, wird diese entweder nachgesandt oder er telefonisch benachrichtigt. Ich habe eine Einladung für morgen (vgl. Kopie Blatt 23) in einem verschlossenen Umschlag an Frau W. übergeben." In einem Vermerk vom 08.10.1998 heißt es: "Laut Einwohnermeldeamt B. ist S. noch hier gemeldet. Frau W. teilte mit, dass S. zuletzt für 1/98 Miete gezahlt hat. Seit diesem Zeitpunkt ist er noch fünfmal hier gewesen, wenn er Behördengänge (so zum Beispiel das Arbeitsamt) zu erledigen hatte. Er hat dann jeweils eine Nacht hier verbracht und ist dann in seine Heimat zurückgekehrt. Sie teilte weiterhin mit, dass es ihr bzw. ihrem Ehemann bislang nicht gelungen ist, S. telefonisch in Kärnten zu erreichen." Nach BewA-Vermerken der Beklagten erkannte diese Verfügbarkeit während einer Ortsabwesenheit vom 01. bis 31.12.1997 und vom 16.05. bis 31.07.1998 an. Bei der M.bank in F. brachte die Beklagte fernmündlich in Erfahrung, dass der Bank nur die Anschrift in B. (ohne Telefonnummer) bekannt sei. Die Abhebungen vom Konto würden nicht aus Deutschland getätigt (nur Ausland - Österreich -) und ein anderes Land. Mit Schreiben vom 21.10.1998, welches die Beklagte sowohl an die Adresse in B. als auch die in Österreich sandte, hörte die Beklagte den Kläger an. Aufgrund des Anhörungsschreibens (mit der Adresse in Österreich) sprach der Kläger am 26.10.1998 persönlich bei der Beklagten vor. Hierbei gab er an, die Punkte der Anhörung würden teilweise zutreffen. Sein Wohnsitz sei zwar nicht nach Kärnten verlegt worden, er habe sich aber die meiste Zeit in M. bei einem Bekannten aufgehalten. Ein dauernder Aufenthalt in B. habe eigentlich nie vorgelegen, da die Aufenthaltsorte ständig zwischen M. und F. gewechselt hätten. In einem Vermerk unter diesen Angaben ist von einem Mitarbeiter der Beklagten festgehalten: "Hat sich, wie oben angegeben, geäußert, wollte dann Stellungnahme nicht mehr unterschreiben, als er die rechtlichen Folgen überblickte. Der Bekannte ist schwer krank und wird vom Leistungsempfänger gepflegt. Will jetzt Anschuldigungen widerlegen." In einem ergänzenden Aktenvermerkt zur persönlichen Vorsprache des Klägers ist festgehalten, dass sich der Kläger im Gespräch anfangs offen geäußert habe. Er habe die genauen Umstände des Sachverhalts dargelegt. Er habe erklärt, dass sein Bekannter, der in M. lebe, an Krebs erkrankt sei und ständiger Hilfe bedürfe. Der Kläger sei laut eigener Aussage bereits seit dem letzten Jahr mit der Betreuung seines Freundes beschäftigt und habe sich bei diesem in M. aufgehalten. Er habe unter anderem auch die Angaben der Vermieterin bestätigt, dass diese seine Briefpost an seine Frau in Kärnten weiterleite und seine Ehefrau ihn telefonisch informiere. Die Vermieterin habe nicht genau gewusst, wo er sich aufhalte. Sie habe nur die Kontaktanschrift in Kärnten gehabt. Unter anderem sei er auch während des Leistungsbezuges in F. oder anderen deutschen Städten (z.B. L.) zur Arbeitssuche unterwegs gewesen. Auf die Frage, warum er die Ortsabwesenheit nicht gemeldet habe, habe sich der Kläger dahingehend geäußert, dass er gemeint habe, er müsse ausschließlich Auslandsaufenthalte mitteilen. Nach eindeutiger Aufklärung der rechtlichen Folgen, sei der Kläger nicht mehr bereit, seine Aussagen auf dem gemachten Vermerk zu bestätigen. Nach einem weiteren BewA-Vermerk der Beklagten wurde der vom Kläger beantragte Urlaub vom 28.10.1998 bis 30.11.1998 am 26.10.1998 genehmigt.

Mit Bescheid vom 24.11.1998 nahm die Beklagte die Bewilligung des Alg ab 01.12.1997 ganz zurück, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen hätten. Der Kläger sei ab Leistungsbeginn (01.12.1997) für das Arbeitsamt nicht erreichbar gewesen, weil er nach den vorliegenden Unterlagen und seiner eigenen Angaben nicht unter der von ihm bekannt gegebenen Anschrift in B. erreichbar gewesen sei. Er habe sich in M. aufgehalten. Somit habe er den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes nicht zur Verfügung gestanden und sei nicht arbeitslos gewesen. Seine Nichterreichbarkeit habe er entgegen § 60 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht mitgeteilt. Er habe daher 24.129,15 DM (= 12.337,04 EUR) zu Unrecht bezogen. Mit weiterem Bescheid vom 24.11.1998 forderte die Beklagte zudem die Erstattung zu Unrecht geleisteter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 7.914,85 DM (= 4.046,80 EUR).

Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger aus, zu Beginn seines Leistungsbezuges sei ihm Urlaub bewilligt worden (ca. ein Monat). Im Januar bis Mitte Mai 1998 habe er sich wieder in B. aufgehalten. Er sei ursprünglich der Meinung gewesen, Urlaub sei nur dann zu beantragen, wenn er das Land verlasse. Ab 16.05. bis 31.07.1998 habe er erneut Urlaub genehmigt erhalten. In der beantragten Urlaubszeit sei er nur ca. zwei Wochen in Griechenland und danach in Kärnten gewesen. In Kärnten seien die Aussichten, Arbeit zu erhalten, sehr ungünstig. Im August 1998 sei er wieder in B. gewesen. Nur an den Wochenenden habe er regelmäßig einen kranken Freund (H. B.) in M. besucht. Er sei erst am 26.10.1998 durch Herrn B. vom Arbeitsamt A. richtig aufgeklärt worden. Die Meldeaufforderungen für den 08. und 15.10.1998 habe er erst nachträglich von seiner Frau erhalten, als er diese in S. getroffen habe. Mit seinen Vermietern in B. habe er nur sehr wenig Kontakt gehabt. Frau W. und ihr Ehemann könnten kaum beurteilen, wie oft er in B. gewesen sei. Er habe im zweiten Stock des Hauses gewohnt. Das Erdgeschoss und die 1. Etage sei von den Hauseigentümern selbst bewohnt worden. Seine Wohnung habe einen eigenen Eingang vom Treppenhaus. Strom und Wasser sowie Heizung würden pauschal mit der Miete abgegolten werden.

Am 14.04.1999 vernahm die Beklagte Herrn H. W. als Zeugen ein. Wegen Einzelheiten seiner Bekundungen wird auf die Niederschrift des Arbeitsamtes P. verwiesen. Auf ein Schreiben der Beklagten an den Freund des Klägers - Herrn H. B. - teilte dieser mit, dass die Angaben des Klägers hinsichtlich der Besuche in M. zutreffend seien. Der Kläger sei für ihn ein Freund und sei ihm bei seiner schweren Krankheit sehr behilflich gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bis zum 31.12.1997 würden die Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gelten, ab 01.01.1998 die des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Alg seien ab Leistungsbeginn nicht gegeben gewesen, da der Kläger unter der von ihm angegebenen Anschrift zum üblichen Eingang der Briefpost nicht erreichbar gewesen sei. Dies hätten unter anderem die Meldeversäumnisse am 08.10. und 15.10.1998 gezeigt. Die Feststellungen an den vom Kläger angegebenen Wohnsitz in B. hätten zu der Annahme geführt, dass er sich dort nicht im Sinne der genannten Vorschriften aufgehalten habe. Die Angaben in der Widerspruchsbegründung würden nicht überzeugen. Auch die Einvernahme von Herrn W. habe keine eindeutigen Anhaltspunkte für einen ständigen bzw. regelmäßigen Aufenthalt des Klägers im Sinne der gesetzlichen Vorschriften erbracht. Dafür sei die Wohnung offenbar nicht eingerichtet (kein Postkasten, kein Namensschild, kein Bad, keine Dusche). Er habe sich bestenfalls nur sporadisch in B. aufgehalten. Er sei von daher von Beginn des Leistungsbezuges ab ortsabwesend und nicht verfügbar bzw. arbeitslos mit der Folge gewesen, dass kein Leistungsanspruch bestanden habe. Die zu Unrecht erhaltenen Leistungen seien daher zu erstatten.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger erneut ausgeführt, er sei während des gesamten Zeitraums seiner Arbeitslosigkeit arbeitsbereit gewesen. Er sei auch unter der von ihm benannten Anschrift wohnhaft und durch Briefpost erreichbar gewesen. Das Sozialgericht (SG) hat am 22.05.2003 Frau H. W. und Herr S. K. (Mitarbeiter der Beklagten) als Zeugen einvernommen. Wegen der Einzelheiten ihrer Bekundungen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Mit Urteil vom 22.05.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Auch nach Durchführung der Beweisaufnahme gehe die Kammer davon aus, dass die vom Kläger zeitnah am 26.10.1998 gemachten Angaben der Wahrheit entsprochen hätten. Die wachsweiche Zeugenaussage der Frau W. habe die Kammer dagegen in keiner Weise zu überzeugen vermocht. Die Zeugin sei erkennbar bemüht gewesen, nichts mehr zu wissen und dem Kläger nicht zu schaden. Trotz aller Erklärungsversuche - eigene Berufstätigkeit, kranke Tochter usw. - sei es für die Kammer nicht nachvollziehbar, dass man es nicht wahrnehmen würde, wenn im eigen bewohnten Haus, das nicht in separate Wohnungen unterteilt sei, eine fremde Person anwesend oder nicht anwesend sei. Auch wenn die Zeugin im Jahre 2003 noch wisse, dass sie bei dem Gespräch mit dem Mitarbeiter der Beklagten 1998 so sehr überrascht gewesen sei, dass sie irgendwelche Angaben gemacht habe, überzeuge dies nicht. Dem Gericht sei hinlänglich bekannt, dass Dritte gegenüber Behördenmitarbeitern, wenn sie keine Angaben machen wollten, sich auch so verhalten würden, dass dieses Verhalten in die dann gefertigten Vermerke mit einfließe. Dies sei jedoch bei den zeitnah gefertigten Vermerken des Außendienstes nicht der Fall gewesen, so dass die Kammer der Überzeugung sei, dass die Zeugin damals eben wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe. Auch bei Wertung der Aussage des Zeugen K. habe das Gericht keinen Anhalt dafür gefunden, dass dieser damals wahrheitswidrig die Vermerke verfasst hätte. Im Übrigen weise die Kammer darauf hin, dass die Leistungsbewilligung an den Kläger schon deshalb rechtswidrig gewesen sei, da er sich bereits unter der Geltung des AFG und außerhalb der genehmigten Ortsabwesenheit häufig, wenn nicht sogar durchgehende Zeiträume von der gemeldeten Anschrift abwesend aufgehalten habe. Sei ein Arbeitsloser aber an mehreren Tagen in der Woche ortsabwesend, ohne dass die Tage der Abwesenheit von vornherein feststünden und dem Arbeitsamt bekannt seien und würden dadurch die Vermittlungsbemühungen der Beklagten erheblich beeinträchtigt oder vereitelt, sei der Arbeitslose durchgehend täglich nicht erreichbar, so dass die Voraussetzungen für den Bezug von Alg von Anfang an nicht vorhanden gewesen seien (vgl. BSG vom 03.03.1993, 11 RAr 43/91). Bei der häufigen Abwesenheit des Klägers von der gemeldeten Wohnanschrift sei auch die postalische Erreichbarkeit nicht mehr sichergestellt gewesen. Diese setze voraus, dass dem Arbeitslosen Briefpost unmittelbar, d.h. ohne Verzögerung und ohne Einschaltung Dritter zugehen könne (vgl. BSG vom 02.03.2000, B 7 AL 8/99 R). Im Übrigen könne dem Kläger auch nicht zu Gute kommen, dass er unter den erleichteten Voraussetzungen des § 105c AFG bzw. des § 428 SGB III ab 01.01.1998 Leistungen bezogen habe. Auch dieser Arbeitslose stehe der Arbeitsvermittlung nämlich nicht zur Verfügung, wenn er unter der von ihm dem Arbeitsamt benannten Anschrift nicht erreichbar sei (vgl. BSG vom 14.03.1996, 7 R Ar 38/95).

Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger aus, die in dem angefochtenen Urteil des SG dargestellte Sach- und Rechtslage werde bestritten. Er vertrete die Meinung, dass die Zeugin W. glaubhaft dargetan habe, wie es zu der Aussage gegenüber den Mitarbeitern der Beklagte im Jahr 1998 gekommen sei, nämlich, dass sie der Besuch überrascht habe, sie im Stress gewesen sei und nicht mehr wisse, welche Aussage sie getätigt habe. Es werde beantragt, Herr H. W. als Zeugen für die Beschreibung der Wohnverhältnisse einzuvernehmen.

Am 13.05.2005 erfolgte die Einvernahme von Herrn W. als Zeuge. Wegen der Einzelheiten seiner Bekundungen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22.05.2003 und die Bescheide vom 24.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte schließt sich der Auffassung des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils vom 22.05.2003 an.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG Landshut mit Urteil vom 22.05.2003 die Klage abgewiesen, da die Bescheide vom 24.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2001 nicht zu beanstanden sind.

Denn die Beklagte war berechtigt, die Bewilligung von Alg gemäß Bescheid vom 09.12.1997 ab 01.12.1997 zurückzunehmen, weil der Kläger von Anfang an der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stand.

Nach § 45 Abs.2 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs.2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs.2 SGB X darf ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X).

Nach § 100 Abs.1 AFG a.F. (in der bis 31.12.1997 geltenden Fassung) hat Anspruch auf Alg, wer unter anderem der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Diese Voraussetzung erfüllt, wer unter anderem das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist.

Hierzu hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit in der Anordnung über den Aufenthalt von Arbeitslosen (Aufenthalts-AO) in § 1 bestimmt, dass das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen können muss.

§ 117 Abs.1 Nr.1 SGB III (ab 01.01.1998 gültig) bestimmt, dass Arbeitnehmer Anspruch auf Alg haben, die unter anderem arbeitslos sind. Die §§ 118 und 119 SGB III bestimmen den Personenkreis, der arbeitslos im Sinne des § 117 Abs.1 SGB III ist. Dabei steht ein Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung, wenn er arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§ 119 Abs.2 SGB III). Ein Arbeitsloser ist dann arbeitsfähig, wenn er Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Dazu hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit in § 1 Abs.1 Satz 2 der Erreichbarkeits-AO vom 23.10.1997 bestimmt, der Arbeitslose habe deshalb sicher zu stellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.

Unter Zugrundelegung der gesetzlichen Vorschriften stand der Kläger ab 01.12.1997 der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Denn aufgrund der ursprünglichen Angaben des Klägers selbst und denen der einvernommenen Zeugen steht fest, dass der Kläger unter der von ihm bei der Antragstellung angegebenen Adresse in "L.-Straße, B." nicht erreichbar war. Anläßlich seiner persönlichen Vorsprache im Arbeitsamt am 26.10.1998 aufgrund des Anhörungsschreibens, gab der Kläger "zunächst" an, die "Punkte im Anhörungsschreiben" würden teilweise zutreffen. Sein Wohnsitz sei zwar nicht nach Kärnten verlegt worden, sondern er habe sich die meiste Zeit in M. bei seinem Bekannten aufgehalten. Ein dauernder Aufenthalt in B. habe eigentlich nie vorgelegen, da die Aufenthaltsorte ständig zwischen M. und F. gewechselt hätten. Zwar nahm der Kläger diese "spontanen" Angaben nach Aufzeigen der Rechtsfolgen zurück bzw. wollte diese nicht unterschreiben. Dennoch können sie nicht außer Acht gelassen werden. Insbesondere wurden sie auch durch die ursprünglichen Angaben seiner Vermieterin - Frau W. - bestätigt, die dem Außendienstmitarbeiter der Beklagten am 07.10.1998 ebenfalls mitteilte, dass der Kläger im vergangenen Jahr (also 1997) ausgezogen und in seine Heimat zurückgekehrt sei. Hinzu kommt, dass der Kläger aufgrund seiner Veränderungsmitteilung vom 02.07.1998 unter der angegebenen Anschrift nicht anzutreffen war. Weiter sind die Meldeversäumnisse vom 08. und 15.10.1998 zu beachten. Wenn auch die Vermieterin anläßlich ihrer Zeugeneinvernahme vor dem SG ihre ursprünglichen Angaben in gewisser Weise revidiert hat, so ist der Zeugenbekundung aber dennoch zu entnehmen, dass die Zeugin zwischenzeitlich mit dem Kläger über den streitigen Sachverhalt gesprochen hatte, nämlich anläßlich der Einvernahme ihres Ehemannes durch das Arbeitsamt. Hinzu kommt auch, dass das vom Kläger gemietete Zimmer in keiner Weise geeignet war, einen dauerhaften bzw. länger andauernden Aufenthalt zu begründen. Diesbezüglich gab der Zeuge Hugo W. anläßlich seiner Zeugeneinvernahme am 13.05.2005 an, dass dieses kein Waschbecken und keine andere Waschmöglichkeit enthielt. Auf der Etage habe sich insofern lediglich eine Toilette mit kleinem Handwaschbecken befunden. Eine Kochmöglichkeit habe nicht bestanden. Der Kläger habe auch keine Lebensmittel im Kühlschrank der Eheleute W. eingestellt gehabt. Ebenso wenig seien Nebenkosten wie Strom und Wasser angefallen, da man insoweit einen "höheren" Verbrauch nicht habe feststellen können. Bereits anläßlich seiner Zeugeneinvernahme vom 14.04.1999 hatte Herr W. zusätzlich angegeben, dass es ihnen bei der Müllentsorgung aufgefallen wäre, wenn der Kläger des Öfteren Müll in die Tonne geworfen hätte. Des Weiteren hatte er angegeben, die Miete sei mit 600,00 DM für ein Jahr deshalb so gering gewesen, weil es von vornherein bekannt gewesen sei, dass das Dachzimmer nicht permanent als Dauerwohnsitz genutzt werde. Des Weiteren gab die Zeugin W. vor dem SG an, Post sei für den Kläger nicht sehr oft gekommen. Wenn aber Post gekommen sei, zum Beispiel auch Informationsblätter der Krankenkasse, habe sie diese auf ein Podest im Gang für ihn hingelegt. Sie könne aber nicht mehr sagen, wie lange diese dann auf der Anrichte gelegen habe, bis sie weggenommen worden sei. Der Kläger habe weder einen eigenen Briefkasten noch ein Namensschild am Haus gehabt. Einmal habe der Postbote angefragt, ob der Kläger bei ihnen wohne. Der damalige Postbote sei lange Zeit für sie tätig gewesen, so dass es insoweit keine Probleme gegeben habe.

Aus den Angaben ergibt sich insgesamt, dass es an der Grundvoraussetzung für die Erreichbarkeit, nämlich der postalischen Erreichbarkeit fehlte. Denn deren Sicherstellung erfordert, dass dem Arbeitslosen Briefpost unmittelbar, d.h. ohne Verzögerung und ohne Einschaltung Dritter, zugehen kann. Der Arbeitslose hat dafür Sorge zu tragen, dass ein Postbediensteter ohne weitere Nachfrage die Postzugseinrichtung (Briefkasten, Briefschlitz in der Wohnungstür etc.) für die Anschrift auffinden kann. Insgesamt reicht es jedenfalls nicht, wenn die Postzustellung von der bloßen Gefälligkeit Dritter abhängig ist oder Dritte zwecks Klärung der Postanschrift bemüht werden müssen. Somit war der Kläger unter der von ihm im Antrag auf Alg angegebenen Anschrift nicht erreichbar, weil insbesondere die Zustellung von Postsendungen nicht gewährleistet war.

An der Beurteilung des Sachverhalts ändert auch nichts die Tatsache, dass der Kläger ab 01.01.1998 unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III (vormals § 105c AFG) Leistungen bezogen hat. Denn auch ein Arbeitsloser, der Alg unter den erleichterten Voraussetzungen bezieht, steht der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, wenn er unter der von ihm dem Arbeitsamt benannten Anschrift nicht erreichbar ist. Eine Erreichbarkeit ist insbesondere deshalb nicht entbehrlich, weil für den Personenkreis des erleichterten Bezugs eine Arbeitsvermittlung praktisch nicht mehr in Betracht kommt. Durch § 428 SGB III wird lediglich die subjektive Verfügbarkeit fingiert, während die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen müssen, insbesondere die objektive Verfügbarkeit. Wegen der Erreichbarkeit nach § 119 Abs.3 Satz 1 Nr.3 SGB III ist auch auf § 4 der Erreichbarkeitsanordnung - "Urlaub" von 17 Wochen - zu verweisen. So ist ein Arbeitsloser, der Alg nach § 428 SGB III bezieht, nicht verfügbar im Sinne des § 119 Abs.3 Nr.3 SGB III, wenn er unter der von ihm dem Arbeitsamt benannten Anschrift nicht erreichbar ist.

Beim Kläger liegen auch die subjektiven Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X und auch des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X vor. So wurde der Kläger zum einen bei der persönlichen Arbeitslosmeldung am 10.11.1997 auf die "Urlaubsregelung" hingewiesen und zum anderen wird auf die Pflicht, Ortsabwesenheiten mitzuteilen, im Merkblatt für Arbeitslose - Ihre Rechte, Ihre Pflichten - in gut verständlicher Weise hingewiesen. Insbesondere kann sich der Kläger nicht darauf berufen, die Hinweise nicht verstanden zu haben oder dem Irrtum erlegen zu sein, gedacht zu haben, nur Auslandsaufenthalte melden zu müssen. Diesbezüglich findet sich kein Anhalt im Merkblatt.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22.05.2003 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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