L 10 B 21/05 KA

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 16 KA 15/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 B 21/05 KA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.11.2005 geändert.

Der Streitwert für das Verfahren S 16 KA 15/04 wird auf 531.562,50 Euro festgesetzt. Dieses Verfahren ist gebührenfrei.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Kläger (Facharzt für Neurochirurgie) hat neben der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit die Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit als Konsiliararzt am F-Hospital in I begehrt. Konsiliarärztliche Leistungen sollten sein: a) die Untersuchung des Patienten; b) die nach einer vorausgegangenen Untersuchung des Patienten erfolgende Beratung mit dem Krankenhausarzt zur Stellung der Diagnose oder zur Festlegung des Behandlungsplanes (Konsilium); c) die Mitbehandlung des Patienten; d) die Untersuchung und Befundung von Körpermaterial des Patienten. Ferner sollte die konsiliarärztliche Tätigkeit vom Kläger persönlich durchgeführte Wirbelsäulenoperationen solcher Patienten umfassen, die von ihm selbst eingewiesen werden. Für das Jahr 2004 war vorgesehen, die Operationen auf 150 zu begrenzen. Hiergegen hat die Beigeladene zu 1) Einwände erhoben und darauf hingewiesen, dass die Vorstellungen des Klägers auf eine belegärztliche Tätigkeit hinauslaufen würden. Eine solche sei wegen § 36 Abs. 2 Krankenhausgesetz Nordrhein-Westfalen (KHG NRW) nur in zugelassenen Belegabteilungen zulässig. Der Kläger sei nicht als Belegarzt anerkannt. Der Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk Münster hat den Kläger mit Beschluss vom 22.01.2004 als Facharzt für Neurochirurgie für den Arztsitz Gelsenkirchen zur Vertragsarztpraxis zugelassen. Den Antrag auf Nebentätigkeit als Konsiliararzt am F-Hospital in I hat der Zulassungsausschuss abgelehnt, weil schon die abstrakte Möglichkeit einer Interessen- oder Pflichtenkollision durch eine Nebentätigkeit eine Zulassung ausschließe. Das KHG NRW sei geltendes Recht. Ein Verwaltungsakt, der in einer Nebenbestimmung gegen Landesrecht verstoße, sei rechtswidrig. Mit Beschluss vom 03.08.2004 hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die Zulassungsgremien seien auch zur Genehmigung von Nebentätigkeiten zuständig. Ausweislich des zwischen dem Kläger und dem F-Hospital I geschlossenen Konsiliarvertrags gingen die von ihm zu erbringenden Leistungen über eine konsiliarische Tätigkeit hinaus. Der Sache nach wolle er eine belegärztliche Tätigkeit ausüben. Die hiergegen gerichtet Klage hat das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen mit Urteil vom 29.09.2005 abgewiesen. Der Kläger sei für die von ihm beabsichtigte Tätigkeit als Konsiliararzt ungeeignet. Es liege eine unvereinbare Interessen- und Pflichtenkollision vor, wenn der Kläger einerseits zur vertragärztlichen Versorgung zugelassen sei und andererseits wie ein Belegarzt tätig werden wolle, ohne dies zu sein. Das Urteil ist rechtskräftig geworden. Mit Beschluss vom 07.11.2005 hat das SG den Streitwert auf 25.000,00 Euro festgesetzt. Die dem Kläger erteilte Zulassung sei unstreitig. Es gehe lediglich darum, ob eine von ihm begehrte Nebentätigkeit genehmigt werden müsse. Da keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorlägen, welche Einkünfte der Kläger aus dieser Tätigkeit hätte erzielen können, sei der Regelstreitwert von 5.000,00 Euro zugrunde zu legen. Bezogen auf einen Fünf-Jahreszeitraum führe diese zu einem Streitwert von 25.000,00 Euro.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers. Er trägt vor, die Streitwertbeschwerde verfolge den Zweck, seine Rechtsschutzversicherung zu höheren Zahlung zu veranlassen. Nur so könne verhindert werden, dass zu seinen Lasten ein "Selbstbehalt" entstehe, der sich aus der Differenz zwischen der nach § 4 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vereinbarten Anwaltsvergütung und den Zahlungen der Rechtsschutzversicherung auf der Basis einen Streitwertes von (nur) 25.000,00 Euro ergebe. Er habe das Urteil des SG akzeptiert. Damit sei sein Niederlassungsprojekt mit gleichzeitiger konsiliarischer Tätigkeit am F-Hospital I gescheitert. Deswegen habe er auch auf seine vertragsärztliche Zulassung verzichtet. Die Zulassung ohne die gleichzeitige Möglichkeit, am F-Hospital I konsiliarisch tätig zu sein, sei wirtschaftlich sinnlos. Demnach sei das der Beseitigung der Nebenbestimmung zu Grunde liegende wirtschaftliche Interesse mit dem Zulassungsinteresse identisch. Da Neurochirurgen im Ergebnis kein geringeres Einkommen als Chirurgen hätten (jährlich 110.100,00 EUR), sei der Streitwert auf 550.500,00 EUR festzusetzen. Selbst wenn die streitige Nebenbestimmung isoliert bewertet werde, müsse der Streitwertbeschluss korrigiert werden. Der streitige Konsiliararztvertrag zwischen dem F-Hospital I und ihm habe vorgesehen, dass im ersten Jahr maximal 150 Operationen konsiliarisch hätten durchgeführt werden dürfen (§ 1 Abs. 5 Konsiliararztvertrag). Vereinbarungsgemäß wären ihm 22,5 % der vom Krankenhausträger für die Operationen abgerechneten DRG-Pauschalen zugeflossen. Abhängig vom Schwierigkeitsgrad sehe die jeweilige DRG-Pauschale einen Erlös zwischen 3.500,00 Euro und 7.000,00 Euro (Mittelwert 5.250,00 Euro) vor. Hieraus folge ein mittlerer Honoraranteil in Höhe von 1.181,25 Euro je Operation. Bei jährlich 150 Operationen belaufe sich die Vergütung auf 177.187,50 Euro. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse der Streitwert in Höhe des Fünffachen festgesetzt werden und belaufe sich damit auf 885.937,50 Euro. Sonstige von ihm erzielbare Erlöse seien hierbei noch nicht berücksichtigt.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Streitwert auf 500.000,00 Euro festzusetzen.

Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

II.

1.
Nach § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) entscheidet über die Beschwerde das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter. Funktionell zuständig ist hiernach grundsätzlich das nach der senatsinternen Geschäftsverteilung zuständige Senatsmitglied als Einzelrichter. Dennoch entscheidet der Senat in seiner Besetzung mit drei Berufsrichtern. Dies ergibt sich aus folgendem: § 66 Abs. 6 GKG ist § 568 Zivilprozeßordnung (ZPO) nachgebildet (BT-Drucks. 15/1971 S. 157). Demzufolge sollen die mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter möglichen Beschleunigungseffekte nur bei den Gerichten genutzt werden, bei denen eine Entscheidung durch Einzelrichter institutionell auch vorgesehen ist. Das trifft beispielsweise auf den Bundesgerichtshof (BGH) und Bundesfinanzhof (BFH) nicht zu (hierzu BFH vom 29.09.2005 – IV E 5/05 – sowie BGH vom 13.01.2005 –V ZR 218/04 -). Etwas anderes gilt für das Finanzgericht bzw. das Oberverwaltungsgericht. Hier kann der Vorsitzende den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 Abs. 1 FGO; § 6 Abs. 1 VwGO; vgl. auch §§ 348, 348 a ZPO). Wird hiervon Gebrauch gemacht, dürften die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 erfüllt sein, so dass die originäre Zuständigkeit eines Senatsmitglieds als Einzelrichter gegeben wäre (vgl. FG Düsseldorf vom 26.08.2005 – 11 Ko 1910/05 GK –). Anders verhält es sich für das Landessozialgericht. Das Sozialgerichtsgesetz sieht eine Möglichkeit, nach der eine Streitsache vom Vorsitzenden in die originäre Zuständigkeit eines Senatsmitglieds delegiert werden kann, lediglich über § 155 Abs. 1 SGG vor. Diese Vorschrift berechtigt den Vorsitzenden, seine Aufgaben in dem dort umschriebenen Umfang einem Berufsrichter des Senats zu übertragen, der dann als Berichterstatter (für den Senat) tätig wird. Ist ein Berichterstatter bestellt, muss dieser in den in § 155 Abs. 2 SGG genannten Fällen kraft Gesetzes allein und damit als Einzelrichter entscheiden (§ 155 Abs. 4 SGG). Dessen Entscheidung ist dennoch die des Senats, wenngleich in der Besetzung mit einem Einzelrichter. Eine Entscheidung in der Besetzung mit drei Berufsrichtern wäre ein Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit und damit gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Frehse in Berliner Kommentare, SGG. 2 Auflage, 2004, § 155 Rdn. 7 m.w.N.). Gleichwohl folgt hieraus nicht, dass ein Senatsmitglied als Einzelrichter über die Streitwertbeschwerde entscheiden könnte. Die Zuständigkeitsregelungen des § 155 Abs. 2 SGG sind abschließend. Die Einzelrichterzuständigkeit ist hiernach nur in den dort genannten Fällen und nur dann gegeben, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht. Zwar mag eine Entscheidung über eine Streitwertbeschwerde noch als Entscheidung über den Streitwert (§ 155 Abs. 2 Nr. 4 SGG) interpretiert werden, indessen ist dies vorliegend schon deswegen nicht Teil der vorbereitenden Verfahrens, weil das Hauptsacheverfahren S 16 KA 15/04 (SG Gelsenkirchen) mit rechtskräftigem Urteil vom 29.09.2005 beendet war. Ist sonach eine Entscheidung durch den Einzelrichter gerichtsverfassungsrechtlich bzw. prozessrechtlich im SGG-Verfahren auf die Ausnahmekonstellation des § 155 Abs. 2 SGG beschränkt und liegen dessen Voraussetzungen – wie hier – nicht vor, kommt eine Entscheidung über die Streitwertbeschwerde durch den Einzelrichter auf der Grundlage von § 66 Abs. 6 GKG nicht in Betracht. Zuständig ist der Senat.

2.
Die Beschwerde ist statthaft. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro (§ 68 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG)). Form und Frist sind gewahrt.

Soweit es den Kläger anlangt, fehlt es allerdings am Rechtsschutzinteresse, denn er ist nur dann rügeberechtigt, wenn der Streitwert zu seinen Lasten zu hoch festgesetzt wird (Hartmann, Kostengesetze, 35. Auflage, § 68 GKG Rdn. 5 m.w.N.). Das ist nicht der Fall, denn sofern die Streitwertbeschwerde als Beschwerde des Klägers verstanden wird, läge dem das Ziel zugrunde, (atypisch) einen höheren Streitwert festsetzen zu lassen, um die Differenz zwischen der nach § 4 RVG vereinbarten Vergütung und der auf der Basis des vom SG festgesetzten Streitwertes zu leistenden Zahlungen der Rechtsschutzversicherung zu minimieren. Die Frage, welche Vergütungshöhe vereinbart wird, ist jedoch Ausfluss der Vertragsfreiheit und damit ein autonomes Gestaltungsrecht im Verhältnis von Rechtsanwalt und Mandant. Derartige Vereinbarungen betreffen allein deren Rechtssphäre und können ein rechtliches Interesse auf Festsetzung eines höheren Streitwertes nicht begründen. M.a.W.: Mittelbare Auswirkungen der Streitwertfestsetzung sind insoweit unbeachtlich (vgl. auch BFH vom 20.10.2005 – III S 20/05 –).

Fehlt es zwar an einer Beschwer des Klägers, ist die Beschwerde dennoch nicht schon aus diesem Grund unzulässig, denn der bevollmächtigte Rechtsanwalt kann auch dann aus eigenem Recht eine Erhöhung des festgesetzten Streitwertes fordern (§ 32 Abs. 2 RVG). Allerdings hat der Bevollmächtigte des Klägers in der Beschwerdeschrift vom 07.12.2005 nicht deutlich gemacht, einen eigenen Rechtsbehelf einlegen zu wollen. Der Senat sieht das jedenfalls hier als unschädlich an. Der Bevollmächtigte hat sich in der Beschwerdeschrift nicht ausdrücklich auf die Vollmacht und den Auftrag seines Mandanten bezogen. Damit erachtet es der Senat im Sinne der Meistbegünstigung als zulässig, das Begehren als eigene Streitwertbeschwerde des Rechtsanwalts auszulegen. Voraussetzung des Beschwerderechts ist ein eigenes Interesse des Rechtsanwalts an einer höheren Streitwertfestsetzung. Soweit der Rechtsanwalt mit seinem Auftraggeber – wie hier – eine Vergütungsvereinbarung nach § 4 RVG geschlossen hat, steht dies der Beschwerde grundsätzlich nicht entgegen (vgl. BFH vom 01.07.1975 – VII – 15/74 – NJW 1976, 208; Hartmann, a.a.O., § 68 GKG Rdn. 5 m.w.N.). Da eine Gebührenvereinbarung auch noch nach Erledigung des Auftrags geschlossen werden kann (Gerold/Schmidt – Madert, RVG, 2004, 16. Auflage, § 4 Rdn. 94 ff.), bestehen grundsätzlich auch keine Bedenken, eine im Zusammenhang mit einer Auftragserteilung geschlossene Vergütungsvereinbarung nachträglich abzuändern. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nach Abschluss des Verfahrens feststeht, dass die Gegenseite nicht erstattungspflichtig ist. Dann besteht keine Gefahr, dass die nachträglich vereinbarte höhere Vergütung auf die Gegenseite abgewälzt wird. Vorliegend ist allein der Kläger kostenpflichtig. Allerdings haben der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter nichts dazu vorgetragen, dass beabsichtigt sei, die Vergütungsvereinbarung zu ändern. Damit ist offen, ob insoweit ein Rechtsschutzinteresse besteht. Dies ist im Ergebnis unschädlich. Denn der Senat ist nicht gehindert, den Streitwert infolge der Streitwertbeschwerde von Amts wegen zu bestimmen. Das folgt aus § 63 Abs. 3 GKG. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind gegeben. Die Fristen sind gewahrt. Das Verfahren ist dem Senat als Rechtsmittelgericht wegen der Entscheidung über den Streitwert angefallen. Ob und inwieweit das Rechtsmittel (Steitwertbeschwerde) unzulässig ist, weil möglicherweise kein Rechtsschutzinteresse besteht, kann dahin stehen. Soweit hierzu die Auffassung vertreten wird, das Rechtsmittelgericht sei nur im Fall einer zulässigen Streitwertbeschwerde befugt, den Streitwert von Amts wegen abzuändern (Hartmann a.a.O. § 63 GKG Rdn. 49), folgt der Senat dem nicht. Der Wortlaut des § 63 Abs. 3 GKG gibt für eine solche Differenzierung nichts her. Im Übrigen steht einer solchen Auffassung auch das der Streitwertfestsetzung zu Grunde liegende öffentliche Interesse entgegen (vgl. auch VGH Mannheim MDR 92, 300).

3.
Nach § 52 Abs. 1 GKG in der Fassung des Kostenmodernisierungsgesetzes vom 01.07.2004 (BGBl. I, 718) bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (Senatsbeschlüsse vom 26.03.2003 – L 10 B 2/03 KA – und 13.08.2003 – L 10 B 10/03 KA ER –).

a)
Ausgehend vom Streitgegenstand wird das wirtschaftliche Interesse des Klägers durch die vom ihm angestrebte – zeitlich begrenzte – konsiliarische Tätigkeit im Krankenhaus konkretisiert. Soweit das SG auf der Grundlage von § 52 Abs. 2 GKG einen auf einen Fünf-Jahreszeitraum hochgerechneten Regelstreitwert angesetzt hat, folgt der Senat dem nicht. Der nach § 52 Abs. 2 GKG zu bestimmende Streitwert ist kein Regelstreitwert, sondern ein gesetzliche Auffangwert. Dieser ist immer dann und nur dann festzusetzen, wenn eine individuelle Bemessung nicht möglich ist, weil hinreichende Anhaltspunkte fehlen (Hartmann, Kostengesetzte, 35 Auflage, § 52 GKG Rdn 17 m.w.N.). Liegen hingegen für den fraglichen Leistungsbereich konkrete Zahlen vor (z.B. Umsatzzahlen beim Entzug einer Abrechnungsgenehmigung), ist es geboten, hierauf zurückzugreifen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Wertbestimmung in Zulassungs- und Ermächtigungssachen heranzuziehen (so Senatsbeschluss vom 27.07.2005 – L 10 B 14/05 KA –). So liegt es hier. Ausweislich des dem Senat vorliegenden Konsiliararztvertrags hätte der Kläger in fünf Jahren aus der vom angestrebten konsiliarischen Tätigkeit voraussichtlich ein Honorar in Höhe von 885.937,50 Euro erzielt. Dabei ist nach der neueren Rechtsprechung des BSG nicht mehr von einem Fünf-Jahres-Zeitraum sondern nur noch von einem Drei-Jahres-Zeitraum auszugehen (BSG vom 12.10.2005 – B 6 KA 47/04 B – und vom 01.09.2005 – B 6 KA 41/04 R –). Der Senat tritt dem bei. Eine Eingrenzung des (hohen) Kostenrisikos in Zulassungs- und vergleichbaren Streitverfahren infolge der Regelung des § 197a SGG ist durch Art. 19 Abs. 4 GG geboten (vgl. BVerfG NJW 1997, 311). Sonach ergibt sich ein Streitwert von 531.562,50 Euro.

Der Senat ist nicht gehindert, den Streitwert auf diesen Betrag festzusetzen, obgleich der Beschwerdeführer nur einen Streitwert von 500.000 Euro beantragt hatte. Kann nämlich das Rechtsmittelgericht die Streitwertfestsetzung des SG – fristgebunden – auch von Amts ändern (§ 63 Abs. 3 Satz 2 GKG), so folgt hieraus, dass die Bezifferung des Streitwertes durch den Beschwerdeführer insoweit nur als Anregung zu verstehen ist (vgl. auch Beschluss vom 25.06.2003 – L 10 B 1/03 KA –: keine Bindung des Gerichts bei der Festsetzung des Gegenstandswertes an Anträge der Beteiligten; Beschluss vom 13.08.2003 – L 10 B 10/03 KA ER –).

b)
Demzufolge muss der Senat von Amts wegen prüfen, ob der Streitwert noch höher zu bemessen ist. Das wäre etwa dann der Fall, wenn – entsprechend des klägerischen Vorbringens – zwischen seinem Antrag auf Genehmigung einer konsiliarärztlichen Tätigkeit einerseits und dem Verzicht auf die Zulassung andererseits ein dermaßen enger Zusammenhang bestünde, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen des Zulassungsverzichts in die Streitwertbestimmungen einzubeziehen sind. Ausweislich der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) veröffentlichten Grunddaten für 2003 (gesamtes Bundesgebiet) erzielen Chirurgen ein Einkommen vor Steuern (nach Abzug der Betriebskosten) von 63.506,20 Euro jährlich. Hochgerechnet auf drei Jahre ergebe sich hieraus ein Streitwert von 190.518,60 Euro. Um diesen Betrag müsste der nach 1a) errechnete Streitwert bei diesem Ansatz erhöht werden.

Im Ergebnis ist dem nicht so, wie sich wie folgt ergibt: Zwar wird die Bedeutung der Sache für den Kläger durch sein wirtschaftliches Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen präzisiert. Dies kann jedoch nicht dahin verstanden werden, dass für den Kläger relevante rechtliche Auswirkungen und/oder Folgewirkungen von vornherein unberücksichtigt bleiben. Ausgeblendet würde dann, dass § 52 Abs. 1 GKG von der "Bedeutung der Sache" für den Kläger spricht. Das ist unmissverständlich und einer inhaltsreduzierenden Auslegung nicht zugänglich. Die Bedeutung der Sache für den Kläger ist mehr als nur sein wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung. Wird nur auf das wirtschaftliche Interesse abgestellt, würde der Normbefehl des § 52 Abs. 1 GKG unzulässig verkürzt. Demgemäß sind in die Streitwertbestimmung grundsätzlich auch die rechtlichen Auswirkungen einer obsiegenden Entscheidung einzubeziehen (hierzu Hartmann a.a.O. § 52 GKG Rdn. 12). Dies führt dazu, dass der Streitwert für die einzelnen Klagearten unterschiedlich hoch zu bemessen ist (Hartmann a.a.O.). Hieraus folgt weiter, dass – je nach Fall – zu prüfen ist, ob sich die Bedeutung der Sache für den Kläger allein in dem zu Grunde liegenden wirtschaftliche Interesse erschöpft oder aber ein beachtliches rechtliches Interesse daneben tritt. So ist es denkbar, dass das wirtschaftliche Interesse nur von untergeordneter Bedeutung ist, hingegen das rechtliche Interesse an der erstrebten Entscheidung überaus dominiert. Gleichermaßen nicht ausgeschlossen ist es, dass das wirtschaftliche und/oder rechtliche Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung nicht nur durch den eigentlichen Streitgegenstand bestimmt wird, sondern darüber hinaus geht (vgl. FG Hamburg vom 05.05.2003 – II 370/97 –). Demgemäß können Folgewirkungen beachtlich sein (so Bayerisches LSG vom 23.06.1993 – L 12 B 163/92 Ka – zu den Folgewirkungen einer disziplinarrechtlichen Ruhensanordnung; vgl. auch SG Hamburg vom 10.07.1997 – S 3 KA 57/90 –). Sie müssen es aber nicht. Es bedarf einer genauen Einzelfallprüfung, welcher Art die Folgewirkungen sind und inwieweit sich das rechtliche Interesse des Klägers hierauf bezieht (hierzu Frehse in SGb 2005, 188 ff.).

Die Folgewirkung "Verzicht auf die Zulassung" bleibt hier unberücksichtigt. Dabei lässt sich der Senat von der Überlegung leiten, dass Folgewirkungen allenfalls dann (auch) streitwertbestimmend sein können, wenn sie wesentlich durch die Entscheidung über den eigentlichen Streitgegenstand verursacht werden und mit diesem nachweislich in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend ist dabei nicht die subjektive Bedeutung, die der Kläger dem beimisst, sondern eine hiervon losgelöste objektive Beurteilung (hierzu auch Hartmann a.a.O. § 52 Rdn. 9). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Entscheidung des Klägers, nunmehr auch auf seine vertragsärztliche Zulassung zu verzichten, mag von wirtschaftlichen Gründen getragen sein. Ob und welche konkrete Bedeutung diese Umstände objektiv haben, lässt sich nicht nachvollziehen. Sie sind dem Senat nicht bekannt. Eine Beweiserhebung hierüber ist im Rahmen der Kostenentscheidung unzulässig (Hartmann a.a.O § 52 GKG Rdn. 16; vgl. Strassfeld in Berliner Kommentare, SGG, 2. Auflage § 193 Rdn. 12 zur Kostengrundentscheidung). Letztlich kommt es darauf nicht an, denn die eigenverantwortliche Entscheidung des Klägers, auf seine Zulassung zu verzichten, bedeutet im Ergebnis, dass die Versagung der beantragten Genehmigung, konsiliarisch tätig zu werden, für den Zulassungsverzicht nicht wesentlich ursächlich war. Vielmehr ist eine andere Ursache (der Verzicht) hinzugetreten, die auf den vom Kläger ansatzweise dargelegten Gründen beruhen kann, indessen nicht muss. Auch dieses müsste aufgeklärt werden, was wiederum im Rahmen der Streitwertentscheidung unzulässig ist.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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