L 5 KR 41/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 89/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 41/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20. Oktober 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Erstattung von Kosten in Höhe von 367,44 EUR, die im Zusammenhang mit der Lieferung eines Kraftknotens für ein Reha-Gestell angefallen sind. Die 1989 geborene Klägerin, die familienversichert ist, leidet unter einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom und psychomotorischer Entwicklungsverzögerung bei cerebralem Anfallsleiden und spastischer Tetraparese. Sie erhält Pflegegeld der Stufe III und besucht die St.-N.-Schule, eine Förderschule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Am 12.01.2005 ging bei der Beklagten die Verordnung einer Kinderarztpraxis vom 07.01.2005 für ein Kraftknotensystem für das vorhandene Reha-Gestell ein. Beigefügt war ein Kostenvoranschlag über 367,44 EUR. Mit Bescheid vom 20.01.2005 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab, da es sich hierbei um eine Unfallverhütungsmaßnahme handele, die nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung falle. Dem widersprach die Klägerin unter Berufung auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart und unter Vorlage eines Attestes vom 07.01.2005, wonach es wegen des cerebralen Anfallsleidens und einer spastischen Tetraparese medizinisch zu befürworten sei, dass sie sitzend im Rollstuhl mit dem Systemkraftknoten im Fahrzeug befördert werde. Der Vater der Klägerin ergänzte, das Kraftknotensystem entspreche den technischen Anforderungen der seit dem 01.10.1999 geltenden DIN 75078-2 für die sichere Beförderung von Rollstuhlfahrern, die aufgrund Art und Schwere ihrer Behinderung in einem Behindertentransportkraftwagen nicht in das Fahrzeug umgesetzt werden könnten. Die Klägerin werde ausschließlich im Rollstuhl sitzend zur St.-N.-Schule gefahren und auch das eigene Auto sei so umgerüstet, dass sie nur auf diese Weise transportiert werde. Die Beklagte wies den Widerspruch am 10.03.2005 zurück. Das beantragte Kraftknotensystem leiste keinen unmittelbaren Behinderungsausgleich zur Befriedigung allgemeiner Grundbedürfnisse. Ebenso wie die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder das Autofahren diene ein derartiger Transport der gesellschaftlichen oder beruflichen Wiedereingliederung Behinderter, für die andere Sozialleistungsträger zuständig seien. Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben und u.a. geltend gemacht, der Behindertenfahrdienst habe in Aussicht gestellt, die Klägerin ohne ein Kraftknotensystem nicht mehr zu befördern. Auch für die Beförderung im Auto der Eltern sei die Zusatzausrüstung des Reha-Gestells notwendig. Es verhindere Verletzungen und die Mithaftung beim Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes. In der mündlichen Verhandlung hat der Leiter der St.-N.-Schule den Intensivförderbedarf der Klägerin erklärt. Der Schulweg sei ca. 5 bis 6 km lang und werde mit Hilfe des Schulbeförderungsunternehmens zurückgelegt. Das Sozialgericht Landshut hat die Beklagte mit Urteil vom 20.10.2005 verurteilt, der Klägerin die Kosten für ein Kraftknotensystem entsprechend dem Kostenvoranschlag der Firma Z. vom 11.01.2005 in Höhe von 367,44 EUR zu erstatten. Die Fähigkeit, zur Schule zu gelangen, sei bei der Klägerin ein Grundbedürfnis, das durch Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung zu befriedigen sei, weil aufgrund des jugendlichen Alters die Förderung des Integrationsprozesses im Zentrum stehe. Erfolg oder Misserfolg sei für das gesamte Leben der behinderten Klägerin von entscheidender, ausschlaggebender und die zukünftige Lebensgestaltung maßgeblicher prägender Bedeutung. Gegen das zugestellte Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, die das Sozialgericht zugelassen hatte. Die Grundbedürfnisse der Klägerin zum Schulbesuch bzw. der Förderung des Integrationsprozesses seien durch die Rollstuhlversorgung bereits sichergestellt. Das Kraftknotensystem gewährleiste nicht den Schulbesuch, sondern ermögliche allenfalls einen auf ein bestimmtes Verkehrsmittel bezogenen Transport zu diesen Aktivitäten. Ausschließlich die Teilnahme am allgemeinen Schulunterricht sei als Grundbedürfnis anerkannt, nicht hingegen der Transport in einer bestimmten Form, um dann mit den bereits vorhandenen Hilfsmitteln am Unterricht teilzunehmen. Die Gründe im Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.09.2004 zum Ausnahmefall eines schwenkbaren Autositzes als Leistung der Krankenversicherung seien nicht übertragbar. Nicht geprüft worden sei bislang die Erforderlichkeit des Kraftknotensystems, das angesichts der Hinweise der Hersteller auf die fehlende Sicherheit zweifelhaft sei. Entsprechend der beigefügten Gebrauchsanweisung zum F 1 Racer werde seitens des Herstellers ein sicherer Transport im Rollstuhl selbst mit Kraftknotensystem verneint und unter dringlichem Hinweis eine Umsetzung beim Transport angeraten. Da der Transport von Rollstuhlfahrern vor Existenz des Kraftknotensystems ausschließlich durch Umsetzung in die fahrzeugzugehörigen Rückhaltesysteme erfolgte, sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen nun ein Transport nur mittels Kraftknoten erfolgen könne. Auch sei nicht die Zuständigkeit anderer Kostenträger wie z.B. der Sozialhilfe im Rahmen der Leistungen der Eingliederungshilfe in Erwägung gezogen worden. Die Klägerin hat die Rechnung vom 20.05.2005 über den Einbau des Kraftknotens vorgelegt, die Einkommensverhältnisse ihrer Eltern erläutert und ergänzend vorgetragen, aufgrund der örtlichen Gegebenheiten (hügelig, weit entfernt vom öffentlichen Nahverkehr) sei sie in besonderem Maß auf die Transportmöglichkeiten mittels Kraftfahrzeug angewiesen, um Freizeit gestalten und Ärzte aufsuchen zu können.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20.10.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut, der Pflegeakten sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und erweist sich als begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20.10.2005 ist nicht haltbar. Zutreffend hat es die Beklagte mit Bescheid vom 20.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2005 abgelehnt, die Kosten für die Ausstattung des Rollstuhls der Klägerin mit einem Kraftknotensystem zu übernehmen. Diese Kosten unterfallen nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.

Wegen der Sachleistungspflicht - wesentliches Strukturelement des gesamten Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung - darf Kostenerstattung nur in den ausdrücklich im SGB V aufgezählten Fällen erfolgen. Als mögliche Anspruchsgrundlage kommt vorliegend lediglich § 13 Abs.3 SGB V in Betracht. Danach sind Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 13 Abs.3 2. Alternative SGB V kommt es darauf an, dass zwischen der Ablehnung durch die Krankenkasse und dem eingeschlagenen Beschaffungsweg ein ursächlicher Zusammenhang besteht (BSG 18.01.1996 in SozR 3-2500 § 13 Nr.10). Die Kosten dürfen daher erst nach Ablehnung durch die Krankenkasse entstanden sein. Angesichts der am 20.05.2005 ausgestellten Rechnung über 367,44 EUR ist davon auszugehen, dass die Lieferung und der Einbau des Kraftknotens für das Reha-Gestell nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 10.03.2005 erfolgt ist. Die Beklagte hat die Kostenübernahme aber nicht zu Unrecht abgelehnt. Nach § 33 Abs.1 SGB V, § 31 Abs.1 SGB IX haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs.4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst gemäß § 33 Abs.1 Satz 3 SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht bereits daraus, dass eine ärztliche Verordnung für den Kraftknoten nach DIN 75078-2 vorliegt. Der vertragsärztlichen Verordnung kommt bei Hilfsmitteln keine die Leistungsverpflichtung der Beklagten verbindlich regelnde Wirkung zu (BSG, Urteil vom 29.09.1997, 8 RKN 27/96). Das Kraftknotensystem erfüllt nicht selbst die Hilfsmitteleigenschaft. Es handelt sich dabei entsprechend dem vom Deutschen Institut für Normung e.V. erarbeiteten DIN 75078-2 entwickelten Begriff um ein Rückhaltesystem in Behindertentransportkraftwagen und legt Anforderungen sowohl an Personen- als auch an Rollstuhlrückhaltesysteme für den Transport von Personen in Rollstühlen fest. Die seit dem 01.10.1999 geltende DIN-Norm definiert den Kraftknoten als Punkt, in dem idealerweise die Rückhaltekräfte des Personenrückhaltesystems in das Rollstuhlrückhaltesystem eingeleitet werden. Dieser optimale Punkt der Krafteinleitung ist bei jedem Rollstuhl unterschiedlich zu ermitteln und soll im Fall eines Unfalls die etwaige Verformung des Rollstuhls verhindern. Weil dieses Rückhaltesystem keines der in § 33 Abs.1 Satz 1 SGB V genannten Hilfsmittelziele verfolgt und mit einem Rollstuhl fest verbunden ist, handelt es sich lediglich um ein Zubehörteil zum Rollstuhl (ebenso Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29.03.2006 L 5 KR 16/05). Diese Versorgung ist jedoch nicht im Sinn des § 33 Abs.1 SGB V erforderlich. Zutreffend beschreibt das Sozialgericht, dass ein Hilfsmittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann erforderlich ist, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Dazu gehören einerseits die körperlichen Grundfunktionen wie Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme oder Ausscheidung und andererseits die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens umfasst. Die körperliche Bewegungsfreiheit ist als Grundbedürfnis anzuerkennen, soweit es notwendig ist, um sich in der eigenen Wohnung zu bewegen oder die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG, SozR 3-2500 § 33 Nr.31). Die Klägerin ist aufgrund der Versorgung mit dem Rollstuhl hierzu in der Lage; die Versorgung mit dem Kraftknotensystem verbessert insoweit ihre Situation nicht. Vielmehr ermöglicht ihr dieses System, den Rollstuhl in Bezug auf die Fortbewegung mit einem bestimmten Kraftfahrzeug, nämlich dem ihrer Eltern bzw. des Schulbeförderungsunternehmens zu nutzen. Diese Fortbewegungsart gehört jedoch grundsätzlich nicht zu den essentiellen Grundbedürfnissen. Das beantragte Kraftknotensystem ist daher auch nicht notwendiges Zubehör des Rollstuhls zur Kompensation des Grundbedürfnisses der Mobilität (ebenso Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 19.08.2005 L 1 KR 42/05 und daran anschließend LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.04. 2006 - L 5 KR 512/06 ER-B). Zwar kann im Einzelfall ein Grundbedürfnis der Fortbewegungsfähigkeit bestehen, das über den zu Fuß erreichbaren Radius hinausgeht. Das Bundessozialgericht hat derartige Umstände bei einem querschnittsgelähmten Jugendlichen angenommen, der auf den Rollstuhl angewiesen war (Rollstuhlbike für Jugendliche SozR 3-2500 § 33 Nr.27), um ihm die Integration in das Lebensumfeld nichtbehinderter Gleichaltriger zu ermöglichen; aus demselben Grund hat es den Anspruch eines Kindes auf Ausstattung mit einem behindertengerechten Dreirad als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung bejaht (Urteil vom 23.07.2002 in SozR 3-2500 § 33 Nr.46). Derartige zusätzliche qualitative Merkmale, die die gesetzliche Krankenversicherung zur Gewährung eines Kraftknotensystems zur Herstellung größerer Mobilität verpflichten könnten, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Zwar trägt die Klägerin vor, wegen örtlicher Gegebenheiten - abgeschiedene Wohnlage bei hügeliger Umgebung- in besonderem Maß auf den Transport mittels Kfz angewiesen zu sein, um Freizeit gestalten zu können. Besonderheiten des Wohnorts sind jedoch für die Hilfsmitteleigenschaft nicht maßgeblich (BSG, Beschluss vom 11.01.2006 - B 3 KR 44/05 B). Dies auch nicht, wenn sie das Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten erschweren. Etwas anderes hätte nur zu gelten, wenn gerade dieser Zweck im Vordergrund stünde (vgl. zuletzt BSG vom 16.09.2004 - SozR 4-2500 § 33 Nr.7). Ärzte sucht die Klägerin hingegen nur gelegentlich auf. Die Klägerin benötigt das besondere Rückhaltesystem zur Erweiterung ihres persönlichen Aktionsradius ganz überwiegend, um auf dem Weg zur Schule optimal gesichert zu sein. Zwar hat das Bundessozialgericht auch mehrmals die Teilnahme am Schulunterricht als Grundbedürfnis genannt, dies hingegen nur im Zusammenhang mit dem Erwerb einer elementaren Schulausbildung. So wird in der Entscheidung vom 16.09.1999 (SozR 3-2500 § 33 Nr.33) betont, dass der Besuch der Regelschule für ein Kind ein elementares Lebensbedürfnis ist, weil von ähnlicher Bedeutung wie die Arbeitsfähigkeit von Erwachsenen und im Urteil vom 30.01.2001 (SozR 3-2500 § 3 Nr.33 Nr.40) heißt es, der Erwerb einer elementaren Schulausbildung zähle ebenso zu den Grundbedürfnissen jedes Menschen wie die körperlichen Grundfunktionen. Ein Bedürfnis des Kindes zur Fortbewegung zur und von der Schule ist am 02.08.1979 (SozR 2200 § 182b RVO Nr.13) mit der Begründung bejaht worden, um den Behinderten eine normale Lebensführung zu ermöglichen. Die Klägerin ist jedoch wegen der Schwere ihrer dauerhaften Behinderung auf den Besuch einer Förderschule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung angewiesen. Die N.schule ist mit einer Heilpädagogischen Tagesstätte verbunden. Das pädagogische Konzept der N.schule beinhaltet die ganzheitliche Förderung der Kinder und Jugendlichen in Schule und Heilpädagogischer Tagesstätte. Dementsprechend sind neben Sonderschullehrern Heilpädagogen, Krankengymnasten, Logopäden und Ergotherapeuten tätig. Diese intensive Förderung ist keine Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern des Staates, dem durch die Finanzierung des Schulaufwandes gemäß Art.34 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes entsprochen wird. Auch die Kosten für die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg werden zu 100 v.H. ersetzt.

Wie das Bundessozialgericht im Zusammenhang mit Leistungen in einem sozialpädiatrischen Zentrum ausgeführt hat (BSG, Urteil vom 31.03.1998 - B 1 KR 12/96 R) sind bei der Abgrenzung zwischen Krankenversicherungsleistung und allgemeiner sozialer Eingliederungshilfe die Art der Erkrankung und ihr Bezug zu den eingesetzten Mitteln sowie die damit verfolgten Nah- und Fernziele zu berücksichtigen. Vor allem bei behinderten Kindern könnten soziale und medizinische Befunde in sehr unterschiedlicher Weise miteinander verknüpft sein, so dass es unmöglich sei, die einzelnen Schritte der Betreuung unabhängig von der konkreten Situation des Betreuten einzuordnen. Es kommt also auf den individuellen Zustand an. Der Schulbesuch der Klägerin dient nach den Darstellungen des Leiters der N.schule nicht den der Krankenversicherung zugeordneten oben genannten Grundbedürfnissen, sondern der Fürsorge bei der Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu seiner Person und seiner Umwelt. Ziel der Intensivförderung mittels Wahrnehmungsförderung, basaler Stimulation, Ergotherapie und Physiotherapie sei es, durch die Therapie in diesem Intensivbereich geistige und emotionelle Impulse zu setzen, um eine geistige Entwicklung in Gang zu setzen und einen möglichen Verfall aufzuhalten. Damit steht nicht die Grundschulbildung, sondern die Eingliederung im Vordergrund des Schulbesuchs. Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung stellen insbesondere Hilfen zur angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu und für Behinderte, die nur praktisch bildbar sind, Hilfen zur Ermöglichung einer Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft (§ 29 Abs.1 Ziffer 3 b und c SGB I) dar. Leistungen in diesem Zusammenhang sind insbesondere die Versorgung mit anderen als den in § 31 genannten Hilfsmitteln oder den in § 33 genannten Hilfen (§ 55 Abs.2 Ziffer 1 SGB IX). Damit werden subsidiär alle Hilfsmittel und Hilfen abgedeckt, die zur Verwirklichung der in Abs.1 Halbsatz 1 aufgeführten Ziele geeignet und nach den Besonderheiten des Einzelfalls erforderlich sind. Verpflichteter Rehabilitationsträger wäre der Träger der Sozialhilfe (§ 6 Abs.1 Nr.7 in Verbindung mit § 5 Nr.4 SGB IX). Anhaltspunkte für eine Bedürftigkeit der Klägerin sind allerdings nicht gegeben. Von einer Beiladung wurde daher abgesehen. Zweifel hegt der Senat auch, ob die Anbringung des Rückhaltesystems generell notwendig ist. Zwar verfügen die bisher praktizierten Sicherheitssysteme mit Gurtbefestigungen am Rahmen des Rollstuhls nicht über die bei Gesunden selbstverständliche Sicherheit eines Transports im Kraftfahrzeug. Die in den Kfz üblichen Sitzrückhaltesysteme sind mit einer Sitzverankerung, Personenrückhaltesystem, hohen Rückenlehne, Kopfstütze sowie Front- und Seitenairbags ausgestattet. Davon ist die herkömmliche Beförderung eines Rollstuhlfahrers im Rollstuhl ebenso weit entfernt wie die mit Kraftknoten. Mit dem begehrten Rückhaltesystem wird also nach wie vor kein sicherer Transport ermöglicht, er gewährt lediglich ein Plus an Sicherheit, das zudem nicht verpflichtend ist. Wie der 4. Senat des erkennenden Gerichts bereits ausgeführt hat, besteht für die Nachrüstung mit dem Kraftknoten keine Rechtspflicht (Urteil vom 09.11.2006 - L 4 KR 249/05) und die Hersteller von Rollstühlen verneinen ein ausreichendes Sicherheitsmaß zum Transport im Rollstuhl auch mit Kraftknoten. Erhebliche Vorteile der Beförderung mittels Kraftknoten gegenüber der mit herkömmlichen Gurtbefestigungen können daher nicht erkannt werden. Dies wäre aber Voraussetzung, um die Leistungspflicht für ein technisch verbessertes Gerät bejahen zu können (vgl. BSG, Urteil vom 06.06.2002 in SozR 3-2500 § 33 Nr.44). Dass Versicherer im Schadensfall die Haftung nach einem Unfall ablehnen oder mit einem Verweis auf eine Mitschuld die Leistungen reduzieren könnten, kann keine Leistungsverpflichtung der Krankenkasse begründen. Deren Aufgabe ist der Ausgleich des Funktionsausfalls des behinderten Menschen, nicht dessen finanzielle Absicherung gegen Unfallgefahren.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war zuzulassen, weil bislang ungeklärt ist, ob sich die Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung auf die sichere Beförderung zum Förderschulbesuch erstreckt, und eine Vielzahl von Versicherten betroffen ist.
Rechtskraft
Aus
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