Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 6603/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 6476/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. November 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die 1940 geborene Klägerin war vom 1. April 1956 bis 31. Dezember 1965 bei der F. Gesellschaft S. zunächst in Ausbildung, dann als ausgebildete Physiklaborantin tätig. Vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1992 war sie bei der B. Lacke und Farben im physikalischen Labor in S. beschäftigt. Die Klägerin hat dabei Proben aus anderen Laboren analysiert. Bei den angelieferten Proben handelte es sich überwiegend um organische Pigmente und Azo-Pigmente zur Farbherstellung. Hauptschwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin war die Bestimmung der Oberflächeneigenschaften und Bestimmung der Korngrößen in den Farbpigmenten. Nasschemische Analysen wurde nicht durchgeführt. Die Klägerin untersuchte stets nur Pigmente und Hilfsstoffe zur Pigmentherstellung. Farbstoffe, die Amine freisetzen können, wurden von der Klägerin nicht untersucht. Reinigungsarbeiten an den Geräten wurden zunächst mit Aceton und Nitroverdünnung, später mit Isopropanol durchgeführt, ohne dass eine Abzugsvorrichtung vorhanden war. Diese fehlte damals auch im Labor. Darüber hinaus bestimmte die Klägerin u.a. auch Ölzahlen und fertigte Lackaufstriche aus pigmentierten Lacken für die Schichtdickemessung. In ca. 25% der Arbeitszeit stellte die Klägerin sogenannte Aufstriche her, die aus einer Mischung von Pigmenten und Lösemitteln bestanden. In einem weiteren Viertel der Arbeitszeit bestimmte die Klägerin die spezifischen Oberflächen, indem sie Pigmente einwog und mit Hilfe der Stickstoffabsorption die spezifische Oberfläche bestimmte. Die übrige Arbeitszeit bestand in Messungen der Schichtdicke der Aufstriche, Glanzaussagen, technischen Zeichnungen und der Dokumentation der durchgeführten Versuche.
Die Klägerin arbeitete vom 1. Januar 1966 bis 31. Oktober 1967 vollschichtig, vom 1. November 1967 bis 30. September 1992 fünf Stunden täglich und vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1992 vollschichtig. Danach war sie bis 30. September 1997 arbeitslos. Das Beschäftigungsverhältnis endete, da der Unternehmensbereich Pigmente zur B. AG, L. verlagert wurde. Vom 1. Oktober 1997 bis 29. September 2000 war sie beim Landesverband der Naturfreunde S. im Büro tätig, seit 1. März 2000 bezieht sie Rente.
Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19. August 2003 mit, bei ihr sei am 10. Juli 2003 ein Blasentumor festgestellt worden. Der Urologe habe sie gefragt, ob sie mit Anilinfarbstoffen in Berührung gekommen sei. Sie habe vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1992 bei der B. Lacke und Farben als Physiklaborantin mit organischen und anorganischen Pigmenten, Lacken und Lösungsmitteln gearbeitet.
Die Beklagte nahm Ermittlungen auf und befragte zunächst den ehemaligen Arbeitgeber nach den von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten (Fragebogen vom 1. September 2003), die Klägerin wurde von einem Vertreter der Beklagten persönlich zu der verrichteten Tätigkeit befragt. Weiter wurden ärztliche Unterlagen beigezogen und vom Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten am 9. Oktober 2003 weitere Ermittlungen am ehemaligen Arbeitsplatz der Klägerin durchgeführt. Dort wurden auch die Broschüre "Safe Handlings of Pigments" und die Kopie einer Arbeitsbereichsanalyse für das Messlabor vom 11. November 1987 zu den Akten genommen. Die Beklagte befragte den Arzt für Urologie Dr. V. (Antwortschreiben vom 16. Oktober 2003 mit Anlagen). Die staatliche Gewerbeärztin führte unter dem 4. Dezember 2003 aus, eine BK nach Nr. 1301 werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen, da die haftungsbegründende Kausalität nicht wahrscheinlich sei. Die Azopigmente, der die Klägerin ausgesetzt gewesen sei, seien nicht krebserzeugend.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2004 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV ab, da nach dem derzeitigen medizinischen Kenntnisstand schwere Harnblasenerkrankungen zwar durch aromatische Amine hervorgerufen werden könnten, zu diesen habe sie jedoch keinen Kontakt gehabt.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, ihre Tätigkeit sei, wohl noch unter dem Einfluss der Operation und der Krebsdiagnose, nur unzureichend dargestellt worden, da sie über die Jahre zu einer Vielzahl von Stoffen, auch zu Azeton, Nitroverdünner, Ester, Benzol, Toluol und Waschbenzin Kontakt gehabt habe. Gerade bei den Lackaufstrichen, die sie schwerpunktmäßig im Labor gemacht habe, sei sie mit einer Vielzahl von Pigmenten in Berührung gekommen.
Daraufhin wurden am 11. Juni 2004 weitere Ermittlungen im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb im Beisein u.a. der Klägerin vorgenommen. In diesem Gespräch wurden weitere detaillierte Arbeitsplatzbeschreibungen gefertigt. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf Blatt 103 ff der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Beigezogen wurden auch Sicherheitsdatenblätter der damals untersuchten Pigmente.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2004 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück, da auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der weiteren Sachaufklärung im Widerspruchsverfahren ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der angeschuldigten Tätigkeit nicht bewiesen werden könne.
Dagegen hat die Klägerin am 5. Oktober 2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat unter dem 4. Mai 2006 Prof. Dr. H., Internist, ein internistisch-umweltmedizinisches Gutachten erstellt. Dieser hat zusammenfassend ausgeführt, es habe ein langjähriger Kontakt zu aromatischen Aminen und Azofarbstoffen bestanden. Diese Exposition könne auch nach Aufgabe der gesundheitsgefährdenden Arbeitsplatzsituation zu Krebs und anderen Neubildungen der Harnwege führen. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Einwirkung im Sinne der BK Nr. 1301. Die Gesamt-MdE belaufe sich auf 70 v.H.
Mit Urteil vom 29. November 2006 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Harnblasenkrebserkrankung der Klägerin als BK nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV anerkannt. Zur Begründung hat das SG, im Wesentlichen gestützt auf Veröffentlichungen in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur, ausgeführt, dass der Harnblasenkrebs der Klägerin mit Wahrscheinlichkeit auf deren langjährigen Umgang mit Dichlorbenzidin, 4-Chlor-o-Toluidin sowie weiteren Aminen zurückzuführen sei. Den Expositionsnachweis sehe das Gericht aufgrund der Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin als erfüllt an. Da die Klägerin Zeit ihres Lebens auch Nichtraucherin gewesen sei, sei in einer Gesamtschau der Kausalzusammenhang zwischen der Schadstoffexposition und der Erkrankung ebenfalls zu bejahen.
Gegen das ihr am 14. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. Dezember 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das SG habe verkannt, dass nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand lediglich sog. K 1-Stoffe als gesichert beim Menschen Krebs erzeugend angesehen würden. Das SG habe auch die Expositionshöhe nicht berücksichtigt und unberücksichtigt gelassen, dass eine Exposition gegenüber 4-Chlor-o-Toluidin nur vermutet worden sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, aus dem Fehlen außerberuflicher Ursachen auf einen Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Einwirkung zu schließen. Die anspruchsbegründenden Tatsachen seien daher nicht bewiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die Ausführungen im Urteil des SG für zutreffend, berücksichtige man auch die Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. H ...
Das Gericht hat Prof. Dr. Dr. K., Institut für medizinische Begutachtung und Prävention, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Auf dessen Bitte hat die Beklagte die ergänzende Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 27. Juni 2006 vorgelegt. Auf diese wird inhaltlich verwiesen. In seinem Gutachten vom 15. Juli 2007 hat Prof. Dr. Dr. K. zusammenfassend ausgeführt, es spreche mehr dagegen als dafür, dass bei der Klägerin ein durch aromatische Amine verursachter Blasenkrebs vorliege. Eine maßgebliche Exposition gegenüber humankanzerogen wirkenden aromatische Aminen könne nicht nachgewiesen werden. Die aktenkundigen Einwirkungen von Benzidin und von 4-Chlor-o-Toluidin seien hypothetisch. Falls sie tatsächlich aufgetreten sein sollten, sei die Expositionshöhe als so niedrig anzunehmen, dass ein Kausalzusammenhang zum Blasenkrebs nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der epidemiologische Nachweis der Humankanzerogenität dieser beiden Amine nur unter Expositionsbedingungen gelungen sei, die um mehrere Größenordnungen über der fraglichen Exposition der Klägerin gelegen hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG statthafte und nach §§ 143, 144 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Bei der Klägerin liegt keine BK nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV vor.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
In Nr. 1301 der Anlage zur BKV sind als Erkrankungen aufgeführt Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine.
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Bei der Klägerin bestand ein Harnblasenkarzinom mit Infiltration der Blasenmuskulatur und regionaler Lymphknotenmetastasierungen. Eine der in der BK-Ziffer 1301 der Anlage zur BKV aufgeführten Erkrankungen liegt danach zwar vor.
Allerdings ist das Gericht, gestützt auf das überzeugende und schlüssige Gutachten von Prof. Dr. Dr. K. nicht der Überzeugung, dass diese Erkrankung auf einer ausreichenden Einwirkung schädlicher Stoffe am ehemaligen Arbeitsplatz der Klägerin bei der B. Farben und Lacke herrührt (fehlende haftungsbegründende Kausalität).
Als eindeutig gesicherte ursächliche Faktoren für die Entstehung eines Harnblasenkarzinoms gelten vor allem das Rauchen und berufliche Belastungen mit aromatischen Aminen. Da die Klägerin zeitlebens Nichtraucherin war, kann der erste gesicherte Verursachungsweg für die weitere Beurteilung außer Betracht bleiben.
Die kanzerogene Wirkung aromatischer Amine ist jedoch sehr unterschiedlich. Von den fünf beim Menschen erwiesenermaßen kanzerogen wirkenden Stoffen (Beta-Naphthylamin, Benzidin, 4-Aminobiphenyl, 4-Chlor-o-Toluidin und o-Toluidin) haben Beta-Naphthylamin und Benzidin die größte Bedeutung. Benzidin wurde vor allem zur Herstellung zahlreicher Azo-Farbstoffe benötigt. Die krebserzeugende Wirkung aromatischer Amine ist an die metabolische Aktivierung, also die durch die genetischen Bedingungen des Menschen determinierte Umsetzung, geknüpft. Dadurch erklären sich auch individuelle Unterschiede in der Krankheitsmanifestation.
Nach Abschnitt III der MAK-Werteliste der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe und der Europäischen Union werden krebserzeugende Arbeitsstoffe in drei Kategorien eingeteilt: K 1: Stoffe, die beim Menschen bekanntermaßen krebserzeugend wirken. Der Kausalzusammenhang zwischen der Exposition eines Menschen gegenüber dem Stoff und der Entstehung von Krebs ist ausreichend nachgewiesen. K 2: Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen angesehen werden sollten. Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Exposition eines Menschen gegenüber dem Stoff Krebs erzeugen kann. Diese Annahme beruht im Allgemeinen auf geeigneten Langzeittierversuchen und sonstigen relevanten Informationen. K 3: Stoffe, die wegen möglicher krebserregender Wirkung beim Menschen Anlass zur Besorgnis geben, über die jedoch ungenügend Informationen für eine befriedigende Beurteilung vorliegen. Aus geeigneten Tierversuchen liegen einige Anhaltspunkte vor, die jedoch nicht ausreichen, um einen Stoff in Kategorie 2 einzustufen.
Prof. Dr. Dr. K. hat in seinem Gutachten nach ausführlicher Analyse der aktenkundigen Expositionsnachweise unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin dargestellt, dass zwei humankanzerogene, nach K 1 gelistete aromatische Amine identifizierbar sind, denen die Klägerin möglicherweise ausgesetzt war und die grundsätzlich auch in der Lage sind, Blasenkrebs zu verursachen, nämlich Benzidin und 4-Chlor-o-Toluidin. Die wichtigste Verwendung von Benzidin war die Herstellung von Azo-Farbstoffen. Das Benzidin kann aber als Verunreinigung auch in Azo-Pigmenten auftreten. 4- Chlor-Toluidin ist in einigen Azo-Pigmenten enthalten. Da die Menge des Benzidins und auch die Möglichkeit seiner Freisetzung stark differiert, je nachdem, ob es in Azo-Farbstoffen und Azo-Pigmenten enthalten ist, ist, wie Prof. Dr. Dr. K. ausführlich dargestellt hat, zwischen Azo-Farbstoffen und Azo-Pigmenten für die weitere Beurteilung zu differenzieren.
Während krebserzeugende aromatische Amine, die als Kupplungskomponenten bei der Farbstoffherstellung verwendet werden, aus löslichen, d.h. bioverfügbaren Farbstoffen im menschlichen Organismus wieder freigesetzt werden können, stellen nichtlösliche Azo-Pigmente kein Erkrankungsrisiko dar. Pigmente sind farbige organische oder anorganische Festkörperteilchen, die gewöhnlich unlöslich sind und durch den Träger oder das Substart, in dem sie eingebettet sind, physikalisch und chemisch praktisch nicht beeinflusst werden. Für diese weitgehend schlecht bioverfügbaren Azo-Pigmente ist die reduktive Spaltung im menschlichen Organismus bis heute nicht sicher nachgewiesen (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 1202). Deshalb kann auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass in Azo-Pigmenten Spuren von Benzidin als Verunreinigung enthalten sein können, nicht von einer Kanzerogenität im menschlichen Körper ausgegangen werden. Dies gilt sowohl nach oraler wie inhalativer Aufnahme von Azo-Pigmenten.
Wenn bei der Klägerin möglicherweise auch ein Umgang mit Azo-Farbstoffen bestanden hätte, in denen Benzidin enthalten war, ist nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand allerdings auch nicht davon auszugehen, dass der Umgang mit Dichlorbenzidin - dem sich aus dem Benzidin-Farbstoff freisetzbaren Stoff - kanzerogen wirkt. Nachgewiesen wurden vorwiegend nur Schleimhautveränderungen im Sinne einer Reizung oder Entzündung an den abführenden Harnwegen.
Nach gründlicher Analyse der Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin hat Prof. Dr. Dr. K., insoweit in Übereinstimmung mit der technischen Beurteilung durch die Beklagte, des Weiteren ausgeführt, dass die erforderliche Expositionshöhe mit krebserzeugenden Stoffen bei der Klägerin nicht nachzuweisen ist. Dazu hat Prof. Dr. Dr. K. in Abstimmung mit dem Senat auch noch weitere Ermittlungen bzw. Stellungnahmen der Beklagten veranlasst, die er seiner abschließenden Beurteilung zugrunde gelegt hat. Danach ist davon auszugehen, dass die Klägerin Umgang mit Azo-Pigmenten hatte, deren Inhaltsstoffe, aber auch eventuell verunreinigendes Benzidin, nicht bioverfügbar sind. Die verwendeten Mengen von Azo-Pigmenten im Laborbereich bei der in Teilzeitarbeit beschäftigten Klägerin war unter Berücksichtigung ihrer eigenen Tätigkeitsbeschreibung vergleichsweise gering und damit auch die theoretische Einwirkungsmöglichkeit von aromatischen Aminen (gleichgültig welcher Bioverfügbarkeit) eher als gering einzustufen. Dies gilt auch, wenn man fehlende oder unzureichende Absauganlagen, Staubmasken und Handschuhe unterstellt bzw. das gelegentliche unkontrollierte Verteilen von Azo-Pigmenten im Laborraum. Soweit die Klägerin möglicherweise auch Reinigungsmittel verwandt hat, die Lösemittel und Additive enthielten, ist nach der ergänzenden Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 12. Juni 2007 davon auszugehen, dass ausschließlich nicht krebserzeugende aliphatische Amine enthalten waren. Entsprechendes gilt bezüglich der Hilfsstoffe, die ebenfalls nicht aromatische Amine enthalten hatten.
Auch im Hinblick auf eine Exposition gegenüber 4-Chlor-o-Toluidin ist nicht von einer relevanten Exposition der Klägerin auszugehen. Wie der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten in seinem Bericht vom 21. Dezember 2006 ausgeführt hat, waren Farbstoffe aus 4-Chlor-o-Toluidin eine Spezialität der Firmen C. und H ... Bei nur vier von ca.750 Pigmenten ist bekannt, dass sie aus 4-Chlor-o-Toluidin hergestellt und für Lacke verwendet wurden, nämlich Pigment Red 7, Yellow 98, 113 und 171. Red 7 wurde von C. und H. produziert, Yellow 171 nur in Japan verwendet. Ob die Klägerin gerade mit den übrigen drei Pigmenten (von 750) Kontakt hatte und wenn ja in welchem Umfang, ist nicht mehr feststellbar. Doch selbst wenn ein solcher Umgang bestanden hätte, ist nicht davon auszugehen, dass sich bei einem labormäßigen Umgang mit Feststoffen eine nennenswerte Exposition entwickelt hätte, jedenfalls würden auch hier eventuell freigesetzte Pigmente wegen ihren fehlenden Bioverfügbarkeit im menschlichen Körper nicht metabolisiert.
Die möglicherweise für einen Zusammenhang der Erkrankung mit beruflichen Einwirkung sprechenden Faktoren, nämlich das Alter der Klägerin beim Auftreten der Erkrankung, ebenso die Latenzzeit zwischen dem Ende der beruflichen Tätigkeit und dem Auftreten der Erkrankung sowie die Dauer der Exposition fallen als rein statistische Daten dagegen nicht so wesentlich ins Gewicht, dass sie den fehlenden Nachweis einer ausreichenden Exposition ersetzen könnten.
Damit ist die haftungsbegründende Kausalität (arbeitstechnische Voraussetzungen) für die Anerkennung der Erkrankung als BK nicht überwiegend wahrscheinlich.
Der abweichenden Beurteilung von Prof. Dr. H., dessen Gutachten nach § 109 SGG in erster Instanz eingeholte worden ist, vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Prof. Dr. H. unterstellt für seine Beurteilung eine Exposition zu aromatischen Aminoverbindungen, die so nicht nachgewiesen ist. Weder durch die Zitierung der Feststellungen des TAD noch durch die darauf gestützten Schlussfolgerungen ist Prof. Dr. H. in der Lage, den nach Aktenlage fehlenden Nachweis zu führen. Insbesondere ist die von ihm vorgenommene Gleichsetzung einer unspezifischen Aminbelastung mit einer Exposition gegenüber aromatischen Aminen nicht zulässig. Darüber hinaus setzt er Azo-Farbstoffe mit Azo-Pigmenten gleich, was nach dem Oben ausgeführten ebenfalls nicht zulässig und wissenschaftlich nicht korrekt ist.
Soweit das SG in der angefochtenen Entscheidung ausführt, die Harnblasenkrebserkrankung sei deshalb als BK anzuerkennen, weil eine langjährige berufliche Exposition gegenüber aminhaltigen Reinigungsmitteln, Benzidinfarbstoffen und 4-Chlor-o-Toluidin bestanden habe, ist mit Prof. Dr. Dr. K. darauf hinzuweisen, dass die Amine in den Reinigungsmitteln nicht spezifiziert werden konnten, nach der ergänzenden Stellungnahme des TAD aber davon auszugehen ist, dass ausschließlich nicht Krebs erzeugende aliphatische Amine enthalten gewesen waren. Der vom SG weiter verwendete Begriff des Benzidinfarbstoffs existiert nicht. Soweit Azo-Pigmente gemeint waren, wird auf die vorstehenden Ausführungen, insbesondere zu deren Kanzerogenität, verwiesen. Soweit Expositionen gegenüber 4-Chlor-o-Toluidin erwähnt worden sind, waren diese - wie ausgeführt -, wenn überhaupt so gering, dass auch insoweit nicht von einer ausreichenden Exposition ausgegangen werden kann. Nicht überzeugend war auch der Schluss von der krebserzeugenden Wirkung von K 2-Stoffen, insbesondere für die Hervorrufung von Blasenkarzinomen, da es derartige wissenschaftliche Erkenntnisse nicht gibt.
Den Einwänden der Klägerin gegen die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. K. folgt der Senat nicht. Soweit ausgeführt wird, Prof. Dr. Dr. K. habe nicht ausreichend zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität differenziert, vermochte dieser Einwand nicht zu überzeugen. Der Auftrag von Prof. Dr. Dr. K. als Arbeits-, Sozial- und Umweltmediziner hat auch die kritische Analyse der Expositionsverhältnisse umfasst, wie sie von der Beklagten und dem Gericht unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin ermittelt werden konnten. Wenn Prof. Dr. Dr. K. deshalb in Kenntnis dieser Tatsachen eine ausreichende Exposition verneint, sind weitere Ausführungen zur haftungsausfüllenden Kausalität entbehrlich. Anders als von Klägerseite dargestellt, hat Prof. Dr. Dr. K. auch nicht nur "schlicht" den Zusammenhang der schweren Erkrankung der Klägerin mit der beruflichen Exposition verneint, sondern anhand einer sorgfältigen Analyse der angeschuldigten Verursachungsfaktoren die für und gegen einen Zusammenhang sprechenden Umstände abgewogen. Insbesondere ist der Umstand, dass außerberufliche Ursachen für die Blasenkrebserkrankung nicht offensichtlich sind, nicht zwingend für die Bejahung eines beruflichen Zusammenhangs. Dieser Zusammenhang muss vielmehr positiv bewiesen werden, was im vorliegenden Fall aber nicht möglich ist. Es ist insoweit auch nicht Aufgabe des Gutachters oder des Gerichts, eine andere Ursache der Erkrankung, wenn ein beruflicher Bezug nicht hergestellt werden kann, zu erforschen. Auch wenn die Klägerin zeitlebens Nichtraucherin war und damit sicherlich ein Hauptrisikofaktor für das Entstehen eines Harnblasenkarzinoms nicht erfüllt war, ist damit nicht gesagt, dass nicht aus anderer oder ungeklärter Ursache eine solche Erkrankung auftreten kann.
Soweit die Klägerin mehrere Veröffentlichungen zum Nachweis dafür vorgelegt hat, dass durch den Umgang mit Azopigmenten ebenfalls Harnblasenkarzinome entstehen können, vermochte dies den Senat weder zu überzeugen noch zu weiteren Ermittlungen Anlass geben. Soweit sie sich auf den Aufsatz "Freisetzung von aromatischen Aminen aus Azofarbstoffen in Textilien durch Hautbakterien" des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (ohne Datum) bezieht, ist die theoretische Möglichkeit, dass auch schwer lösliche Azopigmente unter bestimmten Voraussetzungen in krebserzeugende Amine gespalten werden können, nicht ausreichend, einen Kausalzusammenhang mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu begründen, zumal die durchgeführten Experimente (den vollständigen Aufsatz hat der Senat aus dem Internet beigezogen) den wissenschaftlichen Nachweis für eine Kanzerogenität von in Farbpigmenten enthaltenen Aminen bei einer Resorption durch die Haut nicht geführt haben.
Soweit weiter der Aufsatz von Bolt "Toxikologie von Arbeitsstoffen" vorgelegt worden ist, ist in diesem Aufsatz auf S. 67 des Abdrucks lediglich die von Prof. Dr. Dr. K. der Beurteilung zugrunde gelegte wissenschaftliche Erkenntnis dargestellt, dass aus Azo-Farbstoffen kanzerogene aromatische Amine festgesetzt werden. Dies gilt aber nicht, wie ausgeführt, gleichermaßen für Azo-Pigmente. Auch der beigefügte Auszug aus einer Internet-Datenbank (umwelt-online Demo Version) bestätigt, dass vier epidemiologische Studien keine Hinweise für die Humankanerogenität von 3,3´-Dichlorbenzidin beim Menschen ergeben hätten. Deshalb ist es für den vorliegenden Sachverhalt auch nicht erheblich, ob und inwieweit die Aufnahme dieser Stoffe durch die Haut (unter besonderen Umgebungsbedingungen) erfolgt.
Soweit der Aufsatz von Rosenmann "Cancer Mortality ..." vorgelegt wurde, sind die Erkenntnisse von Prof. Dr. Dr. K. bei seiner Gutachtenserstellung berücksichtigt worden (vgl. Literaturverzeichnis des Gutachtens) und gaben dem Senat deshalb auch keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen.
Soweit die Klägerin vorträgt, die Belastung durch Blei, der sie am Arbeitsplatz ausgesetzt gewesen sei, sei in der bisherigen Beurteilung vernachlässigt worden und auch von Prof. Dr. Dr. K. nicht angemessen berücksichtigt worden, ist darauf hinzuweisen, dass schon der Technische Aufsichtsdienst in seiner Stellungnahme vom 11. Juni 2004 ausgeführt hat, dass die anorganischen Blei- und Cadmiumpigmente, mit denen die Klägerin Umgang hatte, keine aromatischen Amine abspalten können. Gestützt war diese Beurteilung auf die Mitteilung der Sicherheitsfachkraft der B. Herr L. in seiner Email vom 4. Mai 2004. Dass im Sicherheitsdatenblatt für Chromgelb (Blei (II)-chromat gesintert) ein Verdacht auf krebserzeugende Wirkung von Chrom aufgeführt wird, führt zu keiner anderen Beurteilung, zumal die im Sicherheitsdatenblatt aufgeführten krebserzeugenden Wirkungen (Chrom-VI-Verbindungen in atembarer Form, die sich im Tierversuch eindeutig als krebserzeugend erwiesen hatten) bei der Klägerin nicht im Streit stehen bzw. die krebserzeugende Wirkung im Tierversuch mangels wissenschaftlicher Kenntnisse nicht auf den menschlichen Organismus übertragen werden kann. Darüber hinaus hätte sich bei einer Einwirkung der Chemikalie über einen längeren Zeitraum auch eine Blutbildveränderung einstellen müssen, für die es ebenfalls keine Hinweise gibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die 1940 geborene Klägerin war vom 1. April 1956 bis 31. Dezember 1965 bei der F. Gesellschaft S. zunächst in Ausbildung, dann als ausgebildete Physiklaborantin tätig. Vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1992 war sie bei der B. Lacke und Farben im physikalischen Labor in S. beschäftigt. Die Klägerin hat dabei Proben aus anderen Laboren analysiert. Bei den angelieferten Proben handelte es sich überwiegend um organische Pigmente und Azo-Pigmente zur Farbherstellung. Hauptschwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin war die Bestimmung der Oberflächeneigenschaften und Bestimmung der Korngrößen in den Farbpigmenten. Nasschemische Analysen wurde nicht durchgeführt. Die Klägerin untersuchte stets nur Pigmente und Hilfsstoffe zur Pigmentherstellung. Farbstoffe, die Amine freisetzen können, wurden von der Klägerin nicht untersucht. Reinigungsarbeiten an den Geräten wurden zunächst mit Aceton und Nitroverdünnung, später mit Isopropanol durchgeführt, ohne dass eine Abzugsvorrichtung vorhanden war. Diese fehlte damals auch im Labor. Darüber hinaus bestimmte die Klägerin u.a. auch Ölzahlen und fertigte Lackaufstriche aus pigmentierten Lacken für die Schichtdickemessung. In ca. 25% der Arbeitszeit stellte die Klägerin sogenannte Aufstriche her, die aus einer Mischung von Pigmenten und Lösemitteln bestanden. In einem weiteren Viertel der Arbeitszeit bestimmte die Klägerin die spezifischen Oberflächen, indem sie Pigmente einwog und mit Hilfe der Stickstoffabsorption die spezifische Oberfläche bestimmte. Die übrige Arbeitszeit bestand in Messungen der Schichtdicke der Aufstriche, Glanzaussagen, technischen Zeichnungen und der Dokumentation der durchgeführten Versuche.
Die Klägerin arbeitete vom 1. Januar 1966 bis 31. Oktober 1967 vollschichtig, vom 1. November 1967 bis 30. September 1992 fünf Stunden täglich und vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1992 vollschichtig. Danach war sie bis 30. September 1997 arbeitslos. Das Beschäftigungsverhältnis endete, da der Unternehmensbereich Pigmente zur B. AG, L. verlagert wurde. Vom 1. Oktober 1997 bis 29. September 2000 war sie beim Landesverband der Naturfreunde S. im Büro tätig, seit 1. März 2000 bezieht sie Rente.
Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19. August 2003 mit, bei ihr sei am 10. Juli 2003 ein Blasentumor festgestellt worden. Der Urologe habe sie gefragt, ob sie mit Anilinfarbstoffen in Berührung gekommen sei. Sie habe vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1992 bei der B. Lacke und Farben als Physiklaborantin mit organischen und anorganischen Pigmenten, Lacken und Lösungsmitteln gearbeitet.
Die Beklagte nahm Ermittlungen auf und befragte zunächst den ehemaligen Arbeitgeber nach den von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten (Fragebogen vom 1. September 2003), die Klägerin wurde von einem Vertreter der Beklagten persönlich zu der verrichteten Tätigkeit befragt. Weiter wurden ärztliche Unterlagen beigezogen und vom Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten am 9. Oktober 2003 weitere Ermittlungen am ehemaligen Arbeitsplatz der Klägerin durchgeführt. Dort wurden auch die Broschüre "Safe Handlings of Pigments" und die Kopie einer Arbeitsbereichsanalyse für das Messlabor vom 11. November 1987 zu den Akten genommen. Die Beklagte befragte den Arzt für Urologie Dr. V. (Antwortschreiben vom 16. Oktober 2003 mit Anlagen). Die staatliche Gewerbeärztin führte unter dem 4. Dezember 2003 aus, eine BK nach Nr. 1301 werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen, da die haftungsbegründende Kausalität nicht wahrscheinlich sei. Die Azopigmente, der die Klägerin ausgesetzt gewesen sei, seien nicht krebserzeugend.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2004 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV ab, da nach dem derzeitigen medizinischen Kenntnisstand schwere Harnblasenerkrankungen zwar durch aromatische Amine hervorgerufen werden könnten, zu diesen habe sie jedoch keinen Kontakt gehabt.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, ihre Tätigkeit sei, wohl noch unter dem Einfluss der Operation und der Krebsdiagnose, nur unzureichend dargestellt worden, da sie über die Jahre zu einer Vielzahl von Stoffen, auch zu Azeton, Nitroverdünner, Ester, Benzol, Toluol und Waschbenzin Kontakt gehabt habe. Gerade bei den Lackaufstrichen, die sie schwerpunktmäßig im Labor gemacht habe, sei sie mit einer Vielzahl von Pigmenten in Berührung gekommen.
Daraufhin wurden am 11. Juni 2004 weitere Ermittlungen im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb im Beisein u.a. der Klägerin vorgenommen. In diesem Gespräch wurden weitere detaillierte Arbeitsplatzbeschreibungen gefertigt. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf Blatt 103 ff der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Beigezogen wurden auch Sicherheitsdatenblätter der damals untersuchten Pigmente.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2004 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück, da auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der weiteren Sachaufklärung im Widerspruchsverfahren ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der angeschuldigten Tätigkeit nicht bewiesen werden könne.
Dagegen hat die Klägerin am 5. Oktober 2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat unter dem 4. Mai 2006 Prof. Dr. H., Internist, ein internistisch-umweltmedizinisches Gutachten erstellt. Dieser hat zusammenfassend ausgeführt, es habe ein langjähriger Kontakt zu aromatischen Aminen und Azofarbstoffen bestanden. Diese Exposition könne auch nach Aufgabe der gesundheitsgefährdenden Arbeitsplatzsituation zu Krebs und anderen Neubildungen der Harnwege führen. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Einwirkung im Sinne der BK Nr. 1301. Die Gesamt-MdE belaufe sich auf 70 v.H.
Mit Urteil vom 29. November 2006 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Harnblasenkrebserkrankung der Klägerin als BK nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV anerkannt. Zur Begründung hat das SG, im Wesentlichen gestützt auf Veröffentlichungen in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur, ausgeführt, dass der Harnblasenkrebs der Klägerin mit Wahrscheinlichkeit auf deren langjährigen Umgang mit Dichlorbenzidin, 4-Chlor-o-Toluidin sowie weiteren Aminen zurückzuführen sei. Den Expositionsnachweis sehe das Gericht aufgrund der Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin als erfüllt an. Da die Klägerin Zeit ihres Lebens auch Nichtraucherin gewesen sei, sei in einer Gesamtschau der Kausalzusammenhang zwischen der Schadstoffexposition und der Erkrankung ebenfalls zu bejahen.
Gegen das ihr am 14. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. Dezember 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das SG habe verkannt, dass nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand lediglich sog. K 1-Stoffe als gesichert beim Menschen Krebs erzeugend angesehen würden. Das SG habe auch die Expositionshöhe nicht berücksichtigt und unberücksichtigt gelassen, dass eine Exposition gegenüber 4-Chlor-o-Toluidin nur vermutet worden sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, aus dem Fehlen außerberuflicher Ursachen auf einen Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Einwirkung zu schließen. Die anspruchsbegründenden Tatsachen seien daher nicht bewiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die Ausführungen im Urteil des SG für zutreffend, berücksichtige man auch die Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. H ...
Das Gericht hat Prof. Dr. Dr. K., Institut für medizinische Begutachtung und Prävention, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Auf dessen Bitte hat die Beklagte die ergänzende Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 27. Juni 2006 vorgelegt. Auf diese wird inhaltlich verwiesen. In seinem Gutachten vom 15. Juli 2007 hat Prof. Dr. Dr. K. zusammenfassend ausgeführt, es spreche mehr dagegen als dafür, dass bei der Klägerin ein durch aromatische Amine verursachter Blasenkrebs vorliege. Eine maßgebliche Exposition gegenüber humankanzerogen wirkenden aromatische Aminen könne nicht nachgewiesen werden. Die aktenkundigen Einwirkungen von Benzidin und von 4-Chlor-o-Toluidin seien hypothetisch. Falls sie tatsächlich aufgetreten sein sollten, sei die Expositionshöhe als so niedrig anzunehmen, dass ein Kausalzusammenhang zum Blasenkrebs nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der epidemiologische Nachweis der Humankanzerogenität dieser beiden Amine nur unter Expositionsbedingungen gelungen sei, die um mehrere Größenordnungen über der fraglichen Exposition der Klägerin gelegen hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG statthafte und nach §§ 143, 144 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Bei der Klägerin liegt keine BK nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV vor.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
In Nr. 1301 der Anlage zur BKV sind als Erkrankungen aufgeführt Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine.
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Bei der Klägerin bestand ein Harnblasenkarzinom mit Infiltration der Blasenmuskulatur und regionaler Lymphknotenmetastasierungen. Eine der in der BK-Ziffer 1301 der Anlage zur BKV aufgeführten Erkrankungen liegt danach zwar vor.
Allerdings ist das Gericht, gestützt auf das überzeugende und schlüssige Gutachten von Prof. Dr. Dr. K. nicht der Überzeugung, dass diese Erkrankung auf einer ausreichenden Einwirkung schädlicher Stoffe am ehemaligen Arbeitsplatz der Klägerin bei der B. Farben und Lacke herrührt (fehlende haftungsbegründende Kausalität).
Als eindeutig gesicherte ursächliche Faktoren für die Entstehung eines Harnblasenkarzinoms gelten vor allem das Rauchen und berufliche Belastungen mit aromatischen Aminen. Da die Klägerin zeitlebens Nichtraucherin war, kann der erste gesicherte Verursachungsweg für die weitere Beurteilung außer Betracht bleiben.
Die kanzerogene Wirkung aromatischer Amine ist jedoch sehr unterschiedlich. Von den fünf beim Menschen erwiesenermaßen kanzerogen wirkenden Stoffen (Beta-Naphthylamin, Benzidin, 4-Aminobiphenyl, 4-Chlor-o-Toluidin und o-Toluidin) haben Beta-Naphthylamin und Benzidin die größte Bedeutung. Benzidin wurde vor allem zur Herstellung zahlreicher Azo-Farbstoffe benötigt. Die krebserzeugende Wirkung aromatischer Amine ist an die metabolische Aktivierung, also die durch die genetischen Bedingungen des Menschen determinierte Umsetzung, geknüpft. Dadurch erklären sich auch individuelle Unterschiede in der Krankheitsmanifestation.
Nach Abschnitt III der MAK-Werteliste der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe und der Europäischen Union werden krebserzeugende Arbeitsstoffe in drei Kategorien eingeteilt: K 1: Stoffe, die beim Menschen bekanntermaßen krebserzeugend wirken. Der Kausalzusammenhang zwischen der Exposition eines Menschen gegenüber dem Stoff und der Entstehung von Krebs ist ausreichend nachgewiesen. K 2: Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen angesehen werden sollten. Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Exposition eines Menschen gegenüber dem Stoff Krebs erzeugen kann. Diese Annahme beruht im Allgemeinen auf geeigneten Langzeittierversuchen und sonstigen relevanten Informationen. K 3: Stoffe, die wegen möglicher krebserregender Wirkung beim Menschen Anlass zur Besorgnis geben, über die jedoch ungenügend Informationen für eine befriedigende Beurteilung vorliegen. Aus geeigneten Tierversuchen liegen einige Anhaltspunkte vor, die jedoch nicht ausreichen, um einen Stoff in Kategorie 2 einzustufen.
Prof. Dr. Dr. K. hat in seinem Gutachten nach ausführlicher Analyse der aktenkundigen Expositionsnachweise unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin dargestellt, dass zwei humankanzerogene, nach K 1 gelistete aromatische Amine identifizierbar sind, denen die Klägerin möglicherweise ausgesetzt war und die grundsätzlich auch in der Lage sind, Blasenkrebs zu verursachen, nämlich Benzidin und 4-Chlor-o-Toluidin. Die wichtigste Verwendung von Benzidin war die Herstellung von Azo-Farbstoffen. Das Benzidin kann aber als Verunreinigung auch in Azo-Pigmenten auftreten. 4- Chlor-Toluidin ist in einigen Azo-Pigmenten enthalten. Da die Menge des Benzidins und auch die Möglichkeit seiner Freisetzung stark differiert, je nachdem, ob es in Azo-Farbstoffen und Azo-Pigmenten enthalten ist, ist, wie Prof. Dr. Dr. K. ausführlich dargestellt hat, zwischen Azo-Farbstoffen und Azo-Pigmenten für die weitere Beurteilung zu differenzieren.
Während krebserzeugende aromatische Amine, die als Kupplungskomponenten bei der Farbstoffherstellung verwendet werden, aus löslichen, d.h. bioverfügbaren Farbstoffen im menschlichen Organismus wieder freigesetzt werden können, stellen nichtlösliche Azo-Pigmente kein Erkrankungsrisiko dar. Pigmente sind farbige organische oder anorganische Festkörperteilchen, die gewöhnlich unlöslich sind und durch den Träger oder das Substart, in dem sie eingebettet sind, physikalisch und chemisch praktisch nicht beeinflusst werden. Für diese weitgehend schlecht bioverfügbaren Azo-Pigmente ist die reduktive Spaltung im menschlichen Organismus bis heute nicht sicher nachgewiesen (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 1202). Deshalb kann auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass in Azo-Pigmenten Spuren von Benzidin als Verunreinigung enthalten sein können, nicht von einer Kanzerogenität im menschlichen Körper ausgegangen werden. Dies gilt sowohl nach oraler wie inhalativer Aufnahme von Azo-Pigmenten.
Wenn bei der Klägerin möglicherweise auch ein Umgang mit Azo-Farbstoffen bestanden hätte, in denen Benzidin enthalten war, ist nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand allerdings auch nicht davon auszugehen, dass der Umgang mit Dichlorbenzidin - dem sich aus dem Benzidin-Farbstoff freisetzbaren Stoff - kanzerogen wirkt. Nachgewiesen wurden vorwiegend nur Schleimhautveränderungen im Sinne einer Reizung oder Entzündung an den abführenden Harnwegen.
Nach gründlicher Analyse der Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin hat Prof. Dr. Dr. K., insoweit in Übereinstimmung mit der technischen Beurteilung durch die Beklagte, des Weiteren ausgeführt, dass die erforderliche Expositionshöhe mit krebserzeugenden Stoffen bei der Klägerin nicht nachzuweisen ist. Dazu hat Prof. Dr. Dr. K. in Abstimmung mit dem Senat auch noch weitere Ermittlungen bzw. Stellungnahmen der Beklagten veranlasst, die er seiner abschließenden Beurteilung zugrunde gelegt hat. Danach ist davon auszugehen, dass die Klägerin Umgang mit Azo-Pigmenten hatte, deren Inhaltsstoffe, aber auch eventuell verunreinigendes Benzidin, nicht bioverfügbar sind. Die verwendeten Mengen von Azo-Pigmenten im Laborbereich bei der in Teilzeitarbeit beschäftigten Klägerin war unter Berücksichtigung ihrer eigenen Tätigkeitsbeschreibung vergleichsweise gering und damit auch die theoretische Einwirkungsmöglichkeit von aromatischen Aminen (gleichgültig welcher Bioverfügbarkeit) eher als gering einzustufen. Dies gilt auch, wenn man fehlende oder unzureichende Absauganlagen, Staubmasken und Handschuhe unterstellt bzw. das gelegentliche unkontrollierte Verteilen von Azo-Pigmenten im Laborraum. Soweit die Klägerin möglicherweise auch Reinigungsmittel verwandt hat, die Lösemittel und Additive enthielten, ist nach der ergänzenden Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 12. Juni 2007 davon auszugehen, dass ausschließlich nicht krebserzeugende aliphatische Amine enthalten waren. Entsprechendes gilt bezüglich der Hilfsstoffe, die ebenfalls nicht aromatische Amine enthalten hatten.
Auch im Hinblick auf eine Exposition gegenüber 4-Chlor-o-Toluidin ist nicht von einer relevanten Exposition der Klägerin auszugehen. Wie der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten in seinem Bericht vom 21. Dezember 2006 ausgeführt hat, waren Farbstoffe aus 4-Chlor-o-Toluidin eine Spezialität der Firmen C. und H ... Bei nur vier von ca.750 Pigmenten ist bekannt, dass sie aus 4-Chlor-o-Toluidin hergestellt und für Lacke verwendet wurden, nämlich Pigment Red 7, Yellow 98, 113 und 171. Red 7 wurde von C. und H. produziert, Yellow 171 nur in Japan verwendet. Ob die Klägerin gerade mit den übrigen drei Pigmenten (von 750) Kontakt hatte und wenn ja in welchem Umfang, ist nicht mehr feststellbar. Doch selbst wenn ein solcher Umgang bestanden hätte, ist nicht davon auszugehen, dass sich bei einem labormäßigen Umgang mit Feststoffen eine nennenswerte Exposition entwickelt hätte, jedenfalls würden auch hier eventuell freigesetzte Pigmente wegen ihren fehlenden Bioverfügbarkeit im menschlichen Körper nicht metabolisiert.
Die möglicherweise für einen Zusammenhang der Erkrankung mit beruflichen Einwirkung sprechenden Faktoren, nämlich das Alter der Klägerin beim Auftreten der Erkrankung, ebenso die Latenzzeit zwischen dem Ende der beruflichen Tätigkeit und dem Auftreten der Erkrankung sowie die Dauer der Exposition fallen als rein statistische Daten dagegen nicht so wesentlich ins Gewicht, dass sie den fehlenden Nachweis einer ausreichenden Exposition ersetzen könnten.
Damit ist die haftungsbegründende Kausalität (arbeitstechnische Voraussetzungen) für die Anerkennung der Erkrankung als BK nicht überwiegend wahrscheinlich.
Der abweichenden Beurteilung von Prof. Dr. H., dessen Gutachten nach § 109 SGG in erster Instanz eingeholte worden ist, vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Prof. Dr. H. unterstellt für seine Beurteilung eine Exposition zu aromatischen Aminoverbindungen, die so nicht nachgewiesen ist. Weder durch die Zitierung der Feststellungen des TAD noch durch die darauf gestützten Schlussfolgerungen ist Prof. Dr. H. in der Lage, den nach Aktenlage fehlenden Nachweis zu führen. Insbesondere ist die von ihm vorgenommene Gleichsetzung einer unspezifischen Aminbelastung mit einer Exposition gegenüber aromatischen Aminen nicht zulässig. Darüber hinaus setzt er Azo-Farbstoffe mit Azo-Pigmenten gleich, was nach dem Oben ausgeführten ebenfalls nicht zulässig und wissenschaftlich nicht korrekt ist.
Soweit das SG in der angefochtenen Entscheidung ausführt, die Harnblasenkrebserkrankung sei deshalb als BK anzuerkennen, weil eine langjährige berufliche Exposition gegenüber aminhaltigen Reinigungsmitteln, Benzidinfarbstoffen und 4-Chlor-o-Toluidin bestanden habe, ist mit Prof. Dr. Dr. K. darauf hinzuweisen, dass die Amine in den Reinigungsmitteln nicht spezifiziert werden konnten, nach der ergänzenden Stellungnahme des TAD aber davon auszugehen ist, dass ausschließlich nicht Krebs erzeugende aliphatische Amine enthalten gewesen waren. Der vom SG weiter verwendete Begriff des Benzidinfarbstoffs existiert nicht. Soweit Azo-Pigmente gemeint waren, wird auf die vorstehenden Ausführungen, insbesondere zu deren Kanzerogenität, verwiesen. Soweit Expositionen gegenüber 4-Chlor-o-Toluidin erwähnt worden sind, waren diese - wie ausgeführt -, wenn überhaupt so gering, dass auch insoweit nicht von einer ausreichenden Exposition ausgegangen werden kann. Nicht überzeugend war auch der Schluss von der krebserzeugenden Wirkung von K 2-Stoffen, insbesondere für die Hervorrufung von Blasenkarzinomen, da es derartige wissenschaftliche Erkenntnisse nicht gibt.
Den Einwänden der Klägerin gegen die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. K. folgt der Senat nicht. Soweit ausgeführt wird, Prof. Dr. Dr. K. habe nicht ausreichend zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität differenziert, vermochte dieser Einwand nicht zu überzeugen. Der Auftrag von Prof. Dr. Dr. K. als Arbeits-, Sozial- und Umweltmediziner hat auch die kritische Analyse der Expositionsverhältnisse umfasst, wie sie von der Beklagten und dem Gericht unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin ermittelt werden konnten. Wenn Prof. Dr. Dr. K. deshalb in Kenntnis dieser Tatsachen eine ausreichende Exposition verneint, sind weitere Ausführungen zur haftungsausfüllenden Kausalität entbehrlich. Anders als von Klägerseite dargestellt, hat Prof. Dr. Dr. K. auch nicht nur "schlicht" den Zusammenhang der schweren Erkrankung der Klägerin mit der beruflichen Exposition verneint, sondern anhand einer sorgfältigen Analyse der angeschuldigten Verursachungsfaktoren die für und gegen einen Zusammenhang sprechenden Umstände abgewogen. Insbesondere ist der Umstand, dass außerberufliche Ursachen für die Blasenkrebserkrankung nicht offensichtlich sind, nicht zwingend für die Bejahung eines beruflichen Zusammenhangs. Dieser Zusammenhang muss vielmehr positiv bewiesen werden, was im vorliegenden Fall aber nicht möglich ist. Es ist insoweit auch nicht Aufgabe des Gutachters oder des Gerichts, eine andere Ursache der Erkrankung, wenn ein beruflicher Bezug nicht hergestellt werden kann, zu erforschen. Auch wenn die Klägerin zeitlebens Nichtraucherin war und damit sicherlich ein Hauptrisikofaktor für das Entstehen eines Harnblasenkarzinoms nicht erfüllt war, ist damit nicht gesagt, dass nicht aus anderer oder ungeklärter Ursache eine solche Erkrankung auftreten kann.
Soweit die Klägerin mehrere Veröffentlichungen zum Nachweis dafür vorgelegt hat, dass durch den Umgang mit Azopigmenten ebenfalls Harnblasenkarzinome entstehen können, vermochte dies den Senat weder zu überzeugen noch zu weiteren Ermittlungen Anlass geben. Soweit sie sich auf den Aufsatz "Freisetzung von aromatischen Aminen aus Azofarbstoffen in Textilien durch Hautbakterien" des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (ohne Datum) bezieht, ist die theoretische Möglichkeit, dass auch schwer lösliche Azopigmente unter bestimmten Voraussetzungen in krebserzeugende Amine gespalten werden können, nicht ausreichend, einen Kausalzusammenhang mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu begründen, zumal die durchgeführten Experimente (den vollständigen Aufsatz hat der Senat aus dem Internet beigezogen) den wissenschaftlichen Nachweis für eine Kanzerogenität von in Farbpigmenten enthaltenen Aminen bei einer Resorption durch die Haut nicht geführt haben.
Soweit weiter der Aufsatz von Bolt "Toxikologie von Arbeitsstoffen" vorgelegt worden ist, ist in diesem Aufsatz auf S. 67 des Abdrucks lediglich die von Prof. Dr. Dr. K. der Beurteilung zugrunde gelegte wissenschaftliche Erkenntnis dargestellt, dass aus Azo-Farbstoffen kanzerogene aromatische Amine festgesetzt werden. Dies gilt aber nicht, wie ausgeführt, gleichermaßen für Azo-Pigmente. Auch der beigefügte Auszug aus einer Internet-Datenbank (umwelt-online Demo Version) bestätigt, dass vier epidemiologische Studien keine Hinweise für die Humankanerogenität von 3,3´-Dichlorbenzidin beim Menschen ergeben hätten. Deshalb ist es für den vorliegenden Sachverhalt auch nicht erheblich, ob und inwieweit die Aufnahme dieser Stoffe durch die Haut (unter besonderen Umgebungsbedingungen) erfolgt.
Soweit der Aufsatz von Rosenmann "Cancer Mortality ..." vorgelegt wurde, sind die Erkenntnisse von Prof. Dr. Dr. K. bei seiner Gutachtenserstellung berücksichtigt worden (vgl. Literaturverzeichnis des Gutachtens) und gaben dem Senat deshalb auch keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen.
Soweit die Klägerin vorträgt, die Belastung durch Blei, der sie am Arbeitsplatz ausgesetzt gewesen sei, sei in der bisherigen Beurteilung vernachlässigt worden und auch von Prof. Dr. Dr. K. nicht angemessen berücksichtigt worden, ist darauf hinzuweisen, dass schon der Technische Aufsichtsdienst in seiner Stellungnahme vom 11. Juni 2004 ausgeführt hat, dass die anorganischen Blei- und Cadmiumpigmente, mit denen die Klägerin Umgang hatte, keine aromatischen Amine abspalten können. Gestützt war diese Beurteilung auf die Mitteilung der Sicherheitsfachkraft der B. Herr L. in seiner Email vom 4. Mai 2004. Dass im Sicherheitsdatenblatt für Chromgelb (Blei (II)-chromat gesintert) ein Verdacht auf krebserzeugende Wirkung von Chrom aufgeführt wird, führt zu keiner anderen Beurteilung, zumal die im Sicherheitsdatenblatt aufgeführten krebserzeugenden Wirkungen (Chrom-VI-Verbindungen in atembarer Form, die sich im Tierversuch eindeutig als krebserzeugend erwiesen hatten) bei der Klägerin nicht im Streit stehen bzw. die krebserzeugende Wirkung im Tierversuch mangels wissenschaftlicher Kenntnisse nicht auf den menschlichen Organismus übertragen werden kann. Darüber hinaus hätte sich bei einer Einwirkung der Chemikalie über einen längeren Zeitraum auch eine Blutbildveränderung einstellen müssen, für die es ebenfalls keine Hinweise gibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved