Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1408/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1749/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger während seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 4 in der Zeit vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1999 sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Der 1965 geborene Kläger ist Diplom-Betriebswirt (BA). Der Vater des Klägers betrieb bis zu seinem Tod am 7. Januar 1988 ein Fuhr- und Handelsunternehmen für Agrarprodukte und landwirtschaftliche Betriebsmittel. Dieses wurde von der Beigeladenen zu 4, der Mutter des Klägers, fortgeführt. Auch der Kläger und sein Bruder Thomas waren in dem Unternehmen tätig. Mit dem Kläger bestand ein mündlicher Arbeitsvertrag. Im Krankheitsfall wurde Arbeitsentgelt für sechs Wochen fortgezahlt. Urlaub wurde nach betrieblichen Erfordernissen gewährt. Das Arbeitsentgelt des Klägers wurde als Betriebsausgabe gebucht und es wurden hierauf Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet.
Am 10. Juli 1994 trafen der Kläger, die Beigeladene zu 4 und sein Bruder T. eine "Tantieme-Vereinbarung". Danach unterstützten die Söhne die Mutter seit dem Tode des Vaters in der Betriebsführung durch die Beteiligung an der Leitungsfunktion und im Rahmen überdurchschnittlichen Einsatzes. Dies sei mit einem regelmäßigen Gehalt nur eingeschränkt abgeltbar. Der Kläger und sein Bruder sollten aus dem jeweiligen positiven Jahresergebnis eine Tantieme erhalten, die hälftig aufzuteilen sei. Diese errechne sich aus dem Jahresüberschuss - vor Steuern - abzüglich 36.000 DM verbleibende Tätigkeitsvergütung für die Beigeladene zu 4 (§§ 2, 3 der Vereinbarung). Das unbefristet bestehende Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und seinem Bruder werde "ausdrücklich bestätigt"; es gelte insoweit unverändert fort (§ 1 der Vereinbarung).
Zum 1. Juli 2001 übergab die Mutter des Klägers das Unternehmen mit dem Betriebsgrundstück (3155 qm) zu gleichen Teilen an den Kläger und seinen Bruder (notarieller Vertrag vom 20. Dezember 2001), die dieses als offene Handelsgesellschaft fortführten (Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 2001).
Am 31. Oktober 2005 beantragte der Kläger die Überprüfung seiner Sozialversicherungspflicht. Er gab an, das Unternehmen bis 31. Dezember 1999 als kaufmännischer Leiter gesteuert zu haben. Er habe den Einkauf gemacht und Verhandlungen mit den Banken über Darlehensbereitstellungen geführt. Mitarbeiter habe er selbstständig einstellen und auch entlassen können. Außerdem habe er Kunden über den Kauf von Betriebsmitteln (Pflanzenschutzmittel, Futter) beraten. Auf Grund seiner Fachkompetenz habe er nicht den Weisungen seiner Mutter unterlegen. Den zeitlichen Ablauf, den Ort und die Art seiner Tätigkeit habe er selbst bestimmen können.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2006 stellte die Beklagte fest, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe und der Kläger bis 31. Dezember 1999 versicherungspflichtig in der Sozialversicherung gewesen sei.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Er habe mit der Einstellung, der Schulung gegebenenfalls auch der Entlassung von Mitarbeitern als auch mit dem eigenständigen Abschluss von Kunden- und die Lieferantenverträgen seit Januar 1988 die betriebliche Struktur nachhaltig mitgestaltet. Über Jahre hinweg habe er auch keinen Urlaub genommen und dauerhaft mehr als 80 Wochenstunden gearbeitet.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2006 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat seine Rechtsansicht mit der Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) weiter verfolgt. Mit Urteil vom 28. Februar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da ein etwaiger Anspruch auf Rückzahlung der wegen fehlender Sozialversicherungspflicht zu Unrecht entrichteten Sozialversicherungsbeiträge jedenfalls verjährt sei.
Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 8. März 2007 zugestellte Urteil am 5. April 2007 Berufung eingelegt. Er vertritt die Ansicht, dass zumindest der Erstattungsanspruch wegen zu Unrecht zur Rentenversicherung entrichteter Beiträge nicht verjährt sei. Im Übrigen verweist er auf seine Ausführungen vor dem SG. Er habe wegen der Tantieme-Vereinbarung und der eigenen Zeichnung von Wechseln für das Unternehmen am Unternehmensrisiko teilgehabt. Aus der Tantieme-Vereinbarung ergebe sich kein Hinweis auf ein Beschäftigungsverhältnis, da die Beigeladene zu 4 dadurch den typischen Unternehmensertrag verloren und nur noch eine Entlohnung von 36.000 DM erhalten habe. Die Formulierungen im notariellen Vertrag einer Beurteilung zugrunde zu legen, sei lebensfremd.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 28. März 2006 aufzuheben und festzustellen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit in der Firma H. E. vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1999 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die übrigen Beteiligten haben sich inhaltlich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Die (damalige) Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit dem Beteiligten am 17. Juli 2007 erörtert und H. E. als Zeugen gehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Offen gelassen werden kann, ob die Klage bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist (zur Möglichkeit, die Zulässigkeit einer Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses offen zu lassen s. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl.2005, Rn. 13c vor § 51), da etwaige rückzuerstattende Beiträge verjährt sind (§ 27 Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Der entsprechenden Ansicht des Senats, wie sie zuletzt in dem vom SG zitierten Urteil vom 8. März 2005, L 11 KR 2015/04, vertreten worden ist, hat der 4. Senat des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27. Januar 2006, L 4 KR 702/03) widersprochen, weil es zumindest hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung in der Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers liegt, die Verjährungseinrede zu erheben. Einer Entscheidung bedarf es hier aber nicht (ebenso zuletzt Urteil des Senats vom 17. April 2007, L 11 KR 2644/05). Die Klage ist jedenfalls nicht begründet. Der Kläger war im streitigen Zeitraum sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Die Beklagte stellt als Einzugstelle die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest (§ 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 168 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes bis 31. Dezember 1997, ersetzt durch § 25 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV (seit 1. Januar 1999 § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; vgl. zuletzt Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist.
Hieran gemessen war der Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum Beschäftigter und damit sozialversicherungspflichtig.
Das Verhältnis des Klägers zu dem von der Beigeladenen zu 4 betriebenen Unternehmen stellt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Senats als ein in der betrieblichen Praxis nicht untypischer Entwicklungsprozess eines Hineinwachsens der jüngeren Familienangehörigen in die Unternehmensnachfolge dar. Der Kläger war schon mit etwa 12 Jahren im Betrieb tätig, kannte Kunden und Lieferanten. Er arbeitete im Unternehmen mit, seine Ausbildung war darauf ausgerichtet, ihm zumindest die Möglichkeit einer Tätigkeit im Unternehmen zu eröffnen. Mit dem Tode des Vaters intensivierte sich seine Tätigkeit wie diejenige seines Bruders. Spätestens jetzt bestand ein Arbeitsverhältnis, auch wenn der Arbeitsvertrag nur mündlich abgeschlossenen wurde. Ob der Kläger aufgrund seines Alters und seiner betriebswirtschaftlichen Ausbildung damals überhaupt schon in der Lage war, das Unternehmen selbstständig zu leiten, kann der Senat offen lassen. Die Frage zu bejahen würde jedenfalls nicht bedeuten, dass er diese Leitung auch tatsächlich innehatte. Nach der Überzeugung des Senats wählte man vielmehr eine andere Lösung. Die gerade gegenüber dem Kundenstamm wichtige Kontinuität der Unternehmensleitung wurde durch Beibehaltung des Namens ("H. E.") und durch die Fortführung in Person der Beigeladenen zu 4 als Witwe des verstorbenen früheren Unternehmensinhabers gewahrt. Mit dem Kläger und seinem Bruder bestand jeweils ein Arbeitsverhältnis, auch wenn klar war, dass sich ihre Kompetenzen innerhalb des Unternehmens zunehmend erweiterten. Grundsätzlich bestand Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auf Erholungsurlaub, auch wenn dies - bei der engen familiären Bindung der Beteiligten nicht ungewöhnlich - nur wenig und nur nach betrieblichen Erfordernissen in Anspruch genommen wurde. Das Arbeitsentgelt des Klägers wurde als Betriebsausgabe gebucht und es wurden hierauf Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet.
Die zuletzt genannten Gesichtspunkte haben Gewicht. Zwar hat die Beigeladene zu 4 angegeben, sie wisse nicht, warum ihre Söhne zur Sozialversicherung angemeldet worden seien, dies habe der Steuerberater gemacht. Wenn sie damit aber eine wesentliche Möglichkeiten der Gestaltung dem Steuerberater überließ, ist auch keine gegenteiliger Wille erkennbar, den Kläger und seinen Bruder als selbstständig Tätige anzusehen und entsprechend zu behandeln. Es ist auch nicht glaubhaft, dass der Kläger nach dem Tod seines Vaters nur deswegen zur Sozialversicherung angemeldet wurde, weil man dachte, dies sei der einzige machbare Weg für eine Tätigkeit im Unternehmen, wie der Kläger im Erörterungstermin angegeben hat. Schon dem Kläger selbst muss auf Grund seiner Ausbildung klar gewesen sein, dass dies nicht zutrifft.
Die Leitung des Unternehmens blieb auch nach außen hin in der Hand der Beigeladenen zu 4, die auch zuvor schon mit der Buchhaltung einen nicht unwesentlichen Bereich für den Betrieb übernommen hatte. Dies zeigte sich etwa darin, dass im Zusammenhang mit den auf Grund einer Betriebsprüfung nachgeforderten Beiträgen der Name des Betriebes als "H. E. Landwirtschaftliches Lagerhaus z. Hd. Fr. E." angegeben wurde (Bescheid vom 27. Januar 2000). Der Kläger hatte zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters seine Ausbildung auch noch gar nicht abgeschlossen. Die Diplomprüfung legte er erst am 30. September 1989 ab. Die Prüfung der Sachkenntnis für die Abgabe von Pflanzenschutzmitteln absolvierte er am 30. November 1989.
Der Kläger war damit in den Betrieb eingegliedert und unterlag dem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 4 als Arbeitgeberin. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter engen Verwandten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (vgl. BSG, Urteil vom 21. April 1993, SozR 3-4100 § 168 Nr. 11). Ebenfalls unschädlich ist, dass von dem Weisungsrecht vor allem im fachlichen Bereich nicht vollumfänglich Gebrauch gemacht wurde. Je höher die Qualifikation des Beschäftigten ist, desto geringer sind in der Regel die Weisungen, die ihm zur Erfüllung der ihm gestellten Aufgaben erteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 1981, 12 RK 11/80). So würde es nicht verwundern, wenn die Beigeladene zu 4 - der gegenüber der Kläger, was die Warenkunde, den Verkauf, aber auch den Umgang mit Banken und Behörden betraf, höher qualifiziert war - von ihrem Weisungsrecht keinen Gebrauch machte. Das ändert jedoch nichts daran, dass das Weisungsrecht bestand.
Ein eigenes Unternehmerrisiko, ebenfalls typisches Merkmal einer selbstständige Tätigkeit, bestand für den Kläger nicht. Das Einzelunternehmen wurde allein von der Beigeladenen zu 1 betrieben. Sie wäre von etwaigen Gläubigern in Haftung genommen worden. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger maßgebliche Verhandlungen mit den Banken selbst führte. Dieses gehörte zu seinen kaufmännischen Aufgaben im Unternehmen. Wenn er Kunden über den Kauf von Betriebsmitteln (Pflanzenschutzmittel, Futter) beriet, gilt gleiches. Es mag sein, dass der Kläger seine Arbeitszeit frei gestalten konnte. Dies entspricht der familiären Prägung, mit der das Unternehmen betrieben wurde. Angesichts der vom Kläger geltend gemachten Arbeitszeit von mehr als 80 Stunden wöchentlich war dieses Gestaltungsrecht auch mehr eine theoretisches. Die erst im Berufungsverfahren vorgetragene eigene Zeichnung von Wechseln durch den Kläger - deren Häufigkeit und zeitliche Zuordnung unklar sind - führt ebenfalls nicht zur Teilnahme am Unternehmensrisiko. Denn dies machten auch der Vater und die Beigeladenen zu 4 so und nur nach Gelegenheit auch der Kläger selbst, so dass auch dies zu seinen Aufgaben im kaufmännischen Bereich zu rechnen ist. Außerdem konnte erwartet werden, dass die Beigeladene zu 4 hierfür unmittelbar einstand. Das sie hierzu nicht in der Lage war, ist nicht erkennbar.
Ein weiterer Schritt in der Intensivierung der Tätigkeit des Klägers für das Unternehmen war der Abschluss der Tantieme-Vereinbarung im Juli 1994. Hieraus wird deutlich, dass sich der Kläger und seine Bruder überaus stark in dem Betrieb engagierten. Letzteres ist jedoch nicht verwunderlich, denn beide konnten darauf rechnen, den Betrieb später selbst zu übernehmen, wie dies dann auch geschehen ist. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Tantieme-Vereinbarung war die Übernahme des Unternehmens jedoch nicht erfolgt. Dies wird bereits durch die darin gewählten Formulierungen deutlich, wonach der Kläger und sein Bruder die Beigeladene zu 4 nach dem Tod des Vaters unterstützt hätten; das Arbeitsverhältnis wurde ausdrücklich bestätigt. Diese Formulierungen zeigen auch die Richtigkeit der Bewertung für die Zeit davor. Dass der Kläger und sein Bruder nun unmittelbar am Unternehmenserfolg beteiligt wurden und sich die Beigeladene zu 4 darauf beschränkte, ein Fixum von 36.000 DM aus dem Unternehmen zu beziehen, zeigt lediglich die stärkere Einbeziehung der Söhne in den wirtschaftlichen Ertrag des Familienunternehmens. Eine Änderung der für die Beurteilung der Beschäftigung maßgeblichen Kriterien, insbesondere der Eingliederung und der Weisungsgebundenheit, folgt hieraus nicht.
Erst mit der Übergabe des Unternehmens, insbesondere auch des Betriebsgrundstückes durch den notariellen Vertrag vom Dezember 2001 ergab sich eine neue Qualität der Beziehung des Klägers zur Beigeladenen zu 4 und zum Unternehmen. Es ist nicht lebensfremd, wie der Kläger meint, sondern entspricht gerade der allgemeinen Lebenserfahrung, dass erst eine rechtlich durchgeführte und damit vollzogene Betriebsübergabe von den Eltern auf die Kinder den (von allen Beteiligten auch als solchen wahrgenommenen) wirklichen "Einschnitt" in der Unternehmensnachfolge darstellt. Erst dann endet das allmähliche Hineinwachsen in eine etwaige Unternehmensnachfolge und erst dann existiert auch das bis dahin nach wie vor fortbestehende, wenn auch möglicherweise faktisch nicht mehr ausgeübte Weisungsrecht nicht weiter. Bis zum rechtlichen Vollzug einer Unternehmensnachfolge besteht dagegen immer noch die Möglichkeit, an der Nichtausübung eines Weisungsrechts jederzeit etwas zu ändern, so dass bis dahin sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht entsprechende Unsicherheiten verbleiben (vgl. Segebrecht/Wissing/Scheer/Wrage in: Juris-Praxiskommentar, § 7 SGB IV Rdnr. 125.1).
Im Ergebnis ist daher die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beklagten nicht zu beanstanden und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger während seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 4 in der Zeit vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1999 sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Der 1965 geborene Kläger ist Diplom-Betriebswirt (BA). Der Vater des Klägers betrieb bis zu seinem Tod am 7. Januar 1988 ein Fuhr- und Handelsunternehmen für Agrarprodukte und landwirtschaftliche Betriebsmittel. Dieses wurde von der Beigeladenen zu 4, der Mutter des Klägers, fortgeführt. Auch der Kläger und sein Bruder Thomas waren in dem Unternehmen tätig. Mit dem Kläger bestand ein mündlicher Arbeitsvertrag. Im Krankheitsfall wurde Arbeitsentgelt für sechs Wochen fortgezahlt. Urlaub wurde nach betrieblichen Erfordernissen gewährt. Das Arbeitsentgelt des Klägers wurde als Betriebsausgabe gebucht und es wurden hierauf Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet.
Am 10. Juli 1994 trafen der Kläger, die Beigeladene zu 4 und sein Bruder T. eine "Tantieme-Vereinbarung". Danach unterstützten die Söhne die Mutter seit dem Tode des Vaters in der Betriebsführung durch die Beteiligung an der Leitungsfunktion und im Rahmen überdurchschnittlichen Einsatzes. Dies sei mit einem regelmäßigen Gehalt nur eingeschränkt abgeltbar. Der Kläger und sein Bruder sollten aus dem jeweiligen positiven Jahresergebnis eine Tantieme erhalten, die hälftig aufzuteilen sei. Diese errechne sich aus dem Jahresüberschuss - vor Steuern - abzüglich 36.000 DM verbleibende Tätigkeitsvergütung für die Beigeladene zu 4 (§§ 2, 3 der Vereinbarung). Das unbefristet bestehende Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und seinem Bruder werde "ausdrücklich bestätigt"; es gelte insoweit unverändert fort (§ 1 der Vereinbarung).
Zum 1. Juli 2001 übergab die Mutter des Klägers das Unternehmen mit dem Betriebsgrundstück (3155 qm) zu gleichen Teilen an den Kläger und seinen Bruder (notarieller Vertrag vom 20. Dezember 2001), die dieses als offene Handelsgesellschaft fortführten (Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 2001).
Am 31. Oktober 2005 beantragte der Kläger die Überprüfung seiner Sozialversicherungspflicht. Er gab an, das Unternehmen bis 31. Dezember 1999 als kaufmännischer Leiter gesteuert zu haben. Er habe den Einkauf gemacht und Verhandlungen mit den Banken über Darlehensbereitstellungen geführt. Mitarbeiter habe er selbstständig einstellen und auch entlassen können. Außerdem habe er Kunden über den Kauf von Betriebsmitteln (Pflanzenschutzmittel, Futter) beraten. Auf Grund seiner Fachkompetenz habe er nicht den Weisungen seiner Mutter unterlegen. Den zeitlichen Ablauf, den Ort und die Art seiner Tätigkeit habe er selbst bestimmen können.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2006 stellte die Beklagte fest, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe und der Kläger bis 31. Dezember 1999 versicherungspflichtig in der Sozialversicherung gewesen sei.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Er habe mit der Einstellung, der Schulung gegebenenfalls auch der Entlassung von Mitarbeitern als auch mit dem eigenständigen Abschluss von Kunden- und die Lieferantenverträgen seit Januar 1988 die betriebliche Struktur nachhaltig mitgestaltet. Über Jahre hinweg habe er auch keinen Urlaub genommen und dauerhaft mehr als 80 Wochenstunden gearbeitet.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2006 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat seine Rechtsansicht mit der Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) weiter verfolgt. Mit Urteil vom 28. Februar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da ein etwaiger Anspruch auf Rückzahlung der wegen fehlender Sozialversicherungspflicht zu Unrecht entrichteten Sozialversicherungsbeiträge jedenfalls verjährt sei.
Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 8. März 2007 zugestellte Urteil am 5. April 2007 Berufung eingelegt. Er vertritt die Ansicht, dass zumindest der Erstattungsanspruch wegen zu Unrecht zur Rentenversicherung entrichteter Beiträge nicht verjährt sei. Im Übrigen verweist er auf seine Ausführungen vor dem SG. Er habe wegen der Tantieme-Vereinbarung und der eigenen Zeichnung von Wechseln für das Unternehmen am Unternehmensrisiko teilgehabt. Aus der Tantieme-Vereinbarung ergebe sich kein Hinweis auf ein Beschäftigungsverhältnis, da die Beigeladene zu 4 dadurch den typischen Unternehmensertrag verloren und nur noch eine Entlohnung von 36.000 DM erhalten habe. Die Formulierungen im notariellen Vertrag einer Beurteilung zugrunde zu legen, sei lebensfremd.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 28. März 2006 aufzuheben und festzustellen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit in der Firma H. E. vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1999 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die übrigen Beteiligten haben sich inhaltlich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Die (damalige) Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit dem Beteiligten am 17. Juli 2007 erörtert und H. E. als Zeugen gehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Offen gelassen werden kann, ob die Klage bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist (zur Möglichkeit, die Zulässigkeit einer Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses offen zu lassen s. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl.2005, Rn. 13c vor § 51), da etwaige rückzuerstattende Beiträge verjährt sind (§ 27 Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Der entsprechenden Ansicht des Senats, wie sie zuletzt in dem vom SG zitierten Urteil vom 8. März 2005, L 11 KR 2015/04, vertreten worden ist, hat der 4. Senat des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27. Januar 2006, L 4 KR 702/03) widersprochen, weil es zumindest hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung in der Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers liegt, die Verjährungseinrede zu erheben. Einer Entscheidung bedarf es hier aber nicht (ebenso zuletzt Urteil des Senats vom 17. April 2007, L 11 KR 2644/05). Die Klage ist jedenfalls nicht begründet. Der Kläger war im streitigen Zeitraum sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Die Beklagte stellt als Einzugstelle die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest (§ 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 168 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes bis 31. Dezember 1997, ersetzt durch § 25 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV (seit 1. Januar 1999 § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; vgl. zuletzt Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist.
Hieran gemessen war der Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum Beschäftigter und damit sozialversicherungspflichtig.
Das Verhältnis des Klägers zu dem von der Beigeladenen zu 4 betriebenen Unternehmen stellt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Senats als ein in der betrieblichen Praxis nicht untypischer Entwicklungsprozess eines Hineinwachsens der jüngeren Familienangehörigen in die Unternehmensnachfolge dar. Der Kläger war schon mit etwa 12 Jahren im Betrieb tätig, kannte Kunden und Lieferanten. Er arbeitete im Unternehmen mit, seine Ausbildung war darauf ausgerichtet, ihm zumindest die Möglichkeit einer Tätigkeit im Unternehmen zu eröffnen. Mit dem Tode des Vaters intensivierte sich seine Tätigkeit wie diejenige seines Bruders. Spätestens jetzt bestand ein Arbeitsverhältnis, auch wenn der Arbeitsvertrag nur mündlich abgeschlossenen wurde. Ob der Kläger aufgrund seines Alters und seiner betriebswirtschaftlichen Ausbildung damals überhaupt schon in der Lage war, das Unternehmen selbstständig zu leiten, kann der Senat offen lassen. Die Frage zu bejahen würde jedenfalls nicht bedeuten, dass er diese Leitung auch tatsächlich innehatte. Nach der Überzeugung des Senats wählte man vielmehr eine andere Lösung. Die gerade gegenüber dem Kundenstamm wichtige Kontinuität der Unternehmensleitung wurde durch Beibehaltung des Namens ("H. E.") und durch die Fortführung in Person der Beigeladenen zu 4 als Witwe des verstorbenen früheren Unternehmensinhabers gewahrt. Mit dem Kläger und seinem Bruder bestand jeweils ein Arbeitsverhältnis, auch wenn klar war, dass sich ihre Kompetenzen innerhalb des Unternehmens zunehmend erweiterten. Grundsätzlich bestand Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auf Erholungsurlaub, auch wenn dies - bei der engen familiären Bindung der Beteiligten nicht ungewöhnlich - nur wenig und nur nach betrieblichen Erfordernissen in Anspruch genommen wurde. Das Arbeitsentgelt des Klägers wurde als Betriebsausgabe gebucht und es wurden hierauf Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet.
Die zuletzt genannten Gesichtspunkte haben Gewicht. Zwar hat die Beigeladene zu 4 angegeben, sie wisse nicht, warum ihre Söhne zur Sozialversicherung angemeldet worden seien, dies habe der Steuerberater gemacht. Wenn sie damit aber eine wesentliche Möglichkeiten der Gestaltung dem Steuerberater überließ, ist auch keine gegenteiliger Wille erkennbar, den Kläger und seinen Bruder als selbstständig Tätige anzusehen und entsprechend zu behandeln. Es ist auch nicht glaubhaft, dass der Kläger nach dem Tod seines Vaters nur deswegen zur Sozialversicherung angemeldet wurde, weil man dachte, dies sei der einzige machbare Weg für eine Tätigkeit im Unternehmen, wie der Kläger im Erörterungstermin angegeben hat. Schon dem Kläger selbst muss auf Grund seiner Ausbildung klar gewesen sein, dass dies nicht zutrifft.
Die Leitung des Unternehmens blieb auch nach außen hin in der Hand der Beigeladenen zu 4, die auch zuvor schon mit der Buchhaltung einen nicht unwesentlichen Bereich für den Betrieb übernommen hatte. Dies zeigte sich etwa darin, dass im Zusammenhang mit den auf Grund einer Betriebsprüfung nachgeforderten Beiträgen der Name des Betriebes als "H. E. Landwirtschaftliches Lagerhaus z. Hd. Fr. E." angegeben wurde (Bescheid vom 27. Januar 2000). Der Kläger hatte zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters seine Ausbildung auch noch gar nicht abgeschlossen. Die Diplomprüfung legte er erst am 30. September 1989 ab. Die Prüfung der Sachkenntnis für die Abgabe von Pflanzenschutzmitteln absolvierte er am 30. November 1989.
Der Kläger war damit in den Betrieb eingegliedert und unterlag dem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 4 als Arbeitgeberin. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter engen Verwandten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (vgl. BSG, Urteil vom 21. April 1993, SozR 3-4100 § 168 Nr. 11). Ebenfalls unschädlich ist, dass von dem Weisungsrecht vor allem im fachlichen Bereich nicht vollumfänglich Gebrauch gemacht wurde. Je höher die Qualifikation des Beschäftigten ist, desto geringer sind in der Regel die Weisungen, die ihm zur Erfüllung der ihm gestellten Aufgaben erteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 1981, 12 RK 11/80). So würde es nicht verwundern, wenn die Beigeladene zu 4 - der gegenüber der Kläger, was die Warenkunde, den Verkauf, aber auch den Umgang mit Banken und Behörden betraf, höher qualifiziert war - von ihrem Weisungsrecht keinen Gebrauch machte. Das ändert jedoch nichts daran, dass das Weisungsrecht bestand.
Ein eigenes Unternehmerrisiko, ebenfalls typisches Merkmal einer selbstständige Tätigkeit, bestand für den Kläger nicht. Das Einzelunternehmen wurde allein von der Beigeladenen zu 1 betrieben. Sie wäre von etwaigen Gläubigern in Haftung genommen worden. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger maßgebliche Verhandlungen mit den Banken selbst führte. Dieses gehörte zu seinen kaufmännischen Aufgaben im Unternehmen. Wenn er Kunden über den Kauf von Betriebsmitteln (Pflanzenschutzmittel, Futter) beriet, gilt gleiches. Es mag sein, dass der Kläger seine Arbeitszeit frei gestalten konnte. Dies entspricht der familiären Prägung, mit der das Unternehmen betrieben wurde. Angesichts der vom Kläger geltend gemachten Arbeitszeit von mehr als 80 Stunden wöchentlich war dieses Gestaltungsrecht auch mehr eine theoretisches. Die erst im Berufungsverfahren vorgetragene eigene Zeichnung von Wechseln durch den Kläger - deren Häufigkeit und zeitliche Zuordnung unklar sind - führt ebenfalls nicht zur Teilnahme am Unternehmensrisiko. Denn dies machten auch der Vater und die Beigeladenen zu 4 so und nur nach Gelegenheit auch der Kläger selbst, so dass auch dies zu seinen Aufgaben im kaufmännischen Bereich zu rechnen ist. Außerdem konnte erwartet werden, dass die Beigeladene zu 4 hierfür unmittelbar einstand. Das sie hierzu nicht in der Lage war, ist nicht erkennbar.
Ein weiterer Schritt in der Intensivierung der Tätigkeit des Klägers für das Unternehmen war der Abschluss der Tantieme-Vereinbarung im Juli 1994. Hieraus wird deutlich, dass sich der Kläger und seine Bruder überaus stark in dem Betrieb engagierten. Letzteres ist jedoch nicht verwunderlich, denn beide konnten darauf rechnen, den Betrieb später selbst zu übernehmen, wie dies dann auch geschehen ist. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Tantieme-Vereinbarung war die Übernahme des Unternehmens jedoch nicht erfolgt. Dies wird bereits durch die darin gewählten Formulierungen deutlich, wonach der Kläger und sein Bruder die Beigeladene zu 4 nach dem Tod des Vaters unterstützt hätten; das Arbeitsverhältnis wurde ausdrücklich bestätigt. Diese Formulierungen zeigen auch die Richtigkeit der Bewertung für die Zeit davor. Dass der Kläger und sein Bruder nun unmittelbar am Unternehmenserfolg beteiligt wurden und sich die Beigeladene zu 4 darauf beschränkte, ein Fixum von 36.000 DM aus dem Unternehmen zu beziehen, zeigt lediglich die stärkere Einbeziehung der Söhne in den wirtschaftlichen Ertrag des Familienunternehmens. Eine Änderung der für die Beurteilung der Beschäftigung maßgeblichen Kriterien, insbesondere der Eingliederung und der Weisungsgebundenheit, folgt hieraus nicht.
Erst mit der Übergabe des Unternehmens, insbesondere auch des Betriebsgrundstückes durch den notariellen Vertrag vom Dezember 2001 ergab sich eine neue Qualität der Beziehung des Klägers zur Beigeladenen zu 4 und zum Unternehmen. Es ist nicht lebensfremd, wie der Kläger meint, sondern entspricht gerade der allgemeinen Lebenserfahrung, dass erst eine rechtlich durchgeführte und damit vollzogene Betriebsübergabe von den Eltern auf die Kinder den (von allen Beteiligten auch als solchen wahrgenommenen) wirklichen "Einschnitt" in der Unternehmensnachfolge darstellt. Erst dann endet das allmähliche Hineinwachsen in eine etwaige Unternehmensnachfolge und erst dann existiert auch das bis dahin nach wie vor fortbestehende, wenn auch möglicherweise faktisch nicht mehr ausgeübte Weisungsrecht nicht weiter. Bis zum rechtlichen Vollzug einer Unternehmensnachfolge besteht dagegen immer noch die Möglichkeit, an der Nichtausübung eines Weisungsrechts jederzeit etwas zu ändern, so dass bis dahin sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht entsprechende Unsicherheiten verbleiben (vgl. Segebrecht/Wissing/Scheer/Wrage in: Juris-Praxiskommentar, § 7 SGB IV Rdnr. 125.1).
Im Ergebnis ist daher die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beklagten nicht zu beanstanden und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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