Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 U 13/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 195/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 91/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.09.2007 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Entlassung aus der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Klägerin betreibt seit dem 01.04.1997 ein Unternehmen im Gerüstbauergewerbe. Mit Bescheid vom 21.07.1997 stellte die Beklagte ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit für das Unternehmen fest. Mit Bescheid vom 22.07.1997 veranlagte die Beklagte die Klägerin in die Gefahrtarifstellen 11 (Kaufmännisches, technisches Personal), 10 (zum Unternehmen gehörendes Reinigungspersonal) und 02 (Gerüstbau, Gerüstverleih) ihres ab dem 01.01.1993 gültigen Gefahrtarifes.
Mit Schreiben vom 11.06.2004 und 14.06.2004 erklärte die Klägerin die "Kündigung der Zwangsmitgliedschaft" bei der Beklagten. Mit weiterem Schreiben vom 19.07.2004 erklärte die Klägerin nochmals die "Kündigung der Pflichtmitgliedschaft" mit Wirkung zum 31.12.2004 unter Fristsetzung zur schriftlichen Bestätigung der Wirksamkeit des Austritts bis zum 09.08.2004.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 13.08.2004 mit, ein Bescheid über das Ende der Zuständigkeit für das Unternehmen könne erst erfolgen, wenn das Unternehmen gewerberechtlich abgemeldet werde. Eine Beendigung der Zuständigkeit für das Unternehmen im Voraus sei nicht möglich.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie wolle die Absicherung ihrer Arbeitnehmer gegen die Risiken des Arbeitsunfalls und der Berufskrankheiten künftig privat vornehmen. Die Aufrechterhaltung der Pflichtmitgliedschaft verstoße gegen die Art. 49 ff, 81 ff des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) und gegen die Verfassung.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2004 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, das Begehren auf Entlassung aus der Pflichtmitgliedschaft erweise sich schon in tatsächlicher Hinsicht als unsubstantiiert, denn es sei nicht dargelegt und nachgewiesen, dass die Klägerin für ihre Arbeitnehmer einen den Regelungen des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) vollumfänglich entsprechenden Unfallversicherungsschutz gewährleisten und für die Zukunft sicherstellen könne. Eine Stattgabe des Antrages würde mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere des Verfassungsrechts, offensichtlich unvereinbar sein, zumal ein solches Handeln massiv in die Grundrechte der betroffenen versicherten Arbeitnehmer eingreifen würde. Die gesetzlichen Grundlagen, die eine Versicherungspflicht mit freier Wahlmöglichkeit betreffend die Versicherung der Risiken von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ausschlössen, seien mit dem Recht der Europäischen Union und der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache C-218/00 (= EuGHE 2002, I 691 - INAIL) und dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11.11.2003 (B 2 U 16/03 R - BSGE 91, 263 ff. = SozR 4 - 2700 § 150 Nr. 1) ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Aufrechterhaltung der gesetzlich festgelegten Einbeziehung des klägerischen Unternehmens in die deutsche gesetzliche Unfallversicherung gegen die Vorschriften der Art. 49 ff, 81 ff EGV verstoße. Auch ein Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) liege nicht vor, denn alle bisher mit der gesetzlich festgelegten Einbeziehung von Unternehmen in die Unfallversicherung befassten Gerichte hätten die Vereinbarkeit der Vorschriften des SGB VII mit dem GG bejaht.
Mit der dagegen am 01.02.2005 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Das Unfallversicherungsmonopol der Berufsgenossenschaften (BGen) verletze die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs nach Art. 49, 50 EGV. Zudem sei die Tätigkeit der BGen als unternehmerische Betätigung zu bewerten und unterliege damit dem Wettbewerbsrecht der Art. 81 ff. EGV. Dies gelte auch angesichts der Entscheidung des EuGH zur Beurteilung der italienischen gesetzlichen Unfallversicherung INAIL. Die dortigen Kriterien seien - entgegen der Auffassung des BSG in dessen Urteil vom 11.11.2003 (aaO) - bei den BGen in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfüllt. Das BSG habe in dem Revisionsverfahren demnach die Pflicht zur Vorlage zum EuGH nach Art. 234 Abs. 3 EGV gehabt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.09.2007, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
Gegen das am 19.09.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.09.2007 Berufung eingelegt und sich im Wesentlichen auf ihren umfänglichen Vortrag aus dem Klageverfahren bezogen. Ergänzend trägt sie vor, soweit das BSG in seinem Urteil vom 20.03.2007 - B 2 U 9/06 R - ausführe, dass ein umlagefinanziertes Versicherungssystem, auch wenn seine Ausgestaltung ganz oder teilweise übergeordneten Rechtsgrundsätzen widersprechen sollte, nicht ad hoc durch eine Gerichtsentscheidung außer Kraft, sondern nur vom Gesetzgeber mit einer ausreichend langen Übergangsfrist unter Wahrung bereits entstandener Ansprüche in ein anderes, verfassungs- und europarechtskonformes System überführt werden könne, spreche hiergegen die rechtliche und zeitliche Wirkung der Vorabentscheidungsurteile des EuGH nach Art. 234 EGV. Insofern werde angeregt, den Rechtsstreit entweder wegen Vorgreiflichkeit nach § 114 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen oder aber sich dem Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 24.07.2007 - L 6 U 2/06 - anzuschließen und das Verfahren ebenfalls nach Art. 234 EGV an den EuGH vorzulegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.09.2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2004 zu verpflichten, den Aufnahmebescheid vom 21.07.1997 für die Zeit ab dem 01.01.2005 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte (Az.: 000) Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2004 rechtmäßig und die Klägerin deshalb nicht beschwert ist. Der Aufnahmebescheid der Beklagten vom 21.07.1997 ist bestandskräftig geworden und damit nach § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend. Die Klägerin kann weder nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) noch nach § 48 SGB X die Rücknahme bzw. Aufhebung dieses bindenden Verwaltungsaktes beanspruchen. Der Aufnahmebescheid war nämlich weder zum Zeitpunkt des Erlasses rechtswidrig (§ 44 SGB X) noch ist er dies durch eine Änderung der Sach- oder Rechtslage geworden (§ 48 SGB X).
Nach § 121 Abs. 1 SGB VII sind die gewerblichen BGen für alle Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten) zuständig, soweit sich nicht eine Zuständigkeit der landwirtschaftlichen BGen oder der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand ergibt. Die dadurch fortdauernd normierte Einbeziehung der Klägerin in die gesetzliche Unfallversicherung sowie die damit einhergehende Mitgliedschaft bei der Beklagten ist zur Überzeugung des Senats mit höherrangigem Recht vereinbar. Namentlich verstößt die Zwangsmitgliedschaft der Klägerin zur gesetzlichen Unfallversicherung weder gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht (hierzu unter I.) noch gegen das Grundgesetz (hierzu unter II.). Dies entspricht einer inzwischen ständigen gefestigten Rechtsprechung (vgl. nur BSG, Urteil vom 11.11.2003, aaO; Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 34/05 R - Die Berufsgenossenschaft 2007, 102 ff.; Urteil vom 20.03.2007 - B 2 U 9/06 R - ; Senatsurteile vom 14.09.2005 - L 17 U 138/05 = Die Berufsgenossenschaft 2006, 30 ff. und vom 07.02.2007 - L 17 U 31/06; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.08.2006 - L 15 U 30/06; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.04.2007 - L 9 U 5363/05). Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BSG vom 11.11.2003, aaO, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 30.08.2007 - 1 BvR 429/04).
I.
Die Einbeziehung der Klägerin in die gesetzliche Unfallversicherung und die damit einhergehende (Zwangs-)Mitgliedschaft bei der Beklagten steht zur Überzeugung des Senats im Einklang mit dem EGV; einer Vorlage an den EuGH bedarf es insoweit nicht.
1.
Die gemeinschaftsrechtlichen Regeln der Wettbewerbsfreiheit nach Art. 81, 82 EGV sind durch die öffentlich-rechtlich organisierte Pflichtversicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten in Gestalt der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung nicht verletzt. Die Wettbewerbsregelungen der Art. 81 f. EGV sollen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen bzw. Verhaltensweisen der im gemeinsamen Markt tätigen Wirtschaftsunternehmen sowie eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung eines solchen Unternehmens verhindern und einen ungehinderten Handel zwischen den Mitgliedsstaaten ermöglichen. Diese Verbote gelten, wie sich aus der Übersicht des ersten Abschnitts in Kapitel 1, Titel VI des EGV ergibt, nur für Unternehmen. Keine Unternehmen im Sinne des funktionalen Unternehmensbegriffs und damit von den Wettbewerbsregelungen ausgenommen sind hingegen staatlich organisierte und beaufsichtigte Sozialversicherungssysteme, die keinen Marktgesetzlichkeiten folgen, sondern einem sozialen Zweck dienen und wesentlich nach dem Grundsatz der Solidarität aufgebaut sind (EuGH, Urteil vom 17.02.1993 in den verbundenen Rechtssachen C-159/91 und C-160/91; Poucet Pistere, [EuGHE 1993, I-637 Rdnr. 18 ff.]; zur Abgrenzung vgl. Urteil vom 16.11.1995 in der Rechtssache C-244/94 Federation Francaise de Societes d`assurance u. a., [EuGHE 1995, I-4013 Rdnr. 17 ff.] und Urteil vom 21.09.1999 in der Rechtssache C-67/96, Albany, [EuGHE 1999, I-5751 Rdnr. 81 ff.]).
Nach diesen Kriterien haben sowohl das BSG in seinen Urteilen vom 11.11.2003, 09.05.2006 und vom 20.03.2007, jeweils aaO, als auch der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 14.09.2005 und 07.02.2007 ausführlich das Fehlen eines Verstoßes gegen das Monopolverbot der Art. 81, 82 EGV dargelegt. Unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 22.01.2002 (aaO) wurde bereits die Unternehmereigenschaft des staatlichen italienischen Unfallversicherungsträgers INAIL verneint. Das BSG hat mit seinen Entscheidungen vom 09.05.2006 und 20.03.2007 (jeweils aaO) die deutschen BGen erneut nicht als Unternehmen iSv Art. 81, 82 EGV qualifiziert. Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung auch weiterhin an. Maßgeblich sind dafür - wie bisher zutreffend und wie bereits im Senatsurteil vom 14.09.2005 (aaO) dargelegt - folgende wesentliche Aspekte:
Finanzierung nach dem Umlageverfahren und nicht nach dem Kapitaldeckungsprinzip, gesetzliche Fixierung von Leistungen und Beiträgen bei Bestehen einer staatlichen Aufsicht unter strenger gesetzlicher Vorgabe ohne Möglichkeit zur freien, marktwirtschaftlichen Grundsätzen entsprechenden Tarifgestaltung, der systemimmanente Solidarausgleich unter Einbeziehung weiterer Elemente wie Fremdrentenleistungen, Wegeunfallversicherung bzw. Versicherungspflicht ohne vorherige Gesundheitsprüfung und schließlich der gesetzlich vorgesehene Lastenausgleich (§§ 176 ff. SGB VII) zwischen den einzelnen BGen, der in einem marktwirtschaftlich organisierten System nicht zu verwirklichen wäre. Hingegen führt auch nicht zur Unternehmereigenschaft der Beklagten die eng begrenzte Ausnahmevorschrift über die freiwillige Versicherung bestimmter Personenkreise gemäß § 6 SGB VII. Hierbei geht es, wie der Senat ebenfalls bereits mit Urteil vom 14.09.2005 (aaO) ausgeführt hat, eben nicht um eine Gewinnmaximierung zu Gunsten der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern um einen Anreiz für den vorgenannten Personenkreis, sich selbst in dem für Arbeitnehmer geschaffenen Versicherungssystem (freiwillig) zu versichern und das Eigeninteresse der Unternehmer an diesem Versicherungszweck zu wecken, wobei die Ausnahmevorschrift des § 6 SGB VII der gesetzlichen Unfallversicherung keinesfalls das Gepräge gibt. Insoweit gilt schließlich weiterhin, dass das europäische Gemeinschaftsrecht nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme sozialer Sicherheit nicht berührt (EuGH, Urteil vom 22.01.2002, aaO). Dazu zählt auch der Schutz der gesamten oder Teile der Bevölkerung gegen die Risiken von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, wie er durch die deutsche gesetzliche Unfallversicherung bewirkt wird. Die Ausgestaltung der Unfallversicherung und damit auch der freiwilligen Unternehmerversicherung ist mithin - europarechtsgemäß - eine in eigener Zuständigkeit der jeweiligen nationalen Gesetzgebung vorbehaltene Rechtsmaterie (Senatsurteile vom 14.09.2005 und 07.02.2007, jeweils aaO).
Die von der Klägerin unter Bezugnahme auf Teile der Literatur (Seewald, SGb 2004, 387 ff., 453 ff.; Giesen, ZESAR 2004, 151 ff.) gegen das Urteil des BSG vom 11.11.2003 (aaO) erhobenen Einwände ändern an der Überzeugung des Senats nach eigener Überprüfung im Einklang mit den jüngsten Urteilen des BSG vom 09.05.2006 und 20.03.2007 im Ergebnis nichts. Denn neben der Haftungsersetzung bezweckt die gesetzliche Unfallversicherung, entgegen der Auffassung von Seewald, auch die Realisierung des sozialen Schutzprinzips. Sowohl das differenzierte Beitrags- als auch Entschädigungsrecht erweist, dass die gesetzliche Unfallversicherung eine solidarische Zusammenfassung der jeweils erfassten Unternehmen darstellt und wegen seiner Strukturen zu Recht gesetzlich strikt fixierten Aufsichtsregeln unterliegt. Ebenso wie zur Meinung von Seewald gilt auch zu der Auffassung von Giesen, dass es sich dabei letztlich um abweichende ordnungspolitische Überlegungen handelt, die nicht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH stehen (so BSG, aaO; vgl. ferner Fuchs, SGb 2005, 365 ff.; Keller, JURIS Praxis-Report SozR 25/2006 vom 14.12.2006, Anm. 4),wobei namentlich nach dem Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes allein eine Änderung durch den Bundesgesetzgeber, nicht jedoch durch die Judikative eröffnet ist.
2.
Neben der fehlenden Unternehmenseigenschaft der Beklagten - und bereits deshalb mangelnden Verletzung des Monopolverbots der Art. 81, 82 EGV - ist die BG-Zwangsmitgliedschaft der Klägerin auch mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49, 50 EGV) vereinbar. Denn sowohl die passive als auch die aktive innergemeinschaftliche Dienstleistungsfreiheit ist durch das System der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung nach ständiger Rechtsprechung nicht verletzt (vgl. Senatsurteile vom 14.09.2005 und 07.02.2007, jeweils aaO; BSG, Urteile vom 11.11.2003 und vom 09.05.2006, jeweils aaO), weil sich diese Ausgestaltung des nationalen Systems der sozialen Sicherheit durch eine solidarisch finanzierte staatliche Pflichtversicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Rahmen der europarechtlich abgesicherten Befugnisse des deutschen Gesetzgebers bewegt. Dabei kann ein etwaiges Eigeninteresse der Klägerin, selbst private Leistungen der Unfallversicherung gegen Entgelt anzubieten, dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist es ihr nach dem oben zum fehlenden Verstoß gegen europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 81, 82 EGV, Ausgeführten zu Recht nicht möglich, ohne Sitzveränderung privaten Unfallversicherungsschutz in anderen Gemeinschaftsländern zu vermeintlich günstigeren Bedingungen zu erwerben. Dies folgt aus der insgesamt europarechtskonformen Gesetzeslage in der Bundesrepublik und ist - anders etwa als bei teilweise zulässigem Leistungsexport bzw. -import in der insoweit noch nach anderen Kriterien hinsichtlich Leistungserbringern etc. zu beurteilenden gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung -, so auch gewollt und zur Systemerhaltung bewusst ausgestaltet.
3.
Schließlich ist zur Überzeugung des Senats auch kein Anlass gegeben, eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 EGV einzuholen. Denn im Lichte der o.a. Rechtsprechung des BSG, der der erkennende Senat folgt, ist die Frage der Europarechtskonformität des Monopols der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung als ausreichend geklärt anzusehen. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 30.08.2007, aaO, im Übrigen ausdrücklich ausgeführt, dass das BSG in seinem Urteil vom 11.11.2003, aaO, eine Vorlagepflicht an den EuGH in vertretbarer Weise verneint habe.
II.
Die Bestimmungen des SGB VII über die Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung sowie die Beitragslast der Klägerin sind schließlich auch verfassungskonform. Denn sie verletzen keine Grundrechte der Klägerin und sind insbesondere mit den Regelungen der Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar, wie sich aus Entscheidungen des BVerfG zu vergleichbaren Systemen in anderen Zweigen der Sozialversicherung ergibt (BVerfGE 10, 354, 361 ff; BVerfGE 12, 319, 323 ff; BVerfGE 44, 70, 89 ff.; vgl. im Übrigen speziell zur gesetzlichen Unfallversicherung BVerfG, Beschluss vom 30.07.1985 - 1 BvR 282/85 - SozR 2200 § 543 RVO Nr. 6).
Danach wird dem Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Rechte des Einzelnen und den Erfordernissen einer sozialstaatlichen Ordnung eine weite Gestaltungsmacht zur Ausgestaltung der Sozialversicherungssysteme zugebilligt (ebenso Urteil des LSG NRW vom 08.08.2006, aaO). Anhaltspunkte dafür, dass die Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit gegenüber der Klägerin bei der Ausführung der gesetzlichen Unfallversicherung durch die Beklagte überschritten worden seien, sind hier vom Senat nicht festzustellen. Angesichts der bereits vorliegenden ständigen Rechtsprechung nimmt der Senat insoweit hinsichtlich der fehlenden Verletzung von Grundrechten der Klägerin, namentlich der Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (Eigentumsgarantie), Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) und Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit), zur Vermeidung von Wiederholungen begründend auf sein Urteil vom 14.09.2005, aaO, Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Entlassung aus der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Klägerin betreibt seit dem 01.04.1997 ein Unternehmen im Gerüstbauergewerbe. Mit Bescheid vom 21.07.1997 stellte die Beklagte ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit für das Unternehmen fest. Mit Bescheid vom 22.07.1997 veranlagte die Beklagte die Klägerin in die Gefahrtarifstellen 11 (Kaufmännisches, technisches Personal), 10 (zum Unternehmen gehörendes Reinigungspersonal) und 02 (Gerüstbau, Gerüstverleih) ihres ab dem 01.01.1993 gültigen Gefahrtarifes.
Mit Schreiben vom 11.06.2004 und 14.06.2004 erklärte die Klägerin die "Kündigung der Zwangsmitgliedschaft" bei der Beklagten. Mit weiterem Schreiben vom 19.07.2004 erklärte die Klägerin nochmals die "Kündigung der Pflichtmitgliedschaft" mit Wirkung zum 31.12.2004 unter Fristsetzung zur schriftlichen Bestätigung der Wirksamkeit des Austritts bis zum 09.08.2004.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 13.08.2004 mit, ein Bescheid über das Ende der Zuständigkeit für das Unternehmen könne erst erfolgen, wenn das Unternehmen gewerberechtlich abgemeldet werde. Eine Beendigung der Zuständigkeit für das Unternehmen im Voraus sei nicht möglich.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie wolle die Absicherung ihrer Arbeitnehmer gegen die Risiken des Arbeitsunfalls und der Berufskrankheiten künftig privat vornehmen. Die Aufrechterhaltung der Pflichtmitgliedschaft verstoße gegen die Art. 49 ff, 81 ff des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) und gegen die Verfassung.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2004 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, das Begehren auf Entlassung aus der Pflichtmitgliedschaft erweise sich schon in tatsächlicher Hinsicht als unsubstantiiert, denn es sei nicht dargelegt und nachgewiesen, dass die Klägerin für ihre Arbeitnehmer einen den Regelungen des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) vollumfänglich entsprechenden Unfallversicherungsschutz gewährleisten und für die Zukunft sicherstellen könne. Eine Stattgabe des Antrages würde mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere des Verfassungsrechts, offensichtlich unvereinbar sein, zumal ein solches Handeln massiv in die Grundrechte der betroffenen versicherten Arbeitnehmer eingreifen würde. Die gesetzlichen Grundlagen, die eine Versicherungspflicht mit freier Wahlmöglichkeit betreffend die Versicherung der Risiken von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ausschlössen, seien mit dem Recht der Europäischen Union und der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache C-218/00 (= EuGHE 2002, I 691 - INAIL) und dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11.11.2003 (B 2 U 16/03 R - BSGE 91, 263 ff. = SozR 4 - 2700 § 150 Nr. 1) ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Aufrechterhaltung der gesetzlich festgelegten Einbeziehung des klägerischen Unternehmens in die deutsche gesetzliche Unfallversicherung gegen die Vorschriften der Art. 49 ff, 81 ff EGV verstoße. Auch ein Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) liege nicht vor, denn alle bisher mit der gesetzlich festgelegten Einbeziehung von Unternehmen in die Unfallversicherung befassten Gerichte hätten die Vereinbarkeit der Vorschriften des SGB VII mit dem GG bejaht.
Mit der dagegen am 01.02.2005 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Das Unfallversicherungsmonopol der Berufsgenossenschaften (BGen) verletze die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs nach Art. 49, 50 EGV. Zudem sei die Tätigkeit der BGen als unternehmerische Betätigung zu bewerten und unterliege damit dem Wettbewerbsrecht der Art. 81 ff. EGV. Dies gelte auch angesichts der Entscheidung des EuGH zur Beurteilung der italienischen gesetzlichen Unfallversicherung INAIL. Die dortigen Kriterien seien - entgegen der Auffassung des BSG in dessen Urteil vom 11.11.2003 (aaO) - bei den BGen in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfüllt. Das BSG habe in dem Revisionsverfahren demnach die Pflicht zur Vorlage zum EuGH nach Art. 234 Abs. 3 EGV gehabt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.09.2007, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
Gegen das am 19.09.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.09.2007 Berufung eingelegt und sich im Wesentlichen auf ihren umfänglichen Vortrag aus dem Klageverfahren bezogen. Ergänzend trägt sie vor, soweit das BSG in seinem Urteil vom 20.03.2007 - B 2 U 9/06 R - ausführe, dass ein umlagefinanziertes Versicherungssystem, auch wenn seine Ausgestaltung ganz oder teilweise übergeordneten Rechtsgrundsätzen widersprechen sollte, nicht ad hoc durch eine Gerichtsentscheidung außer Kraft, sondern nur vom Gesetzgeber mit einer ausreichend langen Übergangsfrist unter Wahrung bereits entstandener Ansprüche in ein anderes, verfassungs- und europarechtskonformes System überführt werden könne, spreche hiergegen die rechtliche und zeitliche Wirkung der Vorabentscheidungsurteile des EuGH nach Art. 234 EGV. Insofern werde angeregt, den Rechtsstreit entweder wegen Vorgreiflichkeit nach § 114 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen oder aber sich dem Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 24.07.2007 - L 6 U 2/06 - anzuschließen und das Verfahren ebenfalls nach Art. 234 EGV an den EuGH vorzulegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.09.2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2004 zu verpflichten, den Aufnahmebescheid vom 21.07.1997 für die Zeit ab dem 01.01.2005 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte (Az.: 000) Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2004 rechtmäßig und die Klägerin deshalb nicht beschwert ist. Der Aufnahmebescheid der Beklagten vom 21.07.1997 ist bestandskräftig geworden und damit nach § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend. Die Klägerin kann weder nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) noch nach § 48 SGB X die Rücknahme bzw. Aufhebung dieses bindenden Verwaltungsaktes beanspruchen. Der Aufnahmebescheid war nämlich weder zum Zeitpunkt des Erlasses rechtswidrig (§ 44 SGB X) noch ist er dies durch eine Änderung der Sach- oder Rechtslage geworden (§ 48 SGB X).
Nach § 121 Abs. 1 SGB VII sind die gewerblichen BGen für alle Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten) zuständig, soweit sich nicht eine Zuständigkeit der landwirtschaftlichen BGen oder der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand ergibt. Die dadurch fortdauernd normierte Einbeziehung der Klägerin in die gesetzliche Unfallversicherung sowie die damit einhergehende Mitgliedschaft bei der Beklagten ist zur Überzeugung des Senats mit höherrangigem Recht vereinbar. Namentlich verstößt die Zwangsmitgliedschaft der Klägerin zur gesetzlichen Unfallversicherung weder gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht (hierzu unter I.) noch gegen das Grundgesetz (hierzu unter II.). Dies entspricht einer inzwischen ständigen gefestigten Rechtsprechung (vgl. nur BSG, Urteil vom 11.11.2003, aaO; Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 34/05 R - Die Berufsgenossenschaft 2007, 102 ff.; Urteil vom 20.03.2007 - B 2 U 9/06 R - ; Senatsurteile vom 14.09.2005 - L 17 U 138/05 = Die Berufsgenossenschaft 2006, 30 ff. und vom 07.02.2007 - L 17 U 31/06; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.08.2006 - L 15 U 30/06; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.04.2007 - L 9 U 5363/05). Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BSG vom 11.11.2003, aaO, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 30.08.2007 - 1 BvR 429/04).
I.
Die Einbeziehung der Klägerin in die gesetzliche Unfallversicherung und die damit einhergehende (Zwangs-)Mitgliedschaft bei der Beklagten steht zur Überzeugung des Senats im Einklang mit dem EGV; einer Vorlage an den EuGH bedarf es insoweit nicht.
1.
Die gemeinschaftsrechtlichen Regeln der Wettbewerbsfreiheit nach Art. 81, 82 EGV sind durch die öffentlich-rechtlich organisierte Pflichtversicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten in Gestalt der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung nicht verletzt. Die Wettbewerbsregelungen der Art. 81 f. EGV sollen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen bzw. Verhaltensweisen der im gemeinsamen Markt tätigen Wirtschaftsunternehmen sowie eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung eines solchen Unternehmens verhindern und einen ungehinderten Handel zwischen den Mitgliedsstaaten ermöglichen. Diese Verbote gelten, wie sich aus der Übersicht des ersten Abschnitts in Kapitel 1, Titel VI des EGV ergibt, nur für Unternehmen. Keine Unternehmen im Sinne des funktionalen Unternehmensbegriffs und damit von den Wettbewerbsregelungen ausgenommen sind hingegen staatlich organisierte und beaufsichtigte Sozialversicherungssysteme, die keinen Marktgesetzlichkeiten folgen, sondern einem sozialen Zweck dienen und wesentlich nach dem Grundsatz der Solidarität aufgebaut sind (EuGH, Urteil vom 17.02.1993 in den verbundenen Rechtssachen C-159/91 und C-160/91; Poucet Pistere, [EuGHE 1993, I-637 Rdnr. 18 ff.]; zur Abgrenzung vgl. Urteil vom 16.11.1995 in der Rechtssache C-244/94 Federation Francaise de Societes d`assurance u. a., [EuGHE 1995, I-4013 Rdnr. 17 ff.] und Urteil vom 21.09.1999 in der Rechtssache C-67/96, Albany, [EuGHE 1999, I-5751 Rdnr. 81 ff.]).
Nach diesen Kriterien haben sowohl das BSG in seinen Urteilen vom 11.11.2003, 09.05.2006 und vom 20.03.2007, jeweils aaO, als auch der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 14.09.2005 und 07.02.2007 ausführlich das Fehlen eines Verstoßes gegen das Monopolverbot der Art. 81, 82 EGV dargelegt. Unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 22.01.2002 (aaO) wurde bereits die Unternehmereigenschaft des staatlichen italienischen Unfallversicherungsträgers INAIL verneint. Das BSG hat mit seinen Entscheidungen vom 09.05.2006 und 20.03.2007 (jeweils aaO) die deutschen BGen erneut nicht als Unternehmen iSv Art. 81, 82 EGV qualifiziert. Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung auch weiterhin an. Maßgeblich sind dafür - wie bisher zutreffend und wie bereits im Senatsurteil vom 14.09.2005 (aaO) dargelegt - folgende wesentliche Aspekte:
Finanzierung nach dem Umlageverfahren und nicht nach dem Kapitaldeckungsprinzip, gesetzliche Fixierung von Leistungen und Beiträgen bei Bestehen einer staatlichen Aufsicht unter strenger gesetzlicher Vorgabe ohne Möglichkeit zur freien, marktwirtschaftlichen Grundsätzen entsprechenden Tarifgestaltung, der systemimmanente Solidarausgleich unter Einbeziehung weiterer Elemente wie Fremdrentenleistungen, Wegeunfallversicherung bzw. Versicherungspflicht ohne vorherige Gesundheitsprüfung und schließlich der gesetzlich vorgesehene Lastenausgleich (§§ 176 ff. SGB VII) zwischen den einzelnen BGen, der in einem marktwirtschaftlich organisierten System nicht zu verwirklichen wäre. Hingegen führt auch nicht zur Unternehmereigenschaft der Beklagten die eng begrenzte Ausnahmevorschrift über die freiwillige Versicherung bestimmter Personenkreise gemäß § 6 SGB VII. Hierbei geht es, wie der Senat ebenfalls bereits mit Urteil vom 14.09.2005 (aaO) ausgeführt hat, eben nicht um eine Gewinnmaximierung zu Gunsten der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern um einen Anreiz für den vorgenannten Personenkreis, sich selbst in dem für Arbeitnehmer geschaffenen Versicherungssystem (freiwillig) zu versichern und das Eigeninteresse der Unternehmer an diesem Versicherungszweck zu wecken, wobei die Ausnahmevorschrift des § 6 SGB VII der gesetzlichen Unfallversicherung keinesfalls das Gepräge gibt. Insoweit gilt schließlich weiterhin, dass das europäische Gemeinschaftsrecht nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme sozialer Sicherheit nicht berührt (EuGH, Urteil vom 22.01.2002, aaO). Dazu zählt auch der Schutz der gesamten oder Teile der Bevölkerung gegen die Risiken von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, wie er durch die deutsche gesetzliche Unfallversicherung bewirkt wird. Die Ausgestaltung der Unfallversicherung und damit auch der freiwilligen Unternehmerversicherung ist mithin - europarechtsgemäß - eine in eigener Zuständigkeit der jeweiligen nationalen Gesetzgebung vorbehaltene Rechtsmaterie (Senatsurteile vom 14.09.2005 und 07.02.2007, jeweils aaO).
Die von der Klägerin unter Bezugnahme auf Teile der Literatur (Seewald, SGb 2004, 387 ff., 453 ff.; Giesen, ZESAR 2004, 151 ff.) gegen das Urteil des BSG vom 11.11.2003 (aaO) erhobenen Einwände ändern an der Überzeugung des Senats nach eigener Überprüfung im Einklang mit den jüngsten Urteilen des BSG vom 09.05.2006 und 20.03.2007 im Ergebnis nichts. Denn neben der Haftungsersetzung bezweckt die gesetzliche Unfallversicherung, entgegen der Auffassung von Seewald, auch die Realisierung des sozialen Schutzprinzips. Sowohl das differenzierte Beitrags- als auch Entschädigungsrecht erweist, dass die gesetzliche Unfallversicherung eine solidarische Zusammenfassung der jeweils erfassten Unternehmen darstellt und wegen seiner Strukturen zu Recht gesetzlich strikt fixierten Aufsichtsregeln unterliegt. Ebenso wie zur Meinung von Seewald gilt auch zu der Auffassung von Giesen, dass es sich dabei letztlich um abweichende ordnungspolitische Überlegungen handelt, die nicht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH stehen (so BSG, aaO; vgl. ferner Fuchs, SGb 2005, 365 ff.; Keller, JURIS Praxis-Report SozR 25/2006 vom 14.12.2006, Anm. 4),wobei namentlich nach dem Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes allein eine Änderung durch den Bundesgesetzgeber, nicht jedoch durch die Judikative eröffnet ist.
2.
Neben der fehlenden Unternehmenseigenschaft der Beklagten - und bereits deshalb mangelnden Verletzung des Monopolverbots der Art. 81, 82 EGV - ist die BG-Zwangsmitgliedschaft der Klägerin auch mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49, 50 EGV) vereinbar. Denn sowohl die passive als auch die aktive innergemeinschaftliche Dienstleistungsfreiheit ist durch das System der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung nach ständiger Rechtsprechung nicht verletzt (vgl. Senatsurteile vom 14.09.2005 und 07.02.2007, jeweils aaO; BSG, Urteile vom 11.11.2003 und vom 09.05.2006, jeweils aaO), weil sich diese Ausgestaltung des nationalen Systems der sozialen Sicherheit durch eine solidarisch finanzierte staatliche Pflichtversicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Rahmen der europarechtlich abgesicherten Befugnisse des deutschen Gesetzgebers bewegt. Dabei kann ein etwaiges Eigeninteresse der Klägerin, selbst private Leistungen der Unfallversicherung gegen Entgelt anzubieten, dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist es ihr nach dem oben zum fehlenden Verstoß gegen europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 81, 82 EGV, Ausgeführten zu Recht nicht möglich, ohne Sitzveränderung privaten Unfallversicherungsschutz in anderen Gemeinschaftsländern zu vermeintlich günstigeren Bedingungen zu erwerben. Dies folgt aus der insgesamt europarechtskonformen Gesetzeslage in der Bundesrepublik und ist - anders etwa als bei teilweise zulässigem Leistungsexport bzw. -import in der insoweit noch nach anderen Kriterien hinsichtlich Leistungserbringern etc. zu beurteilenden gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung -, so auch gewollt und zur Systemerhaltung bewusst ausgestaltet.
3.
Schließlich ist zur Überzeugung des Senats auch kein Anlass gegeben, eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 EGV einzuholen. Denn im Lichte der o.a. Rechtsprechung des BSG, der der erkennende Senat folgt, ist die Frage der Europarechtskonformität des Monopols der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung als ausreichend geklärt anzusehen. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 30.08.2007, aaO, im Übrigen ausdrücklich ausgeführt, dass das BSG in seinem Urteil vom 11.11.2003, aaO, eine Vorlagepflicht an den EuGH in vertretbarer Weise verneint habe.
II.
Die Bestimmungen des SGB VII über die Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung sowie die Beitragslast der Klägerin sind schließlich auch verfassungskonform. Denn sie verletzen keine Grundrechte der Klägerin und sind insbesondere mit den Regelungen der Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar, wie sich aus Entscheidungen des BVerfG zu vergleichbaren Systemen in anderen Zweigen der Sozialversicherung ergibt (BVerfGE 10, 354, 361 ff; BVerfGE 12, 319, 323 ff; BVerfGE 44, 70, 89 ff.; vgl. im Übrigen speziell zur gesetzlichen Unfallversicherung BVerfG, Beschluss vom 30.07.1985 - 1 BvR 282/85 - SozR 2200 § 543 RVO Nr. 6).
Danach wird dem Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Rechte des Einzelnen und den Erfordernissen einer sozialstaatlichen Ordnung eine weite Gestaltungsmacht zur Ausgestaltung der Sozialversicherungssysteme zugebilligt (ebenso Urteil des LSG NRW vom 08.08.2006, aaO). Anhaltspunkte dafür, dass die Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit gegenüber der Klägerin bei der Ausführung der gesetzlichen Unfallversicherung durch die Beklagte überschritten worden seien, sind hier vom Senat nicht festzustellen. Angesichts der bereits vorliegenden ständigen Rechtsprechung nimmt der Senat insoweit hinsichtlich der fehlenden Verletzung von Grundrechten der Klägerin, namentlich der Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (Eigentumsgarantie), Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) und Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit), zur Vermeidung von Wiederholungen begründend auf sein Urteil vom 14.09.2005, aaO, Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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